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Blüthen der Thorheit

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07.11.2005
 

„Schluss mit halbgaren Reformen!“
Die Hypovereinsbank wünscht „eine Gewinn bringende Lektüre“

Die Hypovereinsbank hat eine neue Werbekampagne gestartet. Gezeigt werden in Anzeigen und Broschüren zwei Schulmädchen, die von der herkömmlichen auf eine reformierte Rechtschreibung umlernen.

Offenbar soll der Betrachter sich mit diesen Schulmädchen identifizieren. Er soll es in seiner Eigenschaft als Privatkunde tun. Über die Analogie zur Rechtschreibreform möchte die Bank sein Interesse für eine persönliche Vermögens–Reform und ihre Finanzdienstleistungen wecken. Es ist alles sehr gequält und verdreht.

In einer der Broschüren wünscht Andreas Wölfer, Bereichsvorstand der HypoVereinsbank für Privatkunden & Private Banking, den Lesern eine entspannende und Gewinn bringende Lektüre. In einer der Anzeigen, die die beiden Mädchen vor einer Schultafel mit „alten“ und „neuen“ Schreibweisen zeigt, lautet die Schlagzeile wiederum: Schluss mit halbgaren Reformen!

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(Süddeutsche Zeitung, 3.11.05 - zum Vergrößern bitte anklicken)

Doch wen soll das ansprechen? Auf was spekuliert die Hypovereinsbank? Auf eine, was die Rechtschreibreform angeht, latente „Jetzt-erst-recht“-Stimmung? Falls ja: Betreibt die Bank keine Marktforschung? Falls nein: Ist die gesamte Kampagne eventuell ein hausinterner Sabotageakt? Will irgend jemand im Rahmen der hausinternen Richtungskämpfe der Abteilung Privatkunden auf komplizierte Art Schaden zufügen?

Wer kann sich diese Kampagne erklären? Wir bitten um Hilfe.




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Kommentare zu »Die Hypovereinsbank wünscht „eine Gewinn bringende Lektüre“«
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Kommentar von Christian Lindemann, verfaßt am 13.11.2005 um 20.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=80#200

Kommentar von Jan-Martin Wagner am 07.11.2005 um 22:16 Uhr:

"Blöken nicht alle im Chor, daß die geänderte ss-ß-Schreibung das einzig Gelungene an der Reform sei?"

Der war gut! Dazu hab ich justemang auch noch einen auf Lager. Wenn Sie eines Tages umziehen werden, sollten Sie rechtzeitig ans Entrümpeln denken:

"An Flohmärkten werden Sie ebenfalls bestimmt einige Dinge los. Besonderen Spass haben Kinder beim Verkauf Ihrer alten Spielsachen."

Also gönnen Sie den Kindern diese Freude!

Und vergessen Sie bitte nicht, etwa 28 Tage vor dem Auszug die Zimmeröfen zu "entrussen".

Quelle: http://www.umzugsauktion.de/planer.php

Es grüßt freundlich
(o: Christian Lindemann

 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 11.11.2005 um 10.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=80#199

Die Rechtschreibreform ist in der Argumentation schlüssig verarbeitet worden. Eingangs wird ja treffend gefragt, ob es dem Leser-Bürger nicht auch so geht, daß er keine Lust mehr auf Reformen hat, zu denen er nicht gefragt wurde und von denen er glaubt, daß sie ihm nichts bringen. Problematisch ist, daß diese Werbung glaubt, frisch und frei die unvermittelte Aufforderung zu einer positiven, persönlich bestimmten Reform anschließen zu können. Dabei ist der Begriff "Reform" insgesamt ähnlich stark negativ besetzt wie die Rechtschreibreform. (Das ist wohl die einzige Reform, die sich in ein einigermaßen anschauliches Bild übersetzen läßt - es ist ja auch immer dasselbe Motiv.) Das ist wohl ein Trugschluß. Aber auch schon der ganze Ansatz: Die Beeinflussung des Lesers soll über eine rationale Argumentation gelingen. Dabei ist die emotionale Komponente viel wichtiger, und da hätte die Bank statt der beiden Schulmädchen (die wenigstens noch etwas Anrührendes vermitteln) auch gleich irgendein anderes abstoßendes Thema illustrieren können. Vielleicht einen Leidenden, dem eine nette Krankenschwester zugeteilt ist, einen Greis, der eine Blume in der Hand hält ... Diese Anzeige mißachtet das Prinzip "Sex sells", allgemein: "Emotion sells".

 

Kommentar von W.L., verfaßt am 07.11.2005 um 23.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=80#197

Es ist eine Bestätigung, daß die Rechtschreibreform in weiten Kreisen der Öffentlichkeit als mißlungen angesehen wird, wenn die HVB diese Stimmung sogar für die eigene Werbung glaubt aktivieren zu können.
Sie nutzt aber auch ganz geschickt die Tatsache, daß man in diesen weiten Kreisen der Öffentlichkeit gar nicht so genau weiß, was an ihr so mißlungen ist. (Und sich dafür auch in den seltensten Fällen interessiert.) Sowohl diejenigen, denen sie nicht »weit genug« geht, werden angesprochen (halbgar), als auch diejenigen, die sie einfach nur blöd finden.
Jedenfalls zeigt diese Werbung, daß das Thema noch für Gesprächsstoff in der Bevölkerung gut ist.

 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 07.11.2005 um 22.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=80#196

Nein, nein: Blöken nicht alle im Chor, daß die geänderte ss-ß-Schreibung das einzig Gelungene an der Reform sei? Also ist auch dies gar nicht so dumm. Zudem ist ja noch gar nicht raus, daß das Ende der Reform wirklich bevorsteht. So kann man in beiden Fällen profitieren: Wenn die Reform bleibt, hat man sich richtig nach ihr gerichtet, wenn sie verschwindet, war man für ihr Verschwinden.

 

Kommentar von Jörg Metes, verfaßt am 07.11.2005 um 22.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=80#195

Aber warum heißt es dann Schluss mit? Wird es dadurch nicht eine Aussage, die sich selbst dementiert?

 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 07.11.2005 um 21.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=80#194

Es ist wohl ein Versuch einer Art „Anti-Werbung“: Man soll es privat besser machen, als es mit der Rechtschreibreform gelaufen ist. Es wird der Eindruck erweckt, daß letztere halbgar sei, und indirekt könnte man das Schluss mit also auch auf die Rechtschreibreform beziehen. Insofern setzt diese HVB-Kampagne auf eine Abneigung der Anzeigenleser gegen die Rechtschreibreform. Gar nicht so dumm!



 

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