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Blüthen der Thorheit

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14.03.2006
 

Bastian Sick plays live

In Köln setzte es die größte Deutschstunde der Welt.

Burkhard Müller-Ullrich berichtet.




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Kommentare zu »Bastian Sick plays live«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.03.2006 um 05.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#289

Grün vor Neid lese ich, daß Sick schon zwei Millionen Bände verkauft hat. Rot vor Zorn lese ich, was er in Köln seinen 15.000 Zuhörern aufgetischt hat. Zum Beispiel soll die Bahn einen Fehler machen, wenn sie ankündigt, der Zug fahre "aus Gleis 10". "Man kann aus der Haut fahren, aber doch nicht aus dem Gleis." Ist es zu fassen? Sick scheint sich unter dem Gleis so etwas wie die Eisenbahnschiene vorzustellen, und dann wären die alten Redewendungen "aus dem Gleis werfen", "im rechten Gleis sein" usw. natürlich alle falsch. Aber so ist es eben nicht, und Sick, der von der deutschen Sprache herzlich wenig weiß, behilft sich mit dem billigsten Mittel aller "Sprachmeisterer" (Engel), dem Analogisieren. Kann man denn aus der Haut "fahren"? Man kann nach Köln fahren, aber doch nicht aus der Haut. Usw.
Schlimm ist, daß auch 500 Schulklassen dem "Superstar der Sprache" (dpa) lauschten. Damit werden hunderte von Deutschstunden zunichte gemacht. Man sollte Strafanzeige gegen die Schulaufsicht erwägen. Nur ein Volk ohne sprachliche Bildung nimmt auch die Rechtschreibreform hin, es ist im Grunde dasselbe Niveau.

 

Kommentar von jms, verfaßt am 15.03.2006 um 09.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#290

Noch ein Anekdötchen. Vor einiger Zeit war Herr Sick einmal bei einer Talk-Show von Bettina Böttinger im WDR-Fernsehen zu Gast. Die Vorstellung eines Gastes beginnt immer mit drei Fragen. Eine davon lautete sinngemäß: "Die Rechtschreibreform ist heftig umstritten. Welche der neuen Rechtschreibregeln finden Sie gut?" Darauf Sick wie aus der Pistole geschossen: "Die neue ss-Regel, weil sie logisch ist." Es klang irgendwie so, als ob eine PR-Agentur im Auftrag des Duden-Verlags ihn gebrieft hätte.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.03.2006 um 10.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#292

Nicht nötig – das glaubt der wirklich. – Die gängige Form der Sprachkritik ist die Kolumne. Das ist vielleicht schon das Urübel, denn der Kolumnist muß jede Woche etwas Neues liefern. Also ist er ständig mehr oder minder verzweifelt auf der Suche nach Anstößigem.

 

Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 15.03.2006 um 17.17 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#293

Angeblich hat Sick seinem Publikum beigebracht, es sei nicht in Ordnung, wenn die Mama zur Nachbarin sagt, sie ginge »nach Aldi«. Hier in Süddeutschland sagt das sowieso niemand. Aber was soll daran nicht in Ordnung sein? Das ist auch nicht falscher, als wenn die Hamburger »Butter bei die Fische« sagen oder die Schwaben »dem Chef sein Mantel« – Redensarten halt.

Niemand würde das als korrektes Deutsch bezeichnen. Und alle 15.000 Zuschauer wußten das auch längst. Deshalb waren sie ja so begeistert: sie hatten nicht nur ihr Vergnügen am unterhaltsamen »Event«, sondern erhielten auch eine beglückende Bestätigung, daß sie so bekloppte Fehler im Deutschen niemals machen würden, ihre Sprache also prima beherrschen.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.03.2006 um 20.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#294

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit sagte und schrieb man in manchen Gegenden. "Ich gehe nach dem Bahnhofe." Als nächstes ist sowieso der Dativ dran, vom Akkusativ verdrängt zu werden. Auch im Altfranzösischen war das Zweikasussystem aus Nominativ und Akkusativ das Übergangsstadium zum schließlichen Wegfall aller Kasusendungen. Das Apostroph-s wird uns natürlich erhalten bleiben.

