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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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02.08.2005
 

Silbenklatschen
Am Diktat motivierte Reform

Die Worttrennung nach Sprechsilben ist ein uralter Programmpunkt. Bei weitem nicht das erste Zeugnis ist anläßlich der Wiesbadener Empfehlungen zu buchen:

„Doch woher soll die Sekretärin, die nicht mit der lateinischen Sprache vertraut ist und 'diskrepant' wie 'deskriptiv' mit gleich kurzer Silbe ausspricht, den bisherigen Unterschied in der Silbentrennung wissen?“ (Ruth Klappenbach in "Der Deutschunterricht" 1955, S. 101; übrigens nichts gegen die in der DDR schikanierte R. K.! Ihre Verdienste liegen anderswo.)

Hier wird klar, daß bei der Reform seit je an den Schreiber von Fremdtexten, genauer die nach Diktat schreibende Sekretärin gedacht ist, nach diesem Muster dann auch an die diktatschreibenden Schüler. Das ist zwar eine wichtige Schreibgelegenheit, aber das Interesse des Verfassers und das des Lesers fallen dabei unter den Tisch. Und das kann ja wohl nicht der Sinn der Schrift sein.



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Kommentare zu »Silbenklatschen«
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Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 02.10.2024 um 13.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#53998

Sicher. Ich habe mich nur gefragt, wie man »und« vermuten kann, »ein« aber nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.10.2024 um 10.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#53996

Wahrscheinlich vermutet die Redaktion darin das Wort "und". Aber das Ganze ist sowieso irreal: "itzund" trennt man gar nicht, weil man es nicht verwendet.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 01.10.2024 um 19.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#53995

Der Duden empfiehlt allen Ernstes die Trennung ei|nander und zugleich itz|und. Wie paßt das zusammen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.07.2018 um 03.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#39186

Über Latein:

„Das Pronomen lautet also il-le, nicht (wie wir es gewöhnlich nach dem Vorbild von deutschen Wörtern wie Himmel oder Stelle aussprechen) i-le, weil dann die erste Silbe offen, also kurz wäre.“

Aber so sprechen wir das Deutsche gar nicht aus, sondern die Konsonanten sind ambisyllabisch (Silbengelenk), wenn auch nicht lang wie im Lateinischen und Italienischen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.11.2016 um 08.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#33905

Dafür kann man Äste jetzt trennen. (Durften die Schweizer das, als sie noch Aeste schrieben?)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.11.2016 um 06.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#33904

Ich weiß nicht, ob wir es schon erwähnt haben: Die Reform hat zwar viele neue Trennstellen geschaffen, aber nach der Revision sind bestimmte Wörter nicht mehr trennbar, die es früher waren. Ich denke natürlich an Fälle wie Acker.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.10.2016 um 10.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#33440

Während das Auffinden der Silbengrenzen mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist, scheint die Zahl der Silben in einem Wort leicht bestimmbar, wie denn auch das Klatschen eine Übung ist, die in der Grundschule und von erwachsenen Laien gleichermaßen bewältigt wird. Die Existenz von Silben, also einer gewissen "Gepulstheit" der menschlichen Rede, dürfte insofern gesichert sein. Und doch haben bedeutende Phonetiker wie Panconcelli-Calzia sie bestritten, gestützt auf Sonagramme.
Mit dem "Wort" verhält es sich ähnlich, während "Phonem" und "Morphem" von vornherein theoretische Begriffe sind, die sich durch ihre Zweckmäßigkeit rechtfertigen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 27.02.2012 um 18.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#20183

Die Abneigung zwischen "Gebildeten" (z.B. Ingenieuren) und Gewerkschftern beruht auf Gegenseitigkeit. Wen wunderts?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.02.2012 um 18.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#20182

Zum Silbenklatschen neigt wohl auch die junge Gewerkschafterin Bettina Epper, die im Bieler Tagblatt vom 27.2.12 "die wirklich einfachen Trennregeln" zum besten gibt:

