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Blüthen der Thorheit

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23.07.2013
 

Deutschstunde
... und noch ein paar Stolpersteine mehr

Peter Schmachthagen meint: „Die Rechtschreibreform von 1996 war kein Putsch einiger wild gewordener Germanisten, sondern die vertragliche Verpflichtung …“ Und schon weiß man, daß man eigentlich nicht weiterzulesen braucht.


Wer gehört hat, wie der neue belgische König am Sonntag seinen Amtseid nicht nur auf Französisch und auf Flämisch, sondern auch auf Deutsch abgelegt hat, schöpfte Hoffnung, dass unsere Muttersprache sogar jenseits der Grenzen der Bundesrepublik überleben wird. Die Rechtschreibreform von 1996 war kein Putsch einiger wild gewordener Germanisten, sondern die vertragliche Verpflichtung zwischen den deutschen Bundesländern, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein und weiteren Staaten mit deutschsprachigen Bevölkerungsteilen, mit einer Neuregelung der deutschen Rechtschreibung die im Laufe der Zeit etwas aus dem Ruder gelaufenen Regeln des Jahres 1901 zu vereinfachen.

Niemand beherrschte die alte Rechtschreibung ohne Fehler. Der Breslauer Lehrer Oskar Kosog veröffentlichte 1912 ein Diktat mit allen amtlichen Fallen und Gemeinheiten, das bis heute niemand fehlerfrei geschrieben hat.

Damit soll nicht gesagt werden, dass es nach den neuen Regeln keine Schwierigkeiten mehr gibt. Aber die Reformer bemühten sich um mehr Systematik, ohne die zahlreichen Stolpersteine der deutschen Orthografie abgeschafft zu haben. Die in der vorigen Folge erwähnten Stolpersteine haben viele Fragen nach sich gezogen.

Häufig klingen einzelne Wörter gleich (homophon), haben aber eine unterschiedliche Bedeutung und Schreibweise. Mit Fieber bezeichnet man eine zu hohe Körpertemperatur, mit Fiber eine Muskel- oder Pflanzenfaser. Ein Lied kann man singen, während das Lid über dem Auge ohne "e" buchstabiert wird. Ein Stiel ist ein Griff oder Stängel, der Stil jedoch die Einheit der Ausdrucksweise oder einer Kunstrichtung.

Der Leib ist ein Körper, der jedoch beim Brot oder Käse zum Laib wird. Sorgfältig müssen wir die Seite in einem Buch von der Saite auf der Geige unterscheiden. Wir können zwar andere Seiten aufschlagen, aber nur andere Saiten aufziehen. Er zeigte sich von seiner besten Seite, indem er eine ganz andere Saite seines Wesens zum Erklingen brachte.

Zusammensetzungen mit dem Substantiv Tod bekommen ein "d": todblass, todernst, todkrank, todmüde. Es handelt sich dabei meistens um Adjektive. Verben entstehen bei der Zusammensetzung mit dem Eigenschaftswort tot und werden mit "t" geschrieben: totarbeiten, totfahren, totlachen, totschlagen. Auch die Ableitungen von Ende haben ein "d" (endgültig, endlich), während die Vorsilbe ent- ein "t" benötigt: entflammbar, entkommen, Entscheidung.

Mit "t" buchstabiert man "hoffentlich, gelegentlich, ordentlich, wesentlich, wöchentlich", aber nicht morgendlich. Hier liegt eine tageszeitliche Analogie zu abendlich vor, und dem Abend wollen wir sein "d" nicht nehmen. In allen Reportagen über Reisen in die Polargegend laufen Herden von Rentieren über den Bildschirm, die wir nicht mit Doppel-n schreiben dürfen, obwohl sie so rennen. Das Wort Rentier ist eine verdeutlichende Zusammensetzung zum Ren, einer Hirschart in Skandinavien.

Der letzte Tag des Jahres wird korrekt Silvester mit "i" geschrieben, denn der Tagesheilige des 31. Dezember ist Papst Silvester I. (314–335). Vielleicht gibt es in irgendeinem Alpental einen Holzfällerbuben namens Sylvester mit "y", aber der hat nichts im Kalender zu suchen. Achten sollten wir auch darauf, dass bei Libyen das Ypsilon hinten und bei Syrien vorn steht.

Wer in den Geheimdiensten zurzeit Held, Verräter oder Spion ist, ist offenbar selbst für die Kanzlerin schwer zu durchschauen. Klar bleibt nur die Orthografie. Ein Informand ist eine Person, die mit einer Sache vertraut gemacht wird, ein Informant jedoch jemand, der Informationen liefert.

