12.09.2008


Theodor Ickler

Satzklammer

Noch einmal zu einem alten Thema

In meiner Rede zum Deutschen Sprachpreis und dann im gekürzten Abdruck in der "Süddeutschen" hatte ich die Schwierigkeit der deutschen Satzklammer (Verbzweitstellung in Tateinheit mit Linksspezifikation, genauer gesagt) dargestellt.
Dem Lob dieser Konstruktion (u.a. durch Friedrich Kainz und Hans-Werner Eroms) konnte ich mich nicht anschließen, da diese Besonderheit des Deutschen nachweisbar fehlerträchtig ist, und zwar nicht nur für Ausländer wie Mark Twain. Eroms antwortete in seiner Dudenpreisrede, bezeichnete allerdings im gleichen Atemzug die Satzklammer als "schweres Erbe der deutschen Sprachgeschichte" – also haargenau dasselbe wie meine Einlassung. Dann pries er einen Satz von Ulla Hahn als vorbildlich: Selbst nach dem Auffüllen des Luftbefeuchters bei Dr. Viehkötter erlag ich den Einflüsterungen des Satans, der mir noch einmal einen Underberg – reine reine reine Medizin – einzuflößen versuchte, nicht. (Ulla Hahn, Das verborgene Wort, S. 588)
Eroms kommentiert: "Erst ganz zum Schluss wird es Gewissheit, dass die Erzählerin nicht den Einflüsterungen des Satans erliegt. So lange hält die Spannung an." Aber woher soll hier eine Spannung kommen? Es entsteht weder Ungewißheit noch Spannung, sondern eine falsche Sicherheit. Der Leser wird schlicht irregeführt und erst ganz zum Schluß darüber aufgeklärt, daß er einer falschen Annahme gefolgt ist. Was ginge verloren, wenn die Negation gleich nach erlag ich stünde? Ich halte den Satz für mißlungen. In der volkstümlichen Stilistik ist die allzu spät nachklappende Negation mit Recht immer als Stilfehler bezeichnet worden.


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