zurück zur Startseite Schrift & Rede, Forschungsgruppe dt. Sprache    FDS - In eigener Sache
Diskussionsforum Archiv Bücher & Aufsätze Verschiedenes Impressum      

Theodor Icklers Sprachtagebuch

Die neuesten Kommentare


Zum vorherigen / nächsten Tagebucheintrag

Zu den Kommentaren zu diesem Tagebucheintrag | einen Kommentar dazu schreiben


23.04.2008
 

Rat dem Rat
Mächtige Interessen stehen gegen jede weitere Korrektur

Es wäre an der Zeit, die Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen. Der Rechtschreibrat wird am Freitag wieder zusammentreten, "Berichte" entgegennehmen und lammfromm der Marktberuhigungsstrategie des Vorsitzenden folgen. Die Wirklichkeit sieht so aus:

Die FAZ hat sich zwar grundsätzlich für die reformierte Rechtschreibung entschieden weicht aber in einigen Bereichen ausdrücklich davon ab, und zwar auch von obligatorischen Neuschreibungen. In einer internen Handreichung vom 14.12.2006 wird u. a. festgelegt: „In einigen Fällen entscheiden wir uns für die bisherige Schreibung, auch wenn sie als Variante nicht mehr zugelassen ist (siehe unten; diese Wörter werden in die Schreibweisenliste im Intranet eingefügt).“

„Abweichungen:

behende
belemmert
einbleuen
Greuel, greulich
leid tun
numerieren
plazieren
Quentchen
rauh
schneuzen
Stengel
Tolpatsch
verbleuen“

„Beim Ohmschen Gesetz wollen wir den durch die Reform eingefügten Apostroph nicht hinzufügen (weil es ein Eigenname ist).“

Die Süddeutsche Zeitung hat zwar keinen derartigen Beschluß gefaßt, baut aber viele Neuschreibungen stillschweigend zurück. Hier einige Beispiele aus den letzten Wochen:

jedesmal, fönen, placieren (2.1.2008); (Haar) fönen (24.1.08); von ersterem (5.1.2008); behende (11.01.2008); Greuel (14.2.2008, 11.3.2008, 29.3.2008, 19.4.2008), Greuelpassagen (1.3.2008)

In dem Moment hat er mir leid getan. (4.3.2008); einbleuen (11.3.2008); Stengel, rauh (15.3.2008).
der 33jährige Don Sandro; 23jährige Schauspieler (17.3.2008); heute abend, das gleiche (31.3.2008); die Statistiker konnten derartiges nicht bestätigen; wenn der Supermarkt pleite geht (19.4.2008)

Ähnliches zeigt sich in anderen Druckschriften.

Es zeichnet sich also immer deutlicher ab, daß das erste Kapitel der Reform – vor allem die Augstsche Volksetymologie – durchgefallen ist, wie zuvor schon die Schaederschen Getrenntschreibungen. Irgendwann wird der Rechtschreibrat darauf reagieren müssen. Warum nicht jetzt?



Diesen Beitrag drucken.

Kommentare zu »Rat dem Rat«
Kommentar schreiben | älteste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 28.08.2008 um 16.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#12940

Ein schönes Beispiel, warum die Sache mit den "Jährigen" nicht funktionieren kann, lieferte heute pressetext.at:

Eine leichte Entspannung lässt sich bei den zehn- bis 15-Jährigen beobachten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.07.2008 um 19.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#12747

Mitglieder des Rechtschreibrates, die ich auf die letzte Sitzung (in Eupen) angesprochen habe, sagten, sie seien nicht dagewesen. War überhaupt jemand da? War man beschlußfähig? Eine Pressemitteilung gab es anscheinend nicht.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 03.05.2008 um 16.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#12060

Ich erinnere mich aus der Lektüre von Texten, die vor 1880 gedruckt wurden, daß eigentlich alle Wörter auf -nis, die den Plural auf -se bilden, im Singular mit ß endeten (Ereigniß, Verzeichniß). Im "Urduden" von 1880 wurden diese Endungen dann zu -s verändert.

Das Verließ wurde hier übrigens schon mal unter 765#7173 diskutiert.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.05.2008 um 16.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#12059

Alle drei Formen sind historisch belegt.
 
 

Kommentar von Julian von Heyl, verfaßt am 03.05.2008 um 15.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#12058

Kommentar von PEZ:
Wer "Kenntniß" schreibt, schreibt auch "Zeugniß".

Spiegel Online schreibt auch gerne "Verließ".
 
 

Kommentar von Florian Bödecker, verfaßt am 24.04.2008 um 22.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#12001

Ich habe es nicht bewußt gemacht, aber vielleicht erklärt sich so mein Fehler in der Hast.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 24.04.2008 um 20.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11995

Ich hatte gedacht, Sie hätten absichtlich "Kenntniß" geschrieben, um damit so nebenbei noch auf den in Mode gekommenen Fehler, "-niss" zu schreiben, hinzuweisen, der ja auch "z. K." genommen werden könnte/sollte.
 
 

Kommentar von Florian Bödecker, verfaßt am 24.04.2008 um 18.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11991

Daß Sie das nicht einfach mal lassen können, anderen hier ihre Flüchtigkeitsfehler anzustreichen! Ich finde das reichlich albern, auch wenn es schon interessant ist, warum mir das passiert ist. Solange das Wort noch zu entziffern war ...
 
 

Kommentar von Heiko Burger, verfaßt am 24.04.2008 um 12.57 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11989

Zu Hilfe!
Richtig: aufwendig; jetzt aufwändig
Richtig: Eltern? Nein, müßte jetzt „Ältern'' heißen, kommt doch von alt!
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 24.04.2008 um 09.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11988

Dummheit ist ohnehin nicht die richtige Kategorie in Rechtschreibfragen.

Der Gebrauch der Neuschreibungen "aufwändig", "Potenzial", "rau", "selbstständig" und "platzieren" ist eher ein Zeichen von Servilität, die bekannten Überanpassungen hingegen eines von Ahnungs- bzw. Kenntnislosigkeit.
 
 

Kommentar von PEZ, verfaßt am 24.04.2008 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11987

Ich habe Herrn Bödeker keine Dummheit unterstellt, und es wäre nett, wenn auch Sie dies unterlassen könnten.
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 24.04.2008 um 09.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11986

"aufwändig" ist genauso eine Variante wie "selbststständig", "Portmonäh" und das Weglassen