Nicht verwechseln sollte man seit und seid; "seit" ist eine Präposition (seit dem 1. Juli) bzw. Konjunktion (seit er das Haus verlassen hat), "seid" jedoch eine gebeugte Form des Verbs sein: Seid nett zueinander! Heißt es eigentlich ich säe oder ich sähe? Die korrekte Schreibweise hängt von der Bedeutung ab: Das Verb säen im Sinne von "Saatgut ausbringen" hat kein "h". Mit "h" schreibt man hingegen den Konjunktiv des Präteritums von sehen: Ich sähe es lieber, die Rechtschreibung wäre nicht so kompliziert.



Quelle: Hamburger Abendblatt
Link: http://www.abendblatt.de/meinung/article118291319/und-noch-ein-paar-Stolpersteine-mehr.html

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Kommentare zu »... und noch ein paar Stolpersteine mehr«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.07.2013 um 14.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1124

Schmachthagen wird ja nun an den Funke-Medienkonzern verkauft.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.07.2013 um 11.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1125

Die vorherige Geheimhaltung vor der Bevölkerung und die überfallartige Durchsetzung der Reform über die wehrlosen Schüler und die Verächtlichmachung der Kritiker war ein Putsch gegen die Bürger und widersprach allen demokratischen Regeln.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.07.2013 um 11.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1126

Ergänzend dazu:

"Es wird noch einige historische Distanz brauchen, um zu erklären, warum trotz des öffentlichen Protestes 1996 zum 1. August das vorgelegte Reformwerk amtlich wurde." (Jakob Ossner: Orthographie. Paderborn 2010:51)

Ratsmitglied Ossner erinnert sich wohl nicht mehr richtig. Vor dem 1. August 1996 wußte fast niemand etwas Genaueres über die Reform, die im Juli im Amtsblatt erschien und an vielen Schulen sofort, also praktisch jeweils zum Ende der Sommerferien, eingeführt wurde. (Das perfekte Zusammenspiel mit Bertelsmann ist ein besonderes Kapitel.) So war es geplant gewesen, wie wir heute wissen. Als die Reform dann etwas näher bekannt wurde, kam es zur Frankfurter Erklärung und zu meinem ganzseitigen Artikel in der FAZ, der eine größere Resonanz hatte als alle meine späteren Aktivitäten. Zehetmair höchstpersönlich hat ja auch zugegeben, daß die Bevölkerung von der Reform überrumpelt wurde.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 31.07.2013 um 18.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1127

Wikipedia: "Ein Putsch ist eine meist überraschende, meist gewaltsame Aktion einer kleineren Gruppierung von Staatsorganen mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen und die Macht im Staat zu übernehmen."
Ersetzt man "Regierung" und "Staat" durch "deutsche Rechtschreibung", so war es ein Putsch:
Er war überraschend, weil der Inhalt der Reform bis zuletzt geheimgehalten wurde.
Er war gewaltsam, weil die Schüler zur Anwendung der neuen Rechtschreibung gezwungen wurden.
Die Rechtschreib-Putschisten haben die Macht über die deutsche Rechtschreibung übernommen, und sämtliche politischen Parteien haben sich ihnen freiwillig unterworfen. Das Volk hatte keine Chance.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.09.2013 um 11.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1156

Schmachthagens Beiträge im Hamburger Abendblatt werden immer absurder. Am 10.9.13 schrieb er:

Bis 1996 hatten sich Schüler und Erwachsene daran gewöhnt, die Schreibweise jedes Wortes und jeder Verbindung einzeln zu betrachten und nachzuschlagen. Man lernte keine Regeln, sondern Ausnahmen und Ausnahmen von den Ausnahmen. Die Reformer bemühten sich danach, möglichst eine Systematik in den orthografischen Dschungel zu bringen, um das Wörterbuch bei vielen Wortarten überflüssig zu machen.

Dann trauert er der schönen neuen Regel von 1996 nach, wonach "Verb und Verb" immer getrennt geschrieben werden sollte. Über die Verrücktheit der Behauptung, bis 1996 hätten Schüler und Erwachsene nur Ausnahmen gelernt und jedes Wort nachgeschlagen, braucht man ja nichts weiter zu sagen.

Die Ministerpräsidenten, die 2004 die nach einer Probephase gerade abgesegnete Rechtschreibreform erst einmal einem Rat für deutsche Rechtschreibung überließen, der ähnlich zusammengesetzt war wie eine Krawall-Talkrunde von Frank Plasberg, sorgten sich nicht um die deutsche Sprache, sondern um die Wählerstimmen.

