21.07.2006


Theodor Ickler

Noch nicht einmal der Duden hält sich an den Duden

In diesem Sommer erhielten die Buchhändler ein Rundschreiben vom Verlag Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus.

»Zum 1. August 2006 wird die neue deutsche Rechtschreibung endlich überall verbindlich. Die Rechtschreibreform kann damit nach langen Jahren teils heftiger Auseinandersetzungen als abgeschlossen betrachtet werden.« Zugleich wurde den Lehrern ein Prüfstück des neuen Duden angeboten, verbunden mit der »Hoffnung auf entsprechende Klassensatz-Bestellungen für Ihre Buchhandlung«. (Duden: Die deutsche Rechtschreibung. 24., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, hg. von der Dudenredaktion. Dudenverlag, Mannheim u. a. 2006. 1216 S. geb., 20,- Euro)

Werbeprospekte betonten auch sonst die »Endgültigkeit« und »Abgeschlossenheit« der nunmehr »definitiv« gültigen Neuregelung, die am 1. August 2006 »für Schulen und Behörden verbindlich« werde. Dies mußte jeden Sachkundigen und nicht zuletzt die Mitglieder des Rates für deutsche Rechtschreibung erstaunen. Die Arbeit des Rates war auf Wunsch der Kultusminister im Februar 2006 unterbrochen, aber keineswegs beendet worden. Von den sechs Bereichen der Reform waren bis dahin erst dreieinhalb bearbeitet: Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung, Silbentrennung und von der Groß- und Kleinschreibung diejenigen Teile, die auch die Getrennt- und Zusammenschreibung berühren. Der Ratsvorsitzende Zehetmair hatte jedoch erklärt: »Der Rat wird es sich nicht nehmen lassen, sich auch mit anderen Bereichen der Rechtschreibreform zu beschäftigen, um auch hier evidente Ungereimtheiten zu beseitigen.« Damit meinte er die Groß- und Kleinschreibung sowie die Laut-Buchstaben-Beziehungen, insbesondere die schon frühzeitig ins Auge gefaßte Fremdwortschreibung; schließlich den Bindestrich, ein Kapitel von geringerer Bedeutung.

Daß der Rat auch diese Bereiche behandeln »darf«, bestätigte die KMK-Präsidentin Johanna Wanka brieflich: »Sie bitten darum, dem Rat für deutsche Rechtschreibung Freiheit und Zeit zu geben. Freiheit hat er in der Tat, da er keine Vorgabe bekommen hat hinsichtlich seiner Themenwahl. Auch die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz und der Kultusministerkonferenz aus dem vergangenen Jahr sind nicht als thematische Einengung anzusehen, sondern als thematische Prioritätensetzung. In diesem Zusammenhang hat der Rat auch Zeit, denn er ist nicht gebunden, zu einem bestimmten Termin Vorschläge zu unterbreiten.«

Der Behauptung, daß die Neuregelung »für Behörden« oder gar »überall« verbindlich sei, steht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1998 entgegen, das die Verbindlichkeit auf die Schulen beschränkt.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat in mühevollen Beratungsrunden die genannten Teile der Rechtschreibreform so weit repariert, daß zahlreiche sinnvolle Schreibweisen zumindest wieder zugelassen sind. Allerdings sollen die Reformschreibweisen von 1996 großenteils weiterhin nicht falsch sein. Dadurch ist eine Unmenge von »Varianten« entstanden, die der Duden nun durch dreitausend »Empfehlungen« wieder einzudämmen versucht.

Der Verlag versichert, mit diesen gelb unterlegten Empfehlungen zu einer einheitlichen Rechtschreibung beizutragen – was natürlich nur dann der Fall wäre, wenn jedermann sich danach richtete. Einige Zeitungsverlage und Nachrichtenagenturen haben bereits zu Beginn des Jahres 2006 und noch ohne inhaltliche Kenntnis der Empfehlungen versichert, daß sie dazu bereit seien. Der Ratsvorsitzende suchte die Zeitungsverlage persönlich auf, versicherte ihnen, etwa achtzig Prozent des Anstößigen seien beseitigt, und warb mit der versprochenen Neufassung dessen, »was der Duden empfiehlt«. Mit einer gemeinsamen »Hausorthographie von der Stange« sollte den Verlagen und Agenturen die kostspielige Ausarbeitung einer eigenen Hausorthographie erspart werden.

