06.11.2014


Theodor Ickler

Deixis und Subjektivität

Ein Schrittchen zur Naturalisierung des Geistes

Viele Sprachen unterscheiden zwischen einer Deixis der ersten und einer Deixis der zweiten Person, also lat. zwischen hic und iste, griechisch hode und houtos usw. (Die Ferndeixis und weitere Abstufungen lasse ich hier weg.)
Es fällt nun auf, daß dieselben pronominalen Stämme auch zur Textphorik, also zum Voraus- und Zurückverweisen gebraucht werden, und zwar so, daß mit der Deixis der zweiten Person auf schon Gesagtes, mit der der ersten Person auf noch zu Sagendes verwiesen wird. Wenn man Sonderfälle wie Korrelatives ausschaltet, gilt das mit großer Regelmäßigkeit. Die Erklärung liegt nahe: Was ich schon gesagt habe, ist gewissermaßen "bei dir da"; was ich noch sagen will/werde, ist noch "bei mir hier". So weit, so gut (ich habe es anderswo schon mal ausgeführt).

Schon die bloße Redetechnik setzt also praktisch voraus, daß ich etwas "mitteilen" oder eben auch "für mich behalten" kann. Beide Techniken verweisen auf etwas nicht (nicht mehr oder noch nicht) Wahrnehmbares – aber wo ist es? Im "Geist" natürlich. Auch ohne ausdrücklich darüber nachzudenken, setzt jeder der beiden Gesprächspartner eine "Innerlichkeit" voraus, einen (metaphorischen) Raum radikaler Privatheit. Daß du nicht weißt, was ich denke – und umgekehrt –, gehört zu den Voraussetzungen des Sprechens.


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