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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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11.10.2008
 

Typographie
Bitte um lesbare Schriften

In der Werbung kann natürlich jeder machen, was er will, aber wo es um mitteilende Texte geht, sollte man doch in der heutigen Zeit erwarten, daß auch die Schriftgestaltung auf die Ergebnisse der Lesbarkeitsforschung Rücksicht nimmt. Doch weit gefehlt!
In Zeitschriften und anderen Veröffentlichungen findet man seit Jahren immer wieder schwer lesbare Schriftarten, oft noch auf farbigen Hintergrund gesetzt, so daß man Schwierigkeiten hat, bei normaler Beleuchtung überhaupt noch etwas zu erkennen, und längere Texte möchte man in dieser Form schon gar nicht lesen.
Die Stadt Erlangen brachte vor einem Jahr eine aufwendig gestaltete Werbebroschüre heraus, in der man zum Beispiel sehr dünne weiße, serifenlose Schrift auf hellgrünem Grund fand. Die Seiten sahen aus zwei Meter Entfernung unbedruckt aus, und bei näherer Betrachtung war auch kaum etwas zu erkennen. Unser Uni-Kurier-Magazin ist in lesepsychologischer Hinsicht so miserabel gestaltet, daß man sich fragt, ob die Universität in allen Bereichen "exzellent" sein will (wie es auf jeder zweiten Seite heißt), nur auf diesem nicht. Na, abgesehen von der grotesken Orthographie natürlich. Das sind elementare Dinge, und minima non curat praetor, nicht wahr? Korrektur wird auch nicht gelesen. Zwischen die wirklich sehr gute Wissenschaft und die Öffentlichkeit schiebt sich hier wie überall die Torheit der Pressestelle. Und so gehen die Erkenntnisse unserer Spitzenforscher im denkbar schäbigsten Gewand in die Welt hinaus. (Das Vorwort des Rektors heißt "Editorial", selbstverständlich. Es ist und bleibt aber ein Vorwort.)



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Kommentare zu »Typographie«
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 11.10.2008 um 11.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#13253

Fassadenkultur

Welche Bedingungen begünstigen die Entwicklung dieser „Fassadenkultur“? In sämtlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ist ähnliches zu beobachten wie in der Schriftkultur: ein Verfall der Substanz bei gleichzeitiger Politur der Fassade nach beliebigen Kriterien. Design vor Funktionalität, wen hat dies nicht bei Gegenständen des täglichen Bedarfs schon in Rage (oder zum Lachen) gebracht!
Es gibt einen allgemeinen Trend, welcher historische und gesellschaftliche Einrichtungen nur der eigenen, individuellen Sichtweise unterordnen möchte. Ich halte dies für eine Art kulturellen Autismus.

Folglich gerät aus dem Blick, daß die Typographie, um beim Thema zu bleiben, sich aus reiner Zweckmäßigkeit entwickelt hat, und daß diese Zweckmäßigkeit nur durch Geschick und Handwerklichkeit aller Schriftschaffenden entstanden ist. Das bedeutet, daß sich ein Schriftsetzer nicht nach eigenem Gutdünken und spontanen Tageslaunen über den Primat der Zweckmäßigkeit hinwegsetzen darf. Er muß Regeln beachten, die den Leser im Blick haben. Er muß also „dienen“. Gerade dieses Dienen aber ist nicht modern, und auf dem Boden der Selbstbezogenheit gedeihen Schriftsätze, die nur noch unter Mühe entziffert werden können.
Wären von diesem Verfall nur Werbetexte betroffen, man könnte darüber hinweggehen. Folgenreicher ist, daß auch zahlreiche, in der Schule verwendete Bücher, seit Jahrzehnten schon in fragwürdigem typographischen Kleide erscheinen. Seit 12 Jahren wird der Verfall der Zweckmäßigkeit (=Lesbarkeit) von Schrift vervollkommnet durch die sogenannte Rechtschreibreform. Als unmodern gilt die Sichtweise, gute Rechtschreibung sei als Voraussetzung zu betrachten für exakte Gedankenführung und verkörpere eine Art Höflichkeit gegenüber dem Lesenden. Zeigt sich Bildung jedoch nicht gerade in diesem Bewußtsein der Demut? Überheblichkeit und Bequemlichkeit gehören nicht zum Kanon des abendländisch Gebildeten. Es erstaunt stets aufs neue, wie die eigentliche Funktion des Schreibens immer wieder der Forderung nach Vereinfachung und Bequemlichkeit für den Schreibenden untergeordnet wird. Ins Extrem weitergedacht, wird Schrift auf diese Weise sinnlos. Rein individuelle Schrift und Typographie benötigen keine allgemeinen Regeln mehr, weil sie nicht dem Gedankenaustausch dienen.

