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Blüthen der Thorheit

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16.12.2014
 

Ach, Schmachthagen!
Das Ganze ist belämmert, aber bitte mit "ä"

Nicht die Rechtschreibreform war fragwürdig, sondern die Reform der Reform. Es kommt immer auf die Systematik der Regeln an.

Vor drei Wochen schrieb ich an dieser Stelle, der "Un"-Rat für deutsche Rechtschreibung habe sich im Jahre 2006 mit Eifer bemüht, größeren "Flurschaden" im Regelwerk der Orthografie anzurichten. Ich konnte mir diese Bemerkung nach jahrzehntelangem Einsatz an der Rechtschreibfront nicht verkneifen, ahnte aber sofort, was kommen würde, nämlich Beifall von der falschen Seite. Es gibt immer noch Leute, die lesen, ohne auf den Zusammenhang zu achten, nur das Wort "Rechtschreibreform" und eröffnen sofort das Feuer. Vielen Dank für die Mails. Ich korrigiere Briefe an mich weder mit der Maus noch mit roter Tinte, da muss niemand Bedenken haben, wenn aber so ein Angriff auf die neue Schreibweise in drei Sätzen 15 Fehler aufweist, so hege ich doch schon einmal die Vermutung, dass es bei dem Absender letztendlich egal ist, ob er die alte oder die neue Rechtschreibung nicht beherrscht. Nein, es ging mir beim "Flurschaden" nicht um die Reform von 1998 bzw. um die von den ernst zu nehmenden Medien 1999 umgesetzte Agenturschreibweise, sondern um die Reform der Reform von 2006.

Die ursprünglichen Reformer hatten nach 1996 versucht, die inzwischen arg verwucherte Norm von 1901 in knappe und eindeutige Regeln zu fassen. Das war dringend nötig, nachdem der Duden 1955 von den überforderten Kultusministern die alleinige Regelhoheit (West) bekommen hatte und danach jede Wortspielerei des "Spiegels" und jeder Druckfehler des "Mannheimer Morgens" zu einem neuen Stichwort zu werden drohte. Es gab zwei oder drei Konrektoren in Deutschland, die leuchtende Augen bekamen, wenn sie "in bezug" und mit Bezug auf die Unlogik den Zeigestock auf seinem Platz "plazierten", die Klassenarbeiten mit Nummern "numerierten" und wussten, dass sie den Hintern ihrer Schüler nicht mehr "verbleuen", den Nagel im Chemieunterricht aber verbläuen durften. Selbstverständlich gehörte es zur Allgemeinbildung, den "Tolpatsch" mit einem "l" zu schreiben, weil jeder Abc-Schütze wusste, dass dieses Wort eigentlich "ungeschickt gehen wie ein talpas" bedeutete, also durch die Gegend wanken wie ein breitfüßiger ungarischer Fußsoldat.

Irgendwie war alles ein "bißchen belemmert" (von mittelniederd. belemmen – lähmen). Ich hatte im Abendblatt zum Abschied von der alten Rechtschreibung 40 Rechtschreibfragen gestellt und hinter jedem Beispiel zwei Kästchen drucken lassen, in denen man "richtig" oder "falsch" ankreuzen sollte. Andere Möglichkeiten gab es nicht. Wer lange genug gewürfelt hätte, wäre auf wenigstens 20 Richtige gekommen. Die Beste war eine Kollegin alter Schule mit acht Treffern. Übrigens waren alle 40 Beispiele richtig, nur hat's niemand geglaubt. So viel zur angeblich "klassischen" Rechtschreibung.

Eine Leserin schickt mir einen Artikel aus ihrer Firmenzeitschrift, mit dem sie vor 15 Jahren ihren Kolleginnen und Kollegen die neue Rechtschreibung zu erklären versucht hat. Der Inhalt ist so weit richtig, trotzdem wird keiner ihrer Mitarbeiter die Regeln verstanden haben. Sie macht den Kardinalfehler, die Schreibweise einzelner Wörter zu zeigen, etwa Fuß mit "ß" und Fluss mit "ss", aber nicht die Systematik, die dahintersteckt. Niemand möchte Tausende Schreibweisen wie Vokabeln lernen. Mit einer einfachen Erklärung der ss/ß-Regel hätte sie alle s-Laute abräumen können.

Und damit sind wir zurück beim "Flurschaden". Die Reformer hatten die klare Regel aufgestellt, dass zwei Verben, die zusammentreffen, getrennt geschrieben werden. Es heißt also baden gehen, lesen lernen und damals auch ausschließlich sitzen bleiben, liegen lassen und kennen lernen. Doch dann führten die Umformer 2006 bei bleiben und lassen wieder die Unterscheidung nach Bedeutung ein und machten kennenlernen gar zu einem Wort. Manche Leute sind nicht glücklich, wenn sie nicht jede Regel mit Ausnahmen und Unterregeln verwässern können. Diese Leute sollte man nicht an die deutsche Sprache lassen, sondern sie nach Brüssel schicken, damit sie die Verordnung über die Watt-Begrenzung bei Staubsaugern noch mit dem Zusatz versehen, dass diese Geräte am Weltfrauentag nicht benutzt werden dürfen.

Das Ganze ist belämmert, ich weiß, allerdings diesmal mit "ä".


Quelle: Hamburger Abendblatt
Link: http://www.abendblatt.de/nachrichten/article135426032/Das-Ganze-ist-belaemmert-aber-bitte-mit-ae.html

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Kommentare zu »Das Ganze ist belämmert, aber bitte mit "ä"«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.04.2017 um 06.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1931

Mir geht es mit dem Tagebuch genauso, ungefähr die Hälfte meiner Beiträge ist nicht angenommen, trotz Bestätigung. Ich verstehe aber nix von der Technik.

 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 01.04.2017 um 12.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1930

Das kann ich nur bestätigen. Herr Heudtlaß hatte um Literaturhinweise gebeten, die ich ihm in diesem Forum zukommen lassen wollte, aber jeder Versuch, diese zu veröffentlichen, ist gescheitert.


Vielleicht sollte man die Seite erstmal auf die alte PHP-Version zurückfahren, denn die Probleme häufen sich.

 

Kommentar von Red., verfaßt am 31.03.2017 um 22.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1929

Das müssen wir uns anschauen, vielen Dank.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 31.03.2017 um 19.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1928

Hat schon jemand bemerkt, daß es im Diskussionsforum Probleme bei der Texteingabe gibt?

Ich kann keinen Beitrag eintragen. Ich fülle das Beitragsfeld aus, speichere, bekomme die Meldung, der Beitrag sei erfolgreich eingetragen worden. Wenn ich aber dann nachsehe, ist das Feld leer.

Manchmal bekomme ich auch beim Speichern die Fehlermeldung, das Beitragsfeld dürfe nicht leer sein. Dabei war es gar nicht leer, es ist erst dann leer, wenn ich von der Fehlermeldung aus wieder zurückgehe.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.03.2017 um 16.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1927

Hier in meiner Gegend bilden die Leute das Partizip ohne ge-, da kollidiert nichts.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.03.2017 um 22.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1926

Beim süddeutschen "hat / ist gestanden" kollidiert das Perfekt "ge-" von "stehen" mit dem Präfix "ge-" von "gestehen". Außerdem wird das Imperfekt / Präteritum im Süddeutschen Hochdeutsch selten benutzt, es wird z.B. in den bayerischen Grundschul-Deutschlehrbüchern als norddeutsche Besonderheit eingeführt. Den Sinn erst aus dem ganzen Satzzusammenhang erkennen zu können entspricht dem klassischen Latein gegenüber dem Bürgerlatein.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 21.03.2017 um 18.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1925

Ja, eine interessante Stelle, die Zweideutigkeit dürften aber fast nur Sprecher des Süddeutschen bemerken, weil nur für sie gestanden haben eine besondere Markierung, sozusagen ein "Achtung" bedeutet.

Die anderen vermuten zunächst das Richtige (weil Naheliegendste) und werden vom Kontext bestätigt. Im Untertitel steht:

Der Angreifer vom Pariser Flughafen Orly stand offenbar unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen.

Nicht gestand. Darunter im Text noch klarer, nicht etwa beim Geständnis, sondern bei seiner Tat:

Der Angreifer vom Pariser Flughafen Orly stand laut Ermittlern bei seiner Tat am Samstag unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen.

Es ist ja allgemein bekannt, daß keine Sprache immer ganz eindeutig ist. Ich bin mir ziemlich sicher, ohne daß ich jetzt sofort ein Beispiel wüßte, daß auch im Süddeutschen so manche Zweideutigkeit existiert. Normalerweise ist das kein Problem, weil der Zusammenhang diese Zweideutigkeiten aufhebt. Wo es nötig ist, weil zu viele Mißverständnisse entstehen, wandelt sich die Sprache von allein.