Schmachthagen weiß genau, daß es keine solche Probephase gab. Die Kultusminister versuchten vielmehr seit 1996 in vollem Ernst, die für endgültig gehaltene Reform durchzusetzen, und Schmachthagen half ihnen dabei. Erst als die Zwischenstaatliche Kommission sich gänzlich diskreditiert hatte und die ganze Reform vor dem Scheitern stand, wurde sie über Nacht durch den Rechtschreibrat ersetzt und damit die Reform vorerst gerettet, wobei sie freilich Federn lassen mußte (was Schmachthagen nie verschmerzen wird).

Der Rechtschreibrat ist zwar ein unmögliches Gremium, aber von Krawall kann, seit der einzige Störenfried draußen ist, nicht die Rede sein.

 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 20.09.2013 um 07.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1158

Schmachthagen scheint auch Probleme mit der Logik und der Demokratie zu haben, denn es kommt ihm nicht in den Sinn, daß die Politik gerade aus Sorge um die deutsche Sprache den Rat eingerichtet haben könnte (auch wenn das nicht der einzige Grund war). Und was ist falsch daran, wenn sich Politiker um Wählerstimmen sorgen? Das gehört doch zur Demokratie!

Schmachthagen scheint die autoritären Ansichten der Reformer voll und ganz verinnerlicht zu haben.

 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 20.09.2013 um 10.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1159

Möglicherweise gibt es Leute, die nach Formalregeln schreiben, ich gehöre nicht dazu, ich schreibe nach Bedeutung!

Die Schreibweise ergibt sich daraus, was ich ausdrücken will. Damit hatte ich bis zur Reform nicht das geringste Problem. Ein Problem bekam ich erst, als die Reform versuchte, mir Schreibweisen vorzugeben, die für mein Gefühl mit dem auszudrückenden Sinn im Widerspruch standen, sie waren nicht intuitiv, und intuitiv muß Schreibung zuallererst sein, sonst ist sie absolut nichts wert!

Ordnet man also die Schreibvorschriften nach formal-logischen Gesichtspunkten um, stellt man bald fest, es gibt Probleme mit dem gemeinten Sinn! Und genau das ist es, was die Herren Reformer, zu deren Sympathisanten offenbar auch dieser Schmachthagen zählt, weitgehend außer acht gelassen haben. Und dieser Mangel haftet allen Reformstufen gleichermaßen an, bisher hat noch kein Reparaturversuch dieses Manko wieder beseitigen können.

 

Kommentar von sehrko misch, verfaßt am 21.09.2013 um 11.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1161

Schmachthagen:
Wie ernst kann jemand genommen werden, der argumentiert, ausländische Deutschlerner täten sich mit manchen Schreibweisen schwer (die für Muttersprachler kein Problem darstellen), daher sollen sich die 90 Mio. Muttersprachler alternative Schreibweisen zwangsverordnen lassen, die diesen ausländischen Deutschlernern die Sache angeblich vereinfachen, den Muttersprachler aber hindern, das klar auszudrücken, was er ausdrücken will?

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.09.2013 um 11.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1162

Und man kann nicht oft genug sagen, daß Rücksicht auf ausländische Deutschlerner für die Reformer zu keinem Zeitpunkt eine Rolle gespielt hat.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.01.2014 um 14.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1247

Hier kann man wieder einmal das Kosogsche Diktat sehen, angeblich „an die neue Rechtschreibung angepasst“, aber leider falsch:

www.infranken.de/regional/bamberg/Rotstift-raus-Hier-ist-die-Loesung-des-Diktats;art212,609803

 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 23.01.2014 um 20.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1248

Der hier veröffentlichte Text wurde natürlich der heute gültigen Rechtschreibung angepasst!
"Natürlich", und mit Ausrufungszeichen. Die Servilität muß noch zur Schau gestellt werden. Daß manche Raffinesse des Textes dabei ihren Sinn verlieren könnte, darauf kommen diese Leute gar nicht erst: Seid auch im Geringsten nicht im Geringsten untreu. – Puftata!

