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09.01.2005
 

„Vorschläge sind den zuständigen staatlichen Stellen …
… vorzulegen und zu begründen“

Das Statut, nach dem der von der KMK eingesetzte Rat für deutsche Rechtschreibung zu arbeiten hat, ist erst am 16. 12., also einen Tag vor dessen konstituierender Sitzung, verabschiedet und am 17. 12. während der Sitzung an die Mitglieder verteilt worden.

Nun endlich liegt es auch uns vor. Es ist ein Dokument des Mißtrauens der KMK gegen die von ihr doch selbst zusammengestellte Mannschaft:

»Statut des Rats für deutsche Rechtschreibung (16.12.04)

1. Aufgaben des Rats und Geltungsbereich der Regelung

Zur Beobachtung und Weiterentwicklung der deutschen Rechtschreibung wird ein Rat für deutsche Rechtschreibung eingerichtet. Er soll die wichtigsten wissenschaftlich und praktisch an der Sprachentwicklung beteiligten Gruppen repräsentieren. Seine Vorschläge erhalten durch Beschluss der zuständigen staatlichen Stellen Bindung für Schule und Verwaltung. Dieser Rat hat die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks (Regeln und Wörterverzeichnis von 1996 in der Fassung von 2004) im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln.

Hierzu gehören insbesondere

• die ständige Beobachtung der Schreibentwicklung,
• die Klärung von Zweifelsfällen (der Rechtschreibung)
• die Erarbeitung und wissenschaftliche Begründung von Vorschlägen zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Wandel der Sprache.

Diese Vorschläge sind den zuständigen staatlichen Stellen in den regelmäßigen Berichten nach Ziff. 3.5 vorzulegen und zu begründen.

2. Zusammensetzung

Der Rat für deutsche Rechtschreibung besteht aus 37 Mitgliedern.

2.1 Bundesrepublik Deutschland

18 Mitglieder

Für Deutschland werden Einrichtungen wissenschaftlich ausgewiesene Fachleute für Orthografie beziehungsweise Personen, die besondere Erfahrungen und Kenntnisse mit Schreibregeln und Schreibpraxis aufweisen, entsenden. Diese Einrichtungen legt die Kultusministerkonferenz fest.

2.2 Republik Österreich

9 Mitglieder

Die Republik Österreich wird Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereich Didaktik, Wissenschaft und Öffentlichkeit nennen.

2.3 Schweiz

9 Mitglieder

2.4 Die Mitgliedschaft dauert sechs Jahre. Eine einmalige Wiederberufung ist möglich.

Die Mitglieder des Rates sind bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig, sie sind an Aufträge oder Weisungen nicht gebunden.

2.5 Die Ratsmitglieder sind ehrenamtlich tätig. Die Tragung der Kosten ist interne Angelegenheit der unterzeichnenden Staaten.

3. Organisation und Verfahren
3.1 Vorsitz

Als Vorsitzende/r soll eine ausgewiesene Persönlichkeit des öffentlichen Lebens mit besonderen Bezügen zum Aufgabenfeld des Rats gewonnen werden. Der/die Vorsitzende wird vom Rat auf gemeinsamen Vorschlag der Kultusministerkonferenz, des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kunst sowie der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren gewählt.

Er/Sie leitet die Sitzungen und vertritt den Rat nach außen.

3.2 Geschäftsstelle

Die Geschäftsstelle des Rates für deutsche Rechtschreibung wird am Institut für deutsche Sprache in Mannheim eingerichtet. Dieses ist in der Regel auch Sitzungsort.

3.3 Die Sitzungen des Rates sind in der Regel nicht öffentlich. An den Sitzungen können Vertreter der Unterzeichner der gemeinsamen Erklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung als Beobachter teilnehmen. Zu den Sitzungen können Sachverständige (z.B. Wissenschaftler, Vertreter von Verlagen) eingeladen werden.

3.4 Der Rat soll vor seinen Vorschlägen Vertretern der Schulen, insbesondere den Lehrer- und Elternvertretungen, sowie den für die Verwaltungssprache zuständigen Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme geben. In gleicher Weise sollen Vertreter solcher Einrichtungen angehört werden, die aufgrund ihres Umgangs mit Sprache und Rechtschreibung deren Fortentwicklung beurteilen können oder voraussichtlich an der Umsetzung der Beschlüsse des Rats beteiligt sein werden. Ein Rechtsanspruch auf Anhörung besteht nicht.

