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01.08.2013
 

Neue deutsche Rechtschreibung wird 15 Jahre alt
Kritiker fordern eine Reform der Reform

Wo wird ein Wort richtig getrennt? Und wann genau braucht man ein Komma? Fragen, die sich jeder Schüler und auch jeder Erwachsene früher oder später stellt. Um Klarheit in diesen unübersichtlichen Wald deutscher Rechtschreibregeln zu bringen, wurde vor genau 15 Jahren die „neue deutsche Rechtschreibung“ ins Leben gerufen. Aus „Kuß“ wurde damals „Kuss“ und „Stengel“ wurde zu „Stängel“. Alles aus Gründen eines einfacheren Lernens, so hieß es.

Zu Beginn der schrittweisen Einführung der Reform im Jahr 1998 waren sich die Kultusminister aller Länder noch einig und stimmten für den Entwurf des „Instituts für Deutsche Sprache“. Viele von ihnen ruderten jedoch schon vor der endgültigen Einführung 2004 wieder zurück und forderten eine Wiedereinführung der alten Variante.

Christian Wulff, damals noch Ministerpräsident von Niedersachsen, warnte sogar vor „Sprachverhunzung“ durch die neue deutsche Rechtschreibung. Neben den Politikern stellen aus heutiger Perspektive auch Wissenschaftler und Lehrer der neuen deutschen Rechtschreibung ein schlechtes Zeugnis aus.

Theodor Ickler, Deutschlehrer und ehemaliges Mitglied des Rates für deutsche Rechtschreibung, ist ein Kritiker der ersten Stunde. In einem aktuellen Bericht über die Folgen der Rechtschreibreform sieht er dieses Problem: „In den Schulen wird zurzeit eine Rechtschreibung unterrichtet, die außerhalb der Schule niemand anwendet“. Weder die Zeitungen noch die Reformer selbst würden die Regeln konsequent einhalten. Aus diesen Gründen fordert Ickler eine „Reform der Reform“.

Weniger kritisch sieht das der Direktor des „Instituts für Deutsche Sprache“, Ludwig Eichinger. Eine einheitliche Regelung, wie sie die Rechtschreibreform beabsichtigte, sei „für die Schule und das öffentliche Schreiben insgesamt sicher vernünftig und hilfreich“. Man habe mit dieser Regelung „einen Ausgleich zwischen formalen Prinzipien und historischen Schreibgewohnheiten“ gefunden, erklärte Eichinger in einer Stellungnahme zum Geburtstag der Reform.

Obwohl die Rechtschreibregeln von 212 auf 112 und die Zeichensetzungsregeln von 52 auf neun verringert wurden, ist die deutsche Sprache Theodor Ickler zufolge dadurch nicht einfacher geworden: „In der Schule werden jetzt mehr Rechtschreibfehler gemacht, allerdings streichen die Lehrer kaum noch an, weil sie selbst verunsichert sind. Damit hat sie ihren Hauptzweck verfehlt, denn die Erleichterung des richtigen Schreibens war ja das oberste Ziel.“

Und tatsächlich steigt die Fehlerquote bei Schülern stetig an. So lautet zumindest das Ergebnis einer Studie, die vom „Rat für deutsche Rechtschreibung“ in Auftrag gegeben wurde. Im Jahr 1972 lag die Fehlerquote in Texten von Grundschülern noch bei 6,94 Prozent. Innerhalb von 40 Jahren hat sich diese Rate der Erhebung zufolge mehr als verdoppelt. Eine Bilanz, die zeigt, dass die Rechtschreibreform gescheitert ist.


Quelle: Westfälische Nachrichten
Link: http://www.wn.de/Muensterland/Kritiker-fordern-eine-Reform-der-Reform-Neue-deutsche-Rechtschreibung-wird-15-Jahre-alt


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Kommentare zu »Neue deutsche Rechtschreibung wird 15 Jahre alt«
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Kommentar von morgenweb.de, 2. August 2013, verfaßt am 09.08.2013 um 17.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=700#9528

Schüler trauern dem „daß“ nicht nach
Am 1. August 1998 wurden die neuen Regeln eingeführt – seitdem ist die Akzeptanz auch an der Bergstraße gewachsen

Als Brachial-Reform wurde sie gescholten, die das Sprachgefühl verletze und voller Widersprüche sei - die neue deutsche Rechtschreibung, die am 1. August 2006 bundesweit verbindlich in Kraft trat, hatte über Jahre hinweg einen schweren Stand. Zum 15. Mal jährte sich gestern zudem das Datum, das 1995 von der deutschen Kultusministerkonferenz als offizieller Einführungstermin festgelegt wurde: Der 1. August 1998.