„Hier noch einmal die wirklich einfachen Trennregeln der deutschen Sprache: Getrennt wird zwischen Silben. Also Sil-ben, oder Hin-ter-grund-in-for-ma-ti-o-nen. Eine wichtige Rolle spielen die Konsonanten, also alle Buchstaben ausser den Vokalen a,e,i,o,u. Ein einzelner Konsonant kommt beim Trennen auf die untere Zeile. Also Zei-le. Zei auf die obere, le auf die untere Zeile. Bei mehreren Konsonanten kommt der letzte auf die untere Zeile: Kon-sonant, n bleibt oben, s geht runter. Oder Tab-letten, b bleibt oben, l geht runter. Aufent-halt.“

Das hat sie sich so ausgedacht und fühlt sich wohl dabei, sonst würde sie den Leser nicht so freundlich anlächeln.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2005 um 17.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#857

Es geht nicht darum, irgend etwas zu verbieten. Meine Hauptargumente sind: Ein Wort wie "Apostroph" kann aus heutiger Sicht nicht als gänzlich undurchsichtig angesehen werden, denn beide Bestandteile, besonders der erste, sind aus anderen Wörtern bekannt, und "apo-" wird produktiv genutzt. Außerdem gilt für die meisten wirklich schwierigen und dem Laien wenig durchsichtigen Wörter, daß dieser sie in der Regel auch gar nicht benutzt. Es ist also erstens eine Frage des heute produktiven Wortbildungsmaterials, zweitens eine Frage des sprachlichen Registers. Auf mittlere Sicht hat der Schreibende, wie ich anderswo gezeigt habe, auch mehr davon, wenn ihm die Elemente der Fremdwortbildung immer wieder bewußt gehalten werden. Mit "dia-" und "-gnose" kann er einfach mehr anfangen als mit "diag-" und einem hier höchst irreführenden "-nose".
Aus allen diesen Gründen ist die morphologische Trennung fremdwörtlicher Zusammensetzungen und Präfixbildungen unbedingt als die bessere zu kennzeichnen. Die Reformer Sitta und Gallmann haben allerdings klar vorausgesehen, daß unter solchen Vorgaben die große Mehrheit sich jederzeit für die besseren Trennweisen entscheiden würde, und um dieser "Gefahr" vorzubeugen, empfehlen sie, in den Schulen nur die schlechteren Trennweisen zu lehren. Die Schüler sollen auf keinen Fall durchschauen, wie sich "Diagnose" in Wirklichkeit zusammensetzt und was "Anekdote" buchstäblich bedeutet.
Das ist, in größtmöglicher Einfachheit und Klarheit, die Situation, und nun entscheide man sich!
 
 

Kommentar von Michael Mann, verfaßt am 03.08.2005 um 16.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#856

Worauf Herr Ickler in seinem Kommentar ja besonders zu sprechen kommt ist nicht die Silbentrennung bei deutschen Komposita wie "Mattangriff" oder "Misthaufen", deren fehlerhafte Trennung ja weniger aif die neuen Rechtschreibregeln zurückzuführen ist sondern auf eine schlechte Umsetzung selbiger in Textkorrekturprogrammen. (Eine regelkonforme Trennung wie "vol-lenden" halte ich andererseits für einen schlechten Witz, auch eine Trennung wie "ba-cken", die auf die Silbengelenkfunktion keine Rücksicht nimmt (das "k" ist ja - beim Silbenklatschen! - zweimal zu hören), ist verfehlt.) Die Rede ist vielmehr von der Trennung von Fremdwörtern (ohne auf die Diskussion um diesen Terminus hier eingehen zu wollen).

Und hier bin ich, bei allem Respekt für die wichtige Arbeit, die Herr Ickler im Rahmen der Reform und "Gegenreform" leistet, eher der Meinung von Frau Klappenbach. Ich hatte immerhin noch fünf Jahre lang Lateinunterricht in der Schule und beschäftige mich seit nun doch schon einigen Semestern mit der Germanistischen Linguistik, aber auch ich würde wohl aufgrund mangelnder Griechischkenntnisse eher "Pä-da-go-ge" oder "A(-)pos-troph" trennen, wäre mir diese Beispiele nicht aus der Reformdiskussion oder der sprachwissenschaftlichen Beschäftigung bekannt.