 

Kommentar von R. M., verfaßt am 20.03.2017 um 21.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1924

Netter Fund!

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.03.2017 um 15.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1923

Heute in spiegel.de: "Angreifer soll unter Alkohol- und Drogeneinfluß gestanden haben." Das ist zweideutig: Stand er beim Geständnis oder bei der Tat unter Alkoholeinfluß? Süddeutsches Hochdeutsch ist eindeutig: "gestanden haben" heißt ein Geständnis abgelegt haben, "gestanden sein" heißt bei der Tat gestanden gewesen sein. Einfache Sprache heißt zuerst eindeutige Sprache.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.03.2017 um 22.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1922

Die oiden Rittersleut: Nur die Geister von densölben spuken nachts in den Gewölben.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.03.2017 um 09.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1921

Zu http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1573

Dieses inzwischen wieder veraltete derselbe anstelle des einfachen Pronomens er(der ist im Duden (online) nicht zureichend dargestellt:

"1.dieser (sich selbst Gleiche) und kein anderer; der, die, das Nämliche; Kurzform: selbe
2.(umgangssprachlich) der, die, das Gleiche
3.(veraltet, Papierdeutsch) nachgestellt und auf eine vorausgegangene Größe zurückweisend

3. nachgestellt und auf eine vorausgegangene Größe zurückweisend
Gebrauch
veraltet, Papierdeutsch
Beispiel
das Haus, vor allem das Dach desselben (sein Dach)"

Das Pronomen wurde und wird durchaus auch in anderen Funktionen und Stellungen gebraucht:

Ein bürokratischer Alptraum für jeden Veranstalter. Derselbe muss dann von jeder Party ein vollständige Playliste bei der GEMA einreichen, mit Name jedes Liedes, Künstlername des Interpreten, sein Label, sein bürgerlicher Name und dessen genaue Adresse!!!(https://de-de.facebook.com/bachstelzen/posts/430907936970721)

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.07.2015 um 09.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1575

Schmachthagen über einen Hamburger Rechtschreibtest:

»Ich frage mich, wer in der Schulbehörde einen Test-Text ausgerechnet von Uwe Timm ausgesucht hat, einen Text, der doch das Rechtschreibbewusstsein der Schüler stärken und nicht verderben sollte, der aber aussagt (soweit ich überhaupt eine Aussage finden konnte), dass man auch ohne Rechtschreibzwang ein Schriftsteller werden könne, während der frühere Mitschüler, der die "fehlerfreihesten" Diktate geschrieben hat, heute Mülldirektor ist.«

Mir hat der Text auch nicht gefallen. "Ohne Triumph" (also triumphierend, wenn man die rhetorische Figur auflöst) berichtet Timm, daß der beste Rechtschreiber der Klasse heute Leiter einer Mülldeponie ist; er selbst ist trotz seiner Rechtschreibschwäche ein berühmter Schriftsteller geworden.
Diese Geschichte wird in vielen Varianten von vielen Personen erzählt, sie ist ziemlich langweilig. Den Müllmann muß ich aber in Schutz nehmen. Er ist sicher nur eine Fiktion, aber warum hat Timm nicht gleich gesagt, daß der einstige Primus nun Müllmann ist? Das ging schon 2005 nicht, weil es nicht korrekt ist, Müllmänner (noch dazu meistens Ausländer) zu verhöhnen. So wird er wenigstens zum Leiter einer Deponie befördert, wo er sprachlos seine "Häkchen" macht, wenn wieder ein Zehntonner seine Ladung gekippt hat. Das gibt es, aber eigentlich ist die heutige Entsorgungswirtschaft und -wissenschaft ein kompliziertes Unternehmen, und wir können froh sein, wenn die Leute davon etwas verstehen. Deshalb werden sie auch besser bezahlt als die meisten Schriftsteller.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.07.2015 um 06.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1574

In seiner Deutschstunde gibt Schmachthagen die Dudennorm für die Verteilung von Schreck und Schrecken wieder, die allerdings nicht mit der Sprachwirklichkeit übereinstimmt.
Außerdem kritisiert er mit dem bekannten Pleonasmusargument die Wendung billige Preise. Immerhin könnte man einwenden, daß die ältere Bedeutung von billig noch nicht ganz ausgestorben ist (recht und billig usw.).

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.07.2015 um 11.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1573

Otto Behaghel, Jahrgang 1854, hat noch gewisse Sprachveränderungen selbst miterlebt, so auch das Häufigwerden von "derselbe" anstelle des einfachen "er". In seiner Geschichte der deutschen Sprache führt er es zusammen mit anderen Erscheinungen darauf zurück, daß das einfache Anaphorikon zu wenig Lautkörper hat und leicht überhört wird. Deutlichkeit im Interesse des Hörers ist überhaupt eines der Hauptmotive, die er, ebenso wie Paul natürlich, für den Sprachwandel geltend macht.
Eduard Engel, sein Altersgenosse, macht sich ausführlichst über die "Derselberer" lustig und kritisiert auch sonst von ihm geschätzte Autoren wegen dieser Marotte. Hermann Paul selbst habe ich schon zitiert.

(Wenn man die großen Sprachgeschichten jener Zeit oder auch die "Prinzipien" Hermann Pauls gelesen hat, möchte man gleich wieder von vorn anfangen. Interessanter als ein Roman, und meistens sehr gut geschrieben! Noch kann man sich im Antiquariatshandel mit billigen Exemplaren eindecken, aber es wird immer schwerer.)

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.06.2015 um 16.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1569

Kein Wunder, daß deutschsprachige Lerner slawischer Sprachen Schwierigkeiten mit der automatischen Anwendung des reflexiven Possessivpronomens haben.

 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 30.06.2015 um 14.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1568

(Im zweiten Satz ja, aber nicht ersten)

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2015 um 11.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1567

Es wäre wünschenswert, daß die alte Frage "Wer wen?" schon rein mechanisch beantwortet wäre und man nicht erst Überlegungen zum Weltlauf anstellen müßte. Ich würde übrigens einfach "Putins Doktorarbeit" sagen. Mir gefällt das ganze Verweisen mit "dessen, deren" usw. sowieso nicht besonders. Wie unübersichtlich das ist, wird ja auch am schon besprochenen Fehler "dessem, derem" deutlich (siehe hier).

 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 30.06.2015 um 09.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1566

»Beim russischen Präsidenten Wladimir Putin ist Clifford Gaddy schon deshalb nicht sonderlich beliebt, weil er dessen Doktorarbeit als Plagiat bezeichnet hat.«

Dieser Satz ist rein formal betrachtet tatsächlich zweideutig, eigentlich aber nicht mißzuverstehen. Es kann nur gemeint sein, daß Gaddy Putins Doktorarbeit als Plagiat bezeichnet hat, denn der umgekehrte Fall ergibt keinen Sinn. Wenn Putin Gaddys Doktorarbeit als Plagiat bezeichnet hätte, könnte dies niemals der Grund dafür sein, daß Putin Gaddy nicht sonderlich mag, allenfalls dafür, daß man davon ausgehen muß, daß es so ist.

Die klassische Lösung zur Aufhebung dieser formalen Zweideutigkeit lautet wohl: »weil dieser seine Doktorarbeit als Plagiat bezeichnet hat«. Aber kann man sich wirklich darauf verlassen, daß heutige Sprecher die Unterscheidung zwischen »dieser« und »jener« noch kennen? Außerdem ist auch »seine Doktorarbeit« nicht eindeutig, denn es könnte immerhin sein, daß Gaddy seine eigene Doktorarbeit als Plagiat bezeichnet hat, auch wenn diese Deutung in diesem Satz so wenig einen Sinn ergibt wie die Aussage, daß Putin Gaddy nicht mag, weil er Gaddys Doktorarbeit irgendwann mal als Plagiat bezeichnet hat. Ich selbst würde wahrscheinlich schreiben: »weil der seine Doktorarbeit als Plagiat bezeichnet hat«.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 30.06.2015 um 09.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1565

(Die Kommas müßten weg.)

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.06.2015 um 03.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1564

Danke, sehr schön! Im Russischen habe ich leider nur passive Kenntnisse, daher traue ich mir keine entsprechenden Konstruktionen zu.

Übrigens sind Pronomina ganz allgemein schwer zu verarbeiten, nicht einmal das Genus macht die Bezüge auf Anhieb deutlich:

Sobald die Wirklichkeit mit einem Ideal verschmolzen wird, verdeckt es sie. (Ludwig Marcuse: Argumente und Rezepte. Zürich 1973:58)

Man muß eine Sekunde nachdenken, um sicher zu sein, wer wen verdeckt (wozu die chiastische Reihenfolge beiträgt).