Das Zeitalter der Hausorthographien war eigentlich um 1900 beendet, erst die Rechtschreibreform hat es wieder heraufbeschworen. Sichtbarer Ausdruck ist der Vierfarbendruck des neuen Duden. Er wird im Vorwort und in der Werbung als Vorzug herausgestellt, als wenn die Kunden Kinder wären, die sich an Buntem erfreuen und nicht wissen, daß Buntheit in diesem Fall nur das Ende der deutschen Einheitsorthographie signalisiert. Bei Zusammensetzungen mit wohl- zum Beispiel schwelgt der Duden in Schwarz, Rot und Gelb, weil er zwar die neuen Getrenntschreibungen (nicht weniger als 32 Beispiele!) in Rotdruck anführt, aber in Gelb die herkömmlichen Zusammenschreibungen empfiehlt. Nur bei wohlfühlen wird die neue Zusammenschreibung auch gleichzeitig zur Vorzugsschreibung erhoben. Das Ergebnis ist ein verwirrendes Bild, wie man es bisher von Rechtschreibwörterbüchern nicht kannte.

Ebenso wie im neuen Wahrig sind die Neuerungen der revidierten Reformschreibung von 2006 gegenüber den nichtreformierten Schreibweisen von 1991 markiert. Die gesamte Reform von 1996 bis zur Revision von 2004 wird ebenso mit Stillschweigen übergangen wie die ruhmlos entlassene Zwischenstaatliche Kommission. Die seit zehn Jahren in den Schulen gelehrten Reformschreibweisen sind also nicht verzeichnet. Die KMK hat jedoch im März 2006 beschlossen: »Bis zum 31. Juli 2007 werden Schreibweisen, die durch die Amtliche Regelung (Stand 2006) überholt sind, nicht als Fehler markiert und bewertet.« Folglich ist der Duden für die Schule nicht geeignet. Ein Schüler, der Leid tun, abwärts fahren, auseinander halten oder lahm legen schreibt, muß damit rechnen, daß ihm sein Lehrer, auf den neuen Duden gestützt, einen Fehler anrechnet - zu Unrecht, denn diese Reformschreibungen sind für mindestens ein ganzes Jahr noch hinzunehmen, und nach dieser Zeit kann die Reform schon wieder ganz anders aussehen.

Für den Rechtschreibrat und seinen Vorsitzenden Zehetmair muß der neue Duden eine große Enttäuschung sein. Die Dudenredaktion, die selbst an der Revisionsarbeit im Rat mitgewirkt hat, unterläuft dessen Bemühungen, indem sie in kritischen Fällen meistens die ursprünglichen Reformschreibungen empfiehlt und in vielen Fällen sogar hinter die amtliche Revision von 2004 zurückfällt. Einige Beispiele sollen diese Eigenmächtigkeit verdeutlichen.

Der Rechtschreibrat hat die Zusammenschreibung von Verben wie stehenlassen, sitzenbleiben wieder möglich gemacht, in vielen Fällen sogar über die Vorreform-Schreibweisen von 1991 hinaus. Zehetmair war glücklich, als er der Öffentlichkeit verkünden durfte, zwischen sitzenbleiben (in der Schule) und sitzen bleiben (auf dem Stuhl) werde nun wieder unterschieden. Die Dudenredakteure schlagen das in den Wind: »Die Grundregel, nach der zwei Verben getrennt geschrieben werden, ist so eindeutig und einfach, dass wir ihre Anwendung auch bei übertragenem Gebrauch empfehlen.«

Eine beifällig aufgenommene Leistung des Rechtschreibrates bestand darin, endlich die Zusammenschreibung von Verben mit Ergebniszusätzen wiederhergestellt und sogar eindeutiger als im alten Duden formuliert zu haben: kleinschneiden und ähnliches. Der Duden empfiehlt hier durchweg Getrenntschreibung. Begründung: »Auch bei der Verbindung von Adjektiv und Verb ist bei nicht übertragener Bedeutung die Getrenntschreibung immer die einfachste Lösung.« Dies betrifft Hunderte von Fällen wie kaputt machen, blank putzen, glatt streichen.