Ich halte es für falsch, die nach etymologischen Kriterien richtige Trennung zu verbieten, eine Trennungsvariante nach "Silbenklatschen" halte ich aber nicht für das schlimmste Vergehen der Reform an der deutschen Sprache, und ich bezweifle auch, daß eine Trennung wie "Päda-goge" oder "Apos-troph" in einem Text zu größeren Leseschwierigkeiten führt.

Daß eine ausgebildete Sekretärin oder eine Wissenschaftlerin als Verfasserin, die "deskriptiv" arbeitet, wissen sollte, wovon sie redet (bzw. schreibt, und dies auch so schreiben können darf), sollte eigentlich vorausgesetzt werden können. Wie oft in der Materie Nicht-Bewanderte dazu kommen, Wörter wie "diskrepant" oder "deskriptiv" zu verwenden, ist eine andere Frage. Es sollte aber m.E. niemand dafür bestraft werden, daß er/sie nicht genügend humanistische Bildung genossen hat, um jedes Fremdwort im Deutschen korrekt in die Bestandteile seiner Herkunftssprache zu zerlegen.
 
 

Kommentar von Harald Keilhack, verfaßt am 03.08.2005 um 01.16 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#854

Ich traue den Programmen des "Druckergewerbes" (findet ja alles in den Redaktionsstuben statt) nur bedingt. Als running gag bei meinen Schachartikeln hat sich jedenfalls "Mat-tangriff" (Ringersprache?) herauskristallisiert, ich habe das oft genug aus den Druckfahnen herausoperiert (Matt-angriff!).
Ich weiß allerdings nicht, ob das reformbedingt ist. Allenfalls indirekt: Anwendung formaler Regeln kommt vor Wortsinn, eine Metaregel der Reform.
Ich denke gleichwohl ebenso, die Silbentrennung ist der unwichtigste Punkt für den Rat: Die Schüler werden, wenn sie schlau sind, lieber überhaupt nicht trennen als falsch.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 03.08.2005 um 00.25 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#853

Ich denke, die Worttrennung gehört ganz ans Ende der Agenda des Rates... es gibt viele Bereiche, die weitaus wichtiger sind -- zum Beispiel die SS/SZ Misere (warum wird das neuerdings nicht mit "ie" geschrieben wie in Mies?).

Ich habe in jedem Fall die Hoffnung, daß das "Druckergewerbe" wie schon in den vergangenen 500 Jahren, die Worte weiterhin korrekt trennt (damit auch keine Tee-nager, als neue Spezies, erschafft) und natürlich auch solch einen typographischen Unsinn, wie die einzeln abgetrennten Buchstaben, auch weiterhin nicht durchgehen läßt.

Für den Normalkonsumenten erledigt die Silbentrennung in 99,99% aller Fälle der PC. Also ist das Thema für den "Rechtschreibenden" eher uninteressant.

BTW an Herrn Hutschenreuter: Mein WordPerfect trennt das ST absolut korrekt (aber natürlich nur, wenn es denn mal getrennt werden muß ;-)
 
 

Kommentar von Bernd Hutschenreuther, verfaßt am 02.08.2005 um 11.37 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=208#847

Heute wird die Silbentrennung in den meisten Fällen von einem Computer durchgeführt. (Wohl nur in handschriftlichen Aufzeichnungen erfolgt sie noch manuell.)

Deshalb erscheint wichtig, was ein Silbentrennprogramm aus den Regeln macht. In vielen Fällen macht es aus - "st" darf jetzt getrennt werden -: "st" muss jetzt getrennt werden, wo immer es auftaucht. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, besonders bei zusammengesetzten Wörtern. Die Trennprogramme arbeiten im Hintergrund, oft wird die Trennung erst zum Schluss entgültig festgelegt, und zwar falsch.

"Hochsprungs-tab" (Fehlertyp häufig)
"Mis-thaufen" (Fehlertyp seltener)

und dergleichen.
 
 

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