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Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

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01.08.2013
 

15 Jahre Rechtschreibreform
Friedrich Denk mag sie immer noch nicht

Das Onlineportal GMX hat zum Jahrestag mit dem altgedienten »Rechtschreibrebellen« gesprochen.
Die von Christian Flier gestellten Fragen sind hier nachzulesen.



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Kommentare zu »15 Jahre Rechtschreibreform«
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Kommentar von Kannitverstan, verfaßt am 03.08.2013 um 01.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9474

Die Leserkommentare bei GMX zu diesem Interview zeigen recht eindeutig, daß die Reform bei sehr vielen, wahrscheinlich den meisten Kommentierenden keinen Rückhalt hat. Leider sind die meisten Kommentare völlig unqualifiziert, egal ob pro oder contra. Und es ist kaum einer dabei, der fehlerfrei geschrieben wäre. Das mutet mich an wie Zustimmung und Ablehnung von der falschen Seite: Man weiß nicht, wovon man spricht, man beherrscht weder das, was man ablehnt, noch das, was man befürwortet, aber man hat eine Meinung dazu. Es kommt einem auf irritierende Weise schmuddelig vor.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.08.2013 um 14.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9476

Die Rechtschreibreform wurde nach dem "Führerprinzip" eingeführt und durchgesetzt, und erschreckend viele Leute finden das sehr bequem.


Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 03.08.2013 um 14.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9477

Ich wundere mich immer, daß es als Vorteil gilt, "st" zu trennen. Es heißt doch, man soll nach Sprechsilben trennen. Es kommt mir unnatürlich vor, "bes-te" zu sagen; selbst die Werbung dehnt ja "für das Bää-hää-ste im Maa-ha-haan!" Noch deutlicher wird's bei langen Silben wie in "Kloster".

In Oberdeutschland sollte eigentlich auch der phonetische Unterschied zwischen "st" und "st" überzeugen. Man sagt "beschte" und "Hausdür".

Alles in allem wäre es besser gewesen, das Lang-S wiedereinzuführen. Da wäre das alles eindeutig gewesen, und an Heyse hätte auch keiner gedacht (gut, mit dem Antiqua-ß war er ja eh schon eingeführt).


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2013 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9478

Da sind Sie vielleicht doch durch lange schriftliche Gewohnheit verführt. Phonetisch liegt die Silbengrenze zwischen s und t. Das s schließt die erste Silbe, ein kurzes offenes bä- (be-ste) ist ja im Deutschen gar nicht möglich.


Kommentar von R. M., verfaßt am 03.08.2013 um 16.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9479

Da mit der Änderung in diesem Punkt auch die Einführung von Trennungen wie Ins- titut verbunden war, muß man sie nicht loben.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 03.08.2013 um 19.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9480

Die Trennung Ins-titut ist ja nicht mehr obligatorisch und auch nach dem Regelwerk eher zweitklassig ("Wörter, die sprachhistorisch oder von der Herkunftssprache her gesehen Zusammensetzungen oder Präfigierungen sind, aber nicht mehr als solche empfunden oder erkannt werden ...").

Die Wiederinführung des Lang-s wäre erstens zu teuer gewesen (viele ältere Computerschriften enthalten das Zeichen gar nicht) und hätte die Schreibenden noch stärker überfordert als Pseudo-Heyse.


Kommentar von R. M., verfaßt am 03.08.2013 um 20.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9481

Es ging ja anläßlich des Jahrestags um die ursprüngliche Fassung des Regelwerks, und im übrigen gilt diese Trennung, ebenso wie etliche andere dieser Art, weiterhin als korrekt.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 04.08.2013 um 07.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9482

Sie haben natürlich recht, und man sollte auch hervorheben, daß viele Trennalgorithmen (oder Lektoren/Korrektoren) nach wie vor auf Teufel komm raus st trennen.

Eine Lockerung des unsinnigen Trennverbotes war aber durchaus sinnvoll, denn die Trennung Las-ter verhindert jene Lese-Irritation, die mit dem Trennverbot von ck (ba-cken) erst herbeigeführt wurde. Nur hätte man das mit mehr Verstand machen müssen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2013 um 09.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9483

Die morphologische Trennung von Zusammensetzungen und Präfixbildungen aus fremden Sprachen wird immer ein Problem bleiben; es hat an sich mit der st-Trennung nichts zu tun, die ja nur einen Spezialfall betrifft.

In meinem Wörterbuch habe ich versucht, die Priorität der morphologischen Trennung klarer darzustellen. Ergänzend habe ich gezeigt, daß diese leserfreundliche deutsche Trennweise, wenn man sie auch auf Fremdwörter anwendet, stets in Bildungsfragen endet. Die reformerische Lösung ("Wenn du nicht weißt, wie ein Wort zusammengesetzt ist, trenn es nach Sprechsilben!") ist in Wirklichkeit nicht so menschenfreundlich, weil sie entgegen der Absicht die Bildungsunterschiede erst herausbringt.
Die Antwort kann nur sein, daß an veröffentlichte Texte eben höhere Anforderungen zu stellen sind als an private Aufzeichnungen; daß also das Nachschlagen zumutbar ist; schließlich, daß man sprachlich nicht über seine Verhältnisse leben soll. Wenn man Fremdwörter gebraucht, sollte man meistens auch wissen, wie sie zusammengesetzt sind. Das klingt vielleicht ein bißchen arrogant, aber wenn man bedenkt, daß wir in der Wortbildung sehr großzügig mit den Bestandteilen altsprachlicher Wörter wirtschaften, sieht es schon harmloser aus.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 05.08.2013 um 07.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9484

Die Lösung der Reformer bringt keine Bildungsunterschiede mehr hervor, seit sie in Software implementiert ist, d.h. selbst gute Tageszeitungen und wissenschaftliche Zeitschriften bieten, v.a. seit die Lektorate zusammengeschrumpft oder abgeschafft wurden, häufig Unsinnstrennungen.