Niemals (außer in der sozialistischen Mangelwirtschaft) käme man auf die Idee, zum Zwecke von Bequemlichkeit und Schonung der Werktätigen im produzierenden Gewerbe beispielsweise Mäntel ohne Knöpfe und Schuhe ohne Schnürsenkel produzieren zu wollen, nur weil für diese Arbeitsgänge Fachkenntnis und Geschick nötig sind. Welche Verstiegenheit, ja Dummheit regiert in Köpfen, denen Ziel und Zweck ihrer Tätigkeit inzwischen ganz und gar abhanden gekommen ist, und die all das verwirklichen, was ihnen Technik und Eingebung ermöglichen. „Why does the dog lick its paws? – Because he can.“ Produzenten unlesbarer Schriften verhalten sich nach diesem Muster. Einen Fortschritt der kulturellen Entwicklung mag man darin nicht erkennen. Nicht zufällig ist immer wieder die Entdeckung zu machen, daß hinter Texten in gut lesbarer Typographie und sinnvoller Orthographie mehr Geist und Inhalt stecken als hinter den selbstgefälligen, aufgeblähten, sich als fortschrittlich dünkenden Fassaden. Auf Lektüre schlecht lesbarer Texte kann man also getrost verzichten.

Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, was diese Fassadenkultur begünstige: Wohlstand und demokratische Massendiktatur (alles ist gleichgut, jeder ein Könner, Autoritäten sind schlecht, jeder wie er will und kann usw.) zerstören die Einsicht in das eigentliche Wesen und in die Zusammenhänge physikalischer und geistiger Errungenschaften. Man hält alle kulturellen Errungenschaften für genetisch im Menschen angelegt, also für grundsätzlich vorhanden und daher ohne Übung und Pflege beliebig verwend- und veränderbar, ohne Schaden anzurichten. Daß Fassaden einstürzen, wenn die Substanz dahinter wegfault, diese Erfahrung wird so manchem bitter erscheinen.
 
 

Kommentar von Retter der Bleiwüste, verfaßt am 11.10.2008 um 11.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#13254

Ich hielt kürzlich das Jahresprogramm 2008/2009 der ehrwürdigen Typographischen Gesellschaft München (tgm) in Händen. Sehr hip gestaltet, da laufen grelle Linien kreuz und quer über und durch den Text, diffuse Blöcke überlappen ganze Textblöcke (orange auf dunkelgrau!) und so fort. Wohlgemerkt handelt es sich um eine Info-Broschüre, Seite 31, 35 und 77 kann ich beim besten Willen nicht mehr entziffern, also angepriesene Kurse auch nicht buchen. Mir war klar, daß mit Fortgang Herrn Gorbachs (er war viele Jahre Vorsitzender des Vereins) die "Lesetypographie" ein jähes Ende nimmt und einer "Partykult" weicht. Ich habe nichts gegen experimentelle Typographie, im Gegenteil, aber was soll das in einer Jahresschrift? Letztlich ist das doch auch die Visitenkarte deutscher Typographie. Coole (und somit vermeintlich moderne) Mediengestaltung eben.

Ja der Schriftsatz! Ist von den jungen Mediendesignern ja schließlich nicht zu verlangen, stundenlang den Text durchzugehen, um ausgleichende Spatien zu setzen, obskure Sonderzeichen zu wählen ... In der Schweiz werden ja noch Polygraphen und Korrektoren ausgebildet, leider ausschließlich nach Duden, alte Regeln werden auch dort nicht mehr gelehrt. Mir stieß das bei den renommierten Schweizer Typographie-Büchern auf, alles war schnell 96er Schreibweise, einschließlich des neuen Zeichensatzes, alte Regeln zum Eszett, Kommata, Bindestrich etc. werden da einfach übergangen (so, als hätte es sie nie gegeben). Auch der bekannte Frankfurter Typo-Verlag (alle, die im Medienberufen arbeiten, besitzen tonangebende Bücher dieses Verlages) war schnell dabei. Jenseits einer Ästhetik: "Essstörung" und so viele andere Raffinessen, die das Lesen zur Qual machen.
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 11.10.2008 um 11.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#13255

"Fassadenkultur" – das trifft's. Hierzu fällt mir noch ein, daß ich vor einiger Zeit in einer Buchhandlung eine Neuauflage des "Büchmann" gefunden habe. Als Taschenbuch. Natürlich in Reformschreibung, wir sind ja schließlich nicht von gestern!
Soviel also dazu, daß "man" ja orthographisch, sprachlich und sowieso generell "mental" nicht mehr wilhelminisch ist...

Und gerade habe ich mal in Amazonien nachgestöbert, und siehe da: das Büchlein (welch Wortwitz!) wird ja schon seit Jahrzehnten neuaufgelegt! Das wußte ich ja gar nicht... Ich habe das Volk rückwirkend überschätzt.

Zur Typographie speziell: Es wundert mich immer wieder, daß sich typographische Schlampereien anscheinend häufen. Wir leben im Computerzeitalter: mit ein bißchen Geschick kann prinzipiell jeder am eigenen Rechner wunderbar Texte gestalten, austesten und perfektionieren und so weiter (man schaue mal, wieviele Internetseiten es zum Thema Typographie gibt: da wird man als Laie nicht allein gelassen); und da wir in einer Zeit leben, in der es ja nicht gerade an Grafikdesignern mangelt, sollten selbige in Legion ja auch in der Lage sein, kompetent Texte zu gestalten; schließlich lernen die ja alle auf ihren "Akademien" Typographie. Und wenn man sich mal mit denen über das Thema unterhält, findet man recht schnell raus, daß sie alle (oder doch zumindest die meisten) der typographischen Weisheit letzten Schluß geradezu gesoffen haben müßten!
Da muß doch mal was Schmuckes bei rauskommen – möchte man doch meinen...
Oder es ist eben doch nur Fassade.
 