Zur Verbindung von Adjektiv und Verb behauptet der Duden unter K 56: »Ebenso gilt Getrenntschreibung bei intransitiven und reflexiven Verben.« Daraus soll die Schreibweise sich bloß strampeln und kalt werden folgen. Die Regel ist frei erfunden, das amtliche Regelwerk kennt die Begriffe des intransitiven und des reflexiven Verbs überhaupt nicht. Man sollte die Lehrer davor warnen, bei Korrekturen den neuen Duden mit solchen wunderlichen Sondervorschriften zugrunde zu legen; sie könnten disziplinarische Schwierigkeiten bekommen. (Das Wörterbuch selbst hält sich übrigens nicht an die eigenen Regeln. So bleibt sich wundliegen weiterhin zulässig, wird aber nicht empfohlen.)

Für Verbindungen von Verben mit den Ergebniszusätzen fest, tot und voll wird durchgehend nur Zusammenschreibung zugelassen (festdrehen, totschlagen, vollpumpen); das Wörterbuch verweist auf die Regel K 65, aus der aber wie aus dem Paragraphen 34 (2.1) der amtlichen Regelung das Gegenteil folgt.

Die Getrenntschreibung von zugrunde gehen wird damit begründet, daß zugrunde auch in zwei Wörtern geschrieben werden kann (zu Grunde); dies soll aus § 55 (4) des amtlichen Regelwerks hervorgehen. Dort steht aber nichts Einschlägiges. Die Redaktion scheint sich in der Rabulistik der amtlichen Regeln verheddert zu haben.

Die berüchtigte Reformvorschrift, Verbindungen mit sein stets getrennt zu schreiben (§ 36), wird durch das Wort dagewesen in Frage gestellt, eine neu ins amtliche Verzeichnis aufgenommene Ausnahme. Unter K 49 lehrt der Duden die ausnahmslose Getrenntschreibung mit sein und führt auch die Form da gewesen ausdrücklich an; das Gegenbeispiel dagewesen wird also ebenso wie im Wörterverzeichnis unterdrückt. Auch dies ist eine Verfälschung der amtlichen Regeln. An ganz versteckter Stelle findet man sogar noch zwei weitere Ausnahmen: beisammengewesen und bekanntgewesen.

Die Empfehlung von recht haben (gegenüber dem immer noch zulässigen, grammatisch falschen Recht haben) wird man begrüßen, aber daneben stehen die schwerfälligen Händchen haltenden und Not leidenden Menschen (beides ausdrücklich empfohlen; Kredite sollen allerdings nur notleidend sein dürfen). Diese Maßnahmen seien Erfolg versprechend für richtiges Deutsch und sogar besonders zu empfehlen. Warum das nicht geht, wußten frühere Auflagen der Dudengrammatik noch. Heute empfiehlt die Redaktion ohne Sinn für die sprachliche Härte: Sie sah sich Hilfe suchend um.

Sogar die ganze Reihe mit selbst- (selbst ernannt usw.) wird laut Dudenempfehlung wieder wie im Reformjahr 1996 getrennt geschrieben, ebenso die Zusammensetzungen vielbeschäftigt/viel beschäftigt sowie eine Reihe einzelner Fälle wie wild lebend. All dies geht nicht auf Beobachtung des Schreibgebrauchs zurück, sondern entspringt dem Wunsch, die frühen Einfälle der Reformer doch noch durchzusetzen. Semantik und Grammatik müssen zurückstehen.

