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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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10.07.2013
 

Zärtlichkeit
Ein besonderer Gebrauch des Diminutivs

Der Duden will zwar immer noch, daß wir Händchen halten, oder vielmehr: im Infinitiv und ordentlich konjugiert ist es gar nicht vorgesehen, und trotzdem wird Händchen haltend empfohlen!

Aber darum soll es hier nicht gehen. Die Hände, die da gehalten werden, müssen offenbar nicht besonders klein sein. Der Diminutiv scheint den Ausdruck der Zärtlichkeit übernommen zu haben, wofür es auch andere Beispiele gibt. Komm, iß dein Breichen!

So spricht man auch von Herrchen und Frauchen eines Hundes. Aber wenn wir uns über den Köter so richtig ärgern, dann stellen wir eher den Hundehalter zur Rede.



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Kommentare zu »Zärtlichkeit«
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 11.07.2013 um 10.59 Uhr  
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"Den ganzen Tag liegt sie im Bett, das arme Mütterchen! – Wieso Mütterchen? Fragen Sie Tolstoi! Das ist rrrussisch, echt rrrussisch!
Jeder Russe hat ein Mütterchen ... was weiß ich?! Hei, Hei!", singt Friedrich Holländer in seiner Berichterstattung von einem kleinen Drama bei "Väterchen Stroganoff" und davon, was "Väterchen Koch" mit dem dabei zerhackten Requisit noch zustande gebracht hat.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 11.07.2013 um 13.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23616

Im Russischen (und wohl auch in andern slawischen Sprachen) wird der Diminutiv sehr viel öfter verwendet, auch dort, wo wir ihn im Deutschen nicht erwarten würden. So hat "Väterchen Frost" sicher weder irgendetwas Kleines noch Zärtliches an sich. Auch die Großmutter ist durchweg "Babuschka" (-ka ist die typische Verkleinerungssilbe). Im vertraulichen Umgang wird auch von Personennamen durchweg der Diminutiv verwendet, der den eigentlichen Namen fast verdrängen kann. So ist "Sascha" von Haus aus ein Diminutiv zu "Alexander".
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 11.07.2013 um 13.19 Uhr  
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Der Gebrauch von Verkleinerungsformen ist kulturabhängig: Im Tschechischen enthält fast jede liebevolle Anrede eine Verkleinerung. Die Bezeichnung "babicka" für Großmutter ist sogar die einzig mögliche, denn die Grundform "baba" bedeutet nur "alte Frau". Klassisches Beispiel: Bozena Nemcova, Babicka, Obrazy z venkovskeho zivota (die Großmutter, Bilder aus dem ländlichen Leben); deutscher Titel: Die Großmutter, Eine Erzählung aus dem alten Böhmen. Standardlektüre aller tschechischen Schulkinder.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 11.07.2013 um 20.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23624

Das Neugriechische enthält im täglichen Sprachgebrauch besonders viele Diminutive.
Vielen Substantiven wird ein -áki angehängt. Krasí–krasáki, potíri–potiráki, fílos–filáki (auch Küßchen) [Vorsicht: filakí ist das Gefängnis!], tomáta–tomatákia, fákelos–fakeláki (spielt wichtige Rolle in GR), Nikólas–Nikoláki.
 
 

Kommentar von Gunther Chmela, verfaßt am 11.07.2013 um 20.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23625

In meiner Heimatsprache Bairisch (die ich als eigenständiges System betrachte) gibt es eine beachtliche Anzahl von Substantiven, die ausschließlich im Diminutiv verwendet werden. Einige Beispiele: Ein Rad, gleichgültig wie groß es sein mag, ist immer ein Ràdl – auch dann, wenn es sich etwa um ein Mühlrad mit drei Metern Durchmesser handelt (Muiràdl). Ein Blatt, ob von einer Pflanze oder aus einem Buch, ist immer ein Blàdl. So wird auch ein Brett im Bairischen immer ein Bredl sein, unabhängig von seine Größe. Sollte es sich um ein wirklich großes, schweres Brett handeln, dann ist es ein Lôn (Laden).
Werden die genannten Wörter in bairischer Rede in ihrer Grundform ohne Verkleinerung verwendet, so werden sie als Fremdkörper empfunden.
Ob das alles aber mit "Zärtlichkeit" zu tun hat, wage ich nicht zu beurteilen. Allerdings scheint es die These von Germanist zu bestätigen, die Verwendung des Diminutivs sei kulturabhängig.

