25.05.2005


Theodor Ickler

Dialektik der Empörung

Die Schriften der Reformer, besonders der Frühzeit, glühen von heiligem Zorn gegen den Duden.
Noch heute empören sie sich gern über die Standardbeispiele radfahren/Auto fahren, in bezug/mit Bezug und sitzenbleiben/sitzen bleiben.

Aber genau besehen, sind der Zorn über den Duden und das Frohlocken über seine Entmachtung nur die Kehrseite des Gesetzesfetischismus deutscher Männer (Frauen waren nie beteiligt). Irgendwo, so dachten die notorischen Prozeßhanseln, muß doch für jeden Fall, und sei er noch so entlegen, die eine und wahre Gesetzesvorschrift zu finden sein. Der Duden war der Gott, der uns in seiner Unerforschlichkeit Gesetze auferlegte, die wir niemals alle befolgen konnten, schon weil sie kafkaesk verborgen waren, so daß wir ständig und überall sündigten, ohne es zu wissen. Ein theologischer Gedanke. Ich übertreibe nicht, bei Schaeder ist es ja nachzulesen.


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