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12.07.2009
 

Gegen einen faulen Frieden bei der Rechtschreibung
„Man müsste nur wollen“

Am 1. August 2009 wird die reformierte Rechtschreibung an Schweizer Schulen verbindlich. Doch sie ist ein elendes Flickwerk und muss rückgängig gemacht werden, schreibt Manfred Papst in der NZZ am Sonntag.

Seit dreizehn Jahren dauert diese traurige Posse nun an. Die deutsche Rechtschreibreform von 1996 war von Anfang an ein Murks und wurde von der Sprachgemeinschaft nie akzeptiert. Spätestens 2004 hätte man sich eingestehen müssen, dass sie gescheitert ist. Die einzige saubere Lösung hätte darin bestanden, sie zurückzunehmen. Stattdessen wurde weiter hilflos an ihr herumgeflickt, und als das Chaos perfekt war, wurde sie mit behördlicher Gewalt durchgepaukt. Am 1. August dieses Jahres wird die neue Regelung an den Schweizer Schulen verbindlich und damit notenwirksam. Das hiess es zwar schon einmal – vor genau vier Jahren. Dann gab es doch noch einmal eine Übergangsfrist, in der die Lehrer eine gewisse „Korrekturtoleranz“ üben durften. Nun aber soll es endgültig ernst gelten. Vom neuen Schuljahr an werden die Kinder also bestraft werden, wenn sie so schreiben, wie sie es täglich in den meisten Büchern und Zeitungen lesen.

Niemand findet das Regelwerk in seiner jetzigen Form überzeugend. Zudem sind die Schulen in keiner Weise darauf vorbereitet, es umzusetzen. Aber viele Kämpfer sind müde geworden und zu einem faulen Frieden bereit, während die verantwortlichen Instanzen glauben, nicht mehr zurückzukönnen. Auch darin irren sie.

Die Rechtschreibreform hatte das Ziel, die Orthographie zu vereinfachen, doch sie erreichte das Gegenteil. Wo es seit 1901 differenzierte, strikte Regeln und somit ein hohes Mass an Rechtssicherheit gegeben hatte, richtete sie mit ihren so zahlreichen wie halbherzigen Um- und Rückbauten ein heilloses Durcheinander an.

„Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein“, heisst es bei Matthäus. Die Rede der Reformer war: „sowohl als auch, vielleicht auch anders, mal so, mal so.“ Sie haben sich in Hunderten von Fällen nicht für die eine oder die andere Schreibweise entschieden, sondern dafür, mehrere „Varianten“ gelten zu lassen. Damit wollten sie das Schreiben vereinfachen – und schufen doch nur Unsicherheit. In anderen Belangen mag die Devise „Anything goes“ das Leben erleichtern. Das Schreiben wird durch sie erschwert, weil man sich viel mehr merken muss. Statt einer richtigen Schreibweise gibt es nun in vielen Fällen zwei, eine bevorzugte und eine geduldete. Welche ist welche? Und ist das Richtige nun eine Variante des Falschen? Da kennen sich auch Lehrer und Redaktoren nicht mehr aus.

In mehrerer Hinsicht sind die Reformer von falschen Prämissen ausgegangen. Zum Ersten stellten sie nicht in Rechnung, dass die Sprache ein historisch gewachsener Organismus ist und dass jedes Wort seine Geschichte hat. Deshalb schreiben wir etwa in „Kikeriki“, „nie“, „Vieh“, „Grand Prix“ und „Logis“ das lange i auf fünf verschiedene Arten. Zum Zweiten stellten sie (vermeintliche) Einfachheit über Genauigkeit. Sie richteten ihre Empfehlungen auf Menschen aus, die sich selten oder ungern der Sprache bedienen. Diese sollten es leichter haben als bisher und deshalb möglichst viel getrennt schreiben dürfen („wohl bekannt“, „so genannt“), möglichst viel gross („heute Morgen“, „es tut mir Leid“), und sie sollten bei der Zeichensetzung und Worttrennung mehr Spielraum bekommen – ohne Rücksicht auf Satzbau und Wortstamm. Hinter dieser Verwässerung der bisherigen Vorschriften stand die sonderbare Idee, ein Regelwerk müsse den Schwachen oder Desinteressierten entgegenkommen. Man stelle sich einmal vor, wie mathematische Gesetze oder juristische Definitionen aussähen, wenn man im Sinne allgemeiner Bekömmlichkeit alles Exakte und Differenzierte aus ihnen verbannte!

