13.06.2011


Theodor Ickler

Störfaktor Englisch

Aus einem alten Tagungsprotokoll der SPD

Vor gut zehn Jahren veranstaltete die SPD-Bundestagsfraktion eine der vielen folgen- und daher auch sinnlosen Debatten zur Sprachpolitik: Die Zukunft der deutschen Sprache. Themenabend der SPD-Bundestagsfraktion 24. Oktober 2000.

Die Journalistin Marianne Heuwagen, nach eigenen Angaben 11 Jahre in den USA tätig gewesen, sagt u. a.:
„Zur Zeit Friedrichs des Großen haben die gebildeten Schichten französisch gesprochen. Ich wüsste nicht, dass das in irgendeiner Weise der deutschen Sprachentwicklung abträglich gewesen wäre.“
Nun, die deutsche Sprache hat sich weiterentwickelt, aber mit dem Französischsprechen hat man aufgehört, weil es zwar nicht der deutschen Sprachentwicklung geschadet, aber anscheinend die Verständigung zwischen den Volksschichten gestört hat. Darum haben ja auch die Verdeutscher sich erfolgreich eingemischt. Nach Heuwagen hätten sie dazu keinen Grund gehabt. Auf die Anglizismenkritik antwortet sie mit dem Vorwurfe der Heuchelei bei unseren Gebildeten:
„In unserem Bereich, in den Medien, findet man heute immer noch – vor 10 Jahren war das noch viel häufiger der Fall – Leitartikler, die genüsslich ihre Leitartikel mit lateinischen Sätzen untermauern, um zu beweisen, wie gebildet sie sind. Darüber hat sich nie einer aufgeregt. Ich meine, das können viele Leser nicht verstehen, die nicht lateinisch gelernt haben in der Schule. Aber es galt immer auch unter gebildeten Kreisen in Deutschland als akzeptabel, dass man auf diese Art und Weise seine Bildung vor sich her trägt. Das ist übrigens im angelsächsischen Bereich in den Vereinigten Staaten, wo ich den Journalismus gelernt habe, ganz anders. Da ist das absolut verpönt, da werden Journalisten gebeten, Standard American English zu verwenden, d. h. einen Wortschatz, den jeder verstehen kann, und nicht durch den Gebrauch von Fremdworten Menschen und Leser auszuschließen, die das nicht beherrschen.“
Daraus würde eigentlich die Forderung folgen, daß unsere deutschen Journalisten ebenfalls ein reines "Standarddeutsch" schreiben sollten, aber Heuwagen findet ja im Gegenteil die englischen Einsprengsel ganz in Ordnung, nur eben nicht die lateinischen: "Ich halte Anglizismen nicht für einen Störfaktor in der deutschen Sprache." Komische Logik.

Manfred Bierwisch sagte bei derselben Gelegenheit zur Rechtschreibreform: „Zwischen englischer Indolenz und französischer Regelungswut stehend, ist das Dümmste passiert: Zentralistische Verordnung auf der Basis desinteressierter Unkenntnis. Die KMK hat ohne Not etwas beschlossen, das der Tradition hätte überlassen bleiben können.“
Und der bekannte Rechtschreibreformer Peter Eisenberg sagte: "Sie werden sehen, die Erfahrung mit der Orthographiereform, das wird ein Schrecken ohne Ende."
An der Verlängerung des Schreckens sollte er ja in den folgenden Jahren tatkräftig mitwirken.


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