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Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

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24.07.2006
 

Hans-Joachim Otto
Schwarz-weiße Rechtschreibung statt schwarz-rot-gelbem Variantensalat

Die Neuauflagen der Rechtschreibwörterbücher Duden und Wahrig machen das orthographische »Chaos auch visuell erfahrbar«, heißt es in einer Erklärung des Vorsitzenden des Bundestags-Kulturausschusses.

Hier ihr Wortlaut: »Die inhaltlichen Unterschiede der neu vorgelegten Rechtschreibwörterbücher und deren Abweichen von den Beschlüssen des Rates für deutsche Rechtschreibung dokumentieren auf entmutigende Weise, daß das Ziel der Rechtschreibreform, die deutsche Rechtschreibung zu vereinheitlichen, in immer weitere Ferne gerückt ist. Daß sich der Duden nach der vor wenigen Jahren eingeführten roten Schrift für die neuen Regeln nun mit den gelben Markierungen einer weiteren Farbe bedient, um Ordnung in das Dickicht der Varianten zu bringen, macht das Chaos auch visuell erfahrbar. Wenn es offenbar unmöglich geworden ist, die deutsche Rechtschreibung schwarz-weiß darzustellen, müßte auch dem letzten Reformer und Sprachlenker klar werden, daß die Rechtschreibreform gescheitert ist.

Die fortschreitende Verunsicherung über die richtige Rechtschreibung darf nicht auf dem Rücken der Schüler und Lehrer ausgetragen werden. Mittlerweile ist die Variantenvielfalt so groß, daß fast jede Schreibweise nach irgendeinem Regelwerk oder Wörterbuch richtig ist, aber keines alle richtigen Schreibweisen erfaßt. Die bewährte Rechtschreibung, nach der der Großteil der Bevölkerung schreibt, darf vor diesem Hintergrund auch über die Übergangsfristen hinaus im Schulunterricht nicht als fehlerhaft angestrichen werden. Ich appelliere an die Kultusministerkonferenz, dafür Sorge zu tragen, daß auch über 2007 hinaus keinem Schüler durch die Verwendung der bewährten Rechtsschreibung Nachteile entstehen.«



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Kommentare zu »Schwarz-weiße Rechtschreibung statt schwarz-rot-gelbem Variantensalat«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2017 um 05.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#10817

Diese Persiflage des Sprach-Chauvinismus ist zwar etwas lang geraten, macht aber trotzdem Spaß.


Kommentar von gegen gestige Verarmung, verfaßt am 10.05.2017 um 20.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#10816

Ich las zuvor diverse andere Artikel über das Thema Rechtschreibreform und verschiede Begründungen für noch weiterreichende Veränderungsansinnen, wie z.B. die Abschaffung der Großschreibung von Substantiven. Es gibt wohl keine armseligere Begründung als das Anführen anderer Sprachen in Europa - insbesondere des Englischen. Gerade dieses Möchtegernesperanto ist ja eigentlich bei Licht gesehen gar keine Sprache. Weil es lediglich ein MISCHMASCH aus den Sprachen der keltischen Ureinwohner, der römischen Invasoren, der angelsächsische Hilfstruppen und späteren Oberschicht, der skandinavischen Zuwanderer und letztendlich der französisch-normannischen Invasoren ist. Zudem deklassifiziert das Sprechen im Infinitiv diese Sprache. Demzufolge ist die Kritik "The Awful German Language" von Mark Twain eine Anmaßung sondersgleichen und die Anmerkung von Voltaire, daß Deutsch gerade für Bauern und Schweinehirten eine ausreichende Kommunikationssprache darstelle, ein bodenlose Frechheit und Mißachtung der Kulturleistung anderer Völker. Um so trauriger macht mich daher die Mißachtung der Leistung unserer Altforderen durch die Deutschen selber. Unsere Sprache ist Teil unserer Kultur und nicht nur einfach so ein Ding zur Kommunikation (Brief, Telegrafie, Telefon, Fax, e-mail etc.), das man nach Belieben jede Woche wechselt. Die Sprache eines Volkers widerspiegelt ja auch die Sichtweise des jeweiligen Volkes auf diverse Dinge des Lebens, weshalb es z.B. keine 1:1 Übersetzungen von einer Sprache in eine andere Sprache geben kann.
Wenn also schon andere Sprachen Europas von Befürwortern noch viel weiterreichender Reformen als nacheiferungswürdiges Vorbild zitiert werden, sollte zunächst erst einmal in Frankreich eine Angleichung zwischen Sprache und Schrift herbeigeführt werden. Wenngleich es dabei nicht um die Schrift, sondern um die (Aus-)Sprache geht, würde man in Deutschland ein lispelndes Kind zum Logopäden schicken. Spanier und Engländer wollen uns diesen Sprachfehler jedoch als Normalzustand "verkaufen". Es wäre also höchste Zeit unseren Kindern nicht nur stupide irgendwelche Rechtschreibregeln vorzusetzen, sondern viel mehr ihnen auch deren historischen Belange nahezubringen und ihnen die Vorzüge unserer Sprache gegenüber anderen Sprachen in der Welt darzulegen, so daß sie eine Achtung der Kulturleistung ihrer Vorfahren entgegenbringen können.
Im Ggs. zu den Engländern kommen wir Deutschen mit der Hälfte der Zeitformen aus.
Im Ggs. zu den Franzosen orientiert sich unsere Schreibweise sehr nahe an der Sprechweise.
Im Ggs. zu den Slawen benötigen wir nur knapp die Hälfte an Fällen.
Im Ggs. zu den Slawen muß sich bei uns niemand mit vollendeten und unvollendeten Verben herumärgern.
Im Ggs. zu einer Vielzahl von Sprachen verfügen wir über zusammengesetzte Substantive, deren Vorteil viele Leute unterschätzen.
Im Ggs. zu einer ganzen Reihe von Sprachen zeichnet sich Deutsch durch ein hohes Maß an Präzision und Sprachökonomie aus, weshalb es gerade für technische Belange prädestiniert ist - im Ggs. zum Englischen, wo man in Ermangelung einer entsprechenden konkreten Wortbildungsmöglichkeit Mäuse an Rechner Mäuse anschließt. (In Deutschland frißt die für gewöhnlich die Katze.)

