15.06.2010


Theodor Ickler

Tiefenkasus

Dudengrammatik auf Abwegen

Von der Haltlosigkeit der sogenannten Kasustheorie, Tiefen-Kasuslehre, semantischen Valenz o.ä. kann man sich in der Dudengrammatik überzeugen. Gleich auf der ersten Seite des Kapitels "Der Satz" (von Peter Gallmann) liest man folgendes:

(Das Wort fragen) "verlangt drei Ergänzungen, nämlich ein Agens, einen Rezipienten und ein Patiens. Die folgenden Satzglieder erfüllen diese Anforderung:
Satzglied: [Anna] = Agens (handelnde Person)
Satzglied: [den Verkäufer] = Rezipient (Person, die die Frage entgegennimmt)
Satzglied: [nach schnelleren Geräten] = Patiens (betroffener Sachverhalt)."

Nach dieser Analyse wäre der Aufbau derselbe wie in Anna gibt dem Verkäufer ein Gerät.
Es ist nicht klar, woher das "Entgegennehmen" kommt, denn in Wirklichkeit ist das Fragen ein Auffordern zu einer Antwort.
Die schnelleren Geräte nehmen überhaupt nicht an der Handlung teil. Lediglich ihre Benennung spielt eine Rolle; die Präpositionalergänzung ist auch nur die Verkürzung eines indirekten Fragesatzes (ob es schnellere Geräte gibt o. ä.).

Das ist nur ein Beispiel für die Sintflut von munter zugeteilten Kasusrollen, die seit einigen Jahren die sprachwissenschaftlichen Arbeiten überschwemmt. Ob ich es noch erlebe, daß wir daraus wieder auftauchen?


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