In der Praxis hat die Rechtschreibreform zu einem wild wuchernden Pluralismus geführt. Einige Buch- und Zeitungsverlage haben die Neuerungen mitvollzogen, die meisten (und wichtigsten) haben sich ihnen verweigert oder sich von ihnen abgekehrt. Etliche Verlagshäuser pflegen ihre eigene Hausorthographie. Selbst bei den Lehrmitteln herrscht alles andere als Einheitlichkeit, und die einst massgebenden, mehr oder weniger reformtreuen Wörterbücher wie „Duden“ und „Wahrig“ widersprechen sich und einander in vielen Punkten.

Dass die Reform nun zum Gesetz erhoben wird, ist ein Schildbürgerstreich. Als Ausweg bietet sich derzeit einzig ein Moratorium an. Die gewonnene Zeit darf aber von der Erziehungsdirektorenkonferenz nicht wie bisher verplempert werden. Sie muss endlich Nägel mit Köpfen machen. Und das ist noch nicht einmal so schwierig. Ein konsistenter und praktikabler, von der Schweizer Orthographischen Konferenz ausgearbeiteter Vorschlag für eine sinnvolle Rechtschreibung (Grundsatz: „bei Varianten die herkömmliche“) liegt auf dem Tisch. Man könnte ihn tel quel übernehmen. Man müsste nur wollen.



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Kommentare zu »Gegen einen faulen Frieden bei der Rechtschreibung«
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Kommentar von St. Galler Tagblatt, 31. Juli 2009, verfaßt am 08.08.2009 um 00.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=624#7940

Ära der Rechtschreibungen
Ab dem 1. August wird die neue Rechtschreibung in den Schulen notenwirksam – die meisten Zeitungen bleiben bei der alten.

Von Eva Bachmann

Peter Bichsels äusserlich harmlose Kindergeschichte «Ein Tisch ist ein Tisch» führt schlagend vor Augen, wie sehr unsere Verständigung auf Konventionen basiert: Wir haben abgemacht, dass «Tisch» die Platte mit vier Beinen meint – bricht einer aus, versteht ihn bald keiner mehr: «Am Mann blieb der alte Fuss lang im Bild läuten, um neun stellte das Fotoalbum, der Fuss fror auf und blätterte sich auf den Schrank, damit er nicht an die Morgen schaute», dichtet Bichsel.

Ende der Übergangsfrist

So weit sind wir noch lange nicht. Doch schon die Veränderung einiger Konventionen zur Schreibung von Wörtern hat einen Streit entfacht, der seit nunmehr zwanzig Jahren andauert. Jetzt wird ein Schlussstrich gezogen: Am 1. August geht die dreijährige Übergangsfrist zu Ende, Behörden und Amtsstellen dürfen nur noch nach den neuen Regeln schreiben.

In den Schulen wurden bisher die neuen Regeln zwar gelehrt, neu werden aber Verstösse dagegen auch als Fehler bewertet und also notenwirksam.

Noch im Juni hatte die Schweizerische Orthographische Konferenz (SOK) an einer Tagung eine Resolution verabschiedet, die ein Moratorium verlangt, bis eine einheitliche und sprachrichtige Orthographie gefunden sei (vgl. Ausgabe vom 6. Juni). Die Erziehungsdirektorenkonferenz EDK hat dies abgelehnt.

Sie vertritt die Schweiz im internationalen Rat für deutsche Rechtschreibung und hält einen Alleingang für unsinnig. Auch der Lehrerinnen- und Lehrerverband stellt sich hinter die Reform: Ihr Präsident Beat W. Zemp sagte gegenüber der Nachrichtenagentur sda, er erwarte keine Schreckensszenarien, für die Schüler seien die neuen Regeln kein Neuland, sie würden seit Jahren darin unterrichtet.

EDK gegen SOK

Die EDK hat Weisungsbefugnis für amtliche Zwecke und Schulen. Die SOK, in der sich Sprachwissenschafter mit Medien und Verlagen zusammengetan haben, hat indes einen eigenen Katalog mit Empfehlungen zur Rechtschreibung erarbeitet, die von Nachrichtenagenturen und Zeitungen – auch vom Tagblatt – angewandt werden. Damit entsteht in der Schweiz nun die Situation, dass mehrere Rechtschreibungen gebräuchlich sind. Oder anders gesagt: Schreibt ein Schüler so wie die Zeitung, zückt sein Lehrer den Rotstift. Fehler!

Das wahre Schlamassel

Orthographie ist eine reine Konvention. Die einen wollen sie möglichst einfach halten, um den Schreibenden entgegenzukommen, die anderen möchten lieber mehr Möglichkeiten zur Differenzierung, um den Lesenden hohe Eindeutigkeit zu bieten. Die beiden Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber, eine Übereinkunft zur Orthographie scheint derzeit nicht möglich. Das ist das wahre Schlamassel.