Hinzu kommt, daß eine sog. Rechtschreibreform, welche von Politikern, statt von Sprachkundigen initiiert und durchgeführt wird, sowie ausschließlich der Buchdruckindustrie dient und die Bevölkerung ausschließt, also undemokratisch ist und nicht auf sich aus dem Sprachgebrauch ergebenen Erfordernissen aufbaut, keine Reform, sondern ein Diktat von Bürokraten ist. Beweis dafür ist ja gerade das Ergebnis als solches. So einen Heckmeck können nur Bürokraten aushecken, denn einem echten Germanisten würden sich die Nackenhaare bei diesem hanebüchenen Unfug aufstellen.
Beredtes Beispiel sie hier das Wörtchen bisSCHen. Dem gleichen kranken Hirn entsprang auch das Wort Massstab. Unsere Vorfahren haben sich schließlich etwas dabei gedacht, als sie den Buchstaben SZ (ein Zusammenschluß aus den Sütterlinbuchstaben s und z) erfanden, der beispielsweise in Bayern nicht ganz grundlos als sog. scharfes S bezeichnet wird. Daß auch die Groß- und Kleinschreibung nicht nur eine Frage der Optik ist, sondern einen tieferen Sinn in der Schriftform hat, belegen z.B. die Worte weg und Weg.

Und, als wäre dieser ganzen Absurditäten nicht schon genug, schießen jetzt überall auch noch diese Tschurnalisten wie Pilze aus dem Boden. Dies deutet nicht auf verirrte Liebe zu Anglizismen, sondern auf mangelnde Bildung hin. Das Wort Journalist ist ein in der deutschen Sprache schon seit ewigen Zeiten bestehendes Lehnwort aus dem Französischen, weshalb dabei auch die entsprechende Schreibweise uns Aussprache anzuwenden ist. Eine weitere Unsitte, welche sich wie eine Seuche durch unreflektiertes Nachahmen in unserer Sprache ausbreitet, ist dieser geistige Dünnschiß von den Neunzehnhundertneunzigern usw. Ein jeder halbwegs gebildete Deutsche weiß, daß es die 30er, die 60er, die 80er usw. gibt. Das kann man schon auf den entsprechenden Umschlägen einschlägiger Tonträger mit Musik aus diesen Zeiten nachlesen. Wem das nicht reicht, der sollte mal Historiker fragen, ob Kolumbus Amerika in den Vierzehnhundertneunzigern entdeckt hat oder ob Daten vergangener Jahrhunderte nicht eine andere Art und weise der Nennung erfordern. Wer jedenfalls so einen Quatsch absondert und dies noch in aller Öffentlichkeit beweist lediglich fehlende Kompetenz in eben dieser Frage. Erstens gibt es ja noch keine 20er, 30er, 60er oder 80er des 21. Jahrhunderts und zweitens sollte es zum Allgemeinwissen gehören, daß man das laufende Jahrhundert nennen muß, wenn man explizit von ihm sprechen möchte.

Ich würde es also sehr begrüßen, wenn viel mehr Bürger sich um ihre Sprache kümmern würden und sich für mehr Achtung selbiger durch ihre Kinder einsetzen würden. Die Sprache ist Eigentum des Volkes und nicht des Kultusministeriums, daß nach Gutdünken seiner Bürokraten mit selbiger schalten und walten kann, wie es will!!!

Es sollte also viel mehr zivilen Ungehorsam geben und dem Beispiel der Verlage von "Spiegel", "Bild", "Süddeutsche Zeitung" und "Frankfurter Allgemeine" gefolgt werden, die bereits von Anfang an vor diesem bürokratischen Unsinn warnten. (http://www.dreigliederung.de/essays/2004-10-004)
(http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bayern-und-nrw-verweigern-verbindliche-einfuehrung-streit-um-rechtschreibreform-neu-entfacht-seite-2/2527598-2.html)
(http://www.typografie.info/3/topic/36194-rechtschreibreform-verweigerer/)


Kommentar von jms, verfaßt am 31.07.2006 um 10.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4681

Schavan: "Ich habe mir vorgenommen, im Urlaub den neuen Duden zu kaufen und mir genau anzusehen, wie die Regelungen nun aussehen."

So unbekümmert die Dame – immerhin Bundesbildungsministerin – daherredet, so unbekümmert haben sich wohl alle Politiker mit dem Thema befaßt. Schaun' mer mal in den Duden, was man sich da für Regeln ausgedacht hat. Warum sich auch vorher mit der Sache beschäftigen? Hinterher kann man ja den gröbsten Unsinn wieder entfernen, was soll's, wofür haben wir schließlich den Rat für Rechtschreibung und überhaupt ist die Sprache ja immer im Fluß.

Eigentlich müßte sich die gesamte Politikerkaste beim Volk für den überflüssigen Schwachsinn entschuldigen. Eigentlich müßte ein Untersuchungssausschuß eingesetzt werden und gleichzeitig ein wirklich unabhängiger Rat von Fachleuten, um die Schäden zu beheben.

Doch tatsächlich geschieht nichts in dieser Richtung, es ist den Politikern noch nicht einmal peinlich, was sie da angerichtet haben, sie stehen sogar immer noch dazu. Dabei ist für jeden, der sich auch nur ein bißchen mit dem Thema befaßt, offensichtlich, daß die Rechtschreibreform keine Reform war, sondern eine Deform, die die Schriftkultur - und darüber hinaus die politische Kultur - in unserem Land nachhaltig beschädigt hat.

Komme da nochmals ein Politiker und fasele etwas von Politikverdrossenheit. Sie sind es selbst, die sich unwählbar machen.

Ceterum censeo...