3.5 Über die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Ziffer 1 erstattet der Rat den zuständigen Stellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz in der Regel alle fünf Jahre einen Bericht. Abweichend von dieser generellen Regelung legt der Rat den Zeitpunkt der Vorlage des ersten Berichts selbst fest, dieser soll deutlich vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist liegen. In den Berichten unterbreitet und begründet er seine Vorschläge für Anpassungen des Regelwerks und die Fortentwicklung der Rechtschreibung.

Von den Vorschlägen abweichende Beschlüsse der zuständigen staatlichen Stellen sind nur nach vorheriger Beratung mit dem Rat möglich.

3.6 Berichte und Vorschläge des Rats werden mit der Mehrheit der Mitglieder verabschiedet. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des/der Vorsitzenden den Ausschlag. Sondervoten sind schriftlich vorzulegen.

4. Kündigung

Die Vereinbarung kann von einem der Unterzeichner mit einer Kündigungsfrist von 2 Jahren gekündigt werden.

5. Inkrafttreten

Diese Vereinbarung tritt am Tage ihrer Unterzeichnung in Kraft.«



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Kommentare zu »„Vorschläge sind den zuständigen staatlichen Stellen …«
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 09.01.2005 um 20.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=179#159

Einige Formulierungen des Statuts des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 16. 12. 2004 waren schon seit Wochen aus dem Munde der KMK-Präsidentin Doris Ahnen zu vernehmen. Genaueres freilich wird man über die Entstehung dieses Schriftstücks nie erfahren, insbesondere nicht darüber, wie hier das Zusammenwirken von Kultusbürokraten und Kultuspolitikern ausgesehen hat. Ein "Statut" oder auch nur eine "Geschäftsordnung" hat es allem Anschein nach für die Vorgängereinrichtungen nicht gegeben. Man sollte annehmen, daß die abschließende Formulierung eines solchen Textes Aufgabe eines erfahrenen Verwaltungsjuristen wäre. Stil und logische Struktur deuten jedoch darauf hin, daß hier wie ja schon im amtlichen Regelwerk wichtigtuerische Dilettanten am Werk waren. Da das "Statut" suggeriert, es sei dem Willen der Unterzeichner der Wiener "Absichtserklärung" entsprungen, hätte man einen Satz über die Ablösung der "Zwischenstaatlichen Kommission" [Artikel III] erwartet. Die "Unterzeichner" sind ohnehin auf drei geschrumpft. Jeder Hinweis fehlt, wie die "zuständigen staatlichen Stellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz" die ihnen vorbehaltenen Funktionen ausüben wollen. Selbst die Umstände des Inkrafttretens dieser neuen Vereinbarung bleiben nebulös. Sind die drei wie einst die zehn in Wien zur Unterzeichnung zusammengekommen? Auch das werden wir nie erfahren.

Der performative Passus dieses Schriftstücks breitet noch einmal die Unseriosität des staatlichen Eingriffs in die Rechtschreibung aus:

Zur Beobachtung und Weiterentwicklung der deutschen Rechtschreibung wird ein Rat für deutsche Rechtschreibung eingerichtet. Er soll die wichtigsten wissenschaftlich und praktisch an der Sprachentwicklung beteiligten Gruppen repräsentieren. Seine Vorschläge erhalten durch Beschluss der zuständigen staatlichen Stellen Bindung für Schule und Verwaltung.