Der grundlegende Fehler der Reformer verbirgt sich im ersten Satz von Teil F: "Die Worttrennung am Zeilenende dient dazu, den vorhandenen Platz bei einem geschriebenen Text optimal zu nutzen. Getrennt werden
können nur mehrsilbige Wörter."

Hier hätte man statt dessen eine Hauptregel formulieren müssen:

"Mehrsilbige Wörter können am Zeilenende getrennt werden, um eine optimale Zeilenfüllung (v.a. in gedruckten Texten) zu gewährleisten, ohne durch den Zeilenumbruch den Lesefluß zu behindern."

Die Details ergeben sich dann zwangsläufig, nicht zuletzt aufgrund der langen Tradition des Druckgewerbes.

Die Trennung "Las-ter" behindert den Lesefluß weniger als "La-ster", wohingegen "bes-tehen" oder "Kons-tante" störend wirken. Das hätte man in das Regelwerk schreiben können.

Bei Fremdwörtern wäre natürlich meist die morphologische Trennung zu bevorzugen, und weil die Fremdworttrennung für die Schule sowieso irrelevant ist, kommt es heutzutage auf die Software an, d.h. Algorithmen und Wörter- bzw. Morphemlisten.

Wer heute Texte für den Druck lektorieren muß, befindet sich häufig in der Lage, viele unsinnige Trennungen zu korrigieren, die durch den Versuch der Reformumsetzung in Textverarbeitungs- oder Satzprogrammen vorgenommen wurden. Oder anders gesagt: Die Reformvereinfachungen sind die Quelle von Mehrarbeit und damit ein Kostentreiber.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.08.2013 um 14.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9485

Trennungen wie bes-te, Las-ter stören mich gar nicht, Trennungen wie kleins-te, Fens-ter dagegen umso mehr.

Weshalb sieht man reformiert immer As-tronomie, obwohl doch von mehr als 2 Konsonanten laut Reform immer der letzte abgetrennt werden soll? Die Regel zu l, n, r nach Konsonanten ist ja eine Kann-Regel geworden. Ist unsinniges s-t weniger schlimm als t-r?

Früher hat man s-t nie getrennt, nun wurde selbiges, wenn vorhanden, geradezu eine Pflichttrennstelle. Enthält irgendein Wort ein st, dann ist es dazwischen schon perforiert.

Könnte die Regel nicht heißen:
st nach Vokal darf getrennt werden, nach Konsonant bleibt st immer zusammen?


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2013 um 05.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9486

Da kann ich nicht folgen, ich finde Fens-ter gut. Die "konsonantische Stärke" der Verschlußlaute ist größer als die der Spiranten. Bei t-r nimmt sie ab, bei s-t nimmt sie zu.
Und Suffixe werden ja im Deutschen nicht morphologisch abgetrennt, auch nicht das -st- des Superlativs.

Die Trennbarkeit von st wäre sicher keine Reform wert gewesen, das hätte man stillschweigend "erlauben" können oder auch nicht, es ist ja buchstäblich "marginal".


Kommentar von R. M., verfaßt am 06.08.2013 um 09.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9488

Die Frage kann dieser Stelle eigentlich nur sein, ob es klug ist, im Interview eine solche Konzession zu machen. Es mag dazu gut sein, nicht als verbohrter Maximalist dazustehen. Andererseits schwächt es die eigene Position nicht unerheblich, wenn der Leser sich zum Schluß denken kann, es sei ja vielleicht doch alles nicht so schlimm gewesen.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 06.08.2013 um 10.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9490

Meines Wissens ist Herr Denk in Sachen "Rechtschreibreform" nicht mehr sonderlich aktiv, und er kann gewiß keine Konzessionen machen, weil er sich (leider) nicht in einer Verhandlungsposition befindet. Aber selbst wenn er es wäre: das strikte und unsinnige Trennverbot für st war eine jener "mechanischen" Regeln, deren Ausweitung man den Reformern zu Recht vorgeworfen hat. Man kann doch nicht so tun, als sei der unreformierte DUDEN der Weisheit letzter Schluß gewesen!

Man darf sich auch nicht über die amtliche Trennung "Da-ckel" beschweren, wenn man gleichzeitig die Trennung "Ka-sten" verteidigt, denn beide behindern den Lesefluß beim Zeilenumbruch.

Hier geht es nicht nur um Machtfragen, sondern auch um Glaubwürdigkeit.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2013 um 10.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9491

Das ist wieder unser altes Problem, das auch von Anfang an die Diskussion belastet und uns, wenn man so will, geschwächt hat. Von interessierter Seite wurde ja die Ablehnung der Reform mit einem Beharren auf dem alten Duden bzw. der amtlichen Regelung von 1901 gleichgesetzt. Zimmer z. B. hat im Anschluß an Mentrup stets so argumentiert und sich dabei auf die KMK-Beschlüsse von 1955 berufen, aus denen das hervorzugehen schien.