 

Kommentar von Poomerang, verfaßt am 11.10.2008 um 13.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#13256

Wie immer wenn's ums rechnergestützte Arbeiten geht, muß man zunächst mal den Müll entsorgen. In diesem Fall die Spielereien der Officepakete. Einfach guten Textsatz macht etwa LaTeX. Ganz ohne Mühe geht das aber natürlich nicht.
 
 

Kommentar von Retter der Bleiwüste, verfaßt am 12.10.2008 um 17.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#13266

Mir ist noch etwas zum Thema eingefallen:

Was ist denn der Schriftsatz wert? Wer hat dazu Zeit? Wer Lust?

Man bedenke, daß Schriftsatz (auch wenn es ihn seit den 70ern im Westen und seit den 80ern in der DDR nicht mehr als Ausbildungsberuf gibt) ein Handwerk ist; genauso ergeht es auch dem Korrektor (diesen Ausbildungsberuf gibt es nur in der Schweiz) – er ist ein Handwerker. Handwerke sind "mechanische" Berufe, keine künstlerische und letztlich keine gehobene Sparte, sprich akademische. Einen Meister-Korrektor habe ich jedenfalls noch nicht gesehen.

Will man sich zum Beispiel bei der Künstlersozialkasse als Freiberufler versichern, geht das nicht. Was ich damit meine: Schriftsatz als für sich geltende gestalterische Ausübung gibt es nicht, somit bleiben alle Förderungen und Anerkennungen außen vor. Als Mediendesigner ist man als Freiberufler immer daran interessiert Künstler zu sein, so kommt man gratis in den Genuß, zu den Akademikern zu gehören.

Das zeigt schon Auswirkungen. Als Lektor (tatsächlich ein "künstlerischer" Beruf) werden sie sich hüten, Schriftsatz mit in ihre Arbeit einzubeziehen, obwohl es oft im Arbeitsablauf vorkommt. Übrigens ist der Typograph primär ein Layouter, demnach wiederum ein Künstler. Wobei das schon seltsam ist, da studieren sie ein bißchen Germanistik und unversehens sind sie ein Künstler – und mit den Designern Kopf an Kopf.

Was ist aber nun der Texter? Den gibt es eigentlich gar nicht, obwohl der Beruf bei den Agenturen recht gefragt ist; ich nenne sie immer Textdesigner. Verstehen sie jetzt warum? Sie kommen in keiner Sparte vor und trotzdem stehen sie in der Rangliste ganz oben, sie schweben förmlich über den Wolken ...

Letzter Gedanke zu den Zünften im Lande 2008.
Hauptschule: Kinderpfleger, Mittlerer Abschluß: Erzieher, Studium: Diplom Pädagoge. Das sind sie von Anfang bis Ende, ohne "Berührungspunkte". Das gibt es nur bei uns und in Österreich. Umgekehrt kann sich jeder Lektor, Korrektor oder Texter nennen – oder eben Setzer, InDesign und Duden-Korrektor machen es möglich. Und noch mal umgekehrt: Lektoren müssen von Schriftsatz nichts verstehen (der kommt ja nun in der Uniwelt weiß Gott nicht vor! Ein Handwerk!), aber Schriftsetzer müssen irgendwie Korrektoren sein, oder? Und Texter müssen gar nichts, klar.
 
 

Kommentar von Peter Schmitt, verfaßt am 16.10.2008 um 16.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#13284

Ähnliches ist auch in anderem Zusammenhang zu beobachten, z.B. bei Ausstellungen (kontrastarme Schriften, hell- auf dunkelgrau, noch dazu klein und gedämpft beleuchtet, auf ungünstig angebrachten Schildern, reflektierende Oberflächen, ...), im Internet (gerade aufwendig gestaltete Seiten verwenden oft extrem kleine Schriften und bunte Hintergründe), und bei PowerPoint-Präsentationen (z.B. grün auf weiß; geachtet wird auf diverse – meist überflüssige – Effekte, nicht aber auf gute Lesbarkeit).
 
 

Kommentar von Franz Berlinger, verfaßt am 17.10.2008 um 18.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#13294

Die Ursache für schlechte Typographie liegt auch in der völligen Überschätzung des Berufs der Mediendesigner. Während Schriftsetzer oder Gebrauchsgraphiker früher Handwerker waren und eine Lehre absolviert hatten, fühlen sich die heutigen Graphikdesigner als Akademiker. Sie haben "studiert". Meist an speziellen Ausbildungsstätten oder auch an einer FH. Nichts gegen diese Ausbildung, aber sie erfüllt eben keinen akademischen Anspruch. Dennoch halten sich diese Mediendesigner für akademisch gebildet und es daher unter ihrer Würde, die schlichten handwerklichen Fähigkeiten eines Schriftsetzers zu erlernen, geschweige denn anzuwenden. Sie sind ja auch "Diplom-Designer". Leider ohne Bodenhaftung – auch was ihre Preise anbelangt. Aber das ist ein ganz anderes Kapitel...
 
