23.06.2005 Theodor Ickler Neuer SchlauchDas Moratorium war die wahrscheinlichste „Lösung“.Wenn es tatsächlich dazu kommt, können wir schon mal überlegen, was es bedeutet. Zunächst einmal sieht die Öffentlichkeit, daß es mit der besten Rechtschreibreform aller Zeiten nicht so recht vorwärtsgeht. Dann steht fest, daß es ein weiteres Jahr keine Rechtschreibunterricht mehr geben wird – Pech für die 14 Millionen Schüler, die immer noch glauben, in der Schule würden ihnen Basistechniken beigebracht. Ein Jahr ist viel Zeit. Es reicht jedenfalls aus, die Unhaltbarkeit der mehrfach reparierten, aber eben leider irreparablen Reform auch dem Letzten klarzumachen. Der Rat wird doch mehr arbeiten müssen, als er es sich für die nächsten Jahre vorgestellt hat. Die Arbeitsgruppen müssen wieder ran. Es gilt, die Groß- und Kleinschreibung zurückzunehmen, und vor den Augstschen Phantastereien wird man auch nicht haltmachen. Nach einem Jahr kann naturgemäß von der Reform nichts mehr übrig sein. Mit dieser Aussicht dürfte es einigen großen Medien nicht schwerfallen, nun dem Spuk ein Ende zu bereiten. Ich kann mir den Chefredakteur oder Verleger nicht recht vorstellen, der jetzt noch sagt: Machen wir erst mal so weiter und sehen zu, was die Arbeit des Rates am Ende erbringt. Wie sieht denn die Agenturschreibung angesichts der Arbeit des Rates in den letzten Monaten aus? Ziemlich aus der Welt, die Leute. Falls der Rat überhaupt noch weiterarbeiten will, wozu aber manche Mitglieder nicht viel Lust verspüren dürften, müßte er sich allmählich vom Korsett der Neuregelung freimachen und den neuen Wein tatsächlich in einen neuen Schlauch gießen. Es wirkt allmählich lächerlich, immer noch so zu tun, als paßten die bewährten Schreibweisen in das nichtbewährte Regelwerk. Schon den § 34 und die folgenden zerreißt es ja förmlich nach allen Seiten. Die Vorgabe, daß der äußere Rahmen erhalten bleiben müsse, stammt noch aus dem Abwehrarsenal der entlassenen Kommission. Die leidende Öffentlichkeit müßte auch stärker dagegen protestieren, daß aus der abgehalfterten Kommission immer noch sieben Genossen im Rat sitzen. (Lauter Dudenautoren, nebenbei, dazu noch die beiden Deutschen, so daß Duden tatsächlich sechsmal im Rat vertreten ist.) Nachtrag: Inzwischen hat sich die MPK hinter der Sperrminorität einiger SPD-Länder verschanzt und das Moratorium wieder abgeblasen. Das spielt keine große Rolle, weil die Wirkung in der Öffentlichkeit noch verheerender ist. Soweit ich weiß, ist die MPK so wenig ein Verfassungsorgan wie die KMK: »Ministerpräsidentenkonferenz ist eine Form der Kooperation zwischen den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, die sich auf die Beratung von Grundsatzfragen beschränkt, ohne daß der Konferenz eine Beschlußkompetenz übertragen ist. Teilnehmer sind die Ministerpräsidenten oder ihre Stellvertreter.« (Rechtslexikon) Einstimmigkeit kann sie sich verordnen oder es auch bleiben lassen. Wenn die Unionsländer sich nicht wehren, stehen Wulff und seinesgleichen endgültig als Papiertiger da. Im „Rat“ wird man weiterhin so tun, als beschäftige man sich mit einer seriösen Angelegenheit, aber ganz ohne Einfluß auf die Stimmung wird es nicht bleiben. Bin wirklich gespannt, wer nächsten Freitag noch zur Komödie erscheint. Und dann erst, wenn wir die „unstrittigen“ Reformteile diskutieren!
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