 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 30.06.2015 um 00.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1563

"Holbach was the son of a winemaker, whose parents could neither read nor write."

"It is always painful for the opposition, when the government does what it has demanded."

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2015 um 21.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1562

Das ist eine interessante Frage. Ob andere Sprachen nicht ähnliche Zweideutigkeiten zulassen, will ich nicht diskutieren, aber ein paar Beispiele (z. T. früher schon verwendet) können den Sachverhalt verdeutlichen:

„Holbach war der Sohn eines Winzers, dessen Eltern weder lesen noch schreiben konnten” (SZ 14.4.07)
Waren es nun Holbachs Eltern oder seine Großeltern, die nicht lesen und schreiben konnten?

"Als eigentlicher Begründer der vergleichenden Sprachwissenschaft hat jedoch der Sprachforscher Franz Bopp zu gelten, zu dessen Vorläufern im 18. Jahrhundert auch der Niederländer L. ten Kate gehört. Sein Buch über das Konjugationssystem der Sanskritsprache erschien 1816 (...)" (Hugo Moser: Deutsche Sprachgeschichte. Stuttgart 1961:33)
Wessen Buch?

"Beim russischen Präsidenten Wladimir Putin ist Clifford Gaddy schon deshalb nicht sonderlich beliebt, weil er dessen Doktorarbeit als Plagiat bezeichnet hat." (FAZ 29.12.06)
Wer hat wessen Doktorarbeit als Plagiat bezeichnet?

"Es ist für die Opposition immer qualvoll, wenn die Regierung tut, was sie verlangt hat." (FAZ 1.7.03)
Wer ist mit sie gemeint?

"Ist die literarische Bildung nun nichts anderes als ein bürgerliches Klassenbewußtsein? Diese Behauptung wäre ohne Zweifel zu eng und mißverständlich. Aber sie hat unter anderem durchaus auch die Funktionen eines Klassenbewußtseins gehabt." (Helmut Kreuzer [Hg.]: Die zwei Kulturen. München 1987:300)
Hier kann sich das sie rein grammatisch auf die Behauptung beziehen, die störend zwischen die eigentlich gemeinte Bildung und das wiederaufnehmende Pronomen getreten ist.

-
Aber die entscheidende Frage ist natürlich, ob und wie man solche Undeutlichkeit vermeiden kann. Und da bin ich doch recht optimistisch; ich mache mich anheischig, alle genannten Beispiele im Handumdrehen in unmißverständliche umzuwandeln. Man muß eben immer das gesamte Repertoire einer Sprache im Auge haben, bevor man Werturteile fällt.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.06.2015 um 17.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1561

Ein schwerer Fehler der deutschen Sprache wurde nicht angegangen: die ungenaue Verwendung von "seine" und "ihre" und die Ersetzung durch "seine / ihre eigene" bzw. "dessen" und "deren". Da sind uns die slawischen Sprache weit überlegen. Auch das klassische Latein war genauer, im Gegensatz zu den neulateinischen Sprachen.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 23.06.2015 um 18.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1560

Ich halte die Verwendung von Substantiven, die gar nichts darstellen wie "ohne Weiteres, des Öfteren usw." für Ausdrucksfehler wegen Ungenauigkeit. Der Leser kann verlangen, daß der Schreiber genauer ausführt, was er wirklich meint. Wenn er das nicht kann, verwendet er nur leere Floskeln, auf deutsch sinnlose Füllwörter.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.06.2015 um 17.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1559

Großbuchstaben sind wie Leuchttürme im Text. Sie stören zwar beim Schreiben, aber sie helfen beim Lesen und Verstehen der Sprache. (Schmachthagen 23.6.15)

Das ist ungefähr so, als sagte man: Akkorde stören zwar beim Klavierspielen, gefallen aber dem Zuhörer. - Wozu schreibt man überhaupt?

Und wenn Großbuchstaben wie Leuchttürme sind, warum schreiben Schmachthagen und seine Vorschreiber dann "im Allgemeinen, seit Langem" usw.? Falsch positionierte Leuchttürme lassen das Schiff scheitern, das weiß der Hamburger doch.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.06.2015 um 17.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1558

Ich korrigiere mich: Auch Strafgefangene werden überführt (zum Gericht oder in ein anderes Gefängnis). Allerdings werden sie dabei meist wie Sachen behandelt.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.06.2015 um 04.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1557

Ein klassischer Trugschluß. Die ausgelassene Prämisse lautet: "Nur Sachen werden überführt." Aber warum sollte eine solche Petitio principii gelten?

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.06.2015 um 16.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1556

Auch Autos werden überführt (per Güterzug vom Werk zum Kunden). Daraus schließe ich, daß überführte Leichen Sachen und keine Personen mehr sind.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.06.2015 um 04.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1555

Entscheidend ist der Sprachgebrauch; dagegen ist die Polysemie (Täter überführen. Leichen überführen) kein Argument, denn davon gibt es Tausende von Beispielen (Botschaft, Gericht, einstellen usw.), die niemanden stören.

 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 20.06.2015 um 19.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1554

Schwer zu sagen, denn solche Sätze sind in der Praxis ja eher selten anzutreffen. Meistens liest oder hört man das Partizip II, wobei mir überführt viel geläufiger ist als übergeführt (und ich selbst auch nur überführt verwende).

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 20.06.2015 um 17.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1553

Mag sein, aber ist das realistisch? Die Särge werden wir heute noch überführen: Betont das jemand auf der ersten Silbe? Die Schweizer vielleicht.

 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 20.06.2015 um 16.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1552

Die Wörterbücher geben allerdings auch bei überführen im Infinitiv unterschiedliche Betonungen an, also: einen Täter überführen, einen Leichnam überführen.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 20.06.2015 um 10.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1550

Zum Vergleich: Bei übersetzen wird bekanntlich unterschieden zwischen übersetzt (Sprache) und übergesetzt (Passagiere). Hier heißt es aber auch er übersetzt und er setzt über, und schon im Infinitiv ist die Betonung anders. Das ist alles bei überführen nicht der Fall.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 18.06.2015 um 16.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1549

Wenn der Täter tot ist, kann er dann noch überführt werden? Gestehen kann er nicht mehr.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.06.2015 um 10.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1548

Ich selbst würde nur sagen, die Leiche sei überführt worden, und als ich das übergeführt in einer Schlagzeile der FAZ las, habe ich es angestrichen und mir vorgenommen, der Sache nachzugehen, bin dann auf Schmachthagen gestoßen, der gerade in der umgekehrten Richtung reagiert hatte.

 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 17.06.2015 um 23.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1547

Vielleicht hätte Schmachthagen die 26. Auflage des Dudens etwas genauer studieren sollen. Dann wäre er unter dem Stichwort »überführen, überführen« [mit Betonungsstrich unter dem ersten bzw. zweiten ü] auf das Beispiel »die Leiche wurde nach ... übergeführt oder überführt« gestoßen. Bei weiteren Recherchen in älteren Duden hätte er entdecken können, daß die beiden Varianten seit der 17. Auflage (1973) gleichberechtigt nebeneinanderstehen und daß die 14. (1958) und die 15. Auflage (1961) den Zusatz »(häufig auch schon: überführt)« enthielten, die 16. Auflage (1967) »(auch schon:) überführt«.

Wenn der Duden diese Entwicklung 1958 zum erstenmal erwähnt, kann man getrost davon ausgehen, daß sie schon lange davor eingesetzt hat (sofern es diese Entwicklung überhaupt gegeben hat und nicht schon immer beide Varianten gebräuchlich waren). Tatsächlich findet man schon in den ersten SPIEGEL-Ausgaben von 1947 Beispiele für Kranke und Verstorbene, die überführt werden. Und in Google Books finden sich viele weitere Belege, die bis ins 19. und sogar ins 18. Jahrhundert (vielleicht sogar noch weiter, ich habe die Suche abgebrochen) zurückreichen.

Hier zeigt sich wieder einmal: Es ist zwar legitim, für eine Unterscheidung zu werben, die man selbst für sinnvoll hält und von der man feststellt, daß nicht alle sie vornehmen, man sollte aber vorsichtig sein mit Aussagen wie »Früher sagte man dies oder jenes«. Vor allem aber ist niemandem zu wünschen, daß sein Lebensmut davon abhängt, ob irgendein Nachrichtensprecher in einem bestimmten Wort zwei Buchstaben wegläßt oder nicht.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.06.2015 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1546

Die 26. Auflage des Rechtschreibdudens bietet zwar keine neuen Regeln, weil man mit den derzeitigen inzwischen gut leben kann, dafür aber 5000 neue Einträge. (Schmachthagen Berliner Morgenpost 2.6.15)

Das ist nicht der Grund, sondern die Reformer haben seither keine Änderungen beschlossen, auch keine Klarstellungen zu den vielen Schwachpunkten, die wir hier immer wieder nachgewiesen haben, mit denen aber Schmachthagen gut leben kann.

