01.12.2006


Theodor Ickler

Inzwischen zunehmend

Einiges zur Political correctness

Noch mehr zu Dudens Deutschem Universalwörterbuch (6. Auflage 2006; siehe auch: »Duden – politisch korrekt«)

Die Buchstaben sind stellenweise so verschoben, daß in meiner Ausgabe z. B. Passe par tout in drei Wörtern geschrieben zu sein scheint. Verrutscht ist der Blaudruck der Stichwörter noch auf mehreren Seiten (1059, 1205, 1333 u. a.), so daß die senkrechten Trennungsstriche mit den Buchstaben zusammenfallen.

Immer noch – wie im neuen Rechtschreibduden – findet man die kürzlich abgeschafften Großschreibungen heute Früh, morgen Früh. Wie im Rechtschreibduden heißt es Lupus in fabula mit unerklärlicher Kleinschreibung des abhängigen Substantivs. Man wundert sich ja überhaupt, warum zwar Ars Inveniendi usw. geschrieben werden soll, aber nicht in Petto usw.

Nun aber einiges zur Political correctness:

Anders als im Synonymwörterbuch gehen die Wörter irre, Trinker, Bahre und Leichenwagen neuerdings ohne Warnung durch.

normal:

"In dieser älteren, wertenden Bedeutung sollte das Wort normal im öffentlichen Sprachgebrauch nicht mehr verwendet werden. Das gilt besonders dann, wenn es als Gegensatzwort zu 'geistig behindert' gemeint ist.“

pervers:

„Der Bezug des Wortes pervers auf Menschen und sexuelle Praktiken und Verhaltensweisen stellt eine starke Diskriminierung dar. Die Verwendung sollte also nicht unüberlegt erfolgen.“

Synonymwörterbuch: „Die Verwendung des Wortes pervers in Bezug auf Menschen oder auf sexuelle Praktiken und Verhaltensweisen ist stark diskriminierend. Die im Folgenden genannten Synonyme sollten allerdings ebenso wenig unkritisch gebraucht werden.“

Neger:

„Die Bezeichnung Neger gilt inzwischen als stark diskriminierend. In Deutschland lebende Menschen dunkler Hautfarbe haben die Ausweichbezeichnung Afrodeutsche(r) vorgeschlagen. Diese setzt sich immer mehr durch.“ (In der Wikipedia wird der Begriff "afrodeutsch" ganz anders dargestellt und geradezu als "abwegig" bezeichnet.)

Negerkuss:

„Wegen der Anlehnung an die diskriminierende Bezeichnung Neger sollte das Wort Negerkuss ebenfalls vermieden und durch Schokokuss ersetzt werden.“

Eskimo:

„Die Verwendung des Wortes Eskimo ist umstritten, da es »Rohfleischesser« bedeutet und deshalb in der Sprache dieser Volksgruppe nicht verwendet wird. Die Eigenbezeichnung (im Plural) ist Inuit.“

Nun, auch die Chinesen nennen sich selbst nicht so. Andererseits soll bei den Juden die Eigenbezeichnung auch wieder nicht unbedenklich sein:

Jude:

„Gelegentlich wird die Bezeichnung Jude, Jüdin wegen der Erinnerung an den nationalsozialistischen Sprachgebrauch als diskriminierend empfunden. In diesen Fällen werden dann meist Formulierungen wie jüdische Menschen, jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger oder Menschen jüdischen Glaubens gewählt.“

Vor Judentum wird anders als im Synonymwörterbuch nicht mehr gewarnt.

„Wegen des Bezugs auf die gesamte Bevölkerungs- und sprachliche Gruppierung wird in der Sprachwissenschaft die Bezeichnung Eskimoisch beibehalten und nicht diskriminierend gebraucht.“

Aber Eskimo wird auch nicht diskrimierend gebraucht. Übrigens fehlt bei der Eskimorolle jeder entsprechende Hinweis.

Mulatte:

„Die Bezeichnung Mulatte, Mulattin wird wegen des etymologischen Bezugs zunehmend als diskriminierend empfunden. Da jedoch keine Ausweichbezeichnung existiert, werden die Wörter in bestimmten Kontexten (wie z. B. in Bevölkerungsstatistiken) gleichwohl noch verwendet.“

Die Begründung ist sicher falsch, denn die Etymologie ist den meisten Menschen so undurchsichtig wie seit je. Vielmehr wird der Bezug auf Hautfarbe oder „Rasse“ überhaupt als diskriminierend empfunden.

türken:

„Auch wenn die Herkunft des Wores türken unklar ist, verbindet es sich doch im Bewusstsein der meisten Menschen mit der entsprechenden Nationenbezeichnung. Es wird besonders von türkischstämmigen Mitbürger(inne)n als diskriminierend empfunden und sollte deshalb im öffentlichen Sprachgebrauch unbedingt vermieden werden.“

Mädchen:

„Im modernen Sprachgebrauch sollte das Wort Mädchen nur noch in der Bedeutung Kind weiblichen Geschlechts verwendet werden. In den weiteren veraltenden od. veralteten Bedeutungen gilt die Bezeichnung Mädchen zunehmend als diskriminierend.“

Mohammedaner:

„Die vom islamischen Religionsstifter Mohammed abgeleitete Bezeichnung Mohammedaner, Mohammedanerin sollte im öffentlichen Sprachgebrauch vermieden werden, da Mohammed, anders als Jesus Christus in der christlichen Religion, nicht als Gott verehrt wird. Korrekte Bezeichnungen sind Moslem, Moslemin oder Muslim, Muslimin.“

Muß denn ein Religionsstifter als Gott verehrt werden, wenn man seine Anhänger nach ihm benennen will?