Kommentar von Berliner Zeitung, 29. 7. 2006, verfaßt am 31.07.2006 um 00.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4679

(Auszug aus einem Interview)

Frau Schavan, am 1. August tritt mal wieder eine Reform der Rechtschreibreform in Kraft. Wissen Sie, was künftig wie geschrieben wird?

Ich habe mir vorgenommen, im Urlaub den neuen Duden zu kaufen und mir genau anzusehen, wie die Regelungen nun aussehen.

Wie würden Sie künftig eislaufen schreiben oder Rad fahren?

Das Rad ist ein Instrument der Bewegung. Also Rad groß, fahren klein. Ich laufe aber nicht mit Eis, sondern auf dem Eis. Also tendiere ich beim eislaufen zum Zusammenschreiben. Manchmal gehe ich allerdings auch nach dem Gefühl, wie etwas geschrieben aussieht.

Die Reform ist immer wieder nachgebessert worden. Was kann die Politik daraus lernen?

Wir sollten akzeptieren, dass nicht alles erst dann richtig ist, wenn es vom Staat geregelt wird. Es muss sich eine neue Balance zwischen Bürgern und Staat entwickeln, mit mehr Selbstverantwortung des Einzelnen. [...]

(Berliner Zeitung, 29. Juli 2006)


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2006 um 18.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4675

Bei FOCUS online kann man einen kleinen Rechtschreibtest machen. Er enthält allerdings mehrere Fehler. übrig bleiben soll falsch sein (Duden empfiehlt es, FOCUS will es ebenfalls getrennt schreiben), bei recht geben soll es sich um eine Verbindung aus Nomen und Verb handeln (warum wird dann klein geschrieben?), warm halten soll ohne Wenn und Aber falsch sein, dabei ist es in wörtlichem Sinn sogar vorgeschrieben; Kafkaesk müßte klein geschrieben werden, die falsche Trennung Grüs-se wird gleich zweimal vorgestellt. Die Frage, ob man k-nien oder kni-en trennt, ist wahrsinnig schwer. Auch sonst nichts Geistreiches, und die Hauptprobleme werden gar nicht gesehen. Eben FOCUS.


Kommentar von Mika Sander, verfaßt am 30.07.2006 um 17.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4674

Kommentar der Basler Zeitung

Rechtschreibreform ab 1. August in Kraft

Bern. SDA/baz. Nach der Verabschiedung der zweiten Reform der Reform war man gespannt auf das Erscheinen der zwei wichtigsten Wörterbücher: des Dudens, Band 1, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Auflage, 2006 und des Wahrigs, Die deutsche Rechtschreibung, 2006.

Beide Verlage sind im Rat für deutsche Rechtschreibung vertreten und werden durch dessen Geschäftsführerin beraten. Man konnte also eine verlässliche und einheitliche Umsetzung des neuen Regelwerks erwarten.

Das Rennen machte vorerst der Wahrig; er erschien am 12. Juni. Auf der Banderole verheisst er in grossen Lettern: «Endlich Sicherheit! Auf dem aktuellen Stand der amtlichen Rechtschreibregelung, gültig ab 1.8.2006», und: «Ideal auch für den Schulgebrauch».

Der Konkurrent Duden benötigte etwas länger, er erschien am 22. Juli. Beworben wird er nicht weniger euphorisch: «Das sichere Ende der Rechtschreibreform ist gelb: der neue Duden, erstmalig mit Duden-Empfehlung».

Im Beipackzettel meint Duden-Chef Matthias Wermke, mit der Modifizierung des amtlichen Regelwerks könne die Rechtschreibreform nun als abgeschlossen betrachtet werden. Aus der Sicht der Dudenredaktion sei jetzt die Sicherheit in Fragen der Orthographie wiederhergestellt.

Diese einseitige Abschlusserklärung, vor allem aber die gelb markierten Empfehlungen in den über 3000 Fällen, in denen mehrere Schreibweisen zulässig sind, führten umgehend zu Irritationen.

Wahrig favorisiert das Herkömmliche

Die Empfehlungen unterlaufen nach Ansicht des Vorsitzenden des Rechtschreibrates, Hans Zehetmair, den Rat, indem sie in vielen Fällen Getrenntschreibung empfehlen, wo sich der Rat die herkömmliche Zusammenschreibung wieder erkämpft hatte. Ihm fehle jegliches Verständnis für dieses Vorgehen. Der Rat erachtet im übrigen seine Arbeit durchaus nicht als abgeschlossen.

Wahrig, für den der Vorsitzende des Rates ein wohlwollendes Vorwort geschrieben hat, kommt mit wesentlich weniger Empfehlungen in etwas über 50 Infokästen aus. Sie sind eher den herkömmlichen Schreibweisen zugeneigt, wie ein Vergleich zeigt:

Wahrig empfiehlt - Duden empfiehlt allgemeinverständlich - allgemein verständlich braungebrannt - braun gebrannt engbefreundet - eng befreundet fallenlassen (eine Bemerkung) - fallen lassen freilaufende Hühner - frei laufende Hühner leerstehende Häuser - leer stehende Häuser Photosynthese - Fotosynthese saubermachen - sauber machen sitzenbleiben (in der Schule) - sitzen bleiben (in jeder Bedeutung) steckenbleiben (im Vortrag) - stecken bleiben (in jeder Bedeutung)

Endlich Sicherheit? Eher noch mehr Verwirrung. Dazu tragen zusätzlich die widersprüchlichen Empfehlungen des Dudens bei:

Dränage - Lymphdrainage frei machen - freikratzen kaputt machen - kaputtsparen die Rote Karte - das ewige Licht ebenso viel Mal - genausovielmal Highlife - High Heels hochbegabt - hoch bezahlt hochgesinnt - niedrig gesinnt besorgniserregend - Respekt einflössend energiesparend - Strom sparend Feuer speiend - fleischfressend Furcht einflössend - furchterregend gewerbetreibend - Handel treibend gewinnbringend - Profit bringend Handvoll - Zeit lang Leben spendend - todbringend nichtssagend - nichts ahnend Raum sparend - platzsparend Segen bringend - gnadenbringend Sporen tragend - laubtragend Verderben bringend - vertrauenerweckend weiss glühend - weitblickend wohlriechend - übel riechend

Unter «du» empfiehlt Duden: «per Du sein», unter «per» jedoch: «per du sein»!