Gestern schrieb er:

Früher wurde der Mörder der Tat überführt, sein Opfer jedoch in die Leichenhalle übergeführt. In der vergangenen Woche wurde in der deutschen Presse allerdings ein Opfer der Flugzeugkatastrophe nach dem anderen von Frankreich nach Deutschland "überführt". Ich gab auf und hisste die weiße Sprachflagge neben der Tastatur. Da hörte ich plötzlich, dass bei Susanne Daubner in der "Tagesschau" die Opfer übergeführt worden waren. Mein Lebensmut kehrte zurück. Es ist offenbar doch noch nicht alles verloren!

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2015 um 15.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1542

Da es sich bei dem Mädchen um eine weibliche Person handelt, kann es mit einer femininen Form wieder aufgenommen werden: Das Mädchen ist eine gute Schülerin. (Schmachthagen HA 2.5.15)

So werden Genusrektion, Kongruenz und Constructio ad sensum oft mißverstanden, auch von Linguisten. In Wirklichkeit haben Genus und Sexus des Prädikatsnomens überhaupt nichts mit den entsprechenden Werten des Subjekts zu tun. Der Mann ist eine große Persönlichkeit., Die Mutter war ein lieber Gast usw. sind völlig normal und bedürfen keiner Rechtfertigung.
Anders bei: das Mädchen ... sie ...

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.05.2015 um 12.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1527

Schmachthagen druckt einen Beitrag über Fremdworteindeutschungen ab, den er wörtlich auch schon im September 2012 gebracht hatte. Darin macht er sich in billiger Weise über erfolglose Neubildungen wie "Dörrleiche" (Mumie) lustig, ohne zu sehen, daß zur Zeit ihrer Erfinder keineswegs abzusehen war, welche Übersetzungen Erfolg haben würden und welche nicht.

"Bis zum Ersten Weltkrieg waren Gallizismen, aus dem Französischen stammende Ausdrücke, gang und gäbe. In der täglichen Umgangssprache breiter Schichten wurden Begriffe wie Trottoir (Bürgersteig), Billett (Fahrkarte), Coupé (Abteil), Kondukteur (Schaffner) oder Perrong [?] (Bahnsteig) wie selbstverständlich gebraucht. Im Zuge der Propaganda gegen den Kriegsgegner Frankreich begann 1914 die große Welle der Eindeutschungen."

Die Eindeutschungen bei Post und Bahn sind alle schon im 19. Jahrhundert vorgenommen worden.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2015 um 16.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1524

Schmachthagen scheinen die Themen auszugehen, und so breitet er wieder mal sein vereinfachtes orthographiegeschichtliches Weltbild aus. Es steht unverrückbar fest:

Auch war die Zeit um 1901 eine andere. Man konnte zwar der "Thür" und dem "Thor" das "h" wegnehmen, aber doch bitte nicht dem Thron! Das wäre Majestätsbeleidigung gewesen.

(siehe http://www.abendblatt.de/meinung/article205323339/Manche-Reform-Vorschlaege-waren-daemlich.html)

 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 16.05.2015 um 09.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1523

"belemmert" ist in der Tat etymologisch mit "lahm" verwandt, aber für Herrn Augst war das irrelevant, weil er sich für das "Volk" hielt und meinte, "volksetymologisch" der Sprachgemeinschaft vorschreiben zu müssen, daß "belämmert" auf das Wort "Lamm" zurückzuführen sei.

In meinem unreformierten niederländisch-deutschen Wörterbuch finde ich als Übersetzung von "belemmeren": behindern, hemmen, erschweren. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, was ein entfesselter Augst daraus gemacht hätte: hämmen, erschwären

 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 14.05.2015 um 18.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1522

Ich dachte, belemmert geht auf das niederdeutsche Verb belemmern = hindern zurück. Käme es von lahm, müßte es wohl als "belähmert" geschrieben werden und nicht als belämmert, oder?

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2015 um 05.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1521

"Ich darf den Leser beruhigen. Niemand in der Redaktion boykottiert die Rechtschreibreform." (Schmachthagen HA 12.5.15)

Das haben wir auch nicht erwartet.

"Leider wurde die Reform von 1996/99, angeführt von einem großen Berliner Zeitungshaus, 2006 ihrerseits einer (überflüssigen) Reform der Reform unterzogen."

Falsche Grammatik, aber genaue Wiedergabe von Schmachthagens ewigem Leid - daß es nicht bei der wunderbaren Reform von 1996 geblieben ist. Das wird er den Kritikern nie verzeihen.

Noch einmal im Zusammenhang;

"Bis zur Reform schrieb man den Traum, der uns im Schlaf quält, wie "Alptraum" mit "p". Als im flachen Norden aufwachsender Schüler dachte ich, die Bezeichnung komme von den Alpen, die sich nachts wie ein Gebirge auf uns legten. Das war falsch. Das Wort kommt vom Alb, einem im alten Volksglauben koboldhaftem, gespenstischem Wesen, das sich auf die Brust des Schlafenden setzt und bei ihm ein drückendes Gefühl der Angst hervorruft. Deshalb entschieden die Reformer, dass der "Alptraum" wie Albtraum mit "b" geschrieben werden müsse.
Leider wurde die Reform von 1996/99, angeführt von einem großen Berliner Zeitungshaus, 2006 ihrerseits einer (überflüssigen) Reform der Reform unterzogen, die viele alte Schreibweisen wieder aufleben ließ, ohne die neuen für ungültig zu erklären. Die Zahl der fakultativen Schreibweisen nahm in beängstigender Weise zu. Seitdem darf man sich wieder mit einem Alptraum im Bett wälzen. Der Duden empfiehlt jedoch den Albtraum. So wollen wir es auch in diesem Fall halten."

Warum guckt er nicht nach? Auch die ursprüngliche Reform hatte beide Schreibweisen zur Wahl gestellt.

"Auch die Wörter Bändel (früher: Bendel), behände (behende), einbläuen (einbleuen), Gräuel (Greuel), schnäuzen (schneuzen) und Stängel (Stengel) haben mit der Reform eine Stammangleichung erfahren und werden heute so und nur so geschrieben (zumal die alte, etymologische Schreibweise keineswegs einleuchtender war)."

Die herkömmliche Schreibweise war nicht etymologisch, und sie bedurfte auch keiner Rechtfertigung, weil sie die übliche war. Die neuen Schreibweisen hingegen waren etymologisierend, und zwar meistens falsch.

"Auf die Barrikaden trieb es 1999 die Reformgegner, als belämmert nicht mehr wie "belemmert" buchstabiert werden sollte. Schließlich habe das Wort nicht das Geringste mit dem Lamm zu tun! Nein, nicht mit dem Lamm, aber mit lahm."

Das mit den Barrikaden ist übertrieben, und die Etymologisierung mit "lahm" hat Schmachthagen nachträglich aus dem Hut gezaubert. Damals war nur vom Lamm die Rede.

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 10.05.2015 um 21.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1520

Zu #1516: Na, ein ganzes Buch hat Twain über "The Awful German Language" nun doch nicht geschrieben. Es ist ein einem anderen Buch (*A Tramp Abroad*) beigefügter Essay (Appendix D).

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 10.05.2015 um 11.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1519

Bauanleitung für lustige Substntivzusammensetzungen: Als vorangestelltes zweites Bestimmungswort nehme man ein Adjektiv oder Partizip, welches sich nur auf das folgende erste Bestimmungswort und keinesfalls auf das Grundwort bezieht und das Ganze ausdrücklich ohne Bindestriche. Beispiele: der verrostete Fahrradreifen, der verschrumpelte Äpfelbauer, der geteerte Straßengraben usw.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 08.05.2015 um 17.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1516

Wir kaufen möglichst nur freilaufende Hühnereier. Hier hat die deutsche Sprache mal einen echten Unterhaltungswert. Leider scheint das Mark Twain entgangen zu sein in seinem Buch über "Die schreckliche deutsche Sprache".