Es folgten Proteste von Sprachwissenschaftlern und Schriftstellern, in mehreren Bundesländern wurde versucht, die Reform zu kippen. Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine schrieben lange Zeit beharrlich nach den alten Regeln. Zweimal - im Jahr 2004 und im Jahr 2006 - wurde das Regelwerk noch überarbeitet. Dabei war das Ganze doch gut gemeint, vor allem einfacher und logischer sollte es werden. Komma-Regeln änderten sich, "daß" wurde zu "dass", die "Schiffahrt zur "Schifffahrt".

An der Bergstraße hat sich die Aufregung mittlerweile gelegt. "Die heutige Schülergeneration kennt die Rechtschreibung nicht anders", erklärt der Schulleiter des Heppenheimer Starkenburg Gymnasiums, Bernhard Zotz. Die Lehrer hätten - wie viele der älteren Generation - die Diskussionen zur Reform noch mitbekommen. "Viele stört zum Beispiel auch, dass für manche Wörter zwei Schreibweisen erlaubt sind, anstatt konsequent eine Variante zu wählen."

Die Macht der Gewohnheit hat auch der langjährige Leiter der Lorscher Werner-von-Siemens-Schule, Philipp-Otto Vock, im Unterrichtsalltag beobachtet: "Man hat sich an die neue Rechtschreibung gewöhnt. Anfangs war es aber für Schüler und Lehrer sehr verwirrend, zumal so manche Regel schwer nachzuvollziehen war." Wichtig, so der pensionierte Pädagoge, sei es gewesen, "dass die Lehrer die Verwendung der neuen Regeln vorgelebt haben". Vock selbst gibt aber augenzwinkernd zu, dass so manches einmal Gelernte haften bleibe: "Potenzial schreibe ich automatisch als ,Potential'. Und ich ertappe mich immer wieder, dass ich das Wort Foto als ,Photo' schreibe."

Dem Heppenheimer Gymnasialdirektor Bernhard Zotz bereitet in Sachen Rechtschreibung weniger die Frage neu oder alt Sorgen: "Es ist so, dass Rechtschreibung für viele Schüler generell problematisch ist." Die Sicherheit der richtigen Orthografie habe merklich nachgelassen. "Was man manchmal in E-Mails liest, ist haarsträubend. Es wird schnell etwas hingeschrieben, die richtige Schreibweise ist dabei unwichtig."

Eine ähnliche Beobachtung hat auch Wolfgang Freudenberger gemacht, Leiter der Heinrich-Metzendorf-Schule in Bensheim. "Gerade ältere Schüler nutzen häufig den Computer, und da die Autokorrektur Fehler verbessert, wird da nicht mehr so sehr drauf geachtet. Auch E-Mails und SMS schreibt man schnell, teils mit eigener ,Sprache'. Dabei werden Tippfehler toleriert und man schreibt generell nachlässiger." Trotzdem stellt Freudenberger seinen Schülern gute Noten in der Rechtschreibung aus. "Junge Leute, die das neue Regelwerk von Anfang an gelernt haben, beherrschen dieses auch sicher." Im Gegensatz dazu sei manchem Lehrer die Umgewöhnung schwergefallen. "Gerade in der Übergangszeit, als viele Schreibweisen parallel erlaubt waren, herrschte Unsicherheit, was richtig und falsch ist." Positiv am neuen Regelwerk sei die vereinfachte Schreibweise zum Beispiel von Fremdwörtern. Dagegen streite sich bei manchem Wort Logik mit Optik: "Betttuch mit drei ,t' zu schreiben ist logisch - aber es sieht komisch aus."

(www.morgenweb.de)


Kommentar von Pt, verfaßt am 09.08.2013 um 18.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=700#9529

Schüler, die nie das ''daß'' kennengelernt haben, können ihm auch nicht nachtrauern. Und daß ''gut gemeint'' sprichwörtlich oft das Gegenteil von ''gut'' ist, sollte auch den Reformern bekannt gewesen sein.

Diese Art von Journalismus ist manipulativ!


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.08.2013 um 18.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=700#9530

Natürlich sehen die vielen Wörter mit drei gleichen Konsonanten dort, wo es nicht notwendig ist, sehr komisch aus.

Aber daß als Beispiel für diese Komik ausgerechnet das einzige Wort (das ich kenne) angeführt wird, das aufgrund der bewährten Regel tatsächlich doppeldeutig ist, das ist nicht weniger komisch.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 11.08.2013 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=700#9531

Der Artikel zeichnet sich dadurch aus, daß er die eigentlichen Probleme umgeht.