Bislang legten die Reformbetreiber großen Wert auf die Feststellung, es ginge nur um Rechtschreibung, nicht aber um Sprache. Das Bundesverfassungsgericht sah das schon 1998 anders, und nun bekennt sich auch die KMK dazu: "Weiterentwicklung der deutschen Rechtschreibung" und "Sprachentwicklung" (mit "entwickeln" im transitiven, nicht etwa im reflexiven Sinne) liegen auf einer Ebene. Es fehlt weiterhin die Einsicht, daß die "Normierung" - sollte sie denn überhaupt nötig oder erwünscht sein - nur von spontanen Entwicklungen ausgehen kann. Diese soll das neue Gremium zwar "beobachten", wozu aber doch Sachverstand und entsprechende Instrumentarien nötig wären. Ehrenamtliche Verbandsvertreter, die sich ein- oder zweimal jährlich zu zweistündigen Sitzungen treffen, sind dazu nicht in der Lage. Ohnehin ist die eigentlich für die "Sprachentwicklung" zuständige Gruppe, das Volk nämlich, von den Beratungen ausgeschlossen. Zuletzt war immer von der "Politikferne" des neuen Rates die Rede. Dazu paßt aber schlecht die weiterhin geltende Regelung, nur "durch Beschluss der zuständigen staatlichen Stellen" würden seine Vorschläge bindend - für Schule und Verwaltung. Der Hinweis auf den "Vorbildcharakter für alle, die sich an einer allgemein gültigen Rechtschreibung orientieren möchten", fehlt jetzt.

Was unter "wissenschaftlich und praktisch an der Sprachentwicklung beteiligten Gruppen" zu verstehen ist, bleibt den "zuständigen staatlichen Stellen" in Deutschland, Österreich und der Schweiz überlassen. Nach Ausweis des "Statuts" hat man sich der Schweiz darüber noch keine Gedanken gemacht. Hierzulande sieht das Kriterium so aus:

Für Deutschland werden Einrichtungen wissenschaftlich ausgewiesene Fachleute für Orthografie beziehungsweise Personen, die besondere Erfahrungen und Kenntnisse mit Schreibregeln und Schreibpraxis aufweisen, entsenden. Diese Einrichtungen legt die Kultusministerkonferenz fest.

Da die Zusammensetzung der deutschen Delegation inzwischen bekannt ist, läßt sich die Einhaltung des explizit formulierten Auswahlprinzips leicht überprüfen. Freilich könnten sich die entsendenden "Einrichtungen" herausreden, ihnen sei wegen der verspäteten Bekanntgabe des "Statuts" nicht bewußt gewesen, welch strengen Maßstab die KMK an die Kompetenz der Ratsmitglieder anzulegen gedenke. Hätte diese aber das Dilemma nicht ahnen müssen, als sie die Liste der "Einrichtungen" zusammenstellte? Zudem wird jede Einrichtung davon ausgegangen sein, daß ihre Frau/ihr Mann in Mannheim daselbst das Verbandsinteresse zu vertreten habe. Weit gefehlt:

Die Mitglieder des Rates sind bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig, sie sind an Aufträge oder Weisungen nicht gebunden.

Diese Formulierung greift Artikel 38 des Grundgesetzes auf, wo es von den Abgeordneten des Deutschen Bundestages heißt: "Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen." Die Übernahme dieses Passus in das Statut des neuen Rates kann man nur als Parodie begreifen - freilich als die Parodie einer Parodie, wenn man an die politische Praxis in diesem unserem Lande denkt. So ganz vertrauen die Urheber des "Statuts" dem Sachverstand und der Unabhängigkeit ihres Rechtschreibrats ohnehin nicht: Es sind wieder Anhörungen vorgesehen, deren Funktion bekanntlich nach den schlechten Erfahrungen vom 23. Januar 1998 der jetzt zum "Rat für deutsche Rechtschreibung" umfirmierte "Beirat" übernommen hatte. Nun ist das Verfahren genauer geregelt:

Der Rat soll vor seinen Vorschlägen Vertretern der Schulen, insbesondere den Lehrer- und Elternvertretungen, sowie den für die Verwaltungssprache zuständigen Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme geben. In gleicher Weise sollen Vertreter solcher Einrichtungen angehört werden, die aufgrund ihres Umgangs mit Sprache und Rechtschreibung deren Fortentwicklung beurteilen können oder voraussichtlich an der Umsetzung der Beschlüsse des Rats beteiligt sein werden. Ein Rechtsanspruch auf Anhörung besteht nicht.