Viele professionell Schreibende wünschen sich heute nicht mehr explizit die alte oder die neue, wohl aber eine verbindliche Rechtschreibung.

(www.tagblatt.ch)


Kommentar von NZZ online, 23. Juli 2009, verfaßt am 03.08.2009 um 23.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=624#7913

Nur noch Sprachpuristen leisten Widerstand
Die «Akte Rechtschreibreform» wird an den Schulen fürs Erste geschlossen

Ab August werden in Schulaufsätzen Verstösse gegen alle neuen Schreibregeln geahndet. Lehrer und Schulbehörden rechnen nach elf Jahren Erfahrung mit dem neuen Regelwerk mit keinerlei Problemen. Der Schlusspunkt unter die Rechtschreibreform sei eine Marginalie, im SMS-Zeitalter gebe es weit gravierendere Probleme im Schreibunterricht.

Von Walter Hagenbüchle

Am Bundesfeiertag tritt nach Ablauf einer dreijährigen Übergangsfrist bei der neuen Rechtschreibung an den Schulen der notenrelevante Ernstfall in Kraft. Lehrpersonen sind ab dann angehalten, definitiv den Rotstift anzusetzen, wenn Schüler nicht die seit August 2006 teilrevidierten Orthographie- und Interpunktionsregeln anwenden. Damit wird auch in der Schweiz ein Schlusspunkt unter eine von weiten Kreisen als wenig befriedigend empfundene Rechtschreibreform gesetzt, die Mitte der neunziger Jahre von Sprachwissenschaftern und den Kultusministern der deutschsprachigen Staaten angestossen worden war. Ziel der Anpassungen waren eine verstärkt der Sprachlogik gehorchende Schreibweise und eine sinngemässere Interpunktion. Was in hehrer Absicht geschah, geriet durch die Einmischung zu vieler Experten und Politiker indes bald zu einem inkongruenten Flickwerk, das wenig Freude machte. Offenkundig aber schien im Zeitalter elektronischer Formen sprachlich verkürzter Kommunikation via E-Mail, SMS und Internet-Chat eine breite Öffentlichkeit weder Lust noch Zeit für eine engagierte Reflexion über die eigene schriftliche Sprachkultur zu haben. So nahm das Regelwerk in Österreich, Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz praktisch ungehindert alle Hürden und wurde ab Juli 1999 umgesetzt.

(www.nzz.ch)


Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 27.07.2009 um 23.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=624#7873

Wenn einem keine wirklichen Argumente zu Gebote stehen, macht man den Gegner verächtlich. Das ist schon eine sehr erbärmliche Art und Weise, der Obrigkeit gefällig zu sein. Na was soll's, Speichellecker hat es immer gegeben und es wird sie immer geben. Wer sonst sollte den hohen Herren Beifall spenden, nachdem es das Amt des Hofnarren nicht mehr gibt!

Nur zu einem Punkt, muß ich persönlich mich noch äußern (der ganze Rest ist es einfach nicht wert):

Oder haben die Schweizer jemals Anstoss daran genommen, dass der Zürcher Diogenes-Verlag in seinen Büchern schon immer das Eszett des deutschen Nachbarn verwendet? Sie lesen die Bücher mit nicht weniger grossem Vergnügen.

Nun bin ich kein Schweizer und kann schon gar nicht für die Masse der schweizerischen Leser sprechen, sondern nur für mich selber. Ich jedenfalls habe kein Buch mehr von Diogenes gekauft, seitdem der Verlag sich freiwillig gleichgeschaltet hat. Daß der Züricher Verlag vorher das deutsche Eszett verwendet hat, war mir nicht so wichtig, denn ich habe früher auch Manesse-Bücher mit schweizerischer s-Schreibung gelesen. Nur daran, daß Diogenes sich nun der Heyseschen s-Schreibung samt Großschreibung von Adverbien und adverbialen Wendungen sowie Augstscher Etymogeleien bedient, nehme ich Anstoß und habe die Konsequenzen daraus gezogen. Ich habe nämlich etwas dagegen, als Kunde für dumm verkauft zu werden.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 27.07.2009 um 22.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=624#7872

Die regierungsamtliche und regierungstreue Beschimpfung derer, die sich mit der Rechtschreibung auskennen und deswegen die Pfusch- und Murks-Reform ablehnen, erinnert mich immer wieder an die Verächtlichtmachungen der "Intelligenzia", die sich einfach nicht gleichschalten ließ, in den totalitären Systemen. Nach dem Ende dieser Systeme gelten sie im nachhinein als die besten Köpfe ihres Volkes.


