31.03.2010


Peter Müller im Ruhestand

– aber weiterhin zuständig für die Rechtschreibung

Ende März geht Peter Müller in Pension. Fast 34 Jahre stand er als Verantwortlicher für die IT und in den letzten Jahren auch für das Marketing an der Spitze der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA).
Enorme technische Veränderungen prägten diese Jahre, und Peter Müller sorgte mit seinem Team immer dafür, dass die SDA auf die Veränderungen die richtigen Antworten fand. Er tat dies in der ihm eigenen zurückhaltenden und unaufgeregten Art, die so gut zur SDA passt. Dafür gebührt ihm ein grosses und herzliches Dankeschön und die besten Wünsche für den neuen Lebensabschnitt, in dem er hoffentlich für all seine vielfältigen Interessen Zeit und Musse findet. Danke, Peter!

Bernard Maissen, Chefredaktor



Interview mit Peter Müller

Nach 34 Jahren bei der SDA geht Direktor Peter Müller in Pension. Im Interview mit Ivano Diconto schaut er auf eine intensive und bereichernde Zeit zurück. Peter Müller erzählt, wie er die SDA erleben und mitprägen durfte, skizziert die künftige Rolle der SDA innerhalb des Mediensektors und spricht über den Peter Müller nach dem 31. März.

Sie können auf rund 34 Jahre SDA zurückschauen. Was geht Ihnen dabei heute durch den Kopf?

Wie schnell die Zeit eigentlich vergangen ist. Wohl, weil es immer sehr spannend war. Wie gross die Identifikation mit der SDA war und ist.

Was waren aus Ihrer Sicht die grössten Herausforderungen und Schwierigkeiten für die SDA in diesen über 30 Jahren? Welche davon betrafen ebenfalls die Person Peter Müller?

Gleich zu Beginn die Ablösung des unglücklichen Projekts Fernsatz. Dann die Einführung der Redaktionssysteme. Die Veränderungen bei Verwaltungsrat (von 21 auf 7 Mitglieder) und Geschäftsleitung (vom Triumvirat über den Primus inter pares zum CEO). Die im Abstand von ca. 10 Jahren wiederkehrenden Krisen mit dem Absprung von jeweils einer bis zwei grossen Zeitungen. Der Kampf mit der spk. Die Einführung der Meldungsverbreitung über Satellit. Das Aufkommen des Internets, nicht nur als technische, sondern auch als medienpolitische Revolution.

Der technologische Fortschritt in Ihrer Zeit als Direktor hat ein Tempo an den Tag gelegt, das kaum vorauszusehen war. Haben Sie jemals daran gezweifelt, dass die bereits 1895 gegründete Depeschenagentur mit dieser rasanten (technologischen) Entwicklung mithalten könne? Gab es jemals Pläne, die technische Abteilung auszulagern?

Die SDA hat mit der technologischen Entwicklung lange Zeit nicht nur mithalten können, sondern sie mitgeprägt. Das Internet und der PC brachten die „Demokratisierung“ der Technik, die Sonderstellung der Agentur war damit zu Ende. Mitgehalten mit der Entwicklung hat die SDA aber immer. Auslagern war ein Thema, scheiterte aber an den sehr spezifischen Bedürfnissen der Agentur einerseits, ihrer relativ bescheidenen Grösse anderseits. Eine gewisse Auslagerung stellt die Übernahme von technischen Standardisierungen des International Press Telecommunications Council (IPTC) dar. Da haben wir sehr aktiv mitgearbeitet. Ich hatte die Ehre, diese internationale Organisation während einer Amtsperiode von drei Jahren zu präsidieren.

In Ihrer Funktion als langjähriges GL-Mitglied und als technischer Direktor (ab 2003 Direktor für Marketing und Informatik) haben Sie bis heute die SDA massgeblich geprägt. Welche Rolle spielt(e) dabei die Person Peter Müller für die SDA?

Man könnte vielleicht sagen: Verfechter der klassischen Rolle der SDA als nationaler Nachrichtenagentur mit Fokussierung auf die Kernaufgabe: den Basisdienst in den drei Amtssprachen. Das noch heute gültige Leitbild der SDA habe ich wesentlich mitgestaltet. Dazu habe ich – immer in Teamarbeit mit den Kollegen der Geschäftsleitung – versucht, Zusatzerträge mit weiteren Diensten zu erwirtschaften, Beispiele sind der Communiqué-Dienst (heute in der Tochtergesellschaft news aktuell), der Archivdienst, der Fertigseitendienst. Klar war mir immer, dass die SDA ihre Dienstepalette arrondieren muss, wie es meine Vorgänger mit dem Sport, den sie zur SDA holten, vorgemacht hatten. Das gelang dann in meiner Zeit mit den Finanznachrichten (bei AWP) und, besonders wichtig, dem Bilderdienst (Keystone). Am Bild hatten wir uns lange beinahe die Zähne ausgebissen.