Wenn Wörterbücher irren

Bisher ganz ungewohnt sind Rechtschreibfehler in Wörterbüchern. Den Vogel schiesst diesbezüglich Wahrig ab, der im Infokasten «spät» die spät Gebährende/der (?) Spätgebährende aufführt.

Aber auch der Duden ist nicht vor Fehlern gefeit. So bleibt in zwei Fällen die gelbe Markierung bestehen, obwohl die Zweitvariante, offenbar in letzter Minute, weggefallen ist (Braindrain, Showbusiness). Duden hätte besser die ganz und gar unmöglichen Varianten Rollschnell-Lauf und Eisschnell-Lauf entfernt.

Die zwischen 1996 und heute entfallenen Variantenschreibungen (Leid tun, auseinander setzen, lahm legen, zu Eigen machen) führen die Wörterbücher natürlich nicht mehr auf. Das heisst aber, dass sie für die in der Schweiz drei Jahre dauernde Übergangszeit, in der die herkömmlichen und die im Laufe der Revisionen entfallenen Schreibweisen in der Schule noch verwendet werden dürfen, für den Unterricht nur bedingt tauglich sind. Die Lehrer werden separate Listen mit diesen Varianten benötigen.


Kommentar von borella ;-), verfaßt am 27.07.2006 um 18.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4636

Butike und Ketschup
Die beiden gefallen mir besonders gut. Warum?
Also, entweder man deutscht ein (warum auch immer), oder man tut es nicht. Mit solchen Hybriden aber ist doch niemandem geholfen.
Es schaut lächerlich aus, man muß aber trotzdem den Usus der Fremdsprache kennen.
Also entweder "Butik" und "Ketschap" oder Boutique und Ketchup ...


Kommentar von GL, verfaßt am 26.07.2006 um 20.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4629

Erschreckend die Äusserung des Vorsitzenden des Rats für deutsche Rechtschreibung, Hans Zehetmair:

"Einheitlichkeit per se war auch gar nicht das Ziel" und "die Sprache beobachten, und dann sehen, ob man creditcard groß, getrennt oder zusammen schreibt".

Warum nicht einfach Kreditkarte? Und wenn schon, dann m.E. wenigstens credit card! Warum muss er sich jetzt auch noch an der englischen Sprache vergreifen bzw. hat er noch nicht genug?


Kommentar von Peter Müller, verfaßt am 26.07.2006 um 19.32 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4628

Die Liste der Agenturen ist auch diesmal wieder grottenschlecht; sie können es einfach nicht...

Angst und Bange machen ist in Neuschrieb nur groß geschrieben (aber: angst und bange werden)

richtigstellen im Sinne von herkömmlich richtigstellen („eine Behauptung richtigstellen“) ist in Neuschrieb wieder ausschließlich zusammengeschrieben: richtigstellen

näherkommen im Sinne von herkömmlich näherkommen („in engere Beziehung treten") ist in Neuschrieb wieder ausschließlich zusammengeschrieben: näherkommen

zu-Stande-bringen gibt es in keiner Rechtschreibung; falls das Zustandebringen gemeint war, ist der richtige Vergleich: das Zustandebringen - das Zustandebringen/Zu-Stande-Bringen - das Zustandebringen/Zu-Stande-Bringen.

bis auf weiteres blieb auch schon in der Version 2004 noch Variante, ebenso in Frage stellen und Schwarzweißfilm.

Die Partizipialfügungen waren alle auch in der Version 2004 schon als Variante zusammengeschrieben (Gewinn bringend, auch: gewinnbringend).

Die Notschreibweise Schiff-Fahrt gab es ebenfalls schon in der Version von 2004.

Für die aufgeführten Fremdwörter (Panther/Panter usw.) galten durchwegs schon in der Version 2004 beide Varianten, teilweise sogar auch schon in der herkömmlichen Rechtschreibung (Butike, Grislibär, Jacht, Kupon, Majonäse, Zirkus).

Die Schreibweise “Cirkus“ gibt es selbstverständlich in keiner Rechtschreibung.


Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 26.07.2006 um 18.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4622

Jetzt gar "Gute Chancen auf Sprachfrieden"! Zehetmair kneift sämtliche Hühneraugen zu, auf die er sich getreten fühlen müßte von den führenden Unfriedensstiftern.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.07.2006 um 16.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4607

Aus dem Agenturbericht ertönen die stereotypen Reaktionen der einschlägig Bekannten: der Lehrerverbände, der Schulbuchlobby usw. - es ist bis zur Selbstkarikatur immer dasselbe durch all die Jahre hindurch. Der jeweilige Stand ist gut und soll um keinen Preis mehr geändert werden, damit das Geschäft ungestört laufen kann. Aber daraus wird auch diesmal nichts werden. Glauben die Herrschaften denn im Ernst, die Lehrer und alle anderen Praktiker würden nichts bemerken? Im Duden werden täglich neue Fehler und Unzumutbarkeiten entdeckt.

Übrigens fiel mir heute auf, daß im amtlichen Wörterverzeichnis seit geraumer Zeit die alphabetische Reihenfolge bei "New Deal" nicht mehr stimmte - eine Folge der Änderungen seit 1996.