Kommentar von Tages-Anzeiger, Martin Ebel, verfaßt am 27.07.2009 um 21.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=624#7871

Rechtschreibereform: Schüler haben ganz andere Probleme
Von Martin Ebel. Aktualisiert am 22.07.2009

Die Rechtschreibung wird am 1. August endgültig amtlich - ihre Gegner wollen es nicht begreifen.

Als Letzte kommen die Schweizer ins Ziel. Hier endet am 31. Juli die letzte Übergangsfrist der Rechtschreibreform. Ab 1. August ist in Schulen und Behördenschriften alles an Veränderungen verbindlich, was 1996 beschlossen, 1998 eingeführt und 2006 noch einmal geringfügig modifiziert wurde. Die Österreicher sind schon seit einem Jahr so weit, die Deutschen seit 2007. Das Gros der neuen Regeln war ohnehin längst Vorschrift, es ging nur noch um einen Teilbereich.

Einigen geht es aber immer noch zu schnell, weil sie das Ziel selbst für falsch halten. Die Schweizer Orthografische Konferenz SOK (darin sitzen Sprachwissenschaftler, aber auch Verleger und Autoren) hat die politisch Verantwortlichen aufgerufen, ein Moratorium zu verfügen, und empfiehlt ausserdem ihre eigene Variante der Reform. Das geltende amtliche Regelwerk sei «widersprüchlich und mit Fehlern behaftet», heisst es zur Begründung.

Logisch wars auch vorher nicht

Kein überraschender Befund. Die Rechtschreibreform ist gross gestartet und in kläglichem Gezerre um Einzelfälle, Ausnahmen und Varianten versandet. Auch wenn sie im Grossen und Ganzen einen Fortschritt darstellt: Jeder, der sich ein bisschen mit der Sprache beschäftigt, kann sein Lieblingsbeispiel für mangelnde Logik finden. Er müsste aber auch zugeben: Logik und Sprache berühren sich nur am Rande; und wie logisch war eigentlich die Orthografie vor der Reform?

Hätten sie das Resultat der Reform gekannt, hätten ihre Initiatoren die Sache vielleicht gar nicht angepackt. Aber darum geht es heute nicht mehr. Die neuen Regeln werden seit vielen Jahren in den Schulen gelehrt; die Veränderungen, die durch den Rat für deutsche Rechtschreibung 2006 eingebracht wurden (unter Schweizer Beteiligung), sind ebenfalls längst angenommen und werden angewandt. Der neue Duden, jetzt in seiner 25. Auflage erschienen, hebt die neuen Schreibungen farblich gar nicht mehr hervor: Sie sind jetzt sprachlicher Alltag. Wer das ändern will, muss starke Argumente haben.

Die Reform-(und Reformreform-)Gegner haben das nicht. Sie stört neben der mangelnden Logik die fehlende Eindeutigkeit. Es geht also um die Varianten. Deren Zahl ist tatsächlich mit der Reform ins Kraut geschossen; das freut die Schüler, macht aber all denen Pein, die für Schriftprodukte verantwortlich sind. Deshalb haben Zeitungen und Medienagenturen die Varianten wieder beschränkt, und der Duden, nach wie vor das Referenzwerk, hat in seiner Ausgabe von 2006 Empfehlungen eingeführt (und die empfohlene Schreibweise gelb unterlegt).

Auch die SOK bietet Empfehlungen an; sie folgen öfter als der Duden den herkömmlichen Schreibungen. Auf anderen Gebieten will sie das Rad aber wieder ganz zurückdrehen: den Stängel wieder zum Stengel, den Tollpatsch zum Tolpatsch machen. Chancenlos.

Dass die mühsame Reformoperation nicht zum Tod des Patienten geführt hat, dass dieser vielmehr gehen bzw. lesen und schreiben kann; dass das mit catohafter Penetranz beschworene Schreibchaos nicht eingetreten ist: Das kann ein gelassener Beobachter nicht bestreiten. Ein solcher ist etwa Max Wey, langjähriger Chefkorrektor bei der «Weltwoche», der mit den neuen Regeln gute Erfahrungen gemacht hat und in der «Berner Zeitung» vom «unverhältnismässigen Theater» der ewigen Reformgegner spricht.