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.01.2014 um 03.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1249

Ja, und jemandem Feind sein, das hat sich 1996 eingeprägt und sitzt, jedenfalls bei den Fühllosen.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2014 um 04.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1388

Heinrich Puttfarken sen. ist der Vater, Heinrich Puttfarken jun., auch schon über 50, ist der Sohn. "Ich trage denselben Vornamen wie mein Vater", erklärt der Sohn. Wie soll das klappen? Wenn beide denselben Vornamen hätten, müssten sie sich diesen einen Vornamen Heinrich ja teilen – der Vater morgens und der Sohn nachmittags oder der eine an ungeraden und der andere an geraden Tagen. Die Familie Puttfarken sollte nicht so knickerig sein und sich einen zweiten "Heinrich" zulegen. Natürlich besitzt der Sohn den gleichen Vornamen wie sein Vater. Heinrichs gibt es viele auf der Welt, sodass man sie durchaus großzügig verteilen darf. (Schmachthagen HA 12.8.14)

Das ist kein gutes Beispiel für eine Unterscheidung, die in der Allgemeinsprache noch nie konsequent durchgehalten wurde. („Es besteht in der Alltagssprache eine große Unsicherheit bei der Verwendung der Wörter derselbe, dieselbe, dasselbe bzw. der gleiche, die gleiche, das gleiche.“ Schmachthagen) So sprechen wir davon, daß „der Mai“ gekommen ist, jedes Jahr derselbe, daher der bestimmte Artikel. Der Name Heinrich steht darum auch nur einmal im Wörterbuch. Im Gegensatz zu den traditionellen anderen Beispielen, die Schmachthagen anführt, sind die gleichlautenden Namen nicht numerisch verschieden. Sie sind nicht „individuiert“. Zwei Menschen, die je 90 kg wiegen, haben das gleiche oder auch dasselbe Gewicht. Das Wiegen würde zum selben oder gleichen Ergebnis führen. Die ganze Frage führt ins Philosophische (Frege), womit schon angedeutet ist, daß die Allgemeinsprache sich nicht damit abgibt.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.09.2014 um 17.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1391

Schmachthagen:

Ordnet eine Konjunktion einen Hauptsatz ("Es ging ihm schlecht") einem anderen Hauptsatz unter ("Er erledigte die Arbeit"), so entsteht als Nebensatz ein sogenannter Verbletztsatz, das heißt, das finite (flektierte) Verb steht an letzter Stelle ("trotzdem es ihm schlecht ging"). Tritt jedoch ein Adverb an die Spitze des zweiten Satzes, so werden Subjekt und Prädikat getauscht, aber beide Hauptsätze bleiben als Hauptsätze erhalten. Diesen Vorgang nennt man Inversion (Umsetzung der Wörter): Eva kann kein Blut sehen. Sie studiert Medizin. Daraus wird mit Adverb: Eva kann kein Blut sehen. Trotzdem studiert sie Medizin. (HA 9.9.14)

Im Deutschen gibt es keine Inversion, und die Verbzweitstellung hat nichts mit dem Subjekt zu tun. Vgl.

Eva kann kein Blut sehen. Medizin studiert sie trotzdem.
Eva kann kein Blut sehen. Trotzdem studiert sie Medizin.


Wie man sieht, tauschen Subjekt und Prädikat keineswegs die Plätze.

 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 10.09.2014 um 17.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1392

"trotzdem es ihm schlecht ging" – Auch grandioses Deutsch, aber vielleicht sagt man in Hamburg so?

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 11.09.2014 um 04.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1393

Bei meinem Abitur vor nunmehr fast sechs Jahzehnten hielt der Direktor unseres Gymnasiums, ein zu Recht hochgeachteter Mann und ausgezeichneter Mathematiklehrer, eine kurze Ansprache, und auch er verwendete da "trotzdem" als unterordnende Konjunktion. Mir fiel das auf, und es ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Ich dachte mir damals, hätten wir's im Abitursaufsatz so geschrieben, wär's uns angekreidet worden.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.09.2014 um 02.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1394

Dieses trotzdém (= obwohl) ist heute eher süddeutsch, gell? Trotzdem es dafür im DWb Belege der Preußen Fontane und Gaudy gibt.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2014 um 06.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1395

Der Weg von der nebenordnenden zur unterordnenden Konjunktion (und wieder zurück, weil die Umgangssprache die Hypotaxe nicht liebt, vgl. weil) ist ganz normal.
Mir ist das unterordnende trotzdem seit meiner Kindheit bekannt, und ich habe theoretisch nichts dagegen einzuwenden, würde es aber niemals selbst gebrauchen. Dieser Zwiespalt zwischen dem eigenen Sprachgefühl und der eigenen Überzeugung ist fast schon wieder interessant.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.09.2014 um 14.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1396

"trotzdem" ist ja auch der einzige Fall, wo "trotz" mit dem Dativ gebraucht wird. "Weil "dem" bei "trotz" grammatisch falsch ist, kann sich das "dem" auch nicht auf etwas Vorhergegangenes beziehen.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.09.2014 um 15.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1397

Quatsch.

