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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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07.02.2006
 

Die da
Zehetmairs bedingungslose Kapitulation

Anmerkungen zur Mitschrift der Pressekonferenz des Rates für deutsche Rechtschreibung am 3.2.2006


Der Vorsitzende bestätigt, daß IDS-Direktor Eichinger die Arbeitssitzungen leitet. Statut und Geschäftsordnung des Rates sehen eine solche Sonderstellung für keines der Ratsmitglieder vor. Auch während der Pressekonferenz übernimmt Eichinger wie selbstverständlich die Sprecherrolle, die ihm Zehetmair überläßt. Das war schon nach den bisherigen Sitzungen so. Andere Ratsmitglieder nehmen an den Pressekonferenzen nicht teil.

Hatte der Vorsitzende in mehreren Sitzungen die Unabhängigkeit des Rates betont, so sagt er nun kleinlaut: „Wir können nicht anders, denn die deutsche Kultusministerkonferenz muß in ihrer Sitzung am 2./3. März eine Entscheidung herbeiführen und will sie herbeiführen, damit sie die Vorbereitungen für das Schuljahr, das am 1. August 2006 beginnt, so rechtzeitig noch machen kann, daß eben nicht wieder dann die Verunsicherung in den Schulen da ist.“

Für die Schulen ist es in Wirklichkeit gleichgültig, ob die dritte (eigentlich vierte) Rechtschreibreform innerhalb eines Jahrzehnts am 1. August 2006 über sie kommt oder später. Der Vorsitzende hat Druck von der KMK zu spüren bekommen und nachgegeben, das ist alles.

Auch geht der Vorsitzende über die Tatsache hinweg, daß auf deutscher Seite anstelle der im Rat vorgesehenen Anhörung fast ausschließlich die ohnehin im Rat vertretenen Verbände um eine schriftliche Stellungnahme gebeten worden sind und erwartungsgemäß ihrem eigenen Werk zugestimmt haben.

Warum selbst bei der Groß- und Kleinschreibung nur „in begrenztem Umfang“ beraten und nicht der ganze Bereich nach sachlichen Gesichtspunkten bearbeitet wurde, scheint keiner Begründung wert zu sein.

Schon zu Beginn deutet Zehetmair in spaßiger Weise an, daß er die im Rat mitwirkenden „Professoren und Lehrstühle“ eher für eine Belastung hält, weil sie die Arbeit „nicht leicht“ machen. Die Abneigung gegen eine gründliche Beschäftigung mit dem Gegenstand selbst, jenseits politischer Opportunitätserwägungen, ist ein stehendes Motiv, nicht erst bei dieser Gelegenheit. Offenbar rechnet der Vorsitzende ohne weiteres mit dem Beifall der Journalisten.

Den sieben Mitgliedern der aufgelösten Zwischenstaatlichen Kommission, die einfach sitzen blieben und im Rat weitermachten, wird ihre Sturheit auch noch als Verdienst angerechnet. Bekanntlich war es eine Trotzhandlung der sechs Mitglieder aus der Schweiz und Österreich gegen die deutsche KMK war (der Deutsche Hoberg ist ein Fall für sich; er blieb, weil seine Gesellschaft für deutsche Sprache keinen Reformbefürworter aufbieten kann außer dem Vorsitzer selbst). Zehetmair jedoch behauptet, diese Altreformer hätten sich erst weiterentwickeln müssen, „um hier mitzumachen“. Davon kann keine Rede sein. Alle sieben (Sitta ist allerdings am 1. Januar 2006 ausgeschieden) wirken im Sinne einer Obstruktionsstategie mit. Allenfalls könnte man sagen, daß sie sich verbiegen lassen, um überhaupt noch mitmachen zu können; das zeigte sich ja bereits bei den Revisionsmaßnahmen der Kommission.

Zehetmair hebt dann die Notwendigkeit von Konzessionen hervor, damit Zweidrittelmehrheiten im Rat zustande kommen. Das ist die programmatische Abkehr von wissenschaftlichen Maßstäben, denn über die Frage, was ein Substantiv oder ein satzwertiger Infinitiv ist, wird normalerweise nicht von Verbands- und Interessenvertretern mit Zweidrittelmehrheit abgestimmt.

(Auf die falschen Beispiele, die der Vorsitzende anführt, gehe ich nicht ein. Eine geradezu demonstrative Gleichgültigkeit gegenüber den sachlichen Details gehört von Anfang an zu seiner Tätigkeit.)

Der Beifall, den die Bevölkerung der Wiederzulassung der groß geschriebenen Briefanrede „Du“ zollte, wird vom Vorsitzenden mit der Bemerkung quittiert: „Man glaubt gar nicht, welche Sorgen die da für sich gepachtet haben.“ Kein Wort des Bedauerns über die Anmaßung des Staates (auch des Kultusministers Zehetmair), den Sprachgebrauch in Privatbriefen reglementieren zu wollen.

Dann referiert Zehetmair, daß die zur „Anhörung“ vorgelegten Empfehlungen (nicht die dazu angefertigten „Listen“, wie er mißverständlich sagt), nur vom deutschen P.E.N. und von der Schweizer EDK weitgehend negativ beurteilt worden seien. Es gab noch andere Kritik, aber sie blieb ebenso folgenlos.

Zehetmair kommt wieder auf den „enormen Zeitdruck“ zurück, den die KMK gemacht hat, und gibt zu, daß auch die Prioritäten bei der Themenwahl „seitens der Politik“ gesetzt wurden. Von Unabhängigkeit des Rates ist also keine Spur geblieben, der Rat führt nur die Weisungen der KMK aus. Erst wenn alles unter Dach und Fach ist, was die deutschen Kultusminister sich wünschen, wird der Rat „mit Gelassenheit“ und „Unaufgeregtheit“, freilich auch ohne greifbare Aufgabe, weitermachen. Seine Tätigkeit wird absolut folgenlos bleiben, denn es ist unvorstellbar, daß die Kultusminister in den nächsten Jahrzehnten noch einmal Hand an die Rechtschreibung legen. Das „unglaublich hohe Maß an Konsensualität“, das Zehetmair im Rat erreicht sieht, ist so unglaublich nicht, wenn man an die Zusammensetzung des Rates und seine Rekrutierung denkt.

Eichingers einleitende, lachend vorgetragene Bemerkung, der Vorsitzende habe „alle sprachwissenschaftlichen (!) Dinge schon erklärt“, kann man als milden Spott deuten, wie er auch bei früheren Pressekonferenzen zu spüren war. Aus seinen weiteren Ausführungen geht nochmals hervor, daß das Wörterverzeichnis, das die Geschäftsstelle zusammen mit den abermals privilegierten drei Wörterbuchverlagen ausarbeitet, dem Rat nicht mehr vorgelegt werden wird, denn es soll Ende Februar fertig sein. Es müßte auch noch von den Kultusministerien begutachtet werden, bevor es am 2./3.März gebilligt wird. Eine solche Begutachtung ist natürlich vollkommen unmöglich, und doch soll erst durch das Wörterverzeichnis eine Unmenge von Einzelfragen entschieden werden, die im Lauf der Ratssitzungen aufgetreten sind und deren Beantwortung dann meist in dieses künftige Wörterverzeichnis abgeschoben wurde. Ein Teil der Probleme ist in meinem Sondervotum enthalten, weitere Fragen wirft die unvollständig bearbeitete Groß- und Kleinschreibung auf.

Eichinger erwähnt einige Aufgaben, die nicht bearbeitet oder nicht gelöst worden sind: die Großschreibung der Tageszeiten, „Not sein“ u. a. Zehetmair wirft ein: „Und bei ‚heute Abend’, das ist so der berühmte Kompromiß, das haben wir noch nicht hingekriegt.“ Wo bleibt in solchen Fällen die Orientierung am Usus? Viele Beispiele, die während der Pressekonferenz vorgeführt werden, waren schon im Zuge der Revision 2004 geregelt worden und nicht Gegenstand der Ratsverhandlungen. Dazu gehört auch die Unterscheidung zwischen einem „schwarzen Brett“ und dem „Schwarzen Brett“. Wenn Eichinger auf Nachfrage bestätigt, hier habe der Rat „die Ausdrucksmöglichkeiten bereichert“, so muß gesagt werden, daß die amtliche Neuregelung die Ausdrucksmöglichkeiten zunächst beschnitten, die Kommission sie dann aber wieder auf den früheren Stand zurückgeführt hatte. Der Rat brauchte das nur noch zu übernehmen. Die rückwärtsgewandten Großschreibungen „des Öfteren“ usw. sollen erhalten bleiben - etwa obligatorisch? Eichinger gibt als Begründung an, es „unglaublich schwer zu verfolgen“.

Während die Auskunft zur geplanten Schreibweise von „recht haben“ unklar bleibt, soll das falsche „Pleite gehen“ durch zusammengeschriebenes „pleitegehen“ ersetzt werden, ebenso „bankrottgehen“. Auf ein Stichwort von Zehetmair hin verrät Eichinger das nie ausgesprochene, aber der ganzen Neuregelung zugrunde liegende „Prinzip“: „Groß und auseinander oder klein und zusammen.“ Es geht auf den österreichischen Amateurlinguisten Eugen Wüster zurück.

Zum Fall „Klasse/klasse“ wo die Reformer nur Großschreibung zulassen wollten, sagt Eichinger: „Da muß man jetzt fairerweise sagen, daß sich gerade bei ‚klasse’ zwischen 1996 und heute in der Sprache viel getan hat. Sie finden heutzutage ja fast schon ein ‚klasses Auto’, ja, noch nicht so ganz, aber schon fast. Was Sie vor zehn Jahren auf keinen Fall noch gefunden hätten. Das heißt ‚klasse’ ist schon noch viel adjektivischer geworden, als es vor zehn Jahren war.“ Das ist sicher falsch. Man findet das flektierte Adjektiv heute so wenig wie vor zehn Jahren, wie denn Eichinger selbst auch zugibt, daß man es „schon fast“ (!) findet, was ja nur heißt, daß man es nicht findet. Die ganze Argumentationsweise ist für einen Sprachwissenschaftler indiskutabel.

Es folgt die gewohnte Relativierung der Kritik durch Hinweis auf die langsame Durchsetzung der Einheitsorthographie von 1901. Eichinger weiß natürlich, daß der Vergleich hinkt, denn damals waren keine neuen Schreibweisen eingeführt worden. Die verstärkte Beschäftigung mit Orthographie wird als Gewinn der Reform verbucht. Wie schon im Rat selbst wird niemals gesagt, daß die ganze Reform ein Unfug war und gescheitert ist.

Zehetmair, einer der Hauptverantwortlichen für die Reform, ergreift nochmals das Wort: „Der Sprachwissenschaftler kann es letztlich auch nur subjektiv beantworten und empfinden. Der aus der Politik Kommende, Unverdorbene und Unverbildete sagt klipp und klar: es ist kein Ruhmesblatt, und im Grunde sind eher zu viele Wissenschaftler als zu wenige dabeigewesen, und eigentlich hat das Murren des Volkes und wer immer es ist, aus der Politik, dazu geführt, daß man zu einer neuen Besinnung gekommen ist.“ Das Privileg der Unverdorbenheit, das der „aus der Politik Kommende“ hier für sich in Anspruch nimmt, mag jeder selbst beurteilen. Die Reformer haben nicht dem Murren des Volkes nachgegeben, sondern dem sachverständigen Urteil der Kritiker, die ihrerseits Volksbegehren und gerichtliche Klagen auf den Weg gebracht und ständig mit zwingenden Argumenten unterstützt haben. Andernfalls hätte sich der ganze Unsinn festgesetzt, der ja die Unterstützung der Schul- und Wörterbuchverlage, der Nachrichtenagenturen und Presseorgane, der Lehrerverbände, des Bundeselternrats und der Gewerkschaften genoß, nicht zu vergessen die äußerst kräftige, zum Teil rabiate Unterstützung führender „unverdorbener“ Politiker (Müntefering, Schäuble, Schöder, Koch, Zehetmair usw.).

Wie die Ministerpräsidenten, die ebenso wie die Kultusminister die Reform beschlossen hatten, im März entscheiden werden, weiß der Vorsitzende auch schon; es ist offenbar alles abgesprochen. Die Politiker wollen das Thema loswerden, und zwar möglichst schnell.

Zum Schluß gibt Eichinger auf Befragen noch zu, daß der Rat erstmals auch Schreibweisen beschlossen hat, die weder der herkömmlichen noch der neugeregelten Orthographie entsprechen wie „abhandenkommen“ (noch weniger angebahnt waren Fälle wie „leidtun“, „bankrottgehen“). Zum Teil werden hier von Ratsmitgliedern wie Eisenberg erdachte neue Regeln in die Praxis umgesetzt.

Die Pressekonferenz dokumentiert die bedingungslose Kapitulation des Vorsitzenden vor den Wünschen der Kultusminister. In der Sache hat er nichts erreicht (oder doch: die Nichtabtrennung einzelner Buchstaben wie in 'a-brupt' ...!). Er ist nur noch stolz auf den „Konsens“, auf die überwältigenden Mehrheiten für eine höheren Orts längst beschlossene Sache – bei dieser Auswahl der Ratsmitglieder nicht das große Wunder, das Zehetmair darin zu sehen vorgibt.



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Kommentare zu »Die da«
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.02.2006 um 17.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=396#2469

Es pressiert überhaupt nicht: Bayern plant eine Übergangszeit von einem Jahr, in der die Schüler, die nur die neue Rechtschreibung gelernt haben, diejenigen Wörter und Kommaregeln lernen können und noch nicht als Fehler angerechnet bekommen, die ohne reformierte Varianten zur alten Rechtschreibung zurückkehren. Die wichtigsten Neuerungen für Lehrer sollen im Magazin "Sprachreport" veröffentlicht werden. (Süddeutsche Zeitung vom 7.2.06, Bayern)
 
 

Kommentar von Yutaka Nakayama, verfaßt am 07.02.2006 um 17.57 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=396#2471

Herr Eichinger war im letzten Sommer als Gast des Linguistischen Seminars eingeladen, das von der Japanischen Gesellschaft für Germanistik veranstaltet wurde. Die Themen betrafen die deutsche Sprache der Gegegenwart, und nicht direkt die Orthographie. Dennoch habe ich ihn des öfteren mit orthographischen Fragen belastet, wenn eine Sache nur irgendwie mit der Rechtschreibung zu tun hatte. Zum Beispiel hat er gesagt, daß die Norddeutschen tendieren, den langen Vokal /a:/ kurz auszusprechen wie /tax/. Daraufhin meine Frage: Das würde heißen, daß sie die neue ss-Schreibung nur schwer beherrschen? Seine sinnmäßige Antwort: Ja sicher, aber die neue ss-Schreibung ist beliebt.
Ich wurde offenbar von ihm nur ungern gesehen, aber am letzten Tag des Seminars kam er auf mich zu. Ich habe ihn gebeten, die Arbeit im Rat so zu gestalten, daß sie allen denjenigen zugute kommt, denen die deutsche Sprache am Herzen liegt. Er hat es mir versprochen und auch hinzugefügt, er sei anders als sein Vorgänger, d.h. Herr Stickel, nicht vorbelastet. Ob er sein Versprechen gehalten hat?
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 07.02.2006 um 19.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=396#2475

Ich würde nicht sagen, daß der Ratsvorsitzende vor den Wünschen der KMK kapituliert habe. In meinen Augen war er von Anfang an deren Handlanger und Vollstrecker. Einen anderen, etwa einen unabhängigen Sprachwissenschaftler, dessen Berufung sich fast zwingend anbot, hätte sie auch gar nicht akzeptiert. Diese Ansicht habe ich schon früh geäußert und leider recht behalten. (Lehre du mich die Kultusminister, auch ehemalige, kennen!) Niemand weiß, was da hinter den Kulissen abgelaufen ist. Wir haben soeben einen weiteren Akt der Posse Rechtschreibreform erlebt. Z. war die Idealbesetzung. Er wird jeder Rolle gerecht: Reuiger Sünder, tragischer Held, Spaßmacher... Das kommt eben von der Unverdorbenheit und Unverbildetheit. Übersetzen wir diese schönen Attribute mit Prinzipienlosigkeit und rudimentärer Sachkenntnis, so ist für Verwunderung oder gar Enttäuschung kein Raum mehr.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.02.2006 um 19.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=396#2476

Mit den "wichtigsten Neuerungen" etwa in Form einer weiteren "Sprachreport"-Sondernummer kann es nicht getan sein. Es ist so viel ins Wörterverzeichnis abgeschoben worden, daß wir Jahr zu tun haben werden, uns die künftig gültigen Schreibweisen zu merken (falls es dazu kommt, was ich allerdings weder hoffe noch glaube). Der Dudenchef hat in seinem Votum zur Vorlage ganz mit Recht dasselbe Argument vorgetragen wie Sitta und die anderen Blockierer: Das Prinzip, Schreibweisen aus Regeln ableitbar zu machen, ist im Zuge der Revision aufgegeben worden. Auch vorher war es nicht erreicht, und die objektiven Fehler machten die Revision unausweichlich, aber das Ergebnis ist tatsächlich eine Unmenge von nicht vorhersehbaren Einzelschreibungen. Die von Eisenberg erfundenen zusätzlichen Regeln helfen ja auch nicht weiter. Bevor die Wörterliste vorliegt, an der die drei (rechtswidrig?) privilegierten Wörterbuchredaktionen zur Zeit arbeiten, bevor sie am 2. März unbesehen von der KMK angenommen und zum Erlaß erhoben wird, wissen wir in Tausenden von Fällen nicht, wie nach der Revision zu schreiben sei.

Was übrigens die Sprachreport-Sondernummern von anno dazumal betrifft, so sind sie aus heutiger Sicht noch mehr zu Lachnummern geworden. Lesen Sie doch einfach noch mal nach, was Herr Heller damals alles zu sagen wußte! Noch lustiger sind nur die Lobsprüche der Kultusminister und ihrer Claque von einst.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.02.2006 um 20.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=396#2477

Meines Erachtens ist nicht das Prinzip, Schreibweisen aus Regeln ableitbar zu machen, im Zuge der Revision aufgegeben worden (denn das Wörterverzeichnis muß jetzt ja den Regeln gemäß erarbeitet werden), sondern das Prinzip, eindeutige Schreibweisen aus solchen Regeln ableitbar zu machen. Der Rat schließt eben da an, wo die Kommission 2004 aufgehört hatte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.02.2006 um 05.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=396#2479

Die Beobachtung von R. M. ist ebenfalls berechtigt. Ich habe die interne Kritik unter den Reformdurchsetzern so verstanden, daß die Aufgabe von Regeln wie der ig/isch/lich-Regel oder des Steigerbarkeitskriteriums jetzt eine Menge von unmotivierten Einzelfallentscheidungen erzwingt. Hinzu kommt die Öffnung der einst geschlossenen Listen. Man wird ja sehen, was die außerhalb jeder Kontrolle wirtschaftenden Wörterbuchredaktionen daraus machen.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 08.02.2006 um 09.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=396#2482

These --> Antithese --> Synthese

Erst jetzt ist mir das Licht aufgegangen, daß eine paritätische Besetzung des Rats mit Reformbefürwortern und Reformkritikern ebenfalls Schummelei wäre. Noch weitaus fieser war die alibihafte Besetzung des Rats mit 1,5 Reformkritikern.

Zitat aus dem Österr. Wissenschaftsministerium vom 27.1.06 (per Email):

"Insgesamt wirken im Rat Reformbefürworter und Reformkritiker in überliefert konstruktiver Weise zusammen."

Jede klassisch geführte Diskussion beginnt mit einer Behauptung und führt über die Erwiderung zu einem Endergebnis.

Der erste Schritt in diesem Reformtheater war die Aufstellung einer neuen, künstlichen Orthographie. Das ist angesichts der Freiheit des Denkens keine Schandtat. Aber diese Plastikorthographie hätte sich erst einmal vor einem Gremium aus kritischen Sprachwissenschaftlern bewähren müssen. Hätte sie DAS geschafft, dann wäre ihr der Zuspruch aller sicher gewesen.

So haben sich die Betreiber durch ihre Dummheit selbst entmannt. Das kommt gelegentlich vor.
 
 

Kommentar von Mannheimer Morgen, 11. März 2006, verfaßt am 03.04.2006 um 17.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=396#3655

"Wir sollten die Sprache gut behandeln"
INTERVIEW: IDS-Direktor Eichinger über die Situation des Deutschen und die Orthografie

Der Linguist Ludwig Eichinger (55) lehrte in Kiel, ehe er 2002 die Leitung des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache (IDS) übernahm. Dass Sprache für ihn mehr ist als eine akademische Angelegenheit, belegt er mit einem Vortrag. So wird auch der Auszeichnung des IDS als "Ort der Ideen" Rechnung getragen.

Herr Eichinger, wie steht es denn um die deutsche Sprache?

LUDWIG EICHINGER: Das Deutsche ist eine hoch entwickelte europäische Kultursprache. An sich geht es ihr daher ganz gut. Wir, ihre Sprecher, sollten sie auch gut behandeln. Wir sollten darauf achten, dass wir ihre Möglichkeiten nutzen, und wir sollten sehen, dass sie einen angemessenen Platz in einer Welt behält, die von der Dominanz des Englischen geprägt ist.

Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrem Vortrag - und weshalb?

EICHINGER: Das IDS hat die Aufgabe, die deutsche Sprache präzise und in einer wissenschaftlich vertretbaren Weise zu beschreiben. Diese Aufgabe betrifft die verschiedene Ebenen und Sichtweisen, von grammatischen Fragen, über Entwicklungen im Wortschatz bis hin zu den Bedingungen des Sprachgebrauchs in unserer Gesellschaft. In meinem Vortrag möchte ich zeigen, dass das Wissen, das die Sprachwissenschaft zur Verfügung stellt, eine gerechte Beurteilung von sprachlichen Entwicklungen erlaubt und vor vorschnellen Urteilen schützt.

Trotz aller sprachlichen Vielfalt beschäftigt die Öffentlichkeit vor allem die Rechtschreibreform, an deren Überarbeitung Sie beteiligt sind. Wie beurteilen Sie das?

EICHINGER: Wenn es eine öffentliche Diskussion über Fragen der Sprache gibt, sollte das den Linguisten freuen. Zeigt es doch, dass die deutsche Sprache für ihre Sprecher und Schreiber mehr ist als ein technisches Werkzeug der Kommunikation. Ich denke, dass es daher vernünftig war, im Rat für deutsche Rechtschreibung weite Teile einer interessierten Öffentlichkeit in die Diskussion um einen Lösungsweg in kritischen Fällen einzubeziehen. Der Rat hat sich sehr bemüht, zu einem Ausgleich zu kommen, der neben den sprachwissenschaftlichen Überlegungen auch den Ergebnissen der öffentlichen Diskussion Rechnung trägt.

Ein Reizthema ist außerdem der fremdsprachige Einfluss, Stichwort Anglizismen. Wie beurteilen Sie diesen über das vorhin Angedeutete hinaus?

EICHINGER: Natürlich ist die Frage des fremdsprachigen Einflusses auf das Deutsche besonders aktuell, wenn man mitten in einem Veränderungsprozess steht, wie wir ihn derzeit erleben. In den letzten Jahrzehnten haben wir alle erlebt, wie das Englische mehr und mehr Einfluss auf den sprachlichen Alltag gewonnen hat. Dass dabei Gruppen von Sprechern oder auch Teile der medialen Öffentlichkeit ihr Dazugehören zur modernen Welt durch eine recht unreflektierte Einmischung von englischen Bestandteilen in ihre Sprache belegen wollen, kann man sicherlich zu Recht kritisieren. Ich hoffe allerdings, dass es sich dabei doch um ein Übergangsphänomen handelt: je mehr es wichtig sein wird, im passenden Kontext ordentlich Englisch zu können, desto weniger werden sich solche sprachlichen Einmischungen dazu eignen, sich sprachlich wichtig zu machen. tog


 
 

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