17.12.2010


Reinhard Markner

Keine Maläse mehr in der Butike

Rechtschreibrat schlägt Streichung von Eindeutschungen vor

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat soeben seinen zweiten Tätigkeitsbericht vorgelegt.
Als Ergebnis von vier Jahren intensiver Tätigkeit schlägt der Rat die Streichung von 18 ungebräuchlichen Eindeutschungen aus dem offiziellen Wörterverzeichnis vor: Butike, Fassette, Kabrio, Katarr, Krem, Kreme, Kupee, Maffia, Maläse, Mohär, Myrre, Scharm, scharmant, Schikoree, Schose, Sketsch, Sutane, transchieren.

Andererseits soll das Verzeichnis um ganze vier darin bisher nicht enthaltene Schreibungen ergänzt werden: Caprice, Clementine, Crème, Schmand.

Dieses überaus klägliche Ergebnis der jahrelangen Beratungen von immerhin 40 erwachsenen Menschen ist von der Kultusministerkonferenz bereits gutgeheißen worden. Die Politiker wollen von der verheerenden Rechtschreibreform nichts mehr hören. Sie möchten lieber „Qualitätssicherung“ im Bildungswesen betreiben, „gemeinsame Standards“ entwickeln und die „Integration“ fördern. Hingegen wollen sie nicht wissen, wie unterirdisch heute selbst die Rechtschreibung der Abiturienten ist und in welchem Maße die seit fünfzehn Jahren an den Schulen durchgedrückte Reform daran Schuld trägt.

Der Rechtschreibrat unter dem Vorsitz Hans Zehetmairs schweigt sich darüber denn auch aus. Eine empirische Überprüfung der Auswirkungen der Reform auf die Leistungen der Schüler hat es bisher nicht gegeben und wird es wohl auch nie geben, weil sie unerwünschte Resultate erbringen würde. Die Reform hat, anders als von ihren Urhebern verheißen, nur zu mehr Fehlern geführt. Die neuesten Vorschläge des Rechtschreibrats hingegen werden sich immerhin nicht negativ auswirken, sondern überhaupt nicht, da ja schon jetzt niemand „Sutane“ schreibt, wenn er „Soutane“ meint.

Der Bericht des Rates kommt in gewollt undurchdringlichem Behördenjargon daher und wird nur sehr wenige Leser finden, die nicht schon nach zwei Seiten aufgeben. „Damit ist die Arbeit an diesem Texttyp und anderen, in verschiedener Weise erläuternden Texten in die allgemeinen Aufgaben des sich in der zweiten Amtszeit konstituierenden Rats eingebunden und hat dort seinen vernünftigen Ort zu finden“, schreibt die Geschäftsführerin des Rates, die am Ende ihrer verschlungenen Sätze schon vergessen hat, wovon zu Beginn die Rede war.

Es ist ja alles auch nicht so wichtig. Denn der neue Bericht unterscheidet sich von seinem Vorgänger, wie es erläuternd heißt, „dahingehend, dass er einen Bericht über die Wahrnehmung der regulären Aufgaben des Rats für deutsche Rechtschreibung darstellt und daher keine Modifikationen zum amtlichen Regelwerk beinhaltet“. Mit anderen Worten, das weiterhin höchst fehlerhafte Regelwerk liegt mittlerweile auch in einer in Stein gemeißelten Fassung vor, an der kein Iota mehr geändert werden darf. Zaghafte Vorstöße der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, die übertriebene Großschreibung („seit Kurzem“ usw.) wieder zurückzustutzen, wurden sogleich vom Tisch gewischt.

Der Rechtschreibrat schickt sich an, in den nächsten Jahren seine geschäftige Untätigkeit fortzusetzen; nach anfänglichem Zögern hat auch Hans Zehetmair den Kultusministern zugesagt, im Amt des Vorsitzenden zu bleiben. Auf den nächsten Bericht braucht allerdings niemand gespannt zu sein. Wenn der Rat im gleichen Tempo weiterarbeitet, ist mit einer funktionierenden deutschen Rechtschreibung erst für das Jahr 2096 zu rechnen, zum hundertjährigen Jubiläum der Reform. Reinhard Markner

Quelle: Neues Deutschland


Die Quelldatei dieses Ausdrucks finden Sie unter
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