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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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19.07.2005
 

Altlasten

So deutlich hat der Vorsitzende noch nie seine Unzufriedenheit mit der Ratsbesetzung zum Ausdruck gebracht.
Vielleicht melden sich die Altlasten bei der nächsten Ratssitzung zu Wort und beschweren sich darüber, als Altlasten eingeschätzt zu werden. Damit würden sie allerdings bekunden, daß sie sich gemeint fühlen und tatsächlich Altlasten sind. Also werden sie wohl lieber still sein und schmollen. Aber ehrenhafter wäre es natürlich gewesen, gar nicht erst in den Rat zu gehen.



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Kommentare zu »Altlasten«
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 19.07.2005 um 17.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=188#743

Für meine Begriffe gibt es noch eine andere, deutlich subtilere Altlast: Einerseits betont Zehetmair zwar, daß »es ganz gefährlich ist, wenn die Rechtschreibung an dem Empfinden der Menschen vorbei zu sehr akademisch betrieben wird. Sie muss auf den Sprachgebrauch des unverbildeten Bürgers achten. Das ist unsere Leitlinie.« (SZ-Gespräch)
Andererseits heißen die Amtlichen Regeln weiterhin „Regeln“ und nicht „Richtlinien“, wie das Regelwerk im Duden vor der Reform überschrieben war. Selbst wenn der Rat sich jetzt der „Orientierung am Schreibgebrauch“ verschrieben hat, werden dabei „Vorschriften für den Schreibgebrauch“ herauskommen.
Mithin werden zum einen die Schüler den mehrheitlich zu verabschiedenden Beratungsergebnissen des Rechtschreibrats genauso ausgeliefert sein, wie zuvor den Beschlüssen der Reformer bzw. der Zwischenstaatlichen Kommission, zum anderen bleiben die Nachteile eines präskriptiven Regelwerks erhalten. Meine Begeisterung hält sich weiterhin sehr in Grenzen.
 
 

Kommentar von Klaus Malorny, verfaßt am 19.07.2005 um 23.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=188#744

Herr Zehetmair ist doch selbst eine "Altlast", wenn er von vorneherein ausschließt, z. B. über die ss-Schreibung zu diskutieren. Und außerdem ist bislang die Rechtschreibung nicht akademisch betrieben worden, sondern schlichtweg dilettantisch. Zwar ist seine Einsichtsfähigkeit für einen Politiker doch erstaunlich (insbesondere im Vergleich mit anderen Kultusministern und Ministerpräsidenten), nichtsdestoweniger redet er das Werk, an dem er mitgewirkt hat, schön.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.07.2005 um 04.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=188#745

Was Herrn Zehetmair betrifft, so würde ich nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, vor allem dann nicht, wenn es um inhaltliche Fragen geht. Er kann ja schlechterdings nicht mit der Erklärung hervortreten, der Rat wolle alles wieder auf den Stand von 1991 zurückdrehen. Im übrigen stehen alle inhaltlichen Einzelheiten zur Disposition, wenn es soweit ist. Wir werden auch über die GKS und über ss reden, und dann wird man weitersehen. Ich halte es für vollkommen ausgeschlossen, daß der Vorsitzende versuchen könnte, irgendein Thema mit Diskussionsverbot zu belegen. Er könnte es auch gar nicht, aber er will es auch nicht. Möglicherweise findet er das ss nicht schlecht, wie so mancher, aber das wäre immer nur eine Meinungsäußerung unter anderen. (Allerdings macht die Zusammensetzung des Rates es nahezu undenkbar, auf diesem Wege die ss-Schreibung wieder loszuwerden; das geht nur über die Medien.)
Wären alle Bundesländer auf den Kurs des VdS-hörigen Koch oder des schlappen Wulff eingeschwenkt, so könnte der Rat sich auflösen. Aber so wie jetzt kann er weitermachen und die Interessen der Bevölkerung gegen ihre Unterdrücker verteidigen.
Worauf es jetzt ankommt, ist zweierlei: Erstens müssen wir auf die absolute Unmöglichkeit der Teil-Neuschreibung hinweisen, auf das Desaster also, das unweigerlich allen Bundesländern außer den beiden vernünftigen bevorsteht. Zweitens sollte wir die Gelegenheit benutzen, die endgültige Entstaatlichung der Rechtschreibung zu fordern.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 20.07.2005 um 10.35 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=188#746