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2015 um 04.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1515


Schmachthagen bespricht die schiefen Attribute, allerdings nur die Adjektive bei Komposita, ohne den weiteren Zusammenhang. Dabei übersieht er, daß es sich oft nur um eine orthographische Angelegenheit handelt: Wer das kleine Kindergeschrei sagt, läge ja mit Kleine-Kinder-Geschrei richtig, selbst die Binnenflexion wäre nicht außergewöhnlich (mit dem ewigen Kleinen-Kinder-Geschrei). Der physikalische Chemieprofessor ist zwar schief, aber das ist der physikalische Chemiker auch schon, ohne Zusammensetzung; und die Chemie ist nicht physikalisch, weil Bezugsadjektive nicht prädikativ gebraucht werden. Andererseits sind sie wegen ihrer Unbestimmtheit lockerer im Gebrauch; deshalb ist der freilaufende Hühnerhalter anstößiger als die deutsche Sprachwissenschaft.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.04.2015 um 15.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1514

Heute erklärt Schmachthagen seinen Lesern die ss-Regelung:

Die Reformer haben mit der ss/ß-Regel klar und einfach festgelegt, wann "ss" und wann "ß" geschrieben werden muss. Nach einem kurz gesprochenen Vokal (Selbstlaut) steht "ss": Kuss, Riss, Ass, musste, bisschen, Schloss, nass.

Usw.

Auf die Probleme geht er nicht ein, darum bleibt alles klar und einfach. Nur - woher kommt dann die Vermehrung der Fehler gerade in diesem Bereich? Vielleicht gerade von seinen eigenen Regeln wie:


Wir halten als neue Regel fest: Einmal "ss" im Wort, immer "ss" im Wort.

Das sieht nach Stammschreibung aus (morphematisches Prinzip), aber gleich danach folgt:

Das Eszett steht nach lang gesprochenem Vokal.

Also doch kein Stammprinzip (das hier in der Tat keine Rolle spielt, weil die Neuregelung rein phonetisch begründet ist). Und dann sagt er noch:

Diphthonge werden immer lang gesprochen.

Das ist für den Sprecher nicht nachvollziehbar, da er nicht den Eindruck hat, daß heiß lang ist.


Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir mein Postfach jetzt nicht mit Beispielen wie Reis, Maus oder Haus vollstellen würden. Bei der Schreibung der einfachen s-Laute ist trotz der Reform nämlich alles beim Alten geblieben.

Dann muß man also noch im Kopf haben, wie es vor der Reform war; auf Auslautverhärtung geht er nicht ein, natürlich läßt er auch Bus, Kürbis usw. weg. Wieder verwechselt hier jemand seine Vereinfachung der Regeln mit einfachen Regeln.


 

Kommentar von Pt, verfaßt am 20.04.2015 um 15.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1513


Entschuldigung, der Verweis zur Petition ist hier:

https://www.change.org/p/deutscher-bundestag-werden-sie-endlich-dem-schutz-von-mobbing-opfern-gerecht-und-und-schaffen-entweder-eine-eigene-strafrechtsnorm-mobbing-oder-einen-neuen-qualifikationstatbestand-im-rahmen-der-224-und-226-stgb

"Zum Internationalen Tag der Gerechtigkeit, dem 17. Juli 2014, wurde im vergangenen Jahr – unterstützt durch eine gleichlautende Briefe-Aktion an das Bundesministerium der Justiz – der Deutsche Bundestag erneut mittels Petition aufgefordert, endlich einen eigenen Tatbestand ‚Mobbing’ in das deutsche Strafrecht aufzunehmen. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages lehnte die Veröffentlichung dieser Petition mit der Begründung ab, das Anliegen sei nicht von allgemeinem Interesse und nicht für eine sachliche öffentliche Diskussion geeignet."



 

Kommentar von Pt, verfaßt am 20.04.2015 um 14.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1512

Wie schwerwiegend Mobbing ist und wie verantwortungslos unsere Politdarsteller in diesem Zusammenhang immer noch reagieren, zeigt folgende Petition:

http://www.suchebiete.com/Psychologie_Lebensberatung/sb148072477/Petition-Mobbing_Strafrechtsnorm-Mobbing-neuen-Qualifikationstatbestand-Rahmen_224-226-StGB

"In Fachkreisen spricht man von etwa 1,5 Millionen Betroffenen pro Jahr in Deutschland. 1,5 Millionen ‚Einzelfälle’ – Dunkelziffer unbekannt. Die gesundheitlichen Folgen sind vielfältig und gravierend. ... In Deutschland sterben weit mehr Menschen durch Suizide als durch Verkehrsunfälle. Etwa jeder vierte Suizid wird auf Mobbing zurückgeführt. Bei rund 10.000 Freitoden pro Jahr sind das geschätzte 2.500 Selbstmorde aufgrund von Psychoterror – mehr als 6 Tote täglich.

Eine hochinteressante Veröffentlichung gab es bereits im Jahre 2001 durch Dr. med. A. Bämayr, der ‚Mobbing’ unmissverständlich als pure Gewalt bezeichnet – mit fatalen Folgen für die Opfer, resultierend aus vielen kumulierend wirkenden leichten, mittelschweren und gelegentlich auch schweren einzelnen Mobbinghandlungen.
Um dieser wichtigen Erkenntnis Rechnung zu tragen, müssten auch rechtlich alle Mobbinghandlungen zusammengefasst und – aufgrund der kumulierenden Wirkung – als eine Tat behandelt werden. Das lässt die aktuelle Rechtsprechung jedoch nicht zu.

Mindestens seit dem Jahre 2000 fordern Mobbing-Opfer daher immer wieder die Schaffung eines Gesetzes gegen Mobbing – mindestens seit dem Jahre 2000 werden diese Forderungen immer wieder mit demselben Wortlaut abgelehnt: ‚Es gebe bereits genügend rechtliche Möglichkeiten, sich gegen Mobbing zu wehren.’ (Öffentliche Korrespondenz unter mobbing.ilia-faye.de). Diese Aussage wurde anhand konkreter Beispiele längst widerlegt."

Dem sind unter anderem auch die Schüler ausgesetzt, auch schon in den Grundschulen. Ich kann nicht verstehen, wie man angesichts solcher Fakten die Rechtschreibung immer noch als ein Lernhemmnis, als Mittel zur Selektion oder als Herrschaftsinstrument ansehen kann.

 

Kommentar von Pt, verfaßt am 20.04.2015 um 14.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1511

Es ist nicht notwendig, alles psychologisierend auf ''frühkindliche Schädigungen'' zurückführen. Ich wüßte auch nicht, wo es in meiner Grundschule in bezug auf das Schreiben eine ''etwas unheimliche Autorität, die keinen Widerspruch und keine kritischen Fragen duldet'' gegeben hätte. Die meisten Kinder in der Grundschule werden wohl auch noch nicht so weit sein, daß sie bezüglich Rechtschreibung ''kritische Fragen'' stellen könnten.

Ich denke mal, daß jeder Grundschullehrer sich freuen würde, wenn Grundschüler schon kritische Fragen stellen würden und sicher freundlich und verständnisvoll darauf eingehen würden – anderenfalls würde ich sie als ungeeignet für die Grundschule und den Lehrerberuf ansehen. Das einzige Unheimliche ist Ihre Argumentation mit dem ''Unbewußten'', welches angeblich lebenslang auf uns einwirkt und dem wir lebenslang ausgesetzt sind. Und das nur, weil es sinnvoll ist, bestimmte Wörter auf eine bestimmte Art und Weise zu schreiben – etwas, was auch schon von Grundschülern als sinnvoll erkannt werden kann.

Was wirklich unheimlich ist an der Schule, und von dem viele Schüler betroffen sind, ist das massive Mobbing und die heuchlerische Moral, mit der diese wirklich schlimme Sache von allen Verantwortlichen ignoriert oder weggeredet wird – zumindest war das zu meiner Zeit so. Man bekommt im Religionsunterricht moralisches Verhalten – zu dem auch kein Widerspruch erlaubt ist – nahegebracht, aber wenn andere das einem tun, was man selber anderen nicht antun soll, dann schauen die Moralisten weg! Solche Leute und ihre Moral sind unheimlich, nicht die Rechtschreibung! Horrorfilme ohne die christlichen Konzepte von Todsünde, Teufel, Hölle und ewiger Verdamnis dürften kaum möglich sein!


 

Kommentar von B.Troffen, verfaßt am 15.04.2015 um 14.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1510

Am meisten plausibel scheint mir, daß es auf die frühe Kindheit zurückgeht. Das richtige Schreiben ist für das Schulkind mit die erste Begegnung mit einer etwas unheimlichen Autorität, die keinen Widerspruch und keine kritischen Fragen duldet, de man sich bedingungslos fügen muß - so schreibt man das und basta! - und deren Mißbilligung unerfreuliche Folgen hat. Das gräbt sich wohl so tief ein ins Unbewußte, daß manche es lebenslang nicht wieder loswerden, weil's eben weitgehend nicht bewußt so erlebt wird. Und eben dieselbe Autorität trat nun wieder auf mit dem Befehl, einer geänderten Norm zu folgen. Die Reaktion war dieselbe Beflissenheit, die einst verinnerlicht und nie hinterfragt wurde. Und die entrüstete Reaktion gegen jene, die es anders machen oder nicht einsehen wollten, sich also ungezogen verhielten, war auch dieselbe ...