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 13.09.2014 um 16.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1398

Zu #1396: Wessen trotzt man denn? Doch nichts und niemandes! Dem trotzt #1397 kurz und bündig und ältestem lebendigen Sprachstandpunkt gerecht.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.09.2014 um 18.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1399

"trotz" Präposition mit Genitiv, auch, besonders süddeutsch, schweizerisch und österreichisch, mit Dativ; (Quelle Duden)
"Trotz" Substantiv, gebraucht mit dem Dativ;
"trotzen" Verb mit Dativ-Objekt.
Das "dem" in "trotzdem" kann sich folglich auf Vorhergegangenes beziehen.

 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 13.09.2014 um 23.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1400

Warum empfinden viele den konjunktionalen Gebrauch von trotzdem als „falsch“, die gleichartige Verwendung von seitdem aber nicht?

Das „Große Wörterbuch“ des Duden führt die Konjunktion trotzdem auf trotz dem, daß zurück. Tatsächlich war und ist der Ausdruck trotzdem daß sehr verbreitet. Offenbar wird diese Verbindung heute häufig als Einheit empfunden; jedenfalls wird das Komma oft weggelassen.

Von Unsicherheit bei der Kommasetzung zeugt schon folgende Passage: „..., ohne sich zu überzeugen, daß, trotzdem, daß sofort im Erwachsenen...“ (Carl Gustav Carus, Symbolik der menschlichen Gestalt: Ein Handbuch zur Menschenkenntnis, 1858).

Die Entstehung der Konjunktion seitdem deutet das „Große Wörterbuch“ wie folgt: „wohl verkürzt aus mhd. sit dem male = seit der Zeit“.

An sich läge es nahe, entsprechend auch hier aus seit dem, daß abzuleiten. Jedenfalls ist ebenfalls der Ausdruck seitdem daß recht häufig.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.09.2014 um 23.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1401

Es erscheint durchaus logisch, daß "Trotz dem, daß es regnete, ..." (d.h. "Trotz der Tatsache, daß es regnete, ...") mit der Zeit zu "Trotzdem es regnete, ..." verkürzt worden ist.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.09.2014 um 12.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1402

Warum man etwas als falsch empfindet, das liegt wohl einfach daran, daß man es meistens anders hört oder liest.
Ein ähnlicher Fall wie trotz ist die Präposition dank. Standardgemäß eigentlich mit Genitiv, kommt sie auch sehr oft mit Dativ vor. Ich halte den Dativ nach trotz und dank durchaus für in Ordnung.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 14.09.2014 um 13.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1403

In Schweizer Medien eigentlich immer dank dem und trotz dem. Spricht ja auch nichts dagegen, im Gegenteil. Wem ist zu danken? Wem zum Trotz?

 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 14.09.2014 um 18.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1404

Lieber Herr Riemer,

woran liegt es aber dann, „daß man es meistens anders hört oder liest“?

Im übrigen wurden m.W. trotz und dank ursprünglich mit dem Dativ verwendet. Der Gebrauch des Genitivs ist wohl eine spätere Entwicklung. Wie wäre sonst die Entstehung des Worts trotzdem zu erklären? Der Dativ hat sich ja auch in anderen Wendungen erhalten: trotz allem, trotz alledem.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.09.2014 um 23.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1405

Vielleicht liegt es an der Betonung. Man betont sowohl die Konjunktion als auch das Adverb seitdém auf der zweiten Silbe, dagegen das adverbiale trótzdem auf der ersten.

Aber der Sprechrhythmus im Nebensatz ist anders als im Hauptsatz, weshalb dann die Betonung der unterordnenden Konjunktion zu trotzdém wechselt.

Der Betonungsunterschied von trótzdem und seitdém mag wohl damit zu tun haben, daß trotz aus einem Substantiv abgeleitet ist, seit aber nicht.

Für mein Gefühl ist die einfache Konjunktion trotzdém immer noch angenehmer als trotzdém daß.

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 15.09.2014 um 00.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1406