Auch untereinander haben wir gestritten, nicht wahr? Manche wollten am alten Duden festhalten, über dessen Qualität zum Teil übertriebene Vorstellungen herrschten, andere fanden, daß es keiner Reform und erst recht keiner staatlichen Maßnahmen bedürfe, um die Schulorthographie an die wirklichen sprachlichen Verhältnisse anzupassen. Stichwort: den Duden auskämmen. Das stammt von Christian Meier und war auch meine Parole.

Von Freunden und von Feinden ist mir vorgerechnet worden, ich hätte ja in meinem Rechtschreibwörterbuch den Duden nicht getreulich kopiert. Habe ich durch die Vorlage meines Wörterbuchs unsere Position geschwächt oder gestärkt? Das zeigt noch einmal, wie schwer es ist, die so einfach erscheinende Grundidee des Auskämmens plausibel zu machen.

Anders gesagt: Natürlich lehnen wir die ganze Reform ab. Aber das heißt nicht, daß alles beim alten (Duden) bleiben soll. Wenn wir über die einzelnen Gegenstände wie etwa die Silbentrennung diskutieren, muß das nicht als Kompromißbereitschaft gegenüber der Reform ausgelegt werden; denn die Reform kümmert uns einen Dreck. So haben wir denn hier auch über weite Strecken (und nicht zuletzt aufgrund der Kennerschaft von Herrn Wrase) ganz empirisch über den vorfindlichen Schreibbrauch und seine bestmögliche Beschreibung gesprochen. Die Reform war ab und zu der Aufhänger, aber weiter hat sie uns nicht interessiert. Es ist ja auch nicht interessant, was Augst, Schaeder, Mentrup oder später Gallmann sich ausgedacht haben. Die Reformer sind einfach nicht satisfaktionsfähig.

Im Augenblick ist die SOK-Regelung verlockend. In der FAZ wird eine Hausorthographie praktiziert, die ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber ziemlich stockfleckig aussieht. ("heute Abend" lese ich gerade wieder, das ist einfach dumm und nicht auf der Höhe von "Greuel" und "plazieren"; Fehler bei der s-Schreibung findet man in der FAZ praktisch jeden Tag).

Ich finde also, daß wir uns die Diskussion nicht dadurch erschweren sollten, daß wir bei bestimmten Gedanken fragen, ob sie auf einen Kompromiß mit den Reformern hinauslaufen und dadurch unsere Position schwächen. Auf keinen Fall sollte man uns nachsagen, daß wir insgeheim manche alte Dudenregelung selbst schlecht finden, aber um einer klaren Kampfposition willen (gewissermaßen aus Gründen unserer "Staatsräson") öffentlich das Gegenteil sagen oder gleich ganz schweigen.


Kommentar von R. M., verfaßt am 06.08.2013 um 11.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9492

Gefragt wurde: »Sprache ist etwas sehr Lebendiges und verändert sich ständig. Daraus ergibt sich immer wieder die Notwendigkeit von Reformen. Welche neue Regeln würden Sie einführen?« Auf eine solche Frage sollte man sich am besten gar nicht erst einlassen, sondern die in ihr enthaltene These als falsch zurückweisen. In einer echten Gesprächssituation ist es aber natürlich nicht leicht, die nötige Schlagfertigkeit zu haben. – Im übrigen nervt es, daß (gerade deutsche) Journalisten immer auf der Suche nach redeeming features sind, gerade so wie der klassische Ossi, für den ja »nicht alles schlecht« war.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2013 um 12.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9493

Das ist auch wieder wahr. Den Anlaß, also die Frage, hatte ich schon aus den Augen verloren.


Kommentar von Pt, verfaßt am 06.08.2013 um 13.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9494

Wir dürfen auch nicht vergessen, daß die Reformer ja gar nicht wirklich über die Reform und deren Inhalte diskutieren wollten.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.08.2013 um 16.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9495

"Muss" ist auch schwieriger zu lesen, weil das scharfe "S" den Vorteil hat, das es eine Unter- und eine Oberlänge hat. Zudem ist der Unterschied von "das" und "dass" schwerer zu erkennen.

Ja, tatsächlich. Der Fehler geht natürlich nicht auf den Interviewten, sondern auf GMX.

Prof. Ickler: "Suffixe werden ja im Deutschen nicht morphologisch abgetrennt"

Ja, das ist mir klar, nur hatte das Trennverbot von st bisher die, wie ich meine, schöne Nebenwirkung, daß speziell die Superlativendung dann doch zufällig morphologisch abgetrennt wurde.

Außerdem ist neu, daß bisher höchstens ein Konsonant des Stammes auf die Seite des Suffixes kam. Jetzt wird aber häufig das s der Superlativendung abgerissen und bleibt allein am Stamm hängen. Für mein Empfinden sieht das verboten aus. Etwas ähnliches hatten wir früher meines Wissens nicht.


Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 07.08.2013 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9497

Die Auftrennung des Superlativsuffixes ist nicht nur unschön, sondern widerspricht auch dem Silbentrennungsprinzip. Sehr deutlich wird das, wenn man das Wort schwäbelt, also mit "sch" spricht.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 07.08.2013 um 10.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9498

Wie steht es denn mit "größ-te"? Ist das etwa auch unschön, selbst wenn es geschwäbelt wird?


Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 07.08.2013 um 10.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9499

Bei "größ-ten" müßte man die Vollschreibweise "größ-sten" in der Trennung wieder aufleben lassen, aber für eine derartige Pedanterie spricht nichts. Aber, Leute, die zB "schlimms-te" für eine gelungene Trennung halten, kann ich nicht verstehen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.08.2013 um 10.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9500

Ich halte meinen Kopf hin und erkläre schlimms-te für eine gelungene Trennung. Sie ist silbisch in Ordnung und entspricht damit dem herkömmlichen und auch weiterhin gültigen Umgang mit Suffixen (die eben als solche bei der Trennung gar nicht berücksichtigt werden, vgl. Zei-tung usw.).