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.04.2015 um 04.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1509

Wir spießen zwar gern die Einzelheiten auf, mit denen Schmachthagen, Sick und viele andere sich bloßstellen, aber eigentlich geht es immer um das Verwirrende ihres Charakters. Wie kann es sein, daß man sich ausdrücklich als Deutschlehrer der Nation betätigt und gleichzeitig seine "Befehle" von einer Handvoll Leuten wie Augst, Zabel, Schaeder (+) entgegennimmt - nur weil es diesen mal gelungen ist, die Kultusminister hinter sich zu bringen ("sich den Auftrag zu holen", wie Zabel kundtat)? Gerade Schmachthagen ist durchaus zu der Einsicht fähig, daß diese Leute Mist gebaut haben; trotzdem trägt er an einer ehemals einflußreichen Stelle dazu bei, den Mist durchzusetzen. Jener ebenfalls in Hamburg tätige Lehrer und Schulbuchverfasser, der der Norm gehorchen wollte, "weil sie die Norm ist", gehört auch dazu. Wobei das Gehorchen uns gleichgültig sein könnte, das Durchsetzen aber nicht (Buckeln nach oben, Treten nach unten).
Da ist mir ein weniger sachkundiger Mensch, der keine Deutschstunden erteilt, sich aber solchen Eingriffen widersetzt, immer noch lieber.

 

Kommentar von Theodor ickler, verfaßt am 08.04.2015 um 11.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1508

Die Sprache unterscheidet den Menschen von anderen Lebewesen. Niemand wird allerdings ganz ohne Fehler sprechen und schreiben, auch ich nicht. Aber es gibt gewisse Parameter, auf die man achten sollte und die den Unterschied zu Klein Erna signalisieren.(Schmachthagen 6.4.15)

Preisfrage: Was meint er mit "Parameter"? Es folgen Beispiele wie scheinbar/anscheinend, dasselbe/das Gleiche, diesen Monats . Davon werden die Parameter auch nicht klarer. Und dann noch dies:
"Es heißt jetzt aus aller Herren Länder (ohne -n)."

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.04.2015 um 03.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1507

Dazu auch:

dass es Tieren in den neuesten Ställen im Großen und Ganzen bessergeht (FAZ 4.4.15)
Sechs Jahre Krise haben die Griechen mürbegemacht. (FAZ 4.4.15)


 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.04.2015 um 18.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1506

"Großschreiben und kleinschreiben werden zusammengeschrieben, weil sich das enthaltene Adjektiv nicht steigern oder erweitern lässt. Wenn mein Großvater seine Liebe zum Vaterland jedoch groß oder sogar sehr groß geschrieben hat, schreibt man getrennt. Auch zusammenschreiben wird zusammengeschrieben, es sei denn, Fritz und Lieschen wollen zusammen schreiben, nämlich einen Brief an Oma." (Schmachthagen 2.4.15)

In Wirklichkeit verweist das amtliche Wörterverzeichnis auf § 34 (2.2), aus dem diese Schreibweise nicht hervorgeht und worin auch dieses Kriterium nicht enthalten ist.


(Schmachthagen ist bei der Reform von 1996 hängengeblieben.)

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.03.2015 um 04.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1505

Schmachthagen lehrt Groß- und Kleinschreibung, einschließlich Substantivierung und Desubstantivierung.

Tageszeiten, die nach einem Zeitadverb stehen, werden seit der Rechtschreibreform großgeschrieben: gestern Morgen, heute Abend, morgen Nacht. (10.3.15)

An dieser Stelle verzichtet er darauf, seinen Lesern die unerwartete Großschreibung zu erklären. Wahrscheinlich hält er es mit dem Spruch: "Schweigen und genießen".

 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 03.03.2015 um 14.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1503

Aus der Zeitung von gestern:
"Daraufhin wurde die Polizeipräsenz am Sonntag ein wenig reduziert."
Hier wird nicht dekliniert. Schmachthagen müßte also mit der Kleinschreibung einverstanden sein.


 

Kommentar von ppc, verfaßt am 26.02.2015 um 10.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1501

Die Großschreiberitis von "Längerem" und "Weitem" stammt von den Duden-"Empfehlungen", aber wenigstens läßt der die Kleinschreibung noch zu (wenn man so bescheuert ist, sich nicht an die wundervollen Empfehlungen zu halten). Natürlich muß die Großschreibung pseudowissenschaftlich begründet werden, und zwar praktischerweise nicht mit denselben Argumenten, mit denen man jahrhundertelang die Kleinschreibung begründet hat.


 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2015 um 09.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1500

„Wird das Adjektiv dekliniert, ist allerdings Großschreibung angesagt: von Neuem, bis auf Weiteres, seit Längerem.“ (Schmachthagen 24.2.15)

Noch einmal: Woher hat er das?

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.02.2015 um 14.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1499

Das sollte natürlich Da kannst du nichts machen heißen.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.02.2015 um 13.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1498

Entscheidend ist, wer angesprochen wird. Ist es der Leser, dann Großschreibung. Ist es ein anderer, z. B. in der Wiedergabe eines Dialogs, oder überhaupt niemand (Da kannst Du nichts machen), dann Kleinschreibung. So war im wesentlichen die von der Reform unbeeinträchtigte Lage. Daß die Schulbuchverleger es anders gehalten haben, ist ein marginales Problem. Schon in normalen Kinderbüchern sah und sieht die Sache anders aus.

 

Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 19.02.2015 um 12.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1497

Herr Markners Bemerkung "Die Beschränkung auf Briefe ist obsolet, die Großschreibung hingegen nicht." ist so knapp wie richtig, die Wirklichkeit spricht eine andere (geschriebene) Sprache, als die "Reformer" behaupten: Die Kleinschreibung des du ist tatsächlich regelmäßig dort zu beobachten, wo es für 'man' steht. Großschreibung kommt selbst dann vor, wenn kein bestrimmter Adressat auszumachen ist; Beispiel:
Die Deutsche Post AG veröffentlicht jedes (?) Jahr eine Sondermarke "Für Dich", zuletzt am 1.3.2014. Das von Jahr zu Jahr wechselnde Herz-Motiv zeigte damals ein Huhn und einen Hasen (gezeichnet vom Kölner Cartoonisten Peter Gaymann) kombiniert mit den beiden Wörtern Für Dich. Die Marke soll "den Charakter des persönlichen Briefes als individuelle und stilvolle Botschaft betonen", wie die Süddeutsche vor Jahren schrieb.

Eine Kleinschreibung des du "in angeführter mündlicher Rede" halte ich daher für eine überflüssige Ausnahme. Wenn eine eindeutige, nicht von Ausnahmen belastete Regel (Schmachthagen, 17.2.15) gewünscht ist, sollte sie wohl so lauten: “Anredepronomen und ihre Flexionsformen sowie die zugehörigen Possessivartikel werden immer groß geschrieben."

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.02.2015 um 12.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1496

Natürlich auch in Theaterstücken und überhaupt jeder Wiedergabe wörtlicher Rede, die nicht an den Leser gerichtet ist.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 19.02.2015 um 11.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1495

Kleinschreibung von "du" ist nur voll gerechtfertigt, wenn das "du" für "man" steht: "Da kannst du nichts machen." usw., also keine persönliche Anrede.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.02.2015 um 11.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1494

Briefe werden keine mehr geschrieben. Entscheidend ist heutzutage die Frage, ob Kunden usw. klein angeduzt werden sollen oder nicht. Wirklich persönliche Anrede hin oder her, die Kleinschreibung (Ikea, Wikipedia usw.) wirkt respektlos.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.02.2015 um 07.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1493

§ 16 Großschreibung der Anredepronomina
(1) Das Anredepronomen Sie und seine Flexionsformen sowie der zugehörige Possessivartikel Ihr werden immer groß geschrieben, ebenso die Anrede Ihr für Einzelpersonen.
(2) Das Anredepronomen Du und seine Flexionsformen sowie der zugehörige Possessivartikel Dein werden in Briefen und ähnlichen Texten groß geschrieben.
Anm. 1: Klein geschrieben wird du in angeführter mündlicher Rede sowie in Anleitungstexten, die keine echte persönliche Anrede enthalten: Er sagte: „Ich habe dich lange nicht gesehen.“ Schlag dein Wörterbuch auf und sieh nach, wie die folgenden Wörter geschrieben werden. (Schulbuch)
Anm. 2: Das Reflexivpronomen sich wird immer klein geschrieben: Haben Sie sich entschieden?