Vock selbst gibt aber augenzwinkernd zu, dass so manches einmal Gelernte haften bleibe: "Potenzial schreibe ich automatisch als ,Potential'. Und ich ertappe mich immer wieder, dass ich das Wort Foto als ,Photo' schreibe."

Vock scheint in der Tat ein Fossil zu sein, denn "Photo" war schon vor der Reform eine veraltete Schreibweise.

Trotzdem stellt Freudenberger seinen Schülern gute Noten in der Rechtschreibung aus. "Junge Leute, die das neue Regelwerk von Anfang an gelernt haben, beherrschen dieses auch sicher."

Schüler haben die alten DUDEN-Regeln vor der Reform genausowenig beherrscht, wie sie die Neuregelung verinnerlicht haben. Und angesichts des angerichteten Durcheinanders von Sicherheit zu sprechen, ist eine Frechheit, die sich aber gewiß als karrierefördernd herausstellen dürfte.

Positiv am neuen Regelwerk sei die vereinfachte Schreibweise zum Beispiel von Fremdwörtern.

Ach, wirklich? Hat der Herr Schulleiter schon einmal einen Blick in das amtliche Wörterverzeichnis geworfen?

Dagegen streite sich bei manchem Wort Logik mit Optik: "Betttuch mit drei ,t' zu schreiben ist logisch - aber es sieht komisch aus."

Übersetzung: Die Lesbarkeit ist beeinträchtigt, aber sie wird zugunsten eines stumpfen Schematismus geopfert.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 11.08.2013 um 15.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=700#9532

Die Frage von Trennungen wie schön-ste hat m.E. mit dem Trennverbot von st weniger zu tun. Diese Trennung des alten Duden ist bloß ein zufälliges Nebenprodukt dieses Trennverbots. Das eigentliche Problem ist die alte wie neue Regel, daß bei mehreren Konsonanten immer der letzte abgetrennt wird.

Bei zwei Konsonanten entspricht diese Regel in den allermeisten Fällen der natürlichen (phonetischen) Trennfuge (Wes-pe, bes-te). Nach langem Vokal oder Diphthong ist das aber nicht unbedingt der Fall. So erscheinen mir etwa die Trennungen wi-drig und mei-ste (sprich maj-ste) natürlicher.

Bei drei oder mehr Konsonanten ist diese Regel aber bloße Konvention, denn in diesem Fall gibt es im allgemeinen keine eindeutige natürliche Trennfuge. Daher spricht nichts gegen die offenbar von vielen bevorzugte (morphologische) Trennung schön-ste. In diesem Fall sehe ich keinen Bedarf für eine dogmatische Festlegung.

Es gab ja in Deutschland zeitweise auch andere Trennverbote, etwa für pf. Dabei erscheint mir dieses Trennverbot noch plausibler als das für st, denn das pf ist in aller Regel aus einem p entstanden und bildet daher eine Einheit. So ziehe ich etwa die Trennung Kar-pfen vor. Besonders unschön sind Trennungen wie Strümp-fe, denn hier wird ein p suggeriert, wo gar kein p ausgesprochen wird. Bei nur zwei Konsonanten läßt sich eine Trennung von pf allerdings wohl nicht vermeiden (Ap-fel).

Von diesen verschiedenen Trennverboten ist 1901 nur das für st übriggeblieben. Interessant wäre, warum man damals daran festgehalten hat (vielleicht nur deshalb, weil die verschiedenen Schulorthographien bei diesem Trennverbot übereinstimmten).


Kommentar von Germanist, verfaßt am 12.08.2013 um 10.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=700#9535

Ap-fel darf getrennt werden, denn es ist aus Ap-pel enstanden. Ebenso klop-fen aus klop-pen, hup-fen und andere.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.08.2013 um 11.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=700#9536

Was hat denn die Lautverschiebung mit der Silbentrennung zu tun? Gerade in solchen Fällen wie Apfel gibt es doch nur eine einzige Trennmöglichkeit nach Sprechsilben, und so wird sie auch begründet, nicht mit der Etymologie.


Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 09.09.2013 um 20.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=700#9576

In der Netzausgabe der Neuen Osnabrücker Zeitung ist heute ein für die Medien recht kritischer Artikel zur Rechtschreibreform anläßlich des Jahrestages erschienen; siehe hier.

(Vielen Dank für diesen Hinweis! – Red.)



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