Eine Bitte an Herrn Professor Ickler: Sollten meine sporadischen Ein- und Auslassungen zur bairischen Sprache hier als unpassend oder gar lästig wahrgenommen werden, so bitte ich, mir das rundheraus zu sagen. Ich werde mich in diesem Fall zurückhalten.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 11.07.2013 um 23.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23627

Beispiele für Substantive, die heutzutage so gut wie ausschließlich im Diminutiv verwendet werden, findet man auch im Hochdeutschen:
Radieschen, Veilchen, Mädchen, Märchen, Kaninchen, Frettchen
Anders als bei Herrn Chmela sind diese aber sowieso immer recht klein, obwohl es natürlich auch relativ große Radieschen, Mädchen, lange Märchen und recht fette Kaninchen gibt, das Suffix bleibt.

Im Ungarischen beispielsweise kann man nicht Diminutive mit Nachsilben bilden, da hilft man sich anders, um zärtlich zu sein:
anya = Mutter
édesanya = Mama (édes = süß)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.07.2013 um 04.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23628

Lieber Herr Chmela, im Gegenteil! Ich finde Ihre Hinweise aufs Bairische sehr wertvoll und möchte Sie bitten, uns nichts davon vorzuenthalten.

Mein Titel "Zärtlichkeit" gilt natürlich nicht für Diminutive, die fester Bestandteil des Wortschatzes geworden sind. Wir wissen ja, daß viele Normalwörter z. B. in den romanischen Sprachen auf volkssprachliche Diminutive zurückgehen, z. T. wohl auch deshalb, weil die Lautsubstanz der Grundwörter zu dürftig geworden war: abeille < apicula, oiseau < avicellus usw. – Ähnlich im Griechischen und Chinesischen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 12.07.2013 um 09.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23631

Bairisch ist älter als Hochdeutsch: Radi > Radieschen; Viola > Veilchen; Maid > Mädchen; Mär > Märchen; Kanin > Kaninchen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.07.2013 um 11.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23634

Anders als ich gerade schrieb, sind tatsächlich auch im Ungarischen, besonders an Vornamen, solche Verkleinerungssuffixe üblich (vielleicht unter Einfluß des Slawischen):
-ka, -ke bzw. -cska, -cske

Bsp.: asztal (Tisch), asztalka oder asztalocska (Tischlein).

Diese Verkleinerung mit oder ohne Zischlaut zeigen auch die slawischen Beispiele, wobei nicht unbedingt immer beides möglich ist. Aber wenn, dann drückt der Zischlaut (auch ung.) eher eine noch weitere Verniedlichung oder noch mehr Zärtlichkeit aus.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.07.2013 um 17.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23637

Die Wikipedia-Seiten zum Diminutiv sind übrigens sehr detailliert:
http://de.wikipedia.org/wiki/Diminutivaffix und vor allem die englische
http://en.wikipedia.org/wiki/Diminutive

Ein polnischer Kollege erzählte mir, daß in der gesprochenen polnischen Umgangssprache seiner Schätzung nach 80% aller Substantive Diminutive sind. Zum Beispiel stehe zwar auf einer Speisekarte ganz normal Kaffee, Tee usw., bestellen aber würde man meist ein Täßchen Kaffeechen, ein Teechen, ein Tellerchen Süppchen, Salatchen, Schnitzelchen, ...
Der Diminutiv scheint dort nicht nur eine verkleinernde, verniedlichende Funktion zu haben oder Zärtlichkeit zu bedeuten, sondern sehr oft eine Art Höflichkeit, Bescheidenheit auszudrücken. Man bestellt nicht unverschämterweise gleich Klöße, sondern eben Klößchen.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 12.07.2013 um 17.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23638

Genau diese Höflichkeit sehe ich auch als Grund für den häufigen Gebrauch der Diminutive im Kölschen. Man bestellt dort – unabhängig von der Portionsgröße – ein Täßchen Kaffee, ein Stückchen Kuchen. Plunder- oder sonstige Gebäckstücke heißen dort "Teilchen". Alles hier natürlich hochdeutsch verschriftet, da der Kölner nicht gut zwischen "ch" und "sch" unterscheiden kann. Aber um die Transkription der Aussprache geht es hier ja auch nicht.

Noch etwas zum "Herrchen" und "Frauchen": Ist das tatsächlich Zärtlichkeit, die damit ausgedrückt werden soll? Ist das nicht – Zärtlichkeit einbeziehend – so etwas wie eine Babysprache für Tiere? (Es soll ja auch Ehepartner geben, die sich vor den Kindern und Nachbarn als "Papa" und "Mama" ansprechen. Auch hierin kann ich nicht unbedingt Zärtlichkeit sehen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.07.2013 um 18.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23639

Über den kulturellen Hintergrund der Beliebtheit von Diminutiven besonders in den slavischen Sprachen hat Anna Wierzbicka in mehreren Büchern gehandelt. Sie sind alle sehr lesenswert.