 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 16.03.2006 um 22.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#295

Wir können ganz beruhigt sein: Schwerwiegende Folgen wird die Sickade, außer natürlich für den Geldbeutel des PR-Mannes in eigener Sache, nicht haben. Wer Deutsch kann, nimmt keinen Schaden, wer es nicht kann, steht hinterher auch nicht besser da. Es ist wie mit anderen Erweckungsveranstaltungen: Ein Stein wird in einen Teich geworfen, es gibt ein wenig Wellenschlag, und nachher ist wieder alles ruhig.

 

Kommentar von jms, verfaßt am 17.03.2006 um 13.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#296

Apropos Deutschstunde. Heute wird Siegfried Lenz 80 Jahre alt. Sein Roman "Deutschstunde" über das Mitläufertum hierzulande ist aktueller denn je.

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 18.03.2006 um 17.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#299

"Es ist wie mit anderen Erweckungsveranstaltungen: Ein Stein wird in einen Teich geworfen, es gibt ein wenig Wellenschlag, und nachher ist wieder alles ruhig." (kratzbaum)
Nein, eben leider nicht; semper aliquid haeret. Und wenn's nur das ist, was Ickler "rot vor Zorn" macht, "daß auch 500 Schulklassen dem 'Superstar der Sprache' (dpa) lauschten." Welch flache Einstellung hiermit nämlich der nächsten Generation durch die "an vielen Schulen in Köln und Umgebung fast zur Pflichtveranstaltung erhobene Deutschstunde" als durchaus akzeptabel vermittelt wird! Und welch vorschreiberische Haltung! Mit Sicks Verständnis mal nur zu Präpositionen — welches also nicht viel Verständnis der Sprache, wie sie ist, anzeigt — dürfen bald die Drogerien keine Bonbons mehr für einen kleinen Husten verkaufen; es müßten ja unbedingt welche gegen Husten sein. Ich setze da verzweifelt lieber auf die Anglisierung unserer Sprache: im Englischen sind cough drops immer noch for a cough. Bei länger andauerndem Husten geht man aber auch da zum Arzt. Oder muß ich sagen "mit länger andauerndem Husten"? Denn "bei" betrifft mich doch gar nicht so direkt. Sick, dieser Sick!

 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 19.03.2006 um 16.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#300

Ja, ja Herr Ludwig, man kann sich schon ärgern über diese publikumswirksame Ballerei und ganz besonders über die Schweinerei, daß dort Schüler hingekarrt werden. Aber alles in allem ist es doch mehr eine Unterhaltungsveranstaltung ohne nachhaltige Wirkung. Ich denke, gerade die Dürftigkeit der Sickschen Sprachauffassung bietet auch schon die Gewähr für die Kurzlebigkeit dieser Knallfrösche. Vieleicht bin ich aber auch da nur wie schon öfter zu naiv und optimistisch.

 

Kommentar von Fritz Elster, verfaßt am 21.03.2006 um 13.27 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#302

Diese ganze Rechtschreibreform mitsamt ihrem Reparaturbetrieb ist nur noch zum Verzweifeln. Und dennoch: Wir müssen ja irgendwie täglich schreiben. Es ist ja nicht so, daß die alte Reechtschreibung durchgängig logisch gewesen wäre, man hätte ruhig zum Kamm greifen und die Fissen hinausfrisieren können, statt die Kopfhaut zu skalpieren. Jetzt aber stehen wir am Kraterrand wie mexikanische Kultopfer, die von Mannheimer Hobby-Priestern dem sprachlichen Popocatepetl geopfert werden sollen. Es waren Minister, die sie dazu ermächtigt haben. Und das ist der noch größere Irrsinn. Warum? Wozu?

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.03.2006 um 06.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#306

Wenn man Sicks Ausführungen vom 2. März über die Reform der Reform liest, versteht man sofort, daß 500 Schulklassen zu seiner größten Deutschstunde der Welt geschleppt wurden, ohne daß die Kultusministerien etwas dagegen unternahmen. Angepaßter geht es nicht. Die Rechtschreibreform hat die Rechtschreibung behutsam "korrigiert", die Gegner "zetern". Die Reformer verstehen etwas von der Sache, die Kritiker nicht immer usw. Dazu die unvermeidliche "Majonäse".