(aus meinem Wörterbuch)



 

Kommentar von R. M., verfaßt am 18.02.2015 um 21.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1492

Die Beschränkung auf Briefe ist obsolet, die Großschreibung hingegen nicht.

 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 18.02.2015 um 19.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1491

Das erinnert mich an Einträge im Mitteilungsbuch im Lehrerzimmer, die so anfangen: "Wir möchten Sie/ euch bitten…" Ich frage mich, wo die Vereinfachung ist. Von Höflichkeit ganz zu schweigen.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2015 um 13.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1490

„Die vertrauliche Anrede du und ihr sowie die Possessivpronomen dein und euer werden im Allgemeinen kleingeschrieben, vor allem in der wörtlichen Rede. Lediglich in Briefen kann auch großgeschrieben werden, muss aber nicht und sollte auch nicht, um eine eindeutige Regel nicht mit einer einzigen Ausnahme zu belasten.“ (Schmachthagen 17.2.15)

Ich formuliere mal auf meine Art:

„Die vertrauliche Anrede du und ihr sowie die Possessivartikel dein und euer werden in Briefen groß geschrieben." (Schmachthagen 17.2.15)

Ist das so schwer? An wen wendet sich der Sprachvereinfacher eigentlich?

(Die Kleinschreibung braucht gar nicht erwähnt zu werden; im Kontext war es immerhin gerechtfertigt, weil Schmachthagen zuvor die Großschreibung von "Sie" usw. behandelt hatte.)

 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 03.02.2015 um 11.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1489

Ich vermute, er hat in diesem Fall gar nicht nachgeschlagen und sich mal auf sein Sprachgefühl verlassen. An sich sympathisch und für seine Verhältnisse sogar mutig, aber das Ergebnis ist das gleiche: Murks.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.02.2015 um 09.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1488

Mir ist nicht ganz klar, wo Schmachthagen nachschlägt. Bei scheinbar/anscheinend, nächstes/nächsten Jahres, gewinkt/gewunken, das Gleiche/dasselbe (alle in der heutigen "Deutschstunde") kann er sich wie Sick auf die einmal gelernte, pedantische Schulnorm verlassen, aber woher weiß er, daß bestehen auf unbedingt den Dativ regiert?

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 26.01.2015 um 12.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1487

Die Rechtschreibreform: Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode.

 

Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 25.01.2015 um 19.54 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1486

Schmachthagens Kernaussage scheint mir in diesen entlarvenden Worten zu stecken:
"Die Reformer hatten die klare Regel aufgestellt, dass zwei Verben, die zusammentreffen, getrennt geschrieben werden. [...] Doch dann führten die Umformer 2006 bei bleiben und lassen wieder die Unterscheidung nach Bedeutung ein [...]"

Rechtschreibung bildet demnach keine Bedeutung (mehr) ab: "Es kommt immer auf die Systematik der Regeln an." Man könnte dann auch Regeln aufstellen wie "Jedes dritte Wort ist großzuschreiben, nach jedem fünften Wort ist ein Komma zu setzen." etc. Wer die Funktion geschriebener Sprache so grundsätzlich in Frage stellt wie Herr Schmachthagen, müßte mit der mündlichen Ausdrucksform eigentlich genauso verfahren ...

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.01.2015 um 17.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1485

In seiner Deutschstunde vom 21.1.15 breitet Schmachthagen die Lehre von den "trennbaren Verben" aus. Verbzusatzkonstruktionen hält er für Zusammensetzungen, die in gewissen Fällen unerklärlicherweise getrennt werden. Da auch viele Sprachwissenschaftler noch dieser irrigen Lehre anhängen, wollen wir es ihm nicht weiter verübeln. Nur daß er das - mit einem fürsorglichen Blick auf deutschlernende Zuwanderer – für eine besondere Schwierigkeit des Deutschen hält, ist bedauerlich.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.01.2015 um 09.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1483

Wie ähnlich Schmachthagen und Sick einander in ihrem Untertanengeist sind, kann man ja gerade am "Deppenapostroph" sehen: Sick veröffentlicht immer wieder Einsendungen seiner Anhänger, z. B. das Foto eines Plakats „Rund um’s Rathaus“. Beide haben die Anordnungen der Kultusminister verinnerlicht und hacken damit nun auf Mitmenschen herum, die es nicht getan haben. Für's Selbstbewußtsein muß das sehr gut sein.

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 03.01.2015 um 17.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1482

Ich kann das von hier aus nicht nachprüfen, aber solche Anmerkungen wie die in #1480 und #1481 sind hier ja ganz schön und richtig; sie sollten jedoch bei jedem gegebenen Anlaß immer auch als Leserbriefe an die Zeitungen gehen, – auch wenn wir wissen, daß sie da schon im Vorbüro gelöscht werden oder im Papierkorb landen. An der Kaffeemaschine da könnten sie ja vielleicht doch noch mal zur Sprache kommen. Und vielleicht sammelt sogar wer derartige Reaktionen für einen späteren Artikel. Aber letzteres schätzte doch wohl auch den letzten Vertreter der "Zwischengewalt der Öffentlichkeit" zu hoch ein; ich weiß. Trotzdem.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.01.2015 um 21.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1481

Gustav Seibt beklagt in der Südd. Zeitg. vom 20./21.12.14 "die Verachtung der Medien", die er als "Zwischengewalt der Öffentlichkeit" bezeichnet, "wo Tatsachenbehauptungen überprüft und Argumente bestritten werden können."
Meiner Meinung nach haben diese Medien sich selbst geschadet und ihre Glaubwürdigkeit verloren durch die kritiklose Befürwortung der Rechtschreibreform wider besseres Wissen, denn ich halte die Journalisten nicht für Dummköpfe, und durch die Unterdrückung kritischer Leserbriefe. Luis de Funés nannte so etwas "eine Rückenmarkslosigkeit Sondershausen."

 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 02.01.2015 um 18.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1480

Es ist immer wieder erstaunlich, wie manche Journalisten sich freiwillig selbst vorführen. Wäre es so gewesen, wie Schmachthagen andeutet, daß nämlich die Schreibweisen vor 1996 arg verwuchert und dringend reformbedürftig waren, und wäre es weiters so gewesen, daß die Reformschreibweisen all diese ungeliebten Schreibweisen durch bessere und intuitivere abgelöst hätten, dann hätte die Geschichte wohl einen ganz anderen Lauf genommen. Dann hätte es keine Volksabstimmungen, keine Unterschriftenaktionen maßgeblicher Fachleute, keine Gerichtsurteile und auch nicht mehrere Revisionen gegeben. Dann hätte die Mehrzahl die Reform dankbar angenommen und überwiegend sofort anwenden können. Anders die Wirklichkeit: noch heute findet man kaum schreibinteressierte Zeitzeugen, die die Reform(en) als geglückt bezeichnen, nicht einmal im Rechtschreibrat. Schmachthagens Ergüsse rufen Juvenal in Erinnerung: Es ist schwierig, keine Satire zu schreiben

Das Deutsche bietet durch Dynamik in GKS, GZS und Zeichensetzung Merkmale an, dem Leser den Sinn des Geschriebenen verdeutlicht zu vermitteln. Weil es darum geht, den Sinn zu unterstreichen, sind statische Regeln klarerweise vollkommen kontraproduktiv, eben weil sie geradezu sinnstörend wirken können. Wenn also jemand das Neue Jahr substantiviert, deutet er damit an, daß er zwischen dem von Glückwünschen begleiteten Neuen Jahr zum Jahreswechsel und einer x-beliebigen Textstelle, in der ein neues Jahr vorkommt, unterscheidet. Wenn etwas ausgeschrieben ‘für das‘ heißt, dann ist die erste Verkürzung für’s und die zweite fürs. Warum sollte man solche Dinge verbieten, und außerdem wer?

Die Bereiche GKS, GZS und Zeichensetzung werden am besten durch Beispielmaterial vermittelt und sollen dem Schreiber auch Freiraum bieten, seine Individualität darzustellen. Vom Sinn losgelöste Formalregeln sind nicht nur kontraintuitiv, sie sind vor allem eine Anmaßung gegen den Intellekt.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 02.01.2015 um 15.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1479

Einmal abgesehen davon, daß viele den Apostroph nicht zu setzen wissen, jedenfalls nicht an die richtige Stelle, kann man ihn nicht hören. Deshalb ist Jesu besser als Jesus' und Marxens besser als Marx'.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.01.2015 um 11.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1478

Es macht auf mich immer den Eindruck ziemlicher Abgehobenheit, den Namen Jesus Christus in deutschen Texten lateinisch zu deklinieren. Was ist das für ein seltsamer Brauch?