 

Kommentar von Retter der Bleiwüste, verfaßt am 17.10.2008 um 21.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#13295

Typographie der Didaktiker, Politiker und Programmierer

Ich möchte gerne anhand der Seiten www.ich-will-schreiben-lernen.de aufzeigen, wie man an einer "Zielgruppe" vorbeischießen kann und darüber hinaus alle typographischen Gepflogenheiten mißachtet.

Was erwartet man von einer Internetplattform, gemacht für Menschen, die Schwierigkeiten mit der Sprache, insbesondere der Schriftsprache haben (funktionale Analphabeten, Migranten etc.)?

Ich denke, jeder kann nachvollziehen, wenn man hierzu folgendes erwarten würde:
- Inhalte werden in einer einfachen und klaren Sprache gehalten
- die Plattform kann ohne groß zu bewältigende Hürden von jedermann benutzt werden.

Was aber, wenn verwendete Bilder zu klein gehalten sind und mit der Zielgruppe inhaltlich nichts zu tun haben.
Will man besagte Bilder nun vergrößern, um besser sehen zu können, was damit gemeint ist, werden diese vom Programm einfach abgeschnitten (also vollends unkenntlich gemacht).

Die Icons, also die kleinen Bildchen, die etwas bedeuten und angeklickt werden wollen, sind verstreut und erstmal ohne ersichtliche Struktur verteilt und wiederum so klein, daß es motorisch nicht einfach zu bewerkstelligen ist, sie mit der Maus zu treffen – auch sind nicht alle mit Sprache hinterlegt, die aussagen, was sie darstellen sollen, für was sie stehen. Überdies tauchen sie nicht stringent auf den verschieden Seiten auf, mal sind sie da, mal nicht. Die Icons sind auch sehr "individuell" gestaltet, und sind oft nicht selbsterklärend, sie entsprechen nicht den gewohnten Konventionen.

Dabei fällt einem auf, daß nicht immer ein Schritt zurückgegangen werden kann, um zum Beispiel so einen "Knopf" wiederzufinden.

Der Seitenaufbau ist starr und lediglich in einer festgelegten Größe darstellbar, was tun bei sehr großen oder gar sehr kleinen Bildschirmen?

Bei letzterem Punkt fällt auf, daß sich ungewöhnlicherweise die Schrift nicht vergrößern läßt (alles ist ja sehr klein gehalten), was tun also bei Sehschwierigkeiten?

Für wen ist eigentlich die Willkommensseite geschrieben? Für Menschen mit Leseschwierigkeiten etwa?! Hier steht einfach zu viel, obendrein ist es erschwerend unstrukturiert dargeboten.

Beim Hineinklicken fällt wieder etwas auf. Es gibt oft kein zurück mehr, Verzweigungen (Verlinkungen) sind nicht stets präsent, manchmal führen sie sogar ins Nirvana! Es fehlt durchgängig eine Referenzanzeige (in dem Sinne einer Orientierungshilfe).

Als "Benutzer" kommt man nur mit einer Registrierung in die Seiten hinein, also eine Hürde, bevor man sich ein Bild machen kann, zudem findet man ja erst einmal zu wenig Information. (Man stelle sich vor: Ein Schüler fragt den Lehrer etwas, dieser antwortet: "Ihr Paßwort bitte!")

Zudem wird gleich eine Kundenbefragung vorn angestellt, Persönliches gefragt, der Geruch von Auswertung schlägt einen entgegen.

Hat man nun alle Hürden geschafft, kommt man bei einem ersten Versuch mitzuarbeiten oft nicht weiter, man wird gefangen wie in einem Computerspiel, man schafft es einfach nicht, über eine falsche oder unverständliche (auch das soll es geben!) Frage – oder wenn man einfach mal eine Frage überspringen möchte – weiterzukommen. Eine Endlosspirale.

Doch kommen wir mal zum Eigentlichen, der Sprache. Als erstes fällt die Schlampigkeit auf. Viele Rechtschreibfehler (es scheint nicht Korrektur gelesen zu werden). Bei automatisch generiertem Text ("Textbausteine") fehlen Leerzeichen, so folgt ohne Lücke nach einem Abschlußpunkt der folgende Buchstabe! HTML-Tags für Sonderzeichen wie Eszett oder Umlaute etc. wurden manchmal nicht angelegt und so fort.

Für wen ist das letztendlich geschrieben? Die Formulierungen scheinen starr wie der Aufbau der Seiten. Warum wird gekünstelt eine Jugendsprache hingerotzt, ein andermal aber sehr bildungsbürgerisch kleinlichst gesprachwerkt (man beachte die überflüssigen Anglizismen)? In jener saloppen und allzu flapsigen Sprache wird zudem kühlste (nicht coole) Statistik geführt, nicht aber (für den Tutor nicht unwichtig), Fehler und eben auch Stärken beispielhaft und ausbaufähig dargeboten und meinetwegen ausgewertet werden, nein, nur abstrakte Prozentwerte einer Auswertung als eine Art Benotungssystem über einfach jeden Furz.

