31.01.2006


Theodor Ickler

Beschluß gefasst

(sic!)

Schon 1996 wurde in Bayern ein Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform erwogen.
Ein Erlanger Professor für Staats- und Verwaltungsrecht behauptete in einem Zeitungsinterview, daß ein solches Volksbegehren unzulässig sei. Auf einen kritischen Brief von mir antwortete er am 8.1.1997:
"In meinem Interview in den Nürnberger Nachrichten vom 20./21.12.1996 habe ich bewußt jede Stellungnahme zur Sinnhaftigkeit der Rechtschreibreform vermieden. Hierfür sind die politischen Gremien zuständig, die nach mehrjähriger Beratung darüber auch einen entsprechenden Beschluß gefasst haben. Juristisch bindet dieser Beschluß alle Beteiligten, auch den Freistaat Bayern. Ein Ausscheren Bayerns von diesem Beschluß liefe von daher auf einen bayerischen Sonderweg hinaus und verletzte die inhaltlichen Absprachen. (...) Sollte tatsächlich Nachbesserungsbedarf bestehen, so obliegt es der Exekutiven darüber zu bescheiden und die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Der Weg über das Volksbegehren ist hierfür nicht geeignet." (Orthographie wie im Original)

Man erkennt: Der Kollege hat keine Ahnung von der Sache, äußert sich aber dennoch mit der ganzen Wucht juristischer Fachkompetenz. Es ist dieselbe gravitätische Diktion, die wir später im Karlsruher Rechtschreiburteil antreffen.
Inzwischen hat es ein Volksbegehren gegeben, es wurde für zulässig befunden und war erfolgreich; staatliche Willkür hat es annulliert. Bayern hätte damals so wenig irgend etwas ("Sonderweg", "inhaltliche Absprachen" – was sind denn das für Begriffe bei einem Staatsrechtler?) verletzt, wie es 2005 mit seinem Ausscheren aus den "Absprachen" von MPK und KMK etwas verletzte.

(Der Name des Kollegen tut nichts zur Sache; er ist fünf Jahre später tödlich verunglückt.)


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