In meinem Eintrag wollte ich keineswegs behaupten, daß "Zärtlichkeit" der richtige Oberbegriff für alle erwähnten und noch zu erwähnenden Erscheinungen sei. Das tut Wierzbicka natürlich auch nicht. Ich bin von Händchen halten ausgegangen und habe dann noch ähnliche Verschiebungen andeuten wollen. Man könnte noch solche Fälle nennen: Du kannst mich gern besuchen. Das gern ist aus logischer Sicht falsch orientiert. So ähnlich wird auch der Ausdruck der Zärtlichkeit, der menschlichen Wärme usw. manchmal in den Diminutiv "verschoben". Es scheint sich dann um die Eigenschaft von Gegenständen zu handeln, während es in Wirklichkeit um die Beziehungen der Gesprächspartner oder damit zusammenhängender Personen zueinander geht.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 12.07.2013 um 18.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23640

Tschechische und polnische Substantive haben zwei Verkleinerungsstufen: Die erste Stufe hat die Suffixe "-ik/-ek, -ka, -ko", die zweite Stufe hat die Suffixe tschech. "-icek/-ecek, -ecka, -ecko" (jeweis mit Häkchen auf dem c) und poln. "-eczek, -eczka, -eczko".

Die Verkleinerungen wechseln also nicht das Geschlecht.

Keine Grundform mehr haben die polnischen Wörter "babcia Großmutter, dzadek Großvater und wujek Onkel,.
 
 

Kommentar von Peter Schmitt, verfaßt am 15.07.2013 um 22.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23674

Mir fällt dazu noch das "Pärchen" ein. (Gaunerpärchen, Liebespärchen,...)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.01.2014 um 09.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#24721

"Amerikanische Forscher haben festgestellt ..."

Mehr als 880 Zweiergespanne wurden protokolliert. Bei 88 Prozent aller romantischen Pärchen lag dabei die Hand des Mannes oben. Hielten Eltern mit ihren Kindern Händchen, war die Hand von Mutter oder Vater in 98 Prozent aller Fälle oben, ebenso bei den älteren Geschwistern, die ihre jüngeren an der Hand hielten.
Die Handhaltung, so das Forscherteam, könnte womöglich anzeigen, wie es um die soziale Dominanz in der Beziehung der Händchenhalter bestellt ist. Bezeichnend sei, dass Frauen ihre Handhaltung ändern – je nachdem, ob sie die Hand ihres Partners halten oder die ihres Kindes. Vielleicht fungiere die Handhaltung aber auch als Schutzgeste.
(http://www.welt.de/119180725)

Na, und so weiter, das übliche spekulative Psychologisieren, ohne die Spur eines Beweises, aber selbstverständlich sehr plausibel. Etwas später kommt der Artikel darauf, daß auch die Körpergröße eine Rolle spielen könnte. Mitterand/Kohl werden auch analysiert.

Übrigens kann man oft gar nicht so eindeutig von oben und unten sprechen, zumal ja nicht nur die eine Hand auf der anderen liegt, sondern beide einander umfassen. Wozu hat der Mensch den opponierbaren Daumen, wir sind ja keine Schwinghangler mehr.

Dr. Sommer hat in "Bravo" den schönen Satz gebildet:

Händchenhalten kann ein Zeichen dafür sein, dass Du und Dein Schatz jetzt fest zusammen seid.

Auch eine Lösung der leidigen Kongruenzfrage.

Mit meinem sechs Jahr jüngeren Bruder bin ich als Kind täglich spazierengegangen, wobei seine Hand in meiner lag. Als wir als Erwachsene wieder einmal zusammen unterwegs waren, ließ ich meine Hand an seinem Oberarm hinuntergleiten, und prompt ging seine Hand hoch, um meine zu ergreifen. Als er es merkte, war es ihm peinlich, und ich hoffe, daß er hier nicht mitliest, der liebe Kerl!

Ich sehe gern Paare, die Hand in Hand gehen, besonders auch ältere Ehepaare, die ja meist schon viel zusammen durchgemacht haben. Über "Hand und Wort" ist schon viel geschrieben worden, das Händchenhalten ist tatsächlich kommunikativ und steht sozusagen am Anfang und am Ende unseres Erdenlebens (wenn alles gut geht).


 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.11.2015 um 10.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#30699

Daß die Diminutive in den genannten Fällen nicht die Kleinheit des Gegenstandes ausdrücken, sondern die Beziehung der Gesprächspartner oder eine Haltung des Sprechers kommentieren ("autoklitisch"), sieht man auch an der Verkleinerungsform für Partikeln, besonders hier im Fränkischen, wo man ständig sodala, etzatla usw. hört. (Heike Wiese hat Partikeldiminution behandelt, aber nur die formale Seite, weshalb ich hier nicht referiere.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.01.2016 um 08.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#31203

Nicht zu vergessen: Däumchen drehen (der Diminutiv ist hier neueren Datums). Dazu das Rübchenschaben? (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=783#30278)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.04.2017 um 09.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#34916

Warum die Gauner Kittchen sagen, braucht man nicht zu erklären (zu Herrchen, Frauchen).

