18.06.2006


SOK

Memorandum der Schweizer Orthographischen Konferenz

Vom 1. Juni 2006.

Die Schweizer Orthographische Konferenz empfiehlt der Presse, den Nachrichtenagenturen und den Buchverlagen in der Schweiz,

bei Varianten in der Rechtschreibung (z. B. aufwendig/aufwändig, aufs äusserste/Äusserste gespannt sein; Kommasetzung und Silbentrennung) die herkömmliche anzuwenden und dort, wo der Grundsatz nicht anwendbar ist, die Wörterlisten der Schweizer Orthographischen Konferenz zu verwenden.


Begründung:

Die neueste Revision der amtlichen Rechtschreibung hat viele herkömmliche Schreibweisen, meist als Varianten, wieder zugelassen. Grosse Verlage (Spiegel, Springer, NZZ) und die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen haben erklärt, grundsätzlich (wieder) diese Schreibweisen in ihren Publikationen anzuwenden (Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“).

Sie haben sich damit für eine zukunftssichere Lösung entschieden; der Rückbau der amtlichen Reformschreibweise zur herkömmlichen Orthographie wird nämlich nicht gestoppt, sondern vielmehr weitergehen: Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat durch seinen Vorsitzenden Zehetmair bereits verkündet, dass er „die Rechtschreibung auch weiterhin peu à peu den Schreibgewohnheiten anpassen“ wolle (FAZ, 28.2.2006). Die Literatur bleibt ohnehin weitgehend bei den herkömmlichen Schreibweisen, auch bei noch nicht wieder zugelassenen.

Die Einhaltung des Grundsatzes „Bei Varianten die herkömmliche“ bietet damit die erfolgversprechendste Basis für eine grössere Einheitlichkeit der Rechtschreibung und unterstützt die Zielsetzung der Schweizer Orthographischen Konferenz, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung zu fördern.

Der Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“ bedeutet, dass beispielsweise aufwendig (nicht: aufwändig), nicht im mindesten (nicht: Mindesten), aufs äusserste gespannt sein (nicht: Äusserste), ein naheliegender Gedanke (nicht: nahe liegender), kennenlernen (nicht: kennen lernen), bekanntgeben (nicht: bekannt geben) geschrieben wird, dass die herkömmlichen Kommaregeln angewendet werden wie auch die morphologische Worttrennung am Zeilenende (Chir-urg, hin-auf).

Unterschiedliche Schreibweisen, die einen Bedeutungsunterschied ausdrücken, sind dabei nicht als Varianten anzusehen. Das heisst, dass in diesen Fällen, anders als in der amtlichen Schulorthographie, die Wiederzulassung der herkömmlichen Schreibweise dazu genutzt wird, den Bedeutungsunterschied klarzumachen: eine Handvoll Kirschen (ungefähr eine Anzahl Kirschen, die in eine Hand hineinpassen), eine Hand voll Kirschen (eine Hand voller Kirschen), ein nahestehender Mann (ein vertrauter Mann), ein nahe stehender Mann (ein Mann, der in der Nähe steht).

Die Rechtschreibung könnte mit einem starren Festhalten am Grundsatz in einzelnen Fällen zwar inkonsistent werden, wo die Revision die herkömmliche Variante zwar zugelassen hat, in verwandten Fällen aber verweigert. Es gibt allerdings soweit heute ersichtlich nur eine sehr geringe Anzahl solcher Fälle (z. B. kennenlernen/kennen lernen, aber nur: lieben lernen, 8-fach/8fach, aber nur: 50-jährig). Sie sind, auch angesichts der weiterhin bestehenden zahlreichen Inkonsistenzen bei variantenlosen Schreibweisen, vernachlässigbar.

Einige Ausnahmen sind aber aufgrund von Besonderheiten in der Schweiz unumgänglich, namentlich bei der Eindeutschung von Fremdwörtern: Communiqué ist in der Schweiz nicht die „alte“ (Duden), sondern die einzige gebräuchliche Schreibweise.

Die Grundsatzregel kann ausserdem in zwei Fällen nicht angewendet werden. Es sind dies:

• gleiche Varianten in herkömmlicher und amtlicher Rechtschreibung (z. B. aufgrund/auf Grund)

• Varianten in der amtlichen Rechtschreibung, von denen keine der herkömmlichen Schreibweise entspricht: z. B. aufseiten/auf Seiten (herkömmlich: auf seiten), mehrgliedrige englische Fügungen wie Cashflow/Cash-Flow (herkömmlich: Cash-flow)

Für diese (drei) Bereiche erstellt die Schweizer Orthographische Konferenz umfassende Listen.


(Die Schweizer Orthographische Konferenz will in der Presse und Literatur der Schweiz eine einheitliche und sprachrichtige Rechtschreibung fördern. Kontakt: Peter Zbinden, pz@sprachkreis-deutsch.ch)



Die Quelldatei dieses Ausdrucks finden Sie unter
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=480