Wenn immer ich vernehme, daß im Laufe der Zeit etwas "verkürzt worden ist" (#1401), möchte ich eigentlich wissen, nach welchem System das geschehen ist. So mir nichts, dir nichts verkürzt sich ja nichts in der Sprache. Unser Akkusativ "Guten Tag" ergibt sich aus *Ich wünsche / Wir wünschen dir/euch/Ihnen einen guten Tag. "Danke" hat "ich danke" hinter sich gelassen, "herzlichen Dank" dagegen ist Akkusativobjekt einer Mitteilung an jemandem, dem man für etwas dankt. Alles normaler Grammatik in dem Satz entsprechend, der die Idee des Mitgeteilten mit allen offenbar von selbst verständlichen Einzelheiten ausdrückt, - selbst in meinem heimatlichen "Ich - sofort raus und dem Kerl hinterher" ist eigentlich nichts weggelassen, was nicht jeder gleich von sich aus richtig ergänzen kann. Nach welchem System ist die unterordnende Konjunktion "daß" ausgefallen, wenn «"Trotz dem, daß es regnete, ... [sich] mit der Zeit zu "Trotzdem es regnete, ...» verkürzte? Die unterordnende Konjunktion engl. "that" kann vielfach ausfallen, auch da, wo's uns ziemlich querliegt. Wenn im Deutschen "daß" ausfällt, haben wir die finite Verbform wie im Aussagesatz aber an zweiter Stelle und nicht wie im Nebensatz mit einleitender Konjunktion an letzter. In den hier zur Diskussion stehenden Fällen (trotzdem, seitdem) verändert sich bei deren Übergang vom Adverbial zur Konjunktion die Wortstellung aber nicht. "Trotz dem, daß es lange regnete, ..." wird ohne "daß" nicht zu *Trotz dem, es regnete lange. Seltsam.
Auch: Was ist am Genitiv so attraktiv gewesen, daß "dank" und "trotz" sich den auch untertan gemacht haben? (Aber das ist wohl letztlich ein zu weites Feld, die Entstehung der Präpositionen und der Konjunktionen überhaupt und der unterordnenden Konjunktionen im besonderen.)

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.09.2014 um 04.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1407

Fast immer ist Analogie im Spiel, in diesem Fall also das Vorbild anderer Konjunktionen.
Wir beobachten das Entstehen neue Konjunktionen, z. B. im Fall(e) aus im Fall(e) daß.
Außerdem ist bei der Kasusrektion mit Hyperkorrektheit zu rechnen, gerade bei den Gebildeten. Das kommt besonders beim Genitiv in Betracht, der in vielen Verwendungen ausstirbt und gerade deshalb als des Feinere empfunden wird. Dazu mag die substantivische Herkunft von trotz und dank verführen, denn der Genitiv ist ja der adnominale Kasus schlechthin. Das einfache Volk und der Dialektsprecher sprechen also "richtig", der Gebildete spricht "falsch".

Meine Mutter, ihrer Schulbildung folgend, brachte mir den Genitiv bei, wo sie von sich aus wohl den Dativ verwendet hätte, und ich muß mich heute noch überwinden, meinem besseren Wissen zu folgen und den Dativ wieder in seine Recht einzusetzen.

 

Kommentar von Theodor Ickler , verfaßt am 15.09.2014 um 04.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1408

Ich bin kein Anglist, aber vielleicht ist folgendes nicht ganz verkehrt: In der Schule haben wir gelernt out of the window, so daß ich mich wunderte, als ich out the window las. out ist ursprünglich, wie die meisten alten Präpositionen, Adverb, so daß of hinzuzufügen war, wenn es "transitiv" gebraucht wurde. Der Wegfall von of macht es selbst transitiv, also zur Präposition. Die Muttersprachler diskutieren den Fall kontrovers, vor allem hinsichtlich möglicher Bedeutungsunterschiede, vgl. etwa hier: http://languagelog.ldc.upenn.edu/nll/?p=3167

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.09.2014 um 11.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1409

out the window ist ein Amerikanismus und, wie Herr Ludwig vermutlich gleich einwerfen wird, wohl demzufolge ein Germanismus.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.09.2014 um 14.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1410

Im Mittelhochdeutschen war der Genitiv sehr beliebt, besonders der partitive. Aber das war die Sprache der Gebildeten, und von denen gab es nicht viele. Mit Luthers Bibel bekam die Volkssprache mehr Gewicht.

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 15.09.2014 um 23.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1411