Eine ähnliche Verschiebung, nur mit umgekehrter Wertung, scheint mir vorzuliegen in den Wendungen ins Gefängnis werfen/stecken. Eigentlich wirft man ja den Delinquenten nicht in die Räumlichkeiten der JVA. Aber er wird gewissermaßen wie ein Gegenstand behandelt oder betrachtet, und das drückt sich solidarischerweise am Verb aus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.07.2017 um 06.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#35671

Öffi ist laut Duden besonders in Österreich als Bezeichnung eines öffentlichen Verkehrsmittels in Gebrauch. Es ist auch Name einer Fahrplan-App. Ich habe es, besonders im Plural, schon mehrmals in der Bedeutung "öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt" gelesen. Dafür braucht man in der Tat eine griffige Bezeichnung.
(Gerade wieder gelesen, daß sich die Jugend fast vollständig von diesen Öffis abgewendet hat.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2021 um 06.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#45011

Auf dem Waldweg schnüffelt ein großer, frei laufender Hund an den Beinen meiner Frau, springt an ihr hoch. Sie bittet das Frauchen, den Hund zurückzuholen, was sie auch widerwillig tut. Im Vorbeigehen murmelt sie unüberhörbar: "Noch nichts von Toleranz gehört?"

Die Deutschen wollen sich jetzt noch mehr Hunde anschaffen.

Hunde sind die mit Abstand verbreitetste Raubtierart auf der Erde.

Sie liefern auch den verbreitetsten Bodendecker, wie man gerade im Winter sehen kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.02.2022 um 08.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#48513

Geradezu ammensprachlich wirkt auch der Ausdruck der Zärtlichkeit gegenüber Hunden in Gassi gehen.

Ein verärgerter Landwirt in unserem Dorf bat per Poster, die Scheiße wieder mitzunehmen, die auf seinem Grund abgelegt wurde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.08.2022 um 04.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#49597

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#23674

Wie Leser Schmitt hier zu Recht meinte, gehört auch Pärchen zu den Wörtern, bei denen die Zärtlichkeit unlogischerweise in die Bezeichnung hinübergewandert ist. Duden gibt als Bedeutung an: "Verkleinerungsform von Paar". Das ist aber nicht die Bedeutung, sondern die Form (Stammbildung). Die Bedeutung wird überhaupt nicht angegeben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.09.2023 um 15.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#51767

Zu den autoklitischen Sprachmitteln gehört auch eine Erscheinung, die Wilhelm Havers als "Gemütlichkeitspossessiv" bezeichnet hat: mein Schneiderlein (Grimms Märchen Nr. 114 „Vom klugen Schneiderlein“), our hero in englischen Romanen usw.

Wieso mein, our? Es geht nicht um einen Besitz oder eine Zugehörigkeit auf der Ebene des Objekts, sondern um eine Vereinbarung auf der Ebene des Erzählens bzw. um das gemeinschaftlliche Teilen einer Fiktion. Mein Schneiderlein ist die Figur, von der meine Erzählung handelt (eine Marionette, die an MEINEN Fäden hängt).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.09.2023 um 16.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#51768

Der Titel dieses Eintrags springt mir ins Auge, weil ich eben im heutigen MM (S. 28) vom Tod des Schlagersängers Roger Whittaker gelesen habe:

Aufgrund seiner Popularität in Deutschland nahm der Brite viele Songs in deutscher Sprache auf. Weil er nicht wirklich Deutsch sprach, behalf er sich mit Lautschrift. Die Umlaute machten ihm allerdings zu schaffen. "Das schlimmste deutsche Wort ist Zärtlichkeit", scherzte er 2012 im "BamS"-Interview. "Also rein phonetisch natürlich."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.09.2023 um 03.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1565#51769

Für die meisten Sprecher anderer Sprachen dürfte Zärtlichkeit in der Tat ein Stolperstein sein, während wie es als ein sehr schönes und intimes Wort empfinden, so intim, daß wir uns beinahe scheuen, es in der Öffentlichkeit auszusprechen. Man kann sich keine Bundestagsdebatte vorstellen, in der jemand mit der in Deutschland üblichen Schreistimme ruft: "Unsere Fraktion fordert mehr Zärtlichkeit!"

Man sieht wieder mal, daß es die Sache selbst ist, die uns Wörter als schön oder häßlich erscheinen läßt. Mein früheres Beispiel war "Ich liebe dich", wonach die Muttersprachler süchtig sind, während ein Ausländer sich kaum vorstellen kann, daß damit etwas anderes als Ekel ausgedrückt wird.
 
 

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