Vollends absurd ist die Behandlung der Zusammensetzungen mit halb. Hier gibt der Duden zusammengeschriebenes halbautomatisch (und siebzehn weitere Beispiele) mit Betonung auf der ersten Silbe und die getrennt geschriebene Wortgruppe halb automatisch mit der Betonung auf dem zweiten Teil an. Folglich sind es gar keine orthographischen Varianten, sondern ganz verschiedene Ausdrücke, und die zusätzlich ausgesprochene Empfehlung, stets die Getrenntschreibung zu wählen, geht ins Leere. Der neue Wahrig stellt die Sache richtig dar, und noch im Duden von 2004 war sie korrekt im Sinne der Reform geregelt. Ebenso wären auch die Einträge unter hoch- zu korrigieren: Das empfohlene hoch kompliziert mit Betonung auf der letzten Silbe ist keine Schreibvariante von hochkompliziert mit Betonung auf der ersten. Hier kommt noch hinzu, daß bei intensivierender Bedeutung von hoch- eigentlich zusammengeschrieben werden müßte. Im Infokasten wird hochanständig als »Partizip« bezeichnet.

Derselbe Fehler wie bei halb und hoch verzerrt die Verben mit wieder-. Hier werden, in gleichfalls irreführendem Schwarzdruck, als wäre das im Duden schon immer so gewesen, die unterschiedlich betonten Ausdrücke wiedereröffnen (das Geschäft wird wiedereröffnet) und wieder eröffnen (wieder wurde ein Geschäft eröffnet) als bloße Schreibvarianten nebeneinandergestellt. Ein Kasten legt den Irrtum bloß, und dabei unterläuft noch die Inkonsequenz, wiedereinführen als vermeintliche Neuschreibung rot auszuzeichnen, während es im laufenden Verzeichnis schwarz angeführt ist. Andererseits werden wieder einfallen und wieder tun ausschließlich in neuer Getrenntschreibung zugelassen, sicherlich zu Unrecht. Kurzum, die seit 1996 herrschende Verwirrung um die mit wieder- zusammengesetzten Verben ist immer noch nicht behoben.

Während die Handvoll und ähnlich gebaute ehrwürdige Wörter, denen die Reform den Garaus gemacht hatte, wiederauferstanden sind, will der Duden die seit fünfhundert Jahren Übliche Zeitlang nicht anerkennen, sondern empfiehlt weiterhin die Zerreißung: eine Zeit lang.

Hunderte von Einträgen wie Kohle führend widersprechen dem Grundsatz, daß ein Wörterbuch zunächst einmal Wörter und nicht Wortgruppen als Stichwörter anführt. Die Wortgruppen stehen an der Stelle, an der bisher die Wörter ihren Platz hatten, und dieser heimliche Blick auf die bisherige Rechtschreibung ist es, was die neue Anordnung rechtfertigt. Ob das Wörterbuch sich auf die bloße Anordnung beschränkt (neue Getrenntschreibung in Rot an erster Stelle) oder die Getrenntschreibung zusätzlich noch durch gelbe Unterlegung als Vorzugsschreibung empfiehlt - die Getrenntschreibung wird dem Benutzer in jedem Fall als Lösung erster Wahl aufgedrängt. Insgesamt gibt es 655 über das ganze Werk verstreute Empfehlungen, die auf Getrenntschreibung hinauslaufen, wo auch Zusammenschreibung zulässig und oft besser wäre. Der Rechtschreibrat scheint vergeblich gearbeitet zu haben.

Der Duden empfiehlt die archaisierende Neuschreibung aufs Schönste, auf das Beste usw., und wieder lautet die Begründung: »Die Großschreibung erspart eine Unterscheidung zwischen ,ihre Wahl fiel auf das Beste aus dem Angebot' und ,sie hatte auf das Beste gewählt'.« Anders gesagt: man kann nicht mehr unterscheiden, was die Sprachgemeinschaft seit wenigstens 150 Jahren für unterscheidenswert hielt. Noch krasser ist die vom Duden empfohlene, erst 2004 eingeführte Großschreibung in sehr häufig gebrauchten Wendungen wie bei Weitem, seit Langem, ohne Weiteres – insgesamt ein rundes Dutzend artikellose Scheinsubstantive. Damit wird der textsemantische Sinn der Groß- und Kleinschreibung vollends auf den Kopf gestellt. Es geht offenbar nicht um die Qualität schriftlicher Texte, sondern immer noch um Vereinfachung für die vielberufenen »Anfänger und Wenigschreiber«. Diese Zielgruppe der Reform wird ja auch durch die neue Silbentrennung angesprochen. Die Dudenredaktion scheut sich nicht, bei Anal-phabet, Urin-stinkt, Frust-ration (aber nicht Lust-ration) jeweils in einer Fußnote in schamhaften Andeutungen vor den heiklen Trennungen zu warnen. Sonst werden aber zur Silbentrennung keinerlei Empfehlungen gegeben, Subs-tanz erscheint als vollkommen gleichberechtigt neben Sub-stanz, und so in Tausenden von Fällen. Dieselbe Senkung des Niveaus findet man vor allem seit der 22. Auflage (2000) bei den Ausspracheangaben: Die französische Soiree und der englische Service sollen nach Duden mit stimmhaftem s gesprochen werden, und auch sonst wird durchgehend eine möglichst vulgäre Aussprache kanonisiert. Food in Fast Food wird nach Duden fu:t gesprochen (unter Slow Food allerdings fu:d), Code erscheint als ko:t, Love(story) als laf-, Pay-TV als pe:ti:vi:. Warum sollen Nexus oder Sojus mit langem u gesprochen werden?