Zu #1409: Nein, das würde ich nicht sagen, obwohl ich, der ich in der Schule auch gelernt habe, when one puts something into the pot, then it is in the pot, mir zu dem Ausdruck "out the window" hier (#1408) natürlich auch gleich meine Gedanken gemacht habe, weil ich oft genug gehört habe: Just put it in the pot. Nach der Schule, beim Studium, lernte ich dann, daß die Sprache von Auswanderergruppen konservativer ist als die zu Hause und in vieler Hinsicht älteren Sprachstand beibehalten hat. Und wenn meine Studenten sich amüsierten, wenn ich einige Amerikaner aus dem Hinterland hier zitierte, denen ich aufs Maul schaute und die auch ohne deutschen Hintergrund sagen: I'll make me some fried eggs, dann zitierte ich ihnen die Beetles und Gottes Wort "I'll lay me down like a bridge over troubled waters", und die aufmerksamen unter ihnen verstanden dann, daß zu Reflexivpronomen doch etwas mehr zu lernen ist als in ihrer präskriptiven Schulgrammatik stand. Auch "Don't throw your money out the window" ist guter Ratschlag; und jetzt, wo die Wahlen bevorstehen, fügt fast jeder Kandidat zu seiner Werbeanzeige "And I approve this message" hinzu, wofür ich früher fleißig "I approve of this message" gelernt hatte, weil ich ja meine Versetzung nicht gefährden wollte. Als ich später einmal meine alte Schule wieder besuchte und da beim Englischunterricht zuhörte, wo der Lehrer vor den Schülern darauf bestand, daß "in diesem Augenblick" englisch nur "at this moment" heiße, weil ein Punkt im Zeitablauf gemeint sei, fragte der Austauschschüler aus Philadelphia da, ein Schwarzer: "What's wrong with 'in this moment'?" Und ich mußte dem Lehrer dann auf seine Frage hin auch sagen, daß so manches, was in den Lehrbüchern als bestes Englisch verkauft wird, nicht das ist, was das Volk spricht, und der Austauschschüler zitierte durchaus richtig, was er sein Leben lang in einer großen Stadt, also nicht irgendwo im Hinterland, schon immer gehört hatte, auch von seinen Lehrern, die immerhin so gut waren, daß er ein Austauschstipendium bekommen hatte und an einem deutschen Gymnasium erfolgreich mitmachen konnte.

Hatte ich dies hier schon mal vorgebracht (das auch immer meine mittelwestlichen Studenten amüsierte): Mein Arzt zu mir: "Lay down." - Ich: "What?" - Er: "Lay down." - Ich: "What?" - Er denkt, ich als Ausländer mit meinem Akzent hätte ihn nicht verstanden, und wiederholt: "Lay down." - Ich weiß, daß er seinen B.A. von einem College nicht weit weg von uns bekommen hat, mit dem wir etwas in Konkurrenz liegen (die haben wesentlich mehr Geld als wir und auch ein besseres Public-Relations-Büro, aber wir bilden natürlich unsere Studenten weit besser, und im Schwimmen sind wir - das ist sogar national bekannt -, sowieso weit besser als die, und der Coach von denen, ein guter Freund von mir, mit dem ich im Sommer im Seengebiet von Nordminnesota zu seinen besten Angelstellen paddle, gratulierte meiner Tochter bei den Staatsmeisterschaften besonders herzlich, weil sie so gut schwimmen konnte), - meinem Arzt also helfe ich, weil ich höflich bin, mit der Frage: "You want me to lie down." - Er: "Yes. Lay down." Und ich lasse es dabei bewenden, denn er untersucht mich, so gut er kann, und ich weiß: "Standard English is the English of those people who run the affairs of the English-speaking world." Und im Sprechzimmer meines Arztes ist meine Gesundheit die wohl wichtigste "affair of the English speaking world", und diese Definition von "Standard English" ist richtig, auch wenn sie nicht unbedingt das Englisch beschreibt, das nach so einigen Lehrern und Lehrbüchern bestens aufs Abitur vorbereiten soll. - Mein Akzent hier ist übrigens nach einem halben Jahrhundert hier immer noch stark deutsch; aber ein freundlicher irischer Autor hatte mir frühem Zwanziger mal bei einem Amerikastudien-Seminar (in einem Salzburger Schloß) für recht aktive Europäer Mut zugesprochen, ich solle diesen Akzent nicht aufgeben, auch Shakespeare habe so ähnlich gesprochen. Und ich weiß natürlich sowieso: Nur Schauspieler und Spione müssen englisch total unauffällig sprechen können. Kissingers und mein Englisch ist nach moderner Kategorisierung übrigens das von "hyper-educated non-native speakers." Daß nur the Queen's English eben das beste Englisch sei, "[t]hat conventional wisdom is out the window now. That's good news", so ABC Nightline jedenfalls schon vor langem, und vor kurzem gab's da was von einem Hundertjährigen zu lesen, "Who Climbed Out the Window", und das gibt's jetzt auch als Film. What's wrong with "out the window"?

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 16.09.2014 um 15.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1412

Den sprachlichen Konservativismus von Auswanderern in Ehren, aber out the window ist nicht alt, sondern vor 1800 praktisch nicht nachweisbar.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 16.09.2014 um 16.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1413

Ich habe den Eindruck, daß "into" sehr oft durch "in" ersetzt wird.