Außerdem genügt sie dem Grundsatz, möglichst nur solche Teile in die nächste Zeile zu befördern, die auch mögliche Wortanfänge sind (was allerdings nicht immer möglich ist). Kein deutsches Wort fängt mit [st-] an.


Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 07.08.2013 um 11.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9501

Einspruch, Euer Ehren. "Schlimms-te" ist mE nicht nur häßlich, sondern obendrein noch ziemlich unnütz, weil das abgetrennte "te" kaum länger als der Trennungsstrich ist. Leider gibt es in der deutschen Sprache noch so ein paar Worte, die eigentlich inmitten von Silben getrennt werden müßten, weil die geschriebene Silbe zu lang ist. Noch schlimmer als mit anlautendem "schl" kommt es mit "schw-" oder "schm".


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.08.2013 um 15.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9502

Na ja, vor diese Wahl (Kopf) gestellt, würde ich dann doch noch mal in mich gehen und lieber das s vom t abtrennen.

Ich hätte die alte st-Regel zwar gern behalten oder wenigstens nur nach Vokalen gelockert, aber es ist doch auch für mich bei weitem nicht das Ärgerlichste der "Reform".


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.08.2013 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9503

Meist dürfte das Wort flektiert vorkommen. schlimms-ten usw. sind zweckmäßige Trennungen. Haben Sie das bedacht?

(Dieser Eintrag antwortet auf den vorletzten, das hat sich überschnitten.)


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 07.08.2013 um 23.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9504

Ich halte meinen Kopf mal hin und erkläre schlimms-te für eine unnötige neue Trennung. Nun bin ich halt ohnehin a. für historische Schreibung (mit der z. B. das Englische überall auf dem Erdball sicher genug fährt), und ich meine also, daß wir — außer nichtstuenden Politikern halt — sowieso keine große Reform brauchten, und b. läßt sich auch die Silbengrenze nicht so einfach festlegen (welche Konsonanten also noch zu dem vorausgehenden Vokal oder schon zu dem nächsten "gehören"), wie manche Analyse es einem vormachen möchte (s. die Geschichte von engl. apron, dt. den Namen Haseloff). Ob das nun bei mir "Aussprache nach der Schreibung" ist oder nicht: Nach meiner Silbenklatsche geht's Fen-ster sowieso nur, und wo ich nicht langsam genug sprechen kann, ist "Trenne nie ein s vom t" guter, weil umfassend einfacher Rat, denn Schreibung dem nach stört den Lesefluß am wenigsten.
Die "(Genitiv-)Ausnahmen" wie Diens- und Donnerstag bekommt jedes Kind mit, wenn sie was zu der Bedeutung der Wochentagsnamen gelehrt bekommen, — wobei dann für die, die Englisch lernen, noch besonders interessant wird, warum wir Mittwoch haben und die Angelsachsen und Skandinavier heute noch was ganz anderes. Die Kinder trennen Dienstag und Donnerstag und ähnliche Zusammensetzungen dann sicher richtig, sollten sie es mal müssen.
Die Kultusministerien hatten zu wenig zu tun; also mußte was her, was nach ihrer Meinung in ihren Machtbereich fiel und nach ihrer Meinung fast ein Jahrhundert nicht näher untersucht worden war, um zu zeigen, daß sie da in ihren Ämtern doch nicht untätig sind und sich immer Gedanken machen, wie sie die Kinder in der Schule aufs praktische Leben am besten vorbereiten können (wie's jetzt gerade wieder vorgetönt wird). Und dazu gehöre demnach auch, daß die da was zur Silbentrennung am Zeilenende mit Hilfe von Sprechsilben gelehrt bekommen müssen.
Ich jedenfalls hab als Kind Worttrennung manchmal vermieden, ja, und später hab ich immer richtig getrennt, — o.k., vielleicht fast immer, so genau weiß ich es nicht. Griechisch ist nämlich griechisch für mich, leider. Aber da habe ich dann immer gern mal nachgeschlagen. Und jemandem, der meine Vorliebe nicht teilt, aber trotzdem Wörter griechischen Ursprungs am Zeilenende verwenden muß und dabei dann mal 'nen Fehler macht, dem halte ich das doch nicht vor. Es kommt sowieso höchst selten vor. Ich hab's jedenfalls früher nie gesehen. Nach dieser Rumreformiererei jetzt jedoch ist das schon etwas anders geworden.

Zum Argument mit dem "schwäbelnden" /s/-Laut (#9497): Das zieht eigentlich nicht; wir haben eben nur ein schwäbelndes /s/-Allophon. Aber daß bei Dialektsprechern die Silbengrenze durch eigentlich nicht ganz richtige Trennschreibung verlegt worden sei, das möchte ich, wie schon anfangs mit b. gesagt, doch nicht übernehmen.


Kommentar von Pt, verfaßt am 08.08.2013 um 13.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9506

Da stimme ich Ihnen vollkommen zu, Herr Ludwig.