Herr Ickler schreibt:

Worauf es jetzt ankommt, ist zweierlei: Erstens müssen wir auf die
absolute Unmöglichkeit der Teil-Neuschreibung hinweisen, auf das
Desaster also, das unweigerlich allen Bundesländern außer den beiden
vernünftigen bevorsteht.

Das bedeutet, 14 Ministerpräsidenten (und nicht nur ihnen) eine Blamage beibringen. Viel Erfolg dabei! Alle MPs benutzen es eindeutig als politische Manövriermasse, ganz klar, wie alles, was sie anfassen. Dahin hätte es nie kommen dürfen, aber der Schlamassel ist jetzt da: was 100 Jahre richtig war, wird am 1.8. falsch und als falsch gewertet, aber nächstes Jahr wirds wieder richtig - denn man will ja den Vorschlägen des Rates folgen! Welche Klarheit und Verläßlichkeit, welche Zumutung und welcher Schaden! Aber "Zwei Dinge scheinen unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit" (Einstein)
Aber im Ernst: eine deutliche Aufwertung des Rates ist tatsächlich herausgekommen, was man kaum zu hoffen wagte.

Zweitens sollte wir die Gelegenheit benutzen, die endgültige
Entstaatlichung der Rechtschreibung zu fordern.

Was aber auch nicht heißen darf, Alle Macht dem Rat, sondern dieses Feld muss wieder frei werden von jedweder Macht. Nach dem verdienstvollen Ausmisten darf wieder nur beobachtet und registriert und von niemand und nirgends reglementiert werden. Die meisten Politiker würden wohl auch mittlerweile, wenn sich denn eine rettende, gesichtswahrende Hintertür auftäte, eiligst durch dieselbe das Feld räumen und nie mehr dran rühren.

 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 20.07.2005 um 11.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=188#747

Ergibt sich nach der jetzigen Teilung der Bundesländer nicht die Möglichkeit für eine neue Verfassungsklage? Irgendein Schulkind wird sich doch finden lassen, das in den 14 Bundesländern einen Nachteil erleidet (schlechtere Note in Deutsch und damit der Verlust der Chance, in Bayern oder NRW ein NC Fach zu studieren) -- und das verstößt sicherlich (irgendwie) gegen das Grundgesetz.

(Wo sind denn all die guten Juristen, die sich einen Namen machen wollen? Und wo sind die Philanthropen, die das finanzieren? ;-)

Und man wird ja wohl kaum klagen/sagen können, daß Bürger durch ein "gerechtes" Gesetz das Leben schwerer gemacht werden muß -- will sagen: das BVG entscheidet, daß B+NRW zur "Reformschreibung" wechseln müssen, damit Gerechtigkeit herrscht... denn das widerspricht doch wohl dem Rechtsempfinden aller Bürger, womit sich die Reformbefürworter erst recht lächerlich machen würden.

Leider kann man den Reformbefürwortern nicht mit Logik und Wissen beikommen... die meisten Politiker sind Juristen (oder gescheiterte Lehrer), und die verstehen nur den Weg über die Gerichte.
 