Unkraut:

„Besonders aus ökologischer Perspektive wird das Wort Unkraut häufiger abgelehnt. In diesen Fällen kann dann auf die Bezeichnungen Wildkräuter oder wild wachsende Pflanzen ausgewichen werden.“

Hasenscharte:

„Diese saloppe Bezeicnung für eine Fehlbildung der Oberlippe wird heute aufgrund der eher negativen Assoziation mit beiden Wortbestandteilen zunehmend als diskriminierend empfunden.“

Warum sollte man mit Hasen etwas Negatives assoziieren?

Rasse:

„Ob der Begriff der Rasse auch auf Menschen Anwendung findet, ist inzwischen wissenschaftlich umstritten. Wenn auf entsprechende Unterschiede Bezug genommen werden muss, sollten deshalb Ausweichformen wie Menschen anderer Hautfarbe gewählt werden.“

Zigeuner:

„Die Bezeichnung Zigeuner, Zigeunerin wird vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma als diskriminierend abgelehnt. Die gesamte Volksgruppe wird demnach als Sinti und Roma bezeichnet; die Bezeichnungen im Singular lauten Sinto bzw. Sintiza (für im deutschsprachigen Raum lebende) und Rom bzw. Romni (für im europäischen Raum lebende Angehörige der Volksgruppe). Auch in der zweiten, übertragenen Bedeutung gilt die Verwendung der Bezeichnung inzwischen als diskriminierend. Dagegen sind Zusammensetzungen mit Zigeuner als Bestimmungswort noch weitgehend üblich; so verwendet die Sprachwissenschaft die ausdrücklich nicht diskriminierend zu verstehende Bezeichnung Zigeunersprache, um die gesamte Sprachfamilie zu erfassen. Für die gelegentlich kritisierte Bezeichnung Zigeunerschnitzel existiert bisher keine Ausweichform.“

Ausländer:

„Die Bezeichnung Ausländer für (aus Sprecherperspektive) im eigenen Land lebende Menschen ausländischer Herkunft gilt immer mehr als diskriminierend. Sie wird deshalb zunehmend durch Bezeichnungen wie ausländischer Mitbürger ersetzt.“

schizophren:

„Die Etymologie des Wortes schizophren entspricht der alten Vorstellung von einer 'gespaltenen Persönlichkeit' der Erkrankten, obwohl diese in der modernen Begriffsdefinition der Schizophrenie nicht nur keine Rolle mehr spielt, sondern im Gegenteil von vielen Betroffenen als Diffamierung wahrgenommen wird. Die Bezeichnung ist somit ein Beispiel dafür, dass zuweilen der sogenannte 'wörtliche Sinn' und die Bedeutung eines Wortes nicht übereinstimmen.“?

Mongölchen:

„Gerade diese oftmals ohne diskriminierende Absicht gebrauchte Bezeichnung wird, insbesondere von Eltern betroffener Kinder, wegen ihrer als vollkommen unangemessen empfundenen Verniedlichung scharf verurteilt.“

Entwicklungsland:

„Gelegentlich wird die Bezeichnung Entwicklungsland als unangemessen kritisiert. Zum einen werde eine Entwicklung der so bezeichneten Länder behauptet, die gar nicht stattfinde, zum anderen werde Entwicklung mit Industrialisierung gleichgesetzt. Eine Ausweichbezeichnung existiert jedoch nicht.“

Wohin sollte man auch ausweichen, wenn man diesen kurzen politischen Essay gelesen hat?

Einen nützlichen Hinweis findet man unter Bulle:
„Das Wort Bulle wird häufig in beleidigender Absicht verwendet. In einem Gerichtsurteil aus den 80er-Jahren wurde jedoch festgehalten, dass es nicht 'automatisch' eine Beleidigung darstellt, da es zuweilen auch als Eigenbezeichnung mit ironischer Distanz verwendet wird.“


Hinweis-Kästen gibt es u. a. zu folgenden weiteren Einträgen:

Arbeitsamt

Besitz/Eigentum

Bulle

Dienstmädchen

Eingeborene

Erziehungsurlaub

Fräulein

Friseurin

füttern

Gatte/Gattin

HIV-positiv

Hure

Liliputaner

Masseurin

Mitarbeiter/in

normal

Ober

Platzangst

Studierende

verrückt

Zwergwuchs


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