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 30.03.2006 um 22.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#307

Sick fragt halt andere lieber — und schreibt's dann so: "Mögen Sie lieber halbe Sachen als Ganze?*) Aber er fragt sich eben nicht, was sachlich offensichtlich falsche Regierungsverordnungen in unserem öffentlichen Leben überhaupt zu suchen haben. Er weiß, "Die Reform wollte die Orthografie vereinfachen, stattdessen wurde die Sache immer komplizierter", aber er läuft halt mit. Denn seiner Einsicht nach wurde ja "auch der Beschluss, substantivierte Adjektive in Fügungen wie 'im Stillen', 'im Dunkeln', 'im Allgemeinen' großzuschreiben, willkommen geheißen." Nur fragt er sich nicht, wer diese Willkommenheißer denn sind, die da bei der Diskussion dieser Fragen so im Stillen, im Dunkeln und im Allgemeinen groß in wessen wohlverstandenem Auftrag mitreden und -schreiben. Er fragt sich auch nicht, was was kostet und wer's letztlich bezahlt. Und das kann verantwortungsbewußte Mitbürger schon aufregen. Aber halt nicht jemand wie ihn, dem sein Unterhalt ja für bloße Volksunterhaltung ja gut bekommt.
Wie und auf wessen Geheiß sind die "500 Schulklassen" zu dieser Sick-Veranstaltung gekommen, und wer bezahlte die Fahrt? Das müßte *Der Spiegel* doch mal untersuchen!
______
*) Und offenbar nimmt er selbst lieber halbe Sachen als "Ganze"; er sagt's ja deutlich, wenn er auch nicht genau weiß, was er da sagt. Aber er hat eben "großen Respekt" vor Leuten, die "ein jahrhundertealtes Kulturgut" bearbeiten, weil es doch entartet ist, wozu sie "zweifellos" genaue Kenntnis der "Regeln der Schriftsprache" mitgebracht hätten. Mann, was beim *Spiegel* heute nicht alles durchgeht!

 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 30.04.2006 um 12.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#318

Hinweis
Heute um 0.30 im Nachtstudio des ZDF: Was ist gutes Deutsch? - Sprachkritik als "Entertainment"

 

Kommentar von GL, verfaßt am 16.07.2006 um 17.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#346

Kommentar von jms am 15.03.2006 um 09:18 Uhr
(Es klang irgendwie so, als ob eine PR-Agentur im Auftrag des Duden-Verlags ihn gebrieft hätte.)

Liest man Kapitel "Babylonische Namesverwirrung" in seinem Irrgarten der deutschen Sprache mehrmals und unaufgeregt durch, kommt man nicht umhin, dass nebst unsäglichem Titel und Kapitel in der Tat auch noch Werbung für den Duden gemacht wird.
Allein schon sein zu grosser Respekt wie auch seine überforderte Unfähigkeit, sich mit Kultur und Volk eines fremden Landes zu beschäftigen, verdienen es, in eine seiner "Tütis" (wie er selbst schreibt) zu verschwinden.

Nach einem Studium der Geschichtswissenschaft erwartet man eigentlich, den Unterschied zwischen Sprache und Namen zu kennen.

 

Kommentar von harry edwards, verfaßt am 08.08.2006 um 13.00 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=107#362

wozu die Aufregung in Deutschland? 1888 lehnte die deutsche Regierung ein einheitliches Deutsch noch strikt ab mit der Begründung, dass es dann keine individuellen Möglichkeiten des Ausdrucks mehr gäbe. Es muss mE ein einheitliches Gesetzesdeutsch geben, auch wenn es regional unterschiedlich ausgelegt wird, aber ansonsten sollte jeder Deutsche seine eigene Orthographie haben. Manche können gleich überhaupt nicht schreiben, ja nicht einmal lesen, geschweige denn rechnen. Salve, Harry Edwards

 

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