Kommentar von Mika Sander, verfaßt am 26.07.2006 um 13.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4606

Hoffen auf Rechtschreib-Frieden
Der Stand der Dinge vor der Einführung am 1. August

Berlin/Hamburg/Wien - Die Politik hatte 1996 mit der großen Rechtschreibreform vor allem in Deutschland ein Wirrwarr ausgelöst, das Schüler, Lehrer, Dichter und Denker nachhaltig verunsicherte. Nun werden ab 1. August in Schulen und Behörden wieder zum Teil neue Regelungen eingeführt. Die "Reform der Reform" soll den lange ersehnten Rechtschreibfrieden wiederherstellen. Und die Politik gibt sich geläutert und verspricht, sich künftig aus dem leidigen Thema herauszuhalten.

Österreich war von den Verwirrungen weniger betroffen: Während in Deutschland einzelne Bundesländer die Rechtschreibreform nicht umsetzten, trat diese hier zu Lande im Vorjahr voll in Kraft - abgesehen von einigen strittigen Punkten, für die der Rat für deutsche Rechtschreibung noch Änderungen ausgearbeitet hat, die nun - mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren an den Schulen - am 1. August verbindlich werden.

Aber auch in Deutschland dürfte nun Ruhe eingekehrt sein: "Die jetzt gefundenen Regelungen sind eine gute Basis für einen Rechtschreibfrieden. Da sie nicht nur von der Politik, sondern auch von einer breiten Mehrheit der Fachleute unterstützt werden, hoffe ich sehr, dass die Akzeptanz auch außerhalb der Schulen weiter wachsen wird", sagt die Vorsitzende der deutschen Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder, Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD).

"Urin-stinkt" dann doch nicht

Die Ministerpräsidenten der 16 deutschen Bundesländer hatten Ende März einstimmig die Korrekturen beschlossen, die vom Rat für deutsche Rechtschreibung empfohlen worden waren. Sie betreffen vor allem Groß- und Kleinschreibung sowie Zusammen- und Getrenntschreibungen. So werden unter anderem Eigennamen wie "der Runde Tisch" wieder großgeschrieben und Wörter wie "eislaufen" wieder zusammengeschrieben.

Reformiert wurde auch das Trennen am Zeilenende. So soll es verwirrende Trennungen wie "Urin-stinkt" und "E-sel" nicht mehr geben. In vielen Fällen sind variable Schreibweisen zulässig, wie bei "Grafik" und "Graphik". Die Regeln gelten für Schulen und Behörden, der einzelne Bürger muss sich nicht daran halten.

Chance auf "Sprachfrieden"

Der Vorsitzende des Rats für deutsche Rechtschreibung, Hans Zehetmair, sieht gute Chancen für einen weitgehenden "Sprachfrieden". In der Sprachwissenschaft solle die Debatte bewusst weitergehen. "Wir wollen ja die Sprache beobachten, und dann sehen wir, ob sich Orthographie oder Orthografie, Spaghetti oder Spagetti durchsetzen und ob man creditcard groß, getrennt oder zusammen schreibt." "Einheitlichkeit per se war auch gar nicht das Ziel", sagt er. Es sei gewollt, dass Zusammensetzungen wie "sitzen bleiben" mal zusammen und mal auseinander geschrieben werden, "und zwar nach ihrem Sinninhalt".

In fünf Jahren wird der Rechtschreibrat seinen nächsten Reformbericht vorlegen. Die Lehrerverbände sind optimistisch, dass die deutschen Ministerpräsidenten dann der Versuchung widerstehen, noch einmal an der ganz großen Reformschraube zu drehen. Die Schulbuchverlage, die die neuen Regeln schnell umsetzen wollen, hoffen, dass in den Medien künftig genauso geschrieben wird wie in den Schulbüchern, wie Rino Nikolic vom Verband deutscher Schulbuchverlage sagt.

Wie die Verlage agieren wollen

Die meisten deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage wollen die zum 1. August in Kraft tretenden Änderungen der deutschen Rechtschreibung umsetzen. Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen werden die Änderungen ebenfalls vermutlich ab dem Jahreswechsel anwenden und - als Ergebnis einer Befragung ihrer Kunden - künftig bei Varianten die klassischen Schreibweisen wählen.

In der Literatur wird auch künftig der Autor oft das letzte Wort über die Rechtschreibung in seinem Werk haben. Die meisten Verlage in Deutschland wollen zwar nach dem 1. August die dann verbindlichen Rechtschreibregeln übernehmen, Wünsche ihrer Belletristik-Autoren nach den alten Schreibweisen aber respektieren, ergab eine dpa-Umfrage unter großen Verlagshäusern. Anders sieht es hingegen bei Sach-, Kinder- und Schulbüchern aus. Die Schulbuchverlage wollen die Schreibreform möglichst schnell umsetzen.

Bei den Belletristik-Verlagen wird sich nicht viel ändern. "Letztendlich entscheidet der Autor, in welcher Rechtschreibung sein Buch erscheint", sagt Martin Spieles, Sprecher der Verlagsgruppe S. Fischer in Frankfurt am Main. Wer als Autor unbedingt auf die alte Rechtschreibung Wert lege, erhalte seinen Willen. Genauso ist es bei Eichborn: "Wir kommen den Wünschen der Autoren nach", sagt Sprecher Dieter Muscholl in Frankfurt.

Diese Linie verfolgen auch die Verlage Hoffmann & Campe (Hamburg), Ullstein (Berlin) und Kiepenheuer & Witsch (Köln) sowie der Luchterhand Literaturverlag und der Goldmannverlag, die beide zu Random House (München) gehören. Beim Münchner Verlag DVA/Manesse darf der Autor nach der alten oder einer eigenen Rechtschreibung schreiben. Von Suhrkamp war keine Stellungnahme zu erhalten.

Der Sprecher von Rowohlt in Reinbek bei Hamburg meinte allerdings: "Wir werden nichts tun, was das Chaos noch vergrößert. Sollte ein Autor auf der klassischen Schreibweise bestehen, werden wir versuchen, ihm das auszureden." Dagegen beharrt der Piper Verlag (München) weiterhin konsequent auf der alten Rechtschreibung - außer wenn der Autor auf der neuen Rechtschreibung bestanden hat. Auch nach dem 1. August wolle man so verfahren, heißt es in der Presseabteilung.