Wenn es um die Worttrennung am Zeilenende geht, so sind eine Reihe von Fällen zu unterscheiden. Wenn das Wort ein Kompositum ist, trennt man am günstigsten, so es in die Zeile paßt, zwischen den beiden Wortbestandteilen. Dies sollte jedem Schüler klar sein, selbst wenn er sich sonst nie für irgendwelche Regeln interessiert hat. Das ergibt sich fast schon von selbst, ohne daß man Regeln zu lernen braucht. Damit ist klar, daß man Diens-tag trennt, selbst wenn einem die Herkunft der ersten Komponente nicht klar ist. Fast alle Wochentage enden auf -tag, und es ist klar, daß dies ein eigenständiges Wort ist. Wenn ein Wort Vorsilben hat, trennt man diese ab. Damit sind schon sehr viele Fälle abgedeckt. Von Schülern die korrekte Trennung von für diese unbekannten Fremdwörtern zu verlangen ist eh unfair.

Es ist doch ziemlich leicht einzusehen, daß die Lautfolge s-t einmal durch das Zusammensetzen von Wörtern entsteht, und dann getrennt werden kann, weil eben kein ''st'' vorliegt, und es sonst der Silbenanlaut st ist. In der Stenographie gibt es für den Silbenanlaut ein spezielles Zeichen. Als ich Stenographie lernte, wurde uns erklärt, daß es einen guten Grund gab, für das -s- die Form eines Kreises zu verwenden, da an diesen andere Zeichen gut angeschlossen werden können. Ziel sollte es also sein, den Schülern die besondere Rolle des -s in der deutschen Sprache zu vermitteln, nicht althergebrachte sinnvolle Regeln, die nach oben gesagtem gar nicht mißverstanden werden können, wenn man nur ein bißchen mitdenkt, zu verwässern oder abzuschaffen. Und wenn ein Schüler nicht bereit ist, mitzudenken, dann verdient er die schlechte Note zu recht.

Wir müssen die Schüler doch nicht für dumm verkaufen, so wie es die Reformer tun. Statt ihnen alles bis zum Gehtnichtmehr zu vereinfachen, so wie das die Reformer tun, sollten wir versuchen, Schülern ein Gefühl für die (konkurrierenden) Prinzipien vermitteln, nach denen solche Sachen wie Silbentrennung (oder, auf das Ganze bezogen, Rechtschreibung) gestaltet ist oder (sinnvollerweise) sein sollte. Und im Zweifelsfall ist niemand gezwungen, ein Wort zu trennen, was bei der Benutzung von Textverarbeitungsprogrammen sowieso die bessere Vorgehensweise ist. LaTeX macht die Worttrennung eh automatisch, nur relativ selten muß man korrigierend eingreifen.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.08.2013 um 15.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9507

"Statt ihnen alles bis zum Gehtnichtmehr zu vereinfachen, so wie das die Reformer tun" (Pt)

Genau das tun die Reformer gerade nicht; sie behaupten es zwar, haben es aber nicht geschafft. Teils haben sie Regeln nur anders dargestellt, aber nicht vereinfacht (siehe Komma), teils haben sie aus richtig falsch gemacht, was ja auch keine Vereinfachung ist, selbst wenn das Falsche kürzer wäre.

Aber noch mal zu Fenster (lat. fenestra):
Wird nicht durch das e im Lateinischen bestätigt, daß st stärker zusammengehört als ns?

Hier hat Prof. Ickler die Trennung Demons-tration neben Symp-tom, inte-ressant gestellt. Ist die erstere im gleichen Sinne falsch wie die beiden anderen?
Ist lat. monstrare (zeigen) zusammengesetzt, wenn ja, wie?


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.08.2013 um 16.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9508

Nein, das habe ich natürlich an jener Stelle nicht sagen wollen. Die Beispiele sollten nur zeigen, daß der Text in jeder Hinsicht in Reformschreibung umgesetzt war. Auf die "humanistischen" Trennregeln könnte man – im Gegensatz zu den Reformern, vgl. § 112 – eher verzichten als auf die primäre Trennung nach Zusammensetzungsfugen.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 08.08.2013 um 18.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9509

Welcher von den Rechtschreibreformern darf als Erfinder des "scheinbaren Genitiv-Attributs" gerühmt werden? Wenn das großgeschriebene "des Öfteren" zufällig unmittelbar hinter einem anderen Substantiv steht, bildet es ein scheinbares Genitiv-Attribut zu diesem, was zu lustigen Sinnverdrehungen führen kann..


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 08.08.2013 um 18.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9510

Das verstehe ich nicht:

Inwiefern ist die Trennung "schlimms-ten" zweckmäßiger als "schlimm-sten", und was hat die Flexion damit zu tun?


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.08.2013 um 19.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9511

Glasreiniger schrieb, schlimms-te sei "ziemlich unnütz, weil das abgetrennte "te" kaum länger als der Trennungsstrich ist". Flektierte Endungen sind länger, immerhin bis zu 3 Buchstaben, und insofern ist deren Abtrennung dann zweckmäßiger.


Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 08.08.2013 um 19.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9512

Ich schließe mich Herrn Achenbach an und bekenne, daß ich auch nicht verstehe, was an "schlimms-ten" zweckmäßig sein soll. Das "st" ist doch gerade die Superlativkennzeichnung, an die sich dann noch die Deklinationsendung anschließt.

