17.02.2006


Theodor Ickler

Erste Bürgerpflicht

Politiker sollten ja dem Gemeinwohl dienen

Bekommt man mehr oder weniger zufällig Einblick in das, was Kultusminister oder Ministerpräsidenten untereinander wegen der Rechtschreibreform besprechen, so hat man den Eindruck, daß es ihnen nur darum geht, wie sie die Bevölkerung hereinlegen können.
Und das nicht etwa aus Überzeugtheit von der Vortrefflichkeit ihrer Sache, nein, sie sind im Gegenteil eigentlich derselben Meinung wie die Mehrheit, daß die ganze Reform ein elender Mist ist. Vielmehr soll der Bevölkerung beigebracht werde, daß nur Politiker legitimerweise zum Handeln berufen sind und jede Eigenaktivität der Leute unerwünscht ist. Daher die Angst vor Volksentscheiden und das brutale Annullieren eines solchen in Schleswig-Holstein. Bezeichnenderweise waren sich alle sonst zerstrittenen Parteien sofort einig, daß die Volksgesetzgebung so schnell wie möglich vom Tisch mußte.

In diesen Zusammenhang gehört sicher auch die Warnung vor "Panik", sobald irgendeine Gefahr auftaucht und die Bevölkerung ihre Sache selbst in die Hand nimmt. Mir fiel das zum erstenmal auf, als anläßlich von Tschernobyl unsere Bundesregierung es für besonders schlimm zu halten schien, daß manche Leute ihre Salatköpfe wegschmissen und wohl gar die oberste Bodenschicht ihrer Gartenbeete abtrugen. Das wurde aufs schärfste mißbilligt, obwohl es ja niemandem einen Schaden zufügte. Heute ist es die Vogelgrippe, gegen die von der Regierung zwar kaum Vorkehrungen getroffen wurden, aber an Warnungen vor "Panik" läßt sie es nicht fehlen. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, und Regierungen irren nie. Was will Zehetmair in Übereinstimmung mit der KMK? Den "Rechtschreibfrieden" – und nicht etwa eine sprachlich richtige Rechtschreibung, wie wir sie mal hatten.


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