Man beachte die feine Unterscheidung zwischen "wichtigsten wissenschaftlich und praktisch an der Sprachentwicklung beteiligten Gruppen" (die sitzen im Rat) und "Einrichtungen [...], die aufgrund ihres Umgangs mit Sprache und Rechtschreibung deren Fortentwicklung beurteilen können" (die werden zur Anhörung geladen). Wer kann aber damit gemeint sein? Noch geheimnisvoller: Anzuhören sind auch Einrichtungen, die "voraussichtlich an der Umsetzung der Beschlüsse des Rats beteiligt sein werden". Wir sollten uns nicht den Kopf zerbrechen, denn das letzte Wort haben ohnehin die "zuständigen staatlichen Stellen", aber:

Von den Vorschlägen abweichende Beschlüsse der zuständigen staatlichen Stellen sind nur nach vorheriger Beratung mit dem Rat möglich.

So also würde die politikferne staatliche Rechtschreibregelung aussehen, wenn die Pläne der deutschen Kultuspolitiker Bestand haben sollten. Immerhin, wir leben in einer repräsentativen Demokratie. Jeder deutsche Staatsbürger und jede deutsche Staatsbürgerin haben es in der Hand, diesem Treiben ein Ende zu setzen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2005 um 17.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=179#160

Mir sind Mitglieder des Rates bekannt, die sich - wie schon im bísherigen Beirat - keineswegs frei fühlen, ihre wirkliche (ablehnende) Meinung zur Reform zu vertreten, sondern sich verpflichtet wissen, die (zustimmende) Meinung ihres Verbandes weiterzugeben. Anders hätte ja auch die Beteiligung der Verbände keinen Sinn.

Natürlich ist es sinnlos, die wissenschaftliche und praktische Beteiligung an der Sprachentwicklung in einem Atemzug zu nennen. Die einen tun's, und die anderen erforschen es, das ist aber gar nichts Vergleichbares.

Und sind denn der Journalistenverband oder seine Mitglieder - um mal ein Beispiel zu nennen - an der Sprachentwicklung beteiligt? Das war vielleicht früher so. Heute kuschen die Journalisten vor dem staatlichen Machtspruch oder vertrauen alles dem Rechtschreibprogramm an, und das war's dann auch schon.

Das Surreale dieser ganzen Zusammenballung hängt mit der Verlogenheit des Unternehmens zusammen, die nicht zu sagen wagt, worum es wirklich geht. Nur deshalb werden uns jetzt Berufsverbände und Wirtschaftsunternehmen als diejenigen präsentiert, die angeblich in besonderem Maße unsere Sprache weiterentwickeln. Man kommt sich vor wie im Irrenhaus.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2005 um 17.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=179#161

Wie der KMK-Generalsekretär gerade brieflich mitteilt, können sich am Statut »evtl. noch geringfügige Änderungen ergeben.« Er fährt fort:

„Ich danke zugleich für Ihr Schreiben vom 21.12.2004 an Herrn Dr. Funk. Die von Ihnen hier angeschnittenen inhaltlichen Fragen zur Begrifflichkeit der Termini „adjektivisch“ und „atributiv“ (sic) sowie die hier ebenfalls nur angedeuteten Unstimmigkeiten zwischen Regelwerk und Kommissionsberichten, sollten vom Rat für deutsche Rechtschreibung geklärt werden.«

Ob Herr Zehetmair weiß, daß auch dies zu seinen Aufgaben gehört? Das begriffliche Durcheinander zu entwirren, das die wegen Unfähigkeit aufgelöste Kommission hinterlassen hat, dürfte keine leichte Aufgabe sein. Auch in dieser Hinsicht wäre „ending better than mending“, aber das darf ja laut Satzung nicht sein.

Weder die Dudenredaktion noch unsereins ist im Augenblick noch fähig, den geltenden Zustand korrekt darzustellen - so tief ist der Karren in den Dreck gefahren. Zum Beispiel die Beziehung des revidierten amtlichen Wörterverzeichnisses zum vierten Bericht, den die Kultusminister mitsamt einigen schwer integrierbaren Ergänzungen gebilligt haben und der die einzige Legitimation der Neufassung ist - wer blickt da noch durch?


Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 16.01.2005 um 22.31 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=179#176

Wer sind eigentlich die Unterzeichner des Statuts? Mithin: Mit welcher Legitimation, d. h. auf wessen Auftrag und Geheiß hin arbeitet der Rat?