Alles offenbart sich in den wohlmeinenden Nachrichtenseiten. Was lesen wir mit Erstaunen ellenlange, kompliziertest verschachtelte Sätze! Von der Sprache mal ganz zu schweigen, weder Jugendsprache noch wie bei Wikipedia weltweit als "Geheimrezept" angewandte Reduzierung auf einfachen Wortschatz und Satzbau (Simple English, was soviel heißt: Mit wenigen und alltäglichen Worten komplizierte Sachverhalte ausdrücken).

Kommen wir zurück zum Tutor. Welche Vorteile oder welchen Nutzen hat er von einem Programm, das ihn keinerlei persönliche und individuelle Möglichkeiten bietet, mit den Schülern zu arbeiten – außer eben der Möglichkeit, interne Mailkorrespondenz zu führen (soll ja auch ohne teures Programm heutzutage möglich sein). Doch schon: Der Lehrer kann auf die Seiten seiner Schüler gehen und kann somit alles nachvollziehen, was sich aber als sehr umständlich und zeitraubend entpuppt – überdies bedeutet es eben auch: Der Lehrer kann die Seiten seiner Schüler zu hundert Prozent ausschnüffeln, das ist nicht nur unangenehm für den Schüler, es wird wohl so einige Schüler/Benutzer mehr als abschrecken.

Barrierefreiheit: Sie wurde vom Europäischen Parlament für alle behördlichen und schulischen Einrichtungen verbindlich formuliert. Sie sagt aus, es müsse allen Menschen, egal mit welcher Behinderung benachteiligt, möglich sein, Dinge zu verstehen. Erst einmal heißt das im Klartext:

Internetseiten müssen ohne Barrieren gestaltet werden, die da wären:

- Sehschwäche muß berücksichtigt werden, ebenso Farbblindheit

- Es dürfen keine Techniken der Programmierung ausschließlich verwendet werden, die nur mit bestimmten Programmen verknüpft sind, die nicht allen zur Verfügung stehen.
[Ein wichtiger Punkt! Denn die Seiten der Plattform sind mit Java neuester Generation programmiert worden, noch wichtiger: der Text ist ausschließlich im Flashformat vorhanden (daher die starre Größe), er läßt sich von externen Programmen nicht einlesen noch vorlesen noch verarbeiten. Ebenso neueste Generation. Beides nur auf neuesten Computern eine Selbstverständlichkeit, sie bedürfen eines Grundwissens, um sie nachzuinstallieren und benötigen einen enormen Arbeitsspeicher, was bei älteren Rechner schwierig bis unmöglich ist. Zudem sind sie beide proprietäre Programme und bedürfen Lizenzen.]

- Die verwendete Sprache muß allgemeinverständlich gehalten sein. [Ein schwieriger Punkt? Nein. Bei einem Fortbildungsseminar hatten wir alle unsere Schwierigkeiten mit Sprache und Aufbau (sprich Strukturierung) des Systems. Wir sind erfahrene Menschen, mit einer gewissen Allgemeinbildung. Wie soll aber ein Mensch mit Sprachschwierigkeiten das meistern?!]

- Einsicht in die Seiten müssen ohne Registrierung möglich sein. [Der Punkt steht für sich.]

- Persönliche Informationen dürfen nicht abgefragt werden und persönliche Seiten dürfen nicht eingesehen werden.
[Etwas frei formuliert, zugegebenen, aber um etwas in seiner Tragweite und Drastik erkenntlich zu machen, legitim.]
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2012 um 16.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#20136

Wie ich erst jetzt sehe, hat "Cicero" unserem Beiratsmitglied Friedrich Forssman im vergangenen Jahr einen schönen Artikel gewidmet: "Der Schriftgott aus Kassel" (http://www.cicero.de//salon/der-schriftgott-aus-kassel/47403)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.05.2014 um 06.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#25757

Habe gerade an die FAZ geschrieben und mich über die inverse Schrift (weiß auf blau) eines ganzseitigen Beitrags beschwert.
„Verwenden Sie niemals inversiven Druck (hellen Text auf dunklem Hintergrund). Dunkle Schrift auf hellem Papier ist am lesbarsten.“ (EU-Richtlinie)
 
 

Kommentar von B.Troffen, verfaßt am 03.05.2014 um 11.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#25759

Ob "lesbar" steigerbar ist, sei mal dahingestellt (oder da hin gestellt?).
Aber trotz jener Erkenntnis und EU-Richtlinie hat ja die Bahn ihre schwarz-weißen Stationsschilder durch weiß-auf-blaue ersetzt. Vielleicht rosten die schneller als die alten, denn sonst werden wir eine Rückumstellung alle nicht mehr erleben. Es sei denn, die EU macht Druck.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2014 um 09.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#25801

In St. Gallen wird diskutiert, ob zwischen den beiden Teilen dieses Namens ein Leerzeichen (schweiz. Leerschlag) stehen muß oder nicht. Der "Blick" berichtet. Unter den zahlreichen Leserbriefen ist auch folgender:

Jedes hungernde Kind auf dieser Welt würde uns um solche Probleme beneiden...