Schüler haben andere Probleme

An den Schulen kämpfen die Deutschlehrer heutzutage mit Problemen ganz anderen Ausmasses als der Frage, ob man «im Übrigen» gross (so die Reform) oder klein (so wills die SOK) schreiben soll, ob «der andere» und «der Andere» toleriert werden (Reform) oder nur die Kleinschreibung (SOK) oder «jedes Mal» wieder «jedesmal» heissen soll. Sie kämpfen mit Schülern, denen der Unterschied zwischen «das» (Artikel) und «dass» (Konjunktion) einfach nicht in den Kopf will. In den Zeitungen wird das geschriebene Deutsch nicht wegen der neuen Schreibungen schlechter, sondern wegen ausgedünnter Korrektorate und grösseren Produktionsdrucks. Und Behörden tun sich in alter und neuer Rechtschreibung schwer mit der Verständlichkeit.

Leser finden heute Bücher mit verschiedenen Orthografien; die wenigsten merken es, noch weniger stört es. Oder haben die Schweizer jemals Anstoss daran genommen, dass der Zürcher Diogenes-Verlag in seinen Büchern schon immer das Eszett des deutschen Nachbarn verwendet? Sie lesen die Bücher mit nicht weniger grossem Vergnügen.

Man soll der Rechtschreibung endlich etwas Ruhe gönnen. Vor allem aber ihren Anwendern!

Erstellt: 22.07.2009, 11:10 Uhr

(www.tagesanzeiger.ch)


Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 21.07.2009 um 23.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=624#7818

Man kann dann eigentlich nur hoffen, daß in der Schweiz möglichst viele "Sprachpuristen" gegen die erzwungene Durchsetzung der fehlerhaften und nicht akzeptierten Rechtschreibreform vor Gericht ziehen.

Eigentlich hatte ich von den Eidgenossen etwas mehr erhofft. Aber ich sehe da wohl einiges durch Schillers idealisierte Brille. Sein Tell hat ja bekanntlich auch nicht so viel mit dem historischen Vorbild gemeinsam. So gesehen können Literaturkenntnisse (hochwohlgeborene!) tatsächlich manchmal hinderlich sein.


Kommentar von Bernfried Janas, verfaßt am 21.07.2009 um 22.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=624#7817

Gibt es irgendein Thema, bei dem unwidersprochen derartig viel hanebüchener Unfug geredet und verbreitet wird, bis hinauf in die meinungsleitenden Medien und höchsten staatlichen Institutionen? Unfaßbar. Auf jedem anderen Gebiet würden die Fachvertreter vehement opponieren, würden sie die Hintergründe ausleuchten usw., hier haben sie es längst aufgegeben, soweit sie es je versucht haben, oder werden ignoriert. Wie auch die Folgen der mißratenen Aktion.


Kommentar von Galina Leljanowa, verfaßt am 21.07.2009 um 21.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=624#7816

NZZ Online vom 21. Juli 2009 um 19:22 Uhr

Nur noch Sprachpuristen leisten Widerstand
Die «Akte Rechtschreibreform» wird an den Schulen fürs Erste geschlossen / von Walter Hagenbüchle

Ab August werden in Schulaufsätzen Verstösse gegen alle neuen Schreibregeln geahndet. (Tönt schon fast wie ein Verbrechen!)

Unter dem Bild
‚Zum Haareraufen: Die neue Rechtschreibung’
bleibt diesem bedauernswerten Schüler bei einem Tipfehler hoffentlich das Gefängnis erspart.


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 13.07.2009 um 18.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=624#7790

„Man müsste nur wollen“

Der Ball liegt also bei den Mächtigen.
Aber welche Möglichkeiten hätten die, angesichts eines solchen Moratorium-Ultimatums?
Entweder Abkopplung der Schweiz vom restdeutschen Raum, oder Übernahme der Verpflichtung, die Arbeit im Rat alsbald zu einem gewünschten Ergebnis zu bringen, oder Ablehnung des Ansinnens. Die Ergebniswahrscheinlichkeit kann sich jeder selbst ausrechnen.

In eine andere, sprachrichtige Richtung kann so ein Unternehmen m. E. nur gehen, wenn die Mächtigen am Ende als die Retter von Sprache bzw. Schrift dastehen können. Mit ihnen muß also im "stillen Kämmerlein" eine Vorgangswiese vereinbart werden, die genau dieses Resultat vorsieht und sie müssen die Handelnden sein. Alles andere ist meines Erachtens Utopie, leider.

Daß so eine Vorgangsweise den geradlinigen, wissenschaftlich fundiert Argumentierenden zuwider ist, versteht sich, aber heute zählt nun mal nicht die Sache, sondern nur der Schein.



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