 

Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 20.07.2005 um 12.50 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=188#748

Ich habe des öfteren durchaus Spaß an Übersteigerungen und Polemik, das ist weniger langweilig und führt gar nicht so selten sogar dazu, daß man Zusammenhänge besser wahrnimmt und vielleicht sogar versteht. Das setzt aber voraus, daß man Übersteigerungen und Polemik zumindest gelegentlich sich selbst überläßt und sich den Tatsachen zuwendet.
Die entschiedene Abwendung der KMK in Sachen Rechtschreibreform (und in ihrem Gefolge der meisten Ministerpräsidenten) von der Realität ist von einer mich zutiefst erschreckenden Dauerhaftigkeit.
Dabei könnte man mit wahrscheinlich jedem aus der KMK zwanglos über das Wetter plaudern und würde dabei gar nicht merken, welch schwerwiegende Störung auf einem anderen Gebiet ihn befallen hat. Zwanghaftes Handeln kann auf Wahnvorstellungen beruhen - das wären dann Fälle für die Psychiatrie - oder auf unausweichbaren, weitreichenden Sanktionen (bzw. deren Androhung). Man muß hoffen, daß beides nicht zutrifft, aber was bleibt dann? Was wurde von Wulff tatsächlich als derart belastend empfunden, daß er dem zum zweiten Mal seine eigene Einsicht geopfert hat?
Nach Jahren wissen wir es immer noch nicht.
Ich habe noch eine weitere, hoffentlich harmlosere Frage. Frau Dr. Schmoll schreibt heute in der FAZ, außer in Bayern und NRW müßten "die neuen Regeln in Schulen und Behörden berücksichtigt" werden.
Wieso in Behörden? Gibt es nicht ein Verfassungsgerichtsurteil, das die Gültigkeit ausdrücklich auf die Schulen begrenzt? Das Urteil ist zwar generell weit davon entfernt, gut zu sein, aber ist es deshalb ungültig?
Woher kommt ständig dieses "in Behörden" in die Medienmeldungen? Was ist da los?
 
 

Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 20.07.2005 um 14.24 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=188#749

Schelte für die Vernunft

Daß ein einjähriges Moratorium der Rechtschreibreform eine überaus sinnvolle Maßnahme gewesen wäre, wird wohl kein vernünftiger Mensch bestreiten, denn einige wesentliche Teile dieser Reform befinden sich doch noch auf dem Prüfstand und werden dort mit Sicherheit revidiert. Das gilt auch für die sogenannten „unstrittigen“ Teilen, in denen noch genügend Mängel zu entdecken sind. In einer solchen Situation empfiehlt es sich, abzuwarten und zuerst die Fehler auszumerzen.

Die Ministerpräsidenten Stoiber und Rüttgers haben die einleuchtende Variante gewählt.
Dafür werden sie in aller Öffentlichkeit gescholten und gegeißelt.
Zum wiederholten Male setzt die öffentliche Meinung dabei auf eine Strategie, die sich mehr an Verfahrensfragen und charakterlicher Diffamierung ausrichtet, und mit sachlichen Erwägungen und Überprüfung der fachlichen Fehler nicht das geringste zu tun hat.

Es ist eine Schelte für die Vernunft und gleichzeitig das duckmäuserische Bezeugen und Eintreten für die angeordnete Dummheit.
 
 

Kommentar von Jürgen Sterzenbach, verfaßt am 20.07.2005 um 15.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=188#750

Unfähigkeit ist stärker als Vernunft; offensichtlich ist die Rechtschreibreform ein praktisches Bespiel für das Funktionieren des berühmten Peter-Prinzips.

Wie heißt es doch im Klappentext für das Buch: "Auf Parkinsons Gesetz folgt das Peter-Prinzip: Es beantwortet die Frage, warum immer alles schiefgeht. Warum Handwerker pfuschen, Geistliche straucheln, Generäle ihre Schlachten verlieren, Manager ihren Betrieb ruinieren und Beamte falsche Auskünfte erteilen - hier wird es mit ätzender Ironie erstmals enthüllt. C. Northcote Parkinson: Das Peter-Prinzip wird die Bürokraten zwingen, noch einmal die Probleme ihrer Hierarchie zu überdenken."
 
 

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