Ja, freilich, es gibt überhaupt keine Themen, die nicht angesichts hungernder Kinder zu nichts schrumpften. Aber was tut der Schreiber selbst für die hungernden Kinder? Er gehört wahrscheinlich zu der immer größer werdenden Menge von Frührentnern, die den ganzen Tag am Internet hängen und ihre Meinung zu allem und jedem äußern. Wenn irgendwo ein Erdbeben ist, worüber wir zuverlässig unterrichtet werden, auch wenn die Gegend noch so entlegen ist, schreiben viele Leute (ausschließlich Männer übrigens!): "Damit muß der Mensch immer rechnen" oder so ähnlich.

Ich stehe auch oft vor der Frage, ob ich ganze, keine oder verkürzte Leerzeichen setzen soll, und St. Gallen, also die Behörden, die Zeitungen usw., muß sich auch so oder so entscheiden, da hilft der Hinweis auf hungernde Kinder auch nicht weiter. Ein Typograph hat dem "Blick" übrigens gesagt, wenn man keine verkürzten Leerzeichen habe, solle man gar keine setzen, weil das immer noch besser aussehe als ganze.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 11.05.2014 um 17.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#25802

LeerzeichensindueberhauptvonUebel,dieRoemerkanntensieauchnicht.
warumalsosollenwirsiebenutzen?
WievieleBaeumehaettengerettetwerdenkoennenaufdieseWeise?
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 11.05.2014 um 19.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#25803

Zu #25802/#25801: Ja, aber wir sind inzwischen ja doch an anderes gewöhnt, und unsere gesparte Zeit ist auch was wert, in der wir alles möglichen Bewußten sicher mehr Bäume auf andere Weise retten - jedenfalls retten könnten als auf die hier vorgeschlagene. - Übrigens schreibe ich am Rechner alles mit Courier, damit es auf dem Papier aussieht, als wäre alles handgetippt. Und wo ich die Bezeichnung "Freischlag" für "Leerzeichen" bzw. "Leerschlag" aufgeschnappt habe, weiß ich nicht; aber Freischlag habe ich's bisher immer genannt, wenn ich davon gesprochen habe.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.11.2014 um 06.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#27313

Heute kann man in der FAZ wieder sehen, daß inversiver Druck erstaunlich schwer lesbar ist. Ein langer Text über die Raumsonde Rosetta, weiß auf "schwarz" (also dunkelgrau) - wie kommt man denn auf so etwas?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.03.2015 um 10.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#28468

Form follows function? Heute nicht mehr. Von Architektur verstehe ich zu wenig, aber manche Häuser kommen mir eher wie Skulpturen vor, nicht gerade zweckmäßig.

„Moderne“ Schriften folgen dem ästhetischen Dogma der Gleichförmigkeit wie die Knöpfe an einem Gerät der Unterhaltungselektronik. Es gibt Drehknöpfe, die nur zwei Stellungen zulassen (an – aus, heute fast immer on – off), so daß eigentlich ein Kippschalter zweckmäßiger wäre. Sendersuchlauf, Lautstärke einerseits und Stromzufuhr, Peripheriegerät andererseits sind völlig verschiedene Dinge, werden aber einander angeglichen. Beschriftung gilt als spießig. Noch moderner ist das Verstecken aller Bedienungselemente. Der Monitor vor mir hat Tasten, aber sie sind an der Unterseite, ich müßte das Gerät kippen, um sie zu sehen. Lieber verzichte ich darauf, irgendwelche Einstellungen zu ändern, es geht ja auch so ganz gut. Das Unzweckmäßige wird durchgesetzt, und dasselbe macht man mit der Schrift. Die Buchstaben haben oft zu wenig Physiognomie und sind auch zu schmal und blaß, als schämten sie sich, daß es sie neben den Bildern überhaupt noch gibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.07.2015 um 05.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#29474

Neulich las ich, daß ein Stellensucher sich alle Chancen verbaut, wenn er sein Bewerbungsschreiben in Times New Roman einreicht. Das zeige nämlich, daß er sich nicht genug Gedanken gemacht hat usw.

Die Kunst der Bewerbung ist ein eigener Geschäftszweig geworden. Kurse werden in Fortbildungsmaßnahmen angeboten und vom Staat bezahlt. Wieder ein Beispiel für den Sieg der sophistischen Rhetorik. Ganz selten mal die Stimme eines Unternehmers, den weniger die Bewerbungskunst als das fachliche Können des Bewerbers interessiert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2017 um 05.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#36355

Wie die Form (das "Design") der Funktion entgegenarbeitet, sieht man auch an Haushaltsgeräten. Der Elektroherd in der Ferienwohnung hat Berührungsfelder statt der soliden Knöpfe, aber sie reagieren sehr eigenwillig oder gar nicht. Ich könnte auf die Bedienungsnaleitung zurückgreifen, aber die ist längst abhanden gekommen. Der Herd schaltet sich immer wieder ab, piept plötzlich los usw. Die Bedienelemente sind schwer erkennbar, die Beschriftung ist nur wenig vom Ideal der Unsichtbarkeit entfernt, die Symbole – für Analphabeten? – sind keineswegs selbsterklärend. Es dauert drei Wochen, bis man sich eingearbeitet hat, und dann sind ja auch die Ferien endlich zu Ende.
In einer anderen Ferienwohnung wollte ich mir am Sonntagmorgen um 5 ein Brötchen toasten und löste damit den Feueralarm aus. Ist ja schön, daß die Rauchmelder jetzt überall eingebaut werden müssen, aber ich höre oft von solchen Zwischenfällen.

