20.04.2006


Theodor Ickler

Reformschreibung in Fachtexten

Noch ein Beispiel

Soeben erschien von Ursula Götz/Stefanie Stricker (Hg.): Neue Perspektiven der Sprachgeschichte. Heidelberg: Winter 2006.
In neuer Rechtschreibung, aber nur Annette Klosa (Dudenmitarbeiterin) und Ratsmitglied Norbert R. Wolf schreiben noch so genannte, orthografisch, weit gehend normiert; sonst ist alles so konservativ wie möglich. In Petra Ewalds Beitrag über die Geschichte des Apostrophs wird zweimal Apost-roph getrennt. Norbert R. Wolf schreibt Nomen actionis, Nomen acti usw., außerdem voran gefahren, Kohärenz stiftend wirken, eine Muster bildende Wirkung, Gottfried von Strassburg. Bei Heinrich Tiefenbach steht im allgemeinen, derartiges, in Werner Königs Beitrag: recht geben, folgendes. Eroms schreibt mehrmals Wolframsche Stilfigur u.ä. und im einzelnen; es heißt bei ihm auch: dass sei auch im Sinne des Publikums. Nerius behauptet, die Reform von 1996 habe einzelne neue Varianten eingeführt wie Gewinn bringend – gewinnbringend, Erfolg versprechend – erfolgversprechend. Aber das letzte Beispiel steht gar nicht in der amtlichen Fassung, und die Wörterbücher haben die Zusammenschreibung zunächst unwidersprochen für abgeschafft gehalten. Das war ja gerade der Hauptkritikpunkt. Nerius suggeriert nun, daß die Revision mit ihrer Wiederzulassung der Zusammensetzungen schon in der Urfassung angelegt war. Selbst bei gewinnbringend, das ohne Rechtfertigung durch eine Regel im Wörterverzeichnis stand, kann von einer bloßen „Variante“ keine Rede sein, denn die Verwendungsbedingungen waren und sind unterschiedlich, und neu war die Getrenntschreibung gerade aus diesem Grund auch nicht: sehr gewinnbringend/großen Gewinn bringend entspricht ja genau der herkömmlichen und grammatisch einzig möglichen Schreibweise. Wozu also die Sternchen in der amtlichen Neuregelung? Der Altreformer will sich aus der Verantwortung schleichen.
Ich habe nur Stichproben gemacht, sie zeigen aber schon die neue Verwirrung und Unbeholfenheit selbst in einem Text, der noch einmal durchredigiert worden ist.


Den Beitrag und dazu vorhandene Kommentare finden Sie online unter
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=489