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 17.09.2014 um 22.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1414

Zu "Ich habe den Eindruck, daß "into" sehr oft durch "in" ersetzt wird": Wenn wir so etwas sagen, implizieren wir, daß "into" die "richtige" und ursprüngliche Präposition für diese Situationen sei. Das ist sie aber nicht. Im Deutschen – ja auch einer germanischen Sprache – haben wir und hatten wir nie ein *inzu. Interessant ist jedoch, daß die Sprache bei diesen Präpositionen ein Interesse zeigt, deutlich zu unterscheiden, ob ein Vorgang aufs Objekt der Präposition zu ausgerichtet ist oder ob er an dieser Stelle stattfindet. Wir tun das mit den Fällen Akkusativ und Dativ. Erst als diese im Englischen nicht mehr zu unterscheiden waren, war es scheinbar nötig, diesen Präpositionen ein eindeutig richtungweisendes "to" hinzuzufügen (into, onto). Aber mit nur ganz wenigen Ausnahmen ist durch das Verb völlig klar, was genau gemeint ist. Aus dem Zusammenhang gerissene Beispiele erweckten jedoch den Anschein, daß nur die Form mit "to" die richtige sei, wenn's sich um Bewegung auf etwas zu handelt, und das machte Schule. Aber auch bei "My son drives the car on our property" ist aus dem Zusammenhang klar, ob er da Autofahren übt oder das Auto da in Sicherheit bringt. Bei "My son drives the car behind the house" ist ja zur Unterscheidung auch kein weiterer Zusatz nötig. Heute, wo wir weniger präskriptiv geworden sind, setzt sich wieder viel von der natürlichen Sprache durch und man bekommt "den Eindruck, daß "into" sehr oft durch "in" ersetzt wird." Und "Drive slow" auf dem Schild am Straßenrand hier ist ein guter Hinweis, und man kann sich bei einem Unfall nicht damit herausreden, daß man die Warnung nicht verstanden hätte, weil sie ja nicht auf englisch wäre.

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 28.01.2016 um 22.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1683

Mal was zum englischen Stil (www.bbc.com/news/science-environment-35421742): "Thanks to the increase in the global human population and the rapid expansion of international travel, the flat bodied bed bug has become a source of considerable irritation in hotel rooms all over the world." - Thanks.


 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 30.01.2016 um 11.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1684

Zusatz am 30.1.zu #1683: "The rabbit was discovered on the roof of Woodbank House, a residential care home, after a night of heavy winds thanks to Storm Gertrude." (www.bbc.com/news/uk-northern-ireland-35440440, 29.1.16) Es scheint so, als ob hier Englisch, zumindest das bbc-Englische, bei "thanks to" nichts mehr von einem höflichen Dankeschön im Sinn hat, wo ich mit meinen Lateinkenntnissen halt doch nur "because of" sagen würde.


 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.02.2016 um 11.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1687

Ich denke, das hat "thanks to" mit der deutschen Präposition "dank" gemeinsam.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 04.02.2016 um 14.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1688

Man kann sogar folgenden Beleg finden: 'She died thanks to a series of bad decisions.' Schlechter Stil ist es trotzdem.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.02.2016 um 10.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1689

Auch lat. gratia ist verallgemeinert worden, und heute aus traurigem Anlaß:

In Rosenheim hat ein schweres Zugunglück für mehrere Tote und mindestens 100 Verletzte gesorgt.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 11.02.2016 um 17.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1690

Fußballtrainer Jürgen Klopp hat das Deutsche Englisch erfunden (siehe spiegel.online).

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2016 um 07.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1691

Übrigens: Die "Präpositionen" gratia und causa regieren den Genitiv, natürlich wegen ihrer substantivischen Herkunft. Sonst regieren lateinische Präpositionen wegen des Kasussynkretismus nur noch Akkusativ und Ablativ.

(An solche Kleinigkeiten denken diejenigen nicht, die vom Lateinunterricht eine Verbesserung des deutschen Sprachgebrauchs erwarten.)

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 18.02.2016 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1692

Zum Lateinunterricht fällt mir immer zuerst Ludwig Thomas "ut mit dem Konjunktiv!" ein.

 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 27.02.2016 um 09.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1693

Es gibt auch Belege für "no thanks to" (vgl. http://idioms.thefreedictionary.com/no+thanks+to), aber das macht es auch nicht gerade schöner. Ich würde hier "due to" als guten Stil bevorzugen.

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 27.02.2016 um 16.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=192#1694

zunächst <-> bisher: "Mann in Karlsruhe erschossen [//] Karlsruhe (dpa [heute]) - [...] Er wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo er noch in der Nacht starb. Die Zeugen hatten außerdem einen Unbekannten vom Tatort flüchten sehen. Eine Fahndung verlief zunächst erfolglos." Hier endet die Meldung.

 

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