07.05.2007


Theodor Ickler

Ewig gestrig

Was heißt da „progressiv“?

Bekanntlich haben einige Verlage sich dafür entschieden, im Zweifelsfalle jeweils die „progressive“ Varianten zu wählen. Das sind fast immer die Schreibweisen von vorgestern.

Es war ja anscheinend das Ziel der Rechtschreibreformer, die orthographischen Zustände früherer Jahrhunderte wiederherzustellen, als ob die ganze Entwicklung ein Irrweg gewesen wäre, der die Schreibnorm mit unbegreiflichen Schwierigkeiten übersät hätte:
1. Großschreibung der Nominationsstereotype (Erste Hilfe)
2. Kleinschreibung rein formaler Substantivierungen (des öfteren, bei weitem)
3. Zusammenschreibung der Verbzusätze (aufwärtsgehen, auseinandersetzen)
4. grammatisches Komma (die Aussicht, allein zu bleiben)

Vorige Woche fiel mir die kostenlose Zeitschrift einer hiesigen sozialistischen Studentengruppe in die Hände, und ich stellt nicht ohne Schmunzeln fest, daß sie in Aufmachung und Stil noch genauso aussah wie vor vierzig Jahren. Man hat alles durchschaut und belehrt den Rest der Welt in schneidendem Tonfall über die kapitalistischen Hintergründe der Ereignisse. Nur die Rechtschreibung hat sich geändert: Die sonst so kritischen Studenten unterwerfen sich dem Diktat von Zehetmair und Bertelsmann ... Gegen den von der GEW verbreiteten Mythos von der Progressivität der reformierten Rechtschreibung kommt niemand an. Nützliche Idioten.


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