Bei Sach- und vor allem Kinderbüchern wird bei S. Fischer die neue verbindliche Rechtschreibung angewandt. "Ein Verlag kann sich nicht zum Normsetzer aufspielen", sagt Spieles. Genauso geht Eichborn vor bei seinen Sachbüchern oder Ratgebern: "Wir folgen den Empfehlungen der Duden-Reaktion", bestätigt Muscholl.

Der Gerstenberg Verlag, der Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, versucht laut Jacoby, wieder generell zu einer einheitlichen Rechtschreibung zurückzukommen. Unter der Vielzahl der Varianten, die künftig erlaubt sind, werde Gerstenberg die konservativere Variante nutzen. "Wir werden wieder mehr Worte zusammenschreiben als auseinander", sagt Jacoby.

Die Schulbuchverlage wollen die Änderungen zur Rechtschreibreform schnell umsetzen. Wie der Sprecher des Verbands deutscher Schulbuchverlage (Frankfurt/Main), Rino Nikolic, sagte, sollen die Neuerungen bereits zum neuen Schuljahr in den Büchern für Deutsch sowie im gesamten Grundschulbereich eingearbeitet sein. "Das erwarten die Kunden. Beim Bücherkauf wollen sie Zukunftssicherheit haben." Den größten Änderungsbedarf gebe es bei der Getrennt- und Zusammenschreibung.

Die erneuten Änderungen in den Schulbüchern seien mit hohem Aufwand für die Verlage verbunden. Die Kosten lägen möglicherweise im zweistelligen Millionenbereich, sagte Nikolic. Allerdings könne die derzeitige Situation nicht mit der "Riesenhektik" nach der ersten Rechtschreibreform vor zehn Jahren verglichen werden. "In den Schulen ist man des Themas ein bisschen überdrüssig." Wichtig sei, dass jetzt alle an einem Strang zögen und in den Medien künftig genauso geschrieben werde wie in den Schulbüchern. In dem Verband sind 80 Schulbuchverlage zusammengeschlossen.

Die geänderte Reform in Beispielen

Die am 1. August in Kraft tretenden Änderungen bei der Rechtschreibreform betreffen nur einige Teilbereiche des Regelwerks. Die "großen Brocken" der Reform bleiben dagegen wie gehabt: Das scharfe ß kommt grundsätzlich nur mehr nach einem langen Vokal (Maß, Fuß). Nach einem kurzen Selbstlaut heißt es nun Kuss, muss oder Fass, "daß" wird generell nur mehr "dass" geschrieben. Das Stammprinzip wird außerdem verstärkt betont (Stängel statt Stengel, schnäuzen statt schneuzen usw.).

Änderungen gibt es dagegen bei der Getrennt- und Zusammenschreibung bzw. der Groß- und Kleinschreibung. Generell gilt: Es soll wieder mehr zusammengeschrieben werden - vor allem dann, wenn ein einheitlicher Wortakzent vorliegt wie "abwärtsfahren", "aufeinanderstapeln" oder "querlesen". Und: Bei feststehenden Begriffen wie "der Blaue Brief", "der Runde Tisch", "das Schwarze Brett" soll wieder durchgängig "dem allgemeinen Schreibgebrauch" gefolgt und groß geschrieben werden.

Im Anschluss eine Gegenüberstellung der verschiedenen Schreibweisen mit besonderer Berücksichtigung der auf Grund der Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung heuer vorgenommenen Neuregelungen. Vielfach gibt es mit "auch:" gekennzeichnete Wahlmöglichkeiten. In manchen Fällen gibt es eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung, in anderen dagegen sogar eine von der Reform eigentlich unberührt gelassene Änderung der alten Schreibregeln.:


ALTE RECHTSCHREIBUNG    RECHTSCHREIBREFORM     NEUE RECHTSCHREIBUNG
                                               (ab 1. August 2006)
eislaufen Eis laufen eislaufen
leid tun Leid tun/leidtun leidtun
recht haben Recht haben recht haben auch: Recht haben
radfahren Rad fahren Rad fahren
näherkommen näher kommen näher kommen auch: näherkommen
richtigstellen richtig stellen richtig stellen
auch: richtigstellen
kennenlernen kennen lernen kennen lernen auch: kennenlernen
Essen warm machen Essen warm machen warm machen auch: Essen warmmachen
Wand rot streichen Wand rot streichen rot streichen auch: Wand rotstreichen
schwerkrank schwer krank schwer krank auch: schwerkranker Patient
der Blaue Brief der blaue Brief der Blaue Brief auch: blauer Brief
angst und bange Angst und Bange angst und bange auch: Angst und Bange machen
bis auf weiteres bis auf Weiteres bis auf weiteres auch: bis auf Weiteres
für jung und alt für Jung und Alt für Jung und Alt
sich zu eigen machen sich zu Eigen machen sich zu eigen machen
gelbe Karte gelbe Karte Gelbe Karte auch: gelbe Karte
Schiffahrt Schifffahrt Schifffahrt auch: Schiff-Fahrt
Boutique Butike Boutique auch: Butike
leichtverständlich leicht verständlich leicht verständlich auch: leichtverständlich
Pappmaché Pappmaschee Pappmaschee auch: Pappmaché
Panther Panter Panter auch: Panther
alleinerziehend allein erziehend allein erziehend auch: alleinerziehend
überschwenglich überschwänglich überschwänglich
Coupon Kupon Coupon auch: Kupon
Graphologe Grafologe Grafologe auch: Graphologe
in Frage stellen infrage stellen infrage stellen auch: in Frage stellen
Ketchup Ketschup Ketschup auch: Ketchup
Mayonnaise Majonäse Majonäse auch: Mayonnaise
Potential Potenzial Potenzial auch: Potential
ratsuchend Rat suchend Rat suchend auch: ratsuchend
Schwarzweißfilm Schwarz-Weiß-Film Schwarz-Weiß-Film auch: Schwarzweißfilm
Topographie Topografie Topografie auch: Topographie
vertrauenerweckend Vertrauen erweckend Vertrauen erweckend auch: vertrauenerweckender
Yacht Jacht Yacht auch: Jacht
Zustandebringen zu Stande bringen Zustandebringen auch: zu-Stande- bringen
Zirkus Cirkus Zirkus auch: Cirkus
gewinnbringend Gewinn bringend gewinnbringend auch: Gewinn bringend
Facette Fassette Facette auch: Fassette
Grizzlybär Grislibär Grizzlybär auch: Grislibär
hilfesuchend Hilfe suchend Hilfe suchend auch: hilfesuchend