Altmodischerweise (aus Trägheit) bin ich immer noch bei der Telekom, aber die neue Mail-Oberfläche ist ein Rückschritt. Die wichtigen Felder für neue Mail und für Abmelden sind jetzt nur über einen Zwischenschritt erreichbar, den man erst einmal entdecken muß. Logout verbirgt sich hinter einem nichtssagenden Symbol, wo man es nie vermuten würde.
Wer denkt sich so etwas aus?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.10.2017 um 12.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#36775

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#36355

Die beiden am Schluß gerügten Mängel des neuen Telekom-Layouts sind seit gestern behoben. Ich lag also nicht ganz falsch mit meiner Klage. Sonderbar bleibt, daß ein so großes Unternehmen mit einer derart dilettantischen Benutzeroberfläche an die Kundschaft getreten war.

Nachtrag: Jetzt klappt auch noch ein Fenster auf:
Der Logout-Button ist wieder da. Vielen Dank für Ihr zahreiches Feedback. Außerdem: Wir sind als bester deutscher Anbieter in der Kategorie „E-Mail Anbieter“ mit dem dritten Platz für „Beste Service Qualität“ ausgezeichnet worden (TESTBILD, Ausgabe 4/2017 *****2017/18). Dafür möchten wir uns bei Ihnen herzlich bedanken.

(Feedback ist ein beliebter Euphemismus für "Beschwerden".)
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 27.10.2017 um 14.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#36787

"Feedback" (Rückfütterung) ist schon im Englischen ein bescheuertes Konstrukt. Was passiert, wenn die Fütterung quasi rückwärts abläuft, möchte ich mir gar nicht vorstellen.

Beim Verdeutschen von Nutzeroberflächen ("German localisation") habe ich immer „Lob und Kritik” geschrieben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.03.2018 um 16.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#38316

Typographen machen sich über die neue Schrift auf den DFB-Trikots lustig. In der Tat kann man auf einige Entfernung des bewegten Körpers Draxler als OAAHLER lesen. Design siegt über Funktion, wie so oft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2019 um 16.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#40833

Entgegen meiner normalen Munterkeit muß ich hier mal als gramzerfurchter Miesepeter auftreten. Bei Amazon habe ich gerade eine Rezension des weder erworbenen noch gelesenen "Himmelsjahrs 2019" eingerückt. Wenn Sie mit einem "Blick ins Buch" die Ausgaben von 2018 und 2019 vergleichen, werden Sie mir zustimmen. Die Umstellung so vieler Bücher, auch Schulbücher, und Zeitschriften auf die ekelhafte dünnstmögliche Groteskschrift ist ein Verbrechen, für das keine Strafe zu grausam ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.07.2021 um 06.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#46378

In der FAS eine Doppelseite über die Himmelsscheibe von Nebra, leider in gelblicher Schrift auf dunkelgrauem Grund, sicher todschick, aber kaum lesbar.

Es geht um die Aunjetitzer Kultur. Als ich vor fast 60 Jahren, aus denkbar unakademischen Verhältnissen an eine richtige Universität gekommen und freudig erregt wie später nie wieder, meine allererste Vorlesung hörte, war es in einem verdunkelten Kellerraum, und der erste richtige Professor meines Lebens (Mildenberger) las über die Aunjetitzer Kultur, von der ich noch nie gehört hatte. Ich habe jedes Wort behalten und könnte noch heute Bronze in verschiedenen Mischungsverhältnissen herstellen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.07.2021 um 09.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#46379

Als wir vor fünf Jahren zum Urlaub ins Riesengebirge gefahren sind, habe ich auf der Hinfahrt extra einen kleinen Umweg über Aunjetitz gemacht, tschechisch Únětice, ein kleines Dorf ganz dicht nordwestlich an Prag gelegen. Wir sind in der Ortsmitte ausgestiegen und haben einen kleinen Spaziergang gemacht. Es war in der Woche, später Vormittag. Die Kirche und der einzige kleine Laden, den wir gesehen haben, waren geschlossen. Nichts, gar nichts deutete auf die berühmte Kulturepoche hin, der dieser Ort den Namen gab. Recht enttäuscht fuhren wir nach einer knappen Stunde weiter.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.07.2021 um 09.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#46380

Das ist ja der Normalfall: An den Fundorten, deren Namen man sein Leben lang gelesen hat, ist nichts zu sehen – es sei denn, jemand hat ausgerechnet dort ein kleines Museum gebaut. Oft handelt es sich um die erste Fundstelle, die seither durch spätere, aber bedeutendere in den Schatten gerückt wurde.

Ähnlich steht es mit den Geburtsorten berühmter Leute, die dann anderswo gewirkt haben und dort geehrt werden. Bestenfalls findet man dann ein Schildchen an einem alten Haus – kein Grund hinzufahren.

Aber es freut mich zu hören, daß mal jemand sich mit eigenen Augen von der Existenz dieses sagenhaften Ortes überzeugt hat...

