23.05.2005


Theodor Ickler

Untot

In der Kölner Ringvorlesung über Rechtschreibung hält übermorgen Prof. Nerius einen Vortrag über die Rechtschreibreform.
Bei nochmaliger Lektüre seiner Schriften habe ich gefunden, daß Nerius praktisch alle einzelnen Punkte der gegenwärtigen Reform ablehnt. Trotzdem wird er sie verteidigen, wie schon bisher. Er wird sagen, daß er sich eine weitergehende Reform gewünscht hätte (Kleinschreibung), daß es sich nun mal um einen Kompromiß handele, daß es ohne Staat nicht gehe, weil die Rechtschreibnorm sich nicht von selbst regele (dies wird er als eine Illusion von Reformkritikern bezeichnen), daß der Staat seinerzeit die Regelungskompetenz an sich gezogen habe und sie auch weiterhin ausüben müsse. Er wird ferner klarstellen, daß die DDR zu keinem Zeitpunkt geplant hatte, im Alleingang eine Reform durchzuführen (das weiß er als ehemaliges SED-Mitglied ganz genau), so daß eigentlich von westdeutscher Seite kein Grund bestand, Alarm zu schlagen. Kritische Einwände wird er äußerst verbindlich, manche werden finden: aalglatt, zur Kenntnis nehmen und insgesamt seine Hände in Unschuld waschen. Ein klein wenig Gift wird er verspritzen, indem er den Reformkritikern die Schuld an der gegenwärtigen Verwirrung zuschiebt, jedenfalls als rhetorische Frage verkleidet. Aber sonst alles sehr zahm, richtig seriös.
Das war's. Man braucht gar nicht hinzugehen.
Oder gehen Sie doch hin und fragen Sie ihn, warum die Kommission entlassen worden ist!


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