(APA/dpa)

(Der Standard online)


Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 26.07.2006 um 09.52 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4605

Ob Herr Otto nun für seine Partei und Fraktion, die FDP, spricht und schreibt oder als Vorsitzender des Bundestags-Kulturausschusses - er hat einerseits recht und ist andererseits nicht wirklich ernst zu nehmen. Erfreulich deutliche Appelle seitens der FDP gab es zwar schon öfters (http://www.schriftdeutsch.de/orth-a10.htm, http://www.schriftdeutsch.de/orth-a12.htm etc.) - auf Bundes- wie auf Landesebene - sie hatten aber immer einen "Schönheitsfehler": Sie galten und gelten nur für die Oppositionszeit.
Nach der letzten NRW-Wahl hatte die FDP Gelegenheit, die Rüttgers-CDU (und sich selbst) beim Wort zu nehmen und den sofortigen Ausstieg aus der Zwangsreform zu fordern und durchzusetzen. Dies war aber bei beiden Parteien nicht wirklich ernst gemeint. Obwohl auch Ministerpräsident Rüttgers sich gegen die RSR ausgesprochen hatte, könnte man von seiten der FDP auf Nachfrage sicherlich wieder den bekannten Spruch hören: "Wir hätten ja gerne, aber als kleine Partei kann man nicht alles durchsetzen ..." Und in der Tat mußte sich die Partei mit etwas viel Wichtigerem bescheiden: der Regierungsbeteiligung ...
FDP-Otto sollte sich erst dann wieder zu Wort melden, wenn die eigene Partei und Fraktion hinter ihm steht, und dies nicht nur im Prinzip, sondern im politischen Alltag.


Kommentar von Karl Martell, verfaßt am 25.07.2006 um 16.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4604

Viel interessanter als von Wehbergens hypothetische, erscheint mir dann doch die Frage danach, ob (junge) Erwachsene überhaupt eine Chance haben, nach über 10 Jahren Chaos und verordneter Inkonsistenz, trotzdem in den Besitz einer schlüssigen (nach welchen Gesetzen auch immer) Rechtschreibung gelangen können.

Was Hänschen nicht lernt....


Kommentar von jms, verfaßt am 25.07.2006 um 16.43 Uhr  
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Es gibt ein perfektes Argument für Schüler, konsequent die bewährte Rechtschreibung anzuwenden: Ich will Schriftsteller werden;-)


Kommentar von Hans-Dieter von Wehbergen, verfaßt am 25.07.2006 um 16.32 Uhr  
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Zu meiner Zeit gab's die Grundregel, daß (zumindest in der Oberstufe) in Aufsätzen Rechtschreibfehler zwar angestrichen wurden, aber erst bei großer Häufung notenrelevant waren, eben zur Abwertung führten.
Seinerzeit war es im Ermessen des Lehrers, ob ein oder zwei Punkte abgezogen wurden - oder eben auch nicht.


Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 25.07.2006 um 16.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4601

Ich bin zwar kein Praktiker, aber das Ergebnis läßt sich leicht vorhersagen: Es kann jede Note zwischen 1 und 6 herauskommen (so Dinge wurden auch schon vor der RSR berichtet). Der eine Lehrer ist souverän und erkennt jede Leistung an, der andere ist ein Pedant, ein dritter mag sich durch so etwas veralbert vorkommen. Letzteres wahrscheinlich sogar zu Recht. Ich erinnere mich an ein Aufsatzthema zu meiner Schulzeit, wo die segensreiche Wirkung des Kompromisses zu erörtern war. Ich hatte mir damals erlaubt, konsequent den sächlichen Artikel ("das faule Kompromiß") zu verwenden. Mein Deutschlehrer hat das damals nicht als Fehler angestrichen, sondern am Rand als veraltete Nebenform vermerkt.


Kommentar von Hans-Dieter von Wehbergen, verfaßt am 25.07.2006 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4600

Mal die Praktiker vor zur Gretchenfrage: Wenn im Schuljahr 07/ 08 ein Schüler einen tadellos in alter Rechtschreibung gehaltenen Aufsatz vorlegt, null Fehler über zwanzig Seiten, aber etliche Fälle, die nun als veraltet gelten, was tut dann der Lehrer? Wertet er ab, oder läßt er es gelten?


Kommentar von jms, verfaßt am 25.07.2006 um 12.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4599

Nichts gegen Otto! Daß es überhaupt noch einen Abgeordneten im Bundestag gibt, der sich kritisch zu dem Thema äußert, kann man ihm nicht hoch genug anrechnen. Er gehört zu den wenigen Abgeordneten, die sich in Sachen Rechtschreibreform nicht verbogen haben und die sich auch nicht verbiegen lassen. Aber er ist das, was man einen Hinterbänkler nennt und das auch noch in einer Partei, die nicht in der Regierung sitzt. Also ohne bedeutenden Einfluß. Schade.

Übrigens: Rechtschreibreform zwischen Gewissen und Fraktionszwang - wäre vielleicht ein schönes Thema für eine Diplomarbeit in Politologie.



Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 24.07.2006 um 20.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4590

Man schere nicht alle Politiker über einen Kamm: H.J. Otto hat, soweit ich das verfolgt habe, seine Position sehr konsequent behalten und im Bundestag argumentativ vertreten. Daß seine Partei weniger konsequent (aber immerhin unter den Blinden die Einäugioge) war, sit anderen zuzuschreiben.