"so meinen wir ... Jesum Christum" ...
Bei Schmachthagen kann ich ja die Prahlerei noch verstehen, aber oft gibt es auch anderswo "das Leben Jesu Christi" usw. Was soll das eigentlich? Reicht im Deutschen kein Apostroph im Genitiv bei Namen auf s?

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.12.2014 um 12.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1477

Am 30. Dezember widmet sich Schmachthagen erwartungsgemäß dem neuen Jahr und begründet die (alte wie neue) Kleinschreibung wie folgt:

Noch ist es nicht zu spät, allen Verwandten, Bekannten, Freunden oder Kunden per Post ein glückliches Jahr 2015 zu wünschen. Dabei sollten Sie Ihre Wünsche allerdings auf das neue Jahr mit kleinem "n" beziehen. Wir beginnen am Donnerstag kein "Neues" Jahr, sondern ein neues Jahr, das auf das alte Jahr folgt. Das neue Jahr ist kein Eigenname, sondern bezeichnet ein beliebiges Jahr, von denen es Tausende in den Zeitläuften gibt. Das unterscheidet es vom Heiligen Abend, von dem – obwohl wir unzählige Abende erleben – nur ein einziger im Kalender auserwählt ist, das Attribut "heilig" zu tragen: der 24. Dezember.
Der Heilige Abend ist also etwas Einmaliges und Besonderes und wird großgeschrieben, ein neues Jahr ist es nicht, bei dem deshalb nur ein Kleinbuchstabe benutzt werden darf. Großschreibung ist erforderlich, wenn der Begriff quasi ein Unikat darstellt. Denken Sie immer an die Gemeine Stubenfliege mit großem "G", deren Exemplare im Sommer zwar zu Hunderten herumschwirren, von denen es zoologisch gesehen aber nur eine einzige bestimmte Art gibt. Anders ist es beim italienischen Salat oder beim westfälischen Schinken, der in jedem Kühlregal zu finden ist. Wenn wir jedoch vom Westfälischen Frieden sprechen, so meinen wir einen ganz bestimmten Friedensschluss und haben es hier mit einem Eigennamen zu tun. Er beendete übrigens einen Krieg, der 30 Jahre gedauert hatte, aber keine beliebigen 30 Jahre, sondern die bestimmten Jahre von 1618 bis 1648. Deshalb schreiben wir in diesem Fall nicht "dreißigjähriger" Krieg, sondern groß Dreißigjähriger Krieg – Kriege gab es viele, diesen aber nur einmal.


Der unbefangene Leser wird fragen, ob der Heilige Abend nicht auch jedes Jahr wiederkehrt, ebenso wie das neue Jahr. Auch meint man ja mit den Glückwünschen nicht jedes neue Jahr, sondern das jeweils bevorstehende, insofern einzige. Wenn es hier einen Unterschied geben sollte, wäre die Begründung auf jeden Fall rabulistisch und für gewöhnliche Sterbliche nicht nachvollziehbar. Tatsache ist, daß sehr viele Menschen ohne Nachschlagen das Neue Jahr groß schreiben. Warum wohl? Ich habe von Anfang an gesagt, daß man diese Intuition respektieren sollte, auch wenn man noch keine Begründung dafür hat. (Aber ich habe eine, wie dargelegt.) Der Heilige Abend wird wie der Heilige Vater, dem die Reformer an den Kragen wollten, nicht deshalb groß geschreiben, weil es nur einen gibt, sondern weil er nur heilig genannnt wird, ohne unbedingt heilig zu sein - dasselbe gilt für Herrn Bergoglio.
Mit dem Dreißigjährigen Krieg ist es logisch auch nicht weit her. Nicht die Einzigartigkeit der 30 Jahre, sondern die Einzigartigkeit des historischen Ereignisses begründet die Eigennamengroßschreibung. Sollte jemand von 1618 bis 1648 gelebt haben, so hatte er ein dreißigjähriges Leben und kein Dreißigjähriges.

Weiter geht es:

Früher verfassten wir unsere Glückwünsche mit der Hand auf weißen Briefkarten im DIN-A6-Format und mussten richtig formulieren und buchstabieren. Heute kaufen wir uns im Supermarkt eine meist geschmacklos verzierte Glückwunschkarte, die es zu jedem noch so banalen Anlass gibt, in diesen Tagen natürlich vor allem zum Jahresanfang.
Ich zog eine aus dem Ständer und las die Aufschrift: "Alles gute für's Neue Jahr". Hier war aber auch alles falsch, was falsch sein konnte. Ich beschwerte mich beim Geschäftsführer. Er erklärte sich für nicht zuständig und deutete an, dass man in seiner Marktkette nur bedingt, aber in einer Druckerei ohne Schwierigkeit auch als Analphabet eine Anstellung erhalten könnte.
Das ist nicht gut, obwohl wir trotzdem alles Gute hoffen wollen. Klein schreibt man das Adjektiv gut, groß schreibt man die Substantivierungen des Adjektivs das Gute, Gutes und Böses, des Guten zu viel tun, sein Gutes haben, etwas im Guten sagen sowie nichts, viel, wenig Gutes – und eben alles Gute. Falls wir in der Lüneburger Heide einen guten Hirten sehen, so handelt es sich um irgendeinen beliebigen Schäfer, wenn wir aber vom Guten Hirten sprechen, so meinen wir einen Einzelnen und Bestimmten, nämlich Jesum Christum, der bekanntlich nicht nur sprachlich ein Unikat ist.
Nun zum "für's". Als ich den Geschäftsführer fragte, was dieser Deppenapostroph solle, hätte ich mir fast ein Hausverbot eingehandelt. Er wusste nicht, dass die Verschmelzung einer Präposition mit dem Artikel das stets ohne einen Apostroph geschrieben wird: fürs, ins, aufs, ans, ums, durchs usw.


Die Anekdote, die ihn bloßstellen würde und nicht den Geschäftsführer, wird er wohl erfunden haben. Tatsache ist, daß die §§ 96f. des Regelwerks den Fehler haben, den ich hier schon erörtert habe:

www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1054#17607

Schmachthagen gibt eine Regel zur Verschmelzung von Präpositionen mit "das" an, die im Regelwerk nicht zu finden ist. Der Fall – ein Ausnahmetatbestand in jedem Fall – ist buchstäblich ungeregelt, weshalb die schulmeisterliche Zurechtweisung anderer Erwachsener besonders lächerlich wirkt.

Was für ein unangenehmer Zeitgenosse! Den Einfällen hergelaufener Reformer fügt er sich wie ein Schuljunge und ersinnt sogar noch Begründungen dafür, aber nach unten glaubt er tüchtige Menschen treten und beleidigen zu dürfen.

 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 23.12.2014 um 11.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1476

Na geh, werter Schmachthagen, wo doch Zehetmair so zufrieden ist mit seinem Rat und auch allfällige Rechtschreibunklarheiten sofort und fundiert aufklären kann.

Schuld an der Misere ist doch der Sprachverfall und nicht die neue Rechtschreibung! Nanographie ist der Feind, nicht der Tollpatsch!
hdlno ;-((

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.12.2014 um 12.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=201#1475

Wie seine neueste "Deutschstunde" (16.12.14) zeigt, glaubt Schmachthagen inzwischen an seine eigene Erzählung vom Gang der Rechtschreibreform. Er wiederholt zum hundertsten Male, wie gut die Reform 1996 gelungen war und wie sie dann durch die Revision wieder verwässert wurde usw. – Es fehlt auch nicht der Hohn über die Zeitgenossen, bei denen es egal sei, ob sie die alte oder die neue Rechtschreibung nicht beherrschen. Ironisch schreibt er: Selbstverständlich gehörte es zur Allgemeinbildung, den "Tolpatsch" mit einem "l" zu schreiben, weil jeder Abc-Schütze wusste, dass dieses Wort eigentlich "ungeschickt gehen wie ein talpas" bedeutete, also durch die Gegend wanken wie ein breitfüßiger ungarischer Fußsoldat.
Na ja, zur Allgemeinbildung gehört eben heute, daß ein Tollpatsch so heißt, weil er toll ist.

Es hat keinen Sinn, nochmals auf die Einzelheiten einzugehehn, es sind ja immer dieselben. Schmachthagen geht niemals auf die wirklichen Probleme ein, sondern beschränkt sich auf das Leichte und Seichte. Der Gedanke, daß man nicht die alten Dudenregelungen zu verherrlichen braucht, wenn man die Reform ablehnt, ist für ihn unerreichbar hoch.

 

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