Was halten Sie von der SDA von heute (Stärken/Schwächen)?

Die SDA ist hervorragend für künftige Herausforderungen gerüstet. Sie hat hochmotivierte und kompetente Mitarbeiter, eine schlagkräftige Geschäftsleitung und einen solidarischen Verwaltungsrat. Die Bereinigung der Situation in der Schweiz mit dem Rückzug von AP wird die SDA weiter stärken. Dabei ärgern mich übrigens die Krokodilstränen, die vergossen werden. Hätten alle, die darüber jammern, dass es nur noch eine Agentur gibt, beide abonniert, hätten wir beide noch. Die Bereinigung ist ja bloss eine Rückkehr zur Normalität: kein Land vergleichbarer Grösse kann sich zwei Agenturen leisten, in der heutigen schwierigen Zeit sowieso nicht. Man sollte auch mit dem Begriff „Monopol“ vorsichtig umgehen: Zu einem Monopol gehört nicht nur, einziger Anbieter zu sein, sondern auch, damit die Preise im Sinne einer Gewinnmaximierung durchsetzen zu können. Das ist bei der genossenschaftlich organisierten SDA, bei der die Kunden gleichzeitig die Besitzer sind, gar nicht möglich. Rein journalistisch kann man von fehlender Konkurrenz sprechen und das durchaus auch bedauern. Dabei sollte man aber nicht vergessen, wozu die Konkurrenz geführt hat: Zu einer Schwächung der SDA, die deswegen drei Regionalbüros schliessen muss, aber auch der AP, die gegen ihre eigenen Absichten in einigen Fällen zur einzigen Agentur und damit zur „Vollständigkeit“ gezwungen wurde, womit sie ihre Vorteile teilweise einbüsste. Nicht immer ist eben Konkurrenz die Garantie für bessere Dienste.

Vor rund zwei Jahren haben Sie sich vom operativen Geschäft zurückgezogen. Am 31. März treten Sie von der GL/Direktion zurück. Was macht Peter Müller am 1. April?

Da werde ich sicher mit meiner Frau und Freunden auf den neuen Lebensabschnitt anstossen. Dabei werden mich voraussichtlich gemischte Gefühle begleiten, neben sehr positiven sicher auch einige wehmütige. Der SDA werde ich verbunden bleiben, unter anderem für eine gewisse Zeit noch als Sekretär des Verwaltungsrates und als Vertreter der SDA in der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK), die ich zusammen mit Sprachwissenschaftern, Verlegern und Politikern gegründet habe.

Wie sehen Ihre persönlichen Pläne und Ziele mit 65 aus?

Körperlich und geistig so lange wie möglich fit zu bleiben. Ich habe von der Welt trotz vieler Reisen nur einen kleinen Bruchteil gesehen und verfüge über einen noch viel kleineren Bruchteil am menschlichen Wissen. Da gibt es ein immenses Betätigungsfeld.

Geben Sie uns eine Einschätzung zu den Entwicklungen im Mediensektor in den nächsten zehn Jahren. Welche Rolle wird dabei die SDA einnehmen?

Die technische Entwicklung wird die Informationsschwemme weiter anwachsen lassen. Die Informationsbedürfnisse werden sich weiter in Richtung einer noch selektiveren Auswahl verändern. Die an allgemeiner Information Interessierten werden darauf angewiesen sein, dass die SDA diese Schwemme einordnet und auf ihre Relevanz und Glaubwürdigkeit abklopft und in einen Zusammenhang stellt. Das kann niemand sonst, eine Maschine schon gar nicht. Deshalb halte ich auch das Geschwätz von der Agentur als Auslaufmodell für Unsinn. Die Printmedien allerdings werden ihre Rolle neu definieren müssen. Sie müssen das bieten, was Online, Blogs, TV und Radio nicht oder weniger gut bieten können: Hintergrund, Analyse, kluge unabhängige Kommentare. Ich bin überzeugt, dass sie dies schaffen und dass es genügend Leser (und damit Inserenten) gibt, damit es finanzierbar bleibt.

Ivano Diconto, Marketing SDA

Quelle: SDA
Link: http://lead.sda.ch/index.php?id=48_149

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