Die Himmelsscheiben-Ausstellung in Halle scheint aber umwerfend zu sein und lohnt sicher die Reise, ebenso (oder als Ersatz) der Begleitband.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2021 um 04.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#46664

Der Begleitband zur Ausstellung "die Sprache Deutsch" vom DHM ist, wie alle solchen Bücher, in der modischen dünnen Groteskschrift gedruckt, die das Lesen erschwert. Aber das ganze Buch ist natürlich todschick.

Es ist, als hätten sich alle Designer der Welt gegen uns verschworen. Alle wollen originell sein und sind am Ende radikal konformistisch.

Warum zum Beispiel ist der Artikel im Titel klein geschrieben? Weil kein anderer Buchtitel mit einem Kleinbuchstaben anfängt.

Warum werden männliche Titelrollen im heutigen Schauspiel grundsätzlich mit Frauen besetzt (am besten mehreren)? Darum! Das lernt die Regie schon am Stadttheater. "Man muß absolut modern sein."

Dieser Tanz um das goldene Kalb macht mich so müde, daß ich mich immer öfter dabei ertappe, wie ich drüber hinweg blättere, buchstäblich und übertragen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.10.2021 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#47306

Manche vermuten, daß die Serifen der griechischen und lateinischen Lapidarschrift aus der Vorzeichnung mit dem Pinsel übernommen sind, also einen ähnlichen Ursprung haben wie die hakenförmigen Abschlüsse in chinesischen Zeichen. Andere nehmen an, daß der Ursprung in der Meißeltechnik selbst liegt: saubere Linienabschlüsse. Beides ist spekulativ. Heute gelten die serifenhaltigen Buchstaben im allgemeinen als lesefreundlicher und weniger ermüdend als serifenlose Schriften und werden deshalb weiterhin gepflegt. Eine kulturelle Exaptation.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 12.10.2021 um 12.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#47310

Es gibt ja einige Schriften mit starker Betonung waagerechter Linien (bengalisch, hebräisch). Vielleicht ist das hilfreich für’s Lesen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.10.2021 um 18.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#47311

Ja, der waagerechte Deckstrich der Devanagari-Schrift. Mir kommt es so vor, als sei er in den Palmblatthandschriften entstanden, wo er die Schrift sozusagen in der Spur hielt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.01.2023 um 06.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#50348

Sogar auf der ersten Seite berichtet die SZ, daß das amerikanische Außenministerium die Schriftart Times New Roman zugunsten einer serifenlosen ("schnörkellosen") Schrift verboten hat. Begründet wird mit Modernität usw., aber im Text kommt dann doch die Katze aus dem Sack: Serifenlose Schrift ist für Lesegeräte besser erkennbar.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 25.01.2023 um 09.00 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#50350

Die Begründung mit den Lesegeräten (Monitoren?) finde ich sehr seltsam. (Auf modernen, hoch aufgelösten Bildschirmen fördern Serifen die Leserlichkeit nicht mehr, ja sie können sie sogar erschweren, besonders für Menschen mit Sehbehinderungen.)

Vor Ewigkeiten hat Microsoft von Matthew Carter die "Georgia" entwickeln lassen, eine Serifenschrift für die Bildschirme der 90er. Inzwischen sind moderne Displays so fein aufgelöst, daß bei normalem Sehabstand eigentlich kein Unterschied mehr zum Druck besteht.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 25.01.2023 um 09.13 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#50351

Lesegeräte (was auch immer damit gemeint ist) haben auch den Vorteil, daß sich die Schriftgröße meist individuellen Bedürfnissen anpassen läßt.

Ich habe mir mal eine Leseprobe eines Großdruck-Buchs heruntergeladen. Wie zu erwarten eine Serifenschrift.
https://bilder.buecher.de/zusatz/23/23539/23539717_lese_1.pdf

Wären serifenlose Schriften für Sehbehinderte eine bessere Wahl?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.01.2023 um 12.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#50352

Ich nahm an, daß es sich um Vorlesegeräte handelt.

Das Streichen von Redundanz spart Speicherplatz, kann aber an anderer Stelle Kosten verursachen.

Anscheinend wird die Leseforschung nicht befragt. Für menschliche Leser gelten vermutlich andere Qualitätsmerkmale als für Maschinen.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 25.01.2023 um 13.35 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1061#50353

Für das maschinelle Vorlesen könnte man auch weiße Schrift auf weißem Grund nehmen. Es sei denn, ein Ausdruck muß wieder eingescannt werden.

Ich würde darauf spekulieren, daß eine ästhetisches Urteil im nachhinein rationalisiert werden soll. Wahrscheinlich wollte man nur eine modernere Anmutung.

Bei der Times New Roman finde ich das persönlich sogar gerechtfertigt. Die Schrift ist eigentlich mal entstanden als eine Art Notbehelf. In Zeitungen wurde immer die "Times Ten" verwendet, die nicht so eng läuft wie die Times New Roman. Und das trotz des Spaltensatzes. Die Times New Roman ist für "Schreibmaschinenseiten" eher unergonomisch, zuviele Zeichen pro Zeile.

Die meisten Leute haben eine richtig gute Schrift (Minion Pro) auf ihrem Rechner, ohne es zu wissen. Die steckt irgendwo im Programmordner des Adobe Readers, man muß sie nur systemweit installieren.
 
 

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