Die Großschreibung von festen Begriffen wie Erste Hilfe, Schwarzes Brett war im Deutschen schon viel weiter fortgeschritten, als der Duden 1991 es dokumentierte. Die Reform erzwang hier überall Kleinschreibung. Der Rechtschreibrat hat in weitem Umfang die Großschreibung wieder möglich gemacht, aber der neue Duden beschränkt sie auf eine »überschaubare Anzahl von Fällen« (die Erste Hilfe, aber das ewige Licht), ganz eindeutig gegen die wirkliche Entwicklung des Deutschen und gegen die Intention des Rates. Duden empfiehlt andererseits Hundert und Aberhundert Sterne – eine durch nichts zu begründende Großschreibung. Die Ersetzung von Nummer Sicher durch Nummer sicher hat keine Grundlage im amtlichen Regelwerk.

Noch immer führt der Duden heute Früh als mögliche Schreibweise an. Die Streichung dieses Fehlers liefe allerdings auf das Eingeständnis hinaus, daß auch die Reformschreibung heute Abend usw. unberechtigt ist, weil hier einfach kein Platz für ein Substantiv ist. Auch der Duden läßt offen, ob es neulich Abend heißen soll, denn das Adverb neulich fehlt in der geschlossenen Liste der Zeitangaben, die mit Großschreibung der Tageszeiten einhergehen sollen. Auf diese Lücke ist jahrelang hingewiesen worden. Unverzeihlich ist die Beibehaltung des Reformfehlers Not sein, von dem sich die amtliche Regelung endlich verabschiedet hat.

Bei den Fremdwörtern werden manchmal eingedeutschte Schreibweisen empfohlen (Delfin, Paragraf, auch das hybride Orthografie), manchmal gerade nicht (Piccolo, Handicap).

Kein Gegenstand von Empfehlungen, weil immer noch unverändert, sind die variantenlos vorgeschriebenen Neuerungen von 1996: Gämse, Stängel, einbläuen, Quäntchen, rau, Zierrat, Tollpatsch, ferner das Verbot von Allerweltswörtern wie jedesmal und vieles andere, was seit Beginn der Reform die Kritik von Fachleuten und Praktikern hervorgerufen hat. Wie seit den Anfängen der Reform werden selbstständig und selbständig als orthographische Varianten desselben Wortes behandelt, während es in Wirklichkeit zwei verschieden gebildete, wenn auch gleichbedeutende Wörter sind, und das erste wird nachdrücklich empfohlen und vom Duden selbst benutzt. Der Rechtschreibrat ist inzwischen zu selbständig zurückgekehrt.

Man muß den Duden von 1991 zur Hand nehmen, um sich bewußt zu werden, wie sehr die Reform das Aussehen und den ganzen Charakter der Rechtschreibwörterbücher verändert hat. Sie stellen nicht mehr Tatsachen dar, sondern manipulieren die Sprache und versuchen den Wörterbuchbenutzer in eine bestimmte, politisch gewollte Richtung zu drängen. Verstimmt legt man das Buch zur Seite.

Franfurter Allgemeine, 21. 7. 2006



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