Die Einführung der reformierten Rechtschreibung sowie die Arbeit der Zwischenstaatlichen Kommission gehen auf die Wiener Absichtserklärung zurück. von der gesagt wurde, sie sei "softest of soft law". War das ein Irrtum, weil das Statut ein Beispiel dafür ist, daß es "noch softer" zugehen kann, oder kann man das Statut nicht unmittelbar mit der Absichtserklärung vergleichen? Um deren Zwischenstaatlichkeit wurde ja immer ein großes Aufheben gemacht; wie steht es damit bei dem Statut? Und: Welche Konsequenz ergibt sich für die Wiener Absichtserklärung: Ist sie nun obsolet, oder gilt sie weiter, oder...? Mir ist das alles schleierhaft.

Letztlich dürften diese Fragen aber nahezu belanglos sein: Was auch immer der Rat zustandebringen mag, erst der Beschluß der Kultusminister führt ja zu etwas Handfestem, Relevantem.


Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 17.01.2005 um 19.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=179#177

Die 2. Auflage des Bandes 3.1, Soziolinguistik, der Handbücher zur Sprach- und Literaturwissenschaft ist gerade erschienen - mit einem Beitrag "Orthografie" des inzwischen unzeremoniös entlassenen Chefreformers Gerhard Augst. Herr Ickler berichtet darüber auf einer befreundeten Webseite. Hier findet sich noch einmal der Vorwurf, mit dem Herr Augst jahrelang die Kritik an seiner Rechtschreibreform zu diskreditieren versuchte:

So wurden die jüngsten Reformbemühungen im deutschsprachigen Raum in Anspielung auf die medizinischen Versuche im Dritten Reich als "menschenverachtendes Massenexperiment" bezeichnet.

Öffentlich erhob Herr Augst diesen Vorwurf zum erstenmal am 2. 6. 1997 vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags. Damals sagte er:

Wenn allerdings mein Kollege Ickler mir brieflich schreibt, daß es sich bei der Neuregelung - ich zitiere - um "ein menschenverachtendes Massenexperiment" handelt, dann ist die Grenze des Tragbaren überschritten, denn er stellt damit eine Parallele her zwischen der Rechtschreibreform und den dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte.

Im Spätherbst 2001 kam Herr Augst in der Entwurfsfassung des 3. Berichts der Zwischenstaatlichen Kommission noch einmal auf Herrn Icklers Ausdruck "menschenverachtendes Massenexperiment" zurück, allerdings ohne die Behauptung, die Rechtschreibreform werde mit der NS-Zeit verknüpft. In der schließlich veröffentlichen Fassung fehlt dieser Passus, doch weiterhin heißt es da:

Auffällig ist, dass manche Reformgegner, auch wenn ihr Beruf die Wissenschaft ist, äußerst emotional und teilweise im höchsten Maße verunglimpfend arbeiten. Besonders sticht hier eine Veröffentlichung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung hervor, in der schon im Titel ein Zusammenhang zwischen "Rechtschreibreform und Nationalsozialismus" behauptet wird. [...]

Th. Ickler, der als einer der schärfsten Kritiker der Neuregelung in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist, hat in der Zwischenzeit ein eigenes Wörterbuch publiziert, das weder die Regeln der alten DUDEN-Rechtschreibung noch die Neuregelung befolgt. Im völligen Widerspruch zu seiner heftigen Kritik an vielen neuen Getrenntschreibungen (z. B. des Typs sitzen bleiben in allen Bedeutungen) lässt er diese in seinem Wörterbuch nun selbst als fakultative Varianten zu. Auch Wissenschaftler und Rezensenten außerhalb der Kommission sehen darin einen eklatanten Glaubwürdigkeitsverlust Icklers als Kritiker der Neuregelung.


Herr Augst hat wohl nie verwunden, daß er am 8. 4. 1997 auf Drängen des damaligen KMK-Präsidenten Wernstedt Herrn Ickler zur Mitarbeit in der Zwischenstaatlichen Kommission einladen mußte und sich verständlicherweise einen Korb holte. Es ist kaum zu erwarten, daß die Öffentlichkeit ihn noch einmal in den Medien erleben wird.



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