Kommentar von borella ;-), verfaßt am 24.07.2006 um 19.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4589

Aussagen von Politikern sind wie Seifenblasen, es wird irgend ein aktuell schillerndes Thema hergenommen, um vom Publikum Beifall für die eigene Selbstverliebtheit zu ernten. Das ist alles!

Jeder der annimmt, einem Politiker wäre es tatsächlich ein Anliegen, was er sagt, der bewegt sich in einer Traumwelt.

So ist das seit Jahrzehnten, nur früher hatten Politiker noch bessere Schauspielerqualitäten als heute, und das kritische Publikum hatte es ohne Internet damals wesentlich schwerer als heute, sich selbst einen analytischen Überblick über das Thema zu verschaffen ...


Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 24.07.2006 um 19.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4588

Unter dem Blickwinkel dieses Beitrags und auch der Beiträge der werten Kommentatoren ist es besonders ärgerlich, daß Herr Döpfner, der es in der Hand hätte, nun in der BILD wieder die ungeliebte Schlechtschreibreform verfügt. (Nicht, daß jemand auf die Idee käme, ich liebte diese Zeitung! Ich trete nur für eine vernünftige Schreibung ein, und da ist die BILD-Zeitung nicht gerade ein ungewichtiges Blatt.)


Kommentar von jms, verfaßt am 24.07.2006 um 18.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4587

»Ich appelliere an die Kultusministerkonferenz, dafür Sorge zu tragen, daß auch über 2007 hinaus keinem Schüler durch die Verwendung der bewährten Rechtsschreibung Nachteile entstehen.«

Sicherlich gutgemeint, dieser Appell, aber wohl ein bißchen weltfremd. Die Schüler wenden die bewährte Rechtschreibung inzwischen doch gar nicht mehr an, oder? Das Problem ist doch vielmehr, daß sie mit immer wieder neuen Variationen der Reformschreibung konfrontiert werden und daher kein rechtes Schreibgefühl entwickeln können. Die ständigen Änderungen der Reformschreibung, ganz abgesehen von ihren immanenten Fehlern und Widersprüchen, machen alles viel komplizierter und laufen der Ausprägung einer orthographischen Sensibilität zuwider.

Ohnehin verläuft die schriftsprachliche Sozialisation unter den heutigen Umständen völlig anders als die voriger Generationen, man denke auch an die vielfältigen multimedialen Einflüsse. Gucken, Hören und Surfen dürfte heute weit vor dem Lesen rangieren. Die Fähigkeit, längere schriftliche Texte zu verstehen und zu verfassen nimmt ständig ab.

Wer sich einmal in die Lage eines Schülers hineinversetzt, kann doch nur zu dem Schluß kommen, daß Rechtschreibung nicht so wichtig ist und daß Texte insgesamt keine wichtige Rolle spielen. Wird dieser Entwicklung auf irgendwelche Weise entgegengesteuert? Die Leidtragenden sind doch vor allem Schüler aus den sogenannten bildungsfernen Schichten bzw. solche mit Migrationshintergrund. Sollte die Rechtschreibreform nicht gerade ihnen das Schreibenlernen erleichtern? Der Appell an die Kultusminister und Bildungspolitiker müßte viel weitgehender und viel schärfer formuliert werden.


Kommentar von Fungizid, verfaßt am 24.07.2006 um 17.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4585

Ich habe mir 1980 - mit 11 - einige alte Hunderomane von meinen Eltern geliehen und damit in wenigen Wochen das Frakturlesen gelernt. Ohne Druck, ohne Nötigung, ohne jedes Problem, ohne jeden Widerwillen.

Es brachte mir die größte Bereicherung meiner gesamten Ausbildung, ermöglichte mir ein leicht erledigtes geschichtliches Studium und bringt mir nebenbei auch sichere Geldeinnahmen.

Meine Güte, Kinder wollen lernen, und dazu gehört es auch, Fehler festzustellen und Lernerfolge zu messen! Die ewige Erleichterungsmasche schädigt die Kinder und belästigt sie auch.


Kommentar von Hans Noggel, verfaßt am 24.07.2006 um 17.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4584

Tja, Herr Eversberg, genau das passiert aber. In der Schule wird nur Neuschrieb gelesen. Und wenn ein Lehrer Lektüre für die Freizeit empfiehlt, kann ich mir nicht vorstellen, daß er nicht darauf hinweist, daß es Neuschrieb sein möge - zu Trainingszwecken.
Und wenn ich dann noch sehe, daß nahezu jedes Buch, das in der Schule gelesen werden könnte (sogar Sebastian Haffner), in Neuschrieb transkribiert wird, sehe ich schwarz, was es angeht, daß Schüler mit der alten Orthographie in Berührung kommen.


Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 24.07.2006 um 16.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4583

Die initiative des Elternvereins haut doch in dieselbe Kerbe: Klassisch schreiben muß richtig bleiben. Bleibt es ja auch - nur in der Schule nicht, und das geht nicht an, dort eine orthographische Sonderzone auf Dauer zu etablieren. Es geht schon deshalb nicht an, weil man in Konflikt gerät mit den Zielen der Leseförderung - man KANN und man DARF die Schüler nicht selektiv nur Neuschrieb lesen lassen oder sie gar dahin drängen, daß sie nichts anderes mehr lesen wollen.


Kommentar von Hans Noggel, verfaßt am 24.07.2006 um 16.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=496#4581

Das liest sich fabelhaft. Aber ist es mehr als ein Rufen in der Wüste?
Die Kultusministerkonferenz hat sich in den letzten Jahren von Einwänden von Sprachwissenschaftlern, Kulturschaffenden und Journalisten oder wem auch immer nicht beeindrucken lassen. Wir wollen nicht müde werden, an die Vernunft zu appellieren, aber bislang hat sich von politischer Seite nichts getan, um die Hoffnung zu nähren.



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