Das Adjektiv "schlimm" hat drei Formen:

a) Postiv "schlimm" (Deklinationsendung z. B. hier: die schlimme Krankheit) –> keine Kennzeichnung des Positivs

b) Komparativ "schlimmer" (Deklinationsendung z. B.: eine Lungenentzündung ist eine schlimmere Kranheit als ein Schnupfen) –> Komparativkennzeichen: -er

c) Superlativ "schlimmst" ; "am schlimmsten" (Deklinationsendung z. B.: die Pest war im Mittelalter die schlimmste Krankheit in Europa) –> Superlativkennzeichen: -st

Ich drücke mich jetzt bewußt einfach aus: Die beiden Formen Komparativ und Superlativ haben eigentlich zwei Endungen, die Formendung (-er und -st) und die Endung für Genus, Numerus und Kasus. Der Wortstamm ist daher immer nur "schlimm", was im vorliegenden Fall zugleich eine Silbe ist.

Im Superlativ scheint mir daher "schlimm-ste" die sinnvollste (silbische) Möglichkeit zu sein. Im Komparativ ist die sinnvollste (ebenfalls silbische) Trennung "schlim-mer-e". Diese Trennungen tun den Silben keine Gewalt an (Ickler) und berücksichtigen durch Mitdenken auch die Form (Pt.), weshalb ich bei der Trennung von s-t wirklich keine Zweckmäßigkeit sehe.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.08.2013 um 04.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9513

Was ist mit der Regel, daß Suffixe im Gegensatz zu Präfixen (die den Erstgliedern von Zusammensetzungen gleichgestellt sind) nicht morphologisch getrrennt werden? Darauf geht niemand ein. Außerdem ist die herkömmliche Nichttrennung von st nicht deshalb verfügt worden, damit Superlativkennzeichen ungetrennt bleiben; sie sollte also auch nicht nachträglich damit begründet werden. Und phonetisch (phonotaktisch) ist die Trennung eben auch besser. Wetten, daß Sie ohne die Tradition nie auf die Trennung schlimm-ste gekommen wären? Diese Tradition verlangt We-ste, aber Wes-pe. Kann man das im Ernst verteidigen?

Eigentlich ging es auch nicht um diese längst ausgestandenen Diskussionen, sondern darum, ob man ein rechtgläubiger Reformgegner sein kann, wenn man die herkömmliche Trennung in diesem Punkt aufgibt.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.08.2013 um 10.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9514

(1)
Der Schiefstand We-ste/Wes-pe würde beseitigt, wenn st (nur) nach Vokalen getrennt wird.
(2)
Die Regel, daß Suffixe nicht morphologisch abgetrennt werden, bliebe bestehen, wenn nach Konsonanten st nicht getrennt wird. (Sie galt ja auch bisher, als st überhaupt nicht getrennt wurde.)
(3)
Für die Superlativendung gäbe es nach wie vor keine Sonderregel.

Warum dann nicht eine solche moderate Lösung, die in den weitaus meisten Fällen (mit sehr wenigen Ausnahmen wie bes-te, treus-te) automatisch auch das gewohnte Bild der intakten Superlativendung beibehält?

Aber wie gesagt, wenn das das einzige Problem der RSR wäre, dann könnte ich mich sicher mit der allgemeinen st-Trennung abfinden.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.08.2013 um 10.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9515

Es wird immer komplizierter! Warum dann nicht gleich nach Sprechsilben?

Suffixe können natürlich abgetrennt werden, aber nicht weil es Suffixe sind, sondern weil die Morphologie manchmal mit der Phonotaktik übereinstimmt: pein-lich. Bei -ste- tritt das nie ein.


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 09.08.2013 um 10.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9516

"Und phonetisch (phonotaktisch) ist die Trennung eben auch besser. Wetten, daß Sie ohne die Tradition nie auf die Trennung schlimm-ste gekommen wären? Diese Tradition verlangt We-ste, aber Wes-pe. Kann man das im Ernst verteidigen?"

Diese Wette kann natürlich keiner gewinnen. Aber die Diskussion zeigt auf, daß hier gar nicht alles so einfach ist. Zu Recht wird hier auf das schlimmste Fenster hingewiesen, und meine Aussprache von "erste" (mit vokalisiertem /r/) legt die Silbengrenze ohne Schwierigkeit auch vor das [st]. Das hat nichts mit einer Untrennbarkeit des Superlativkennzeichens zu tun, sondern damit, daß die Silbengrenze gar nicht auf alle Zeiten festgelegt ist, — wie's jedes Ilmenauer Kind weiß, das auch nichts mehr von einer Au um sich sieht, und der Lautsprecher auf den S-Bahnstationen Buchenau und Moosach trennt die Silben auch anders als es sicher mal war. Und wenn die Silbengrenze auch bei Wespe einfacher festzulegen ist, nach kurzem Vokal also, also auch bei Weste (vgl. auch #9477, #9478), — schon bei Leiste und größte käme ich ins Stocken. Warum? Weil ich Deutsch von meiner Mutter gelernt habe und also beim Sprechen sowieso nicht auf geklatschte Silben achte. Schreiben tue ich jedoch, wie ich's gar nicht schlecht gelernt habe, und nach Einsicht und Mitdenken, und deshalb ist für mich auch die Trennung von Dachau an einem Zeilenende nicht das schlimmste Problem.

Zu "Man darf sich auch nicht über die amtliche Trennung "Da-ckel" beschweren, wenn man gleichzeitig die Trennung "Ka-sten" verteidigt" (#9490): Doch, darf man. Die Reformer setzen fürs Lernen in der Schule die Graphe ck und ch gleich, für einen Schulabwasch sozusagen; sie schreiben einfach vor. Auch in der gewohnten Rechtschreibung gibt's vereinfachende Vorschriften (Trenne nie ...), aber ihre Anwendung ist leichter als die Silbengrenzensuche für die Kinder, die nichts als ihre deutsche Muttersprache mitbringen.


Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 09.08.2013 um 10.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9517

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß mE das Superlativsuffix für mich fast immer eine Sprechsilbe ist (die Ausnahme "größ-te" wurde genannt), wie zB auch in Wörtern wie "Ver-ein". Noch immer halte ich das Wort "abs-trakt" für den einzigen wesentlichen Fall, wo die Neuordnung der st-Trennung zu einer echten Verbesserung geführt hat.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.08.2013 um 11.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9518

Wie trennt man denn nach Sprechsilben: Strüm-pfe oder Strümp-fe?
Nach meinem Empfinden eher das erstere, obwohl die Neuregel Abtrennung des letzten Konsonanten fordert.

Ebenso würde ich, wie auch andere hier, eher Fen-ster als Fens-ter, eher klein-ste als kleins-te sprechen.
Wer legt denn in der Phonotaktik fest, wie Sprechsilben genau liegen?


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 09.08.2013 um 11.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9519

Die größtenteils gehaltvolle Diskussion zeigt m. E. eines, nämlich, daß es Bereiche gibt, die schlicht und einfach Geschmacksfragen sind.

Was die st-Trennung angeht, wurden hier viele Beispiele aufgeführt, die entweder für oder gegen die Neuregelung sprechen. Eine vernünftige "Regelung" ließe hier Spielraum.

Dasselbe gilt auch für andere Fälle, etwa drei aufeinanderfolgende Konsonsantenbuchstaben oder ein auf "ie" folgendes "e".

Ziel muß die bestmögliche Lesbarkeit sein, die aber nicht um jeden Preis und schon gar nicht zu Lasten der Schüler erkauft werden darf.

Und damit wären wir wieder beim Thema der gestuften Kompetenz ...


Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.08.2013 um 11.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9520

"sch, pf, ch" sind als Einzellaute anzusehen, deren Bestandteile nicht getrennt gesprochen werden und bei denen die "Abtrennung des letzten Konsonanten" nicht gelten kann. Im Gegensatz zum für "ts" geschriebenen "z" fehlen im deutschen Alphabet eigene Buchstaben.


Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 09.08.2013 um 12.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9521

Über die Trennbarkeit des "pf" gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten, zB www.korrekturen.de/forum.pl/md/read/id/37252/sbj/trennungsfrage-toepfe

Wiktionary gibt zB an "Töp-fe-rin". An anderer Stelle wird auch "Tö-p-fer" angegeben.


Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 09.08.2013 um 13.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9522

Kein Flachs: Ich trenne immer flach-ste, jedenfalls wenn es sich um den Superlativ von flach handelt. Eine Trennregel nach dem Muster von schlimms-te führt zumindest hier wahlweise zu einem Stolperstein oder zu einer Ausnahme.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.08.2013 um 14.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9523

Warum sollte pf ein Einzellaut sein, pr aber nicht?

Das Problem mit den Strümpfen ist übrigens traditionell unter Karpfen abgehandelt worden, analog zum Zucker. Das waren so die Stichwörter in der Reformdiskussion über die Jahrzehnte hin.

An das Stolpern bei flachs-te glaube ich nicht so recht. Das kommt mir noch gesuchter vor als die Dogermanen mit ihrem Urin.


Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 09.08.2013 um 15.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9524

flach-ste stellt eine Eindeutigkeit her, die flachs-te nicht bietet. Das scheint mir überhaupt der Sinn von Regeln – außerhalb der Theoriebildung von Sprachwissenschaftlern – zu sein: den Schreiber von Einzelfallentscheidungen zu entlasten, ohne daß der Leser draufzahlt. Die Untrennbarkeit von st verhindert eine Menge Unsinn (wie etwa auch die Kons-tanten) zu einem erträglichen Preis. Das verhält sich ähnlich wie mit Gebrauchsanweisungen. Zwar ist nicht jeder Bedienungsschritt in jedem Fall erforderlich, aber die Masse der Anwender fährt am besten, wenn sie sich trotzdem daran hält. In Der Hund bellt, und die Katze miaut zum Beispiel ist das Komma vor dem und gewiß entbehrlich. Dennoch sind die meisten Schreiber klug beraten, es auch hier zu setzen, nämlich um gar nicht erst Gefahr zu laufen, es bei der Verknüpfung von weniger übersichtlichen Hauptsätzen ebenfalls wegzulassen.


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 09.08.2013 um 16.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9525

Zu #9518 "Wer legt denn in der Phonotaktik fest, wie Sprechsilben genau liegen?": Genau das ist die richtige Frage. Und die Antwort ist: Dieselben Leute, die eben die zu lehrende Aussprache des Hochdeutschen für das einzig richtige, weil beste Hochdeutsch halten, an dem man sich dann deshalb auszurichten habe. Aber dieses Hochdeutsch ist eben eine Idee, — und nicht mal eine schlechte, solange man sich bewußt ist, daß real eben nur das real gesprochene Deutsch ist.

"An das Stolpern bei flachs-te glaube ich nicht so recht" (#9523): Ich auch nicht. Weil ich eben nicht Sprechsilben spreche, wenn ich spreche, sondern drauflos rede und dabei anderes im Kopfe habe. Aber wie sehr ich mich guten Willens hier auch bemühe, es kommt bei "flachste" bei mir bestenfalls nur ein "flachs-ste" heraus. Ich — kein Flachs — glaube deshalb fest, daß "flach-ste" mir nicht bloß eingeschrieben worden ist. Als Schüler sagten wir Anfang der 50er Jahre eine Zeitlang, wir hätten sowas doch im Urin.


Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 09.08.2013 um 16.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9526

In der FAZ wurde neulich der Name des Verkehrsministers getrennt, und zwar korrekt Rams-auer. (Das kriegt wohl kaum ein Rechtschreibprogramm hin.) Aber allgemein trennt man aussprachegerecht Wal-deck, auch wenn es nicht um Teile eines Walfangschiffes geht, sondern um die waldreiche Landschaft um Arolsen. Und daß die Echse eigentlich eine Dechse ist (Ei-dechse, nicht Eid-echse), ist ja auch bekannt. Ich erinnere mich an einen Aushang, wo es hieß: "Wie jedes Jahr liegt auch diesmal beim Karnevalsdienstag die Betonung auf Dienst".
Aber Scherz beiseite: Daß in der Trennung zwischen Haus-toren und Hau-storien (Saugwurzeln parasitischer Pflanzen) unterschieden wird, liegt ja (wie Herr Ickler schon ansprach) nicht an irgendeiner Aussprache, sondern daran, daß die Ligatur st nicht auseinandergerissen werden sollte und langes s nicht im Auslaut stehen kann. Mit der Verbreitung der Antiquaschrift und dem weitgehenden Verschwinden der Ligaturen ist diese Regel sinnlos geworden. Wir brechen uns bestimmt keinen ab, wenn wir zugestehen, daß auch ein blindes Huhn mal ein Korn finden kann, oder anders gesagt: auch den wüstesten und inkompetentesten Reformern gelingt es nicht, alles falsch zu machen.
Freilich gerät man leicht in die Situation wie einst Landgraf Wilhelm IV, der Weise, von Hessen-Kassel, der in seinem Gutachten zur Gregorianischen Kalenderreform feststellte, daß diese gut durchdacht und astronomisch begründet ist, eine echte Verbesserung des Julianischen Kalenders darstellt – und trotzem nicht übernommen werden kann, weil der Papst die Einführung des neuen Kalenders befohlen hat, und als Protestant kann man sich dem nicht unterwerfen.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.08.2013 um 17.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9527

Sind bei der (alt-)hochdeutschen Lautverschiebung aus Einzellauten Mehrfachlaute entstanden?


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 11.08.2013 um 22.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9533

Den Vorschlag von Herrn Achenbach (in 700#9532) finde ich ideal:
- st darf grundsätzlich getrennt werden, aber
- bei 3 und mehr aufeinandertreffenden Konsonanten wird i. a. der letzte abgetrennt, eng zusammengehörige Paare wie st und pf bleiben dabei jedoch zusammen.
Das ist einleuchtend und läßt sich sehr leicht lernen.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 12.08.2013 um 06.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9534

All die genannten Probleme wären doch mit mit der Hauptregel: Mehrsilbige Wörter können am Zeilenende getrennt werden, um eine optimale Zeilenfüllung (v.a. in gedruckten Texten) zu gewährleisten, ohne durch den Zeilenumbruch den Lesefluß zu behindern vom Tisch, nicht wahr?

Wenn man erstens anerkennt, daß die Leser im Vordergrund stehen, und zweitens, daß manches auch eine Ermessens- oder Geschmacksfrage ist, könnte man sich so manche Grübelei ersparen. Es wäre dann möglich (oder ohne die Reform möglich gewesen), den Wörterbuchverlagen die Herausgabe von Stil-Ratgebern zu überlassen.

Wie man deren Empfehlungen in Software umsetzen würde, ist wiederum ein anderes Thema, aber ich habe gerade in einem ansonsten sehr sorgfältig lektorierten Buch die Trennung "Koo-peration" gelesen. Software ist zwar eine Hilfe, aber sie kann den Menschen nicht ersetzen.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.08.2013 um 14.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9537

Im Tagebuch unter "Silbentrennung" haben wir noch Fälle wie rei-s-te, sech-s-tel diskutiert. Man müßte also die Trennregel für 3 und mehr aufeinanderfolgende Konsonanten noch genauer formulieren.


Kommentar von MG, verfaßt am 13.08.2013 um 02.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9538

Heute in der Zeitung gefunden: "hellb-lau".

Man müßte in der Tat die Trennregel bei drei und mehr Konsonanten besser formulieren. Oder man hält sich vordringlich an die Wortbestandteile, nach der Regel darf man das ja.


Kommentar von Pt, verfaßt am 13.08.2013 um 13.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9540

Was nutzt eine besser formulierte Regel, wenn die Leute das Offensichtliche nicht sehen?


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 15.08.2013 um 08.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=699#9552

Nochmals zu den Trennregeln und den diesbezüglichen Kommentaren:

Die computergestützte Silbentrennung wird niemals fehlerfrei arbeiten, schon gar nicht in Sprachen wie dem Deutschen mit seiner theoretisch unendlichen Menge an Komposita. Das liegt einfach daran, daß die meisten Trennprogramme eine begrenzte Wörterliste, die bekannte Trennstellen enthält, mit Wahrscheinlichkeitswerten für bestimmte Buchstabenkombinationen verbinden, und die Wahrscheinlichkeit, daß "llb" oder "br" am Silbenanfang bzw. -ende statt an der Silben- oder Kompositagrenze stehen, bzw. die Vermischung von Wörterliste und Wahrscheinlichkeit führt dann eben zu Trennungen wie "hellb-lau", "Tra-brennen", "Schrei-breform" oder "Photos-hop".



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