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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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12.12.2011
 

Logorrhö
Jetzt ist alles ganz einfach

Was haben wir uns darüber geärgert, daß die Schüler ständig Logorrhöe, Epopöe falsch schreiben! Jetzt ist alles klar: Logorrhö, Epopöe, nur so und nicht anders!

Da fällt mir übrigens ein: Der produktivste Wissenschaftler aller Zeiten soll der Psychologe Wilhelm Wundt gewesen sein, der im Laufe seines Lebens weit über 50.000 Seiten zum Druck beförderte. Zu seinen nicht geringen Verdiensten gehört, daß er überholt ist, denn nur gute Wissenschaft kann überholt werden. Ein Gegenbeispiel wäre Samuel Hahnemann, dessen Erkenntnisse nach Ansicht führender Homöopathen nicht überholt sind und auch nicht überholt, sondern nur ergänzt werden können.



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Kommentare zu »Logorrhö«
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 12.12.2011 um 13.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1487#19706

Tatsächlich oft "falsch" geschrieben wird Diarrhö, nämlich auch bei Fachleuten gern Diarrhoe oder Diarrhöe. Duden online warnt denn auch: "Dieses Wort wird oft falsch geschrieben (Liste der rechtschreiblich schwierigen Wörter)." Aber die Warnung kann sich natürlich auch auf rrh beziehen, insofern ist sie berechtigt.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 12.12.2011 um 19.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1487#19707

Die Geschichte der Schreibungen von Diarrhöe usw. ist etwas verwirrend.

Vom Urduden bis jedenfalls zum Duden von 1908 war dort nur die Schreibung Diarrhöe angegeben. In den amtlichen Regeln von 1901 kommt das Wort nicht vor. Im Duden 1961 sind nur Diarrhöe und Diarrhoe verzeichnet. In den Ausgaben von 1980 und 1991 stehen nur Diarrhö und Diarrhöe. In einer Fußnote wird vermerkt, daß in Übereinstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation und mit führenden Fachverlagen "die Form auf -oe zugunsten der Form auf -ö aufgegeben" worden sei.

Der Duden 1991 informiert zusätzlich, daß die Aussprache beider Formen gleich sei, das -e in Diarrhöe also nicht ausgesprochen werde.

In der aktuell gültigen amtlichen Klassifikation ICD in deutscher Fassung, für deren Herausgabe das "Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information" verantwortlich ist, wird dagegen durchgehend die Schreibung Diarrhoe benutzt.

Die Schreibung von Logarrhö usw. ist amtlich nicht geregelt, da das Wort in den Amtlichen Regeln nicht vorkommt und eine Regel, aus der die Schreibung abzuleiten wäre, nicht ersichtlich ist.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 12.12.2011 um 20.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1487#19708

Das altgriechische Wort heißt "diarroä" = Durchfluß. Der Spiritus Asper für das "h" wird nach Vorsilben nicht geschrieben. "oä" ist im Alt- und Neugriechischen kein Diphtong, sondern das zufällige Zusammentreffen des Stamm "-o" mit der Nominativ-Singular-Femininum-Endung "-ä". Weil im Deutschen das griechische "ä" als "e" geschrieben wird, ergibt sich scheinbar der deutsche Diphtong "oe", der als "ö" eingedeutscht wurde. Die Fachwort-Schreibung "Diarrhoe" ist also gerechtfertigt.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 12.12.2011 um 23.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1487#19709

Nachtrag:

Auch in der bayerischen Schulorthographie von 1879 wird nur Diarrhöe geschrieben. Gleiches gilt für die deutschen Lexika im 19. und bis zum frühen 20. Jahrhundert (lt. Zeno.org).

Wie und warum kam es dann zu den Schreibungen Diarrhoe und anscheinend später zu Diarrhö? Wie sollte man das Wort am besten aussprechen? Was sagen uns die Altphilologen dazu?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.12.2011 um 06.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1487#19710

Die Auslegung Logorrhö kann als amtlich geregelt gelten, da völlige Übereinstimmung mit Diarrhö besteht.

Die von Herrn Achenbach erneut aufgeworfene Frage ist aber aus einem anderen Grunde interessant: Wegen der Personalunion von Rechtschreibräten und Wörterbuchmachern können in Zukunft wohl Duden, Wahrig und ÖWB durchaus als "amtlich" gelten. Konkurrenz gibt es sowieso nicht mehr, nur noch ein Oligopol.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.12.2011 um 12.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1487#19711

Lustig ist, daß die Engländer an das griechische Wort zusätzlich eine lateinische Endung anhängen: "diarrhoea".
 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 13.12.2011 um 13.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1487#19712

Diarrhoea ist die bei einigen spätantiken lateinischen Fachschriftstellern begegnende Übernahme aus griechischem diarrhoia. Die englische Form ist also weniger lustig als vielmehr selbstverständlich.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.12.2011 um 19.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1487#19716

Danke, Herr Stiene! Das erklärt auch die "-a"-Endung im Italienischen und Spanischen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.07.2020 um 04.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1487#43942

Analog sollte es Apnö heißen.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 18.07.2020 um 14.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1487#43943

Das habe ich schon oft so ausgesprochen gehört, etwa bei Berichten über Apnoe-Taucher.
 
 

Kommentar von Ivan Panchenko, verfaßt am 02.10.2020 um 11.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1487#44401

Im Altgriechischen heißt es ῥοή rhoḗ und πνοή pnoḗ, aber διάρροια diárrhoia und ἄπνοια ápnoia. Ins Deutsche hat man bei Apnoe, Dyspnoe etc. dennoch die -pnoe-Schreibweise übernommen, analog Diarrhoe etc. in der medizinischen Fachsprache. Im Plural wird entsprechend Diarrhoen statt Diarrhoeen geschrieben, oe steht hier eben nicht für οι (dagegen: Archaeen, vgl. ἀρχαῖα). (Im Neugriechischen gibt es das Adjektiv άπνοος, im Femininum άπνοη.) Die Aussprache [diaˈroːə] ist aber, soweit ich weiß, gar nicht gebräuchlich, auch nicht [diaˈrøːə], von dem her hat es einen Grund, auf entsprechende Schreibweisen zu verzichten.

Zu Apnoe und Epopöe (beides nicht im amtlichen Wörterverzeichnis) kennt der Duden auch eine Aussprache mit [øː] und ohne Schwa, es taucht aber eben auch eine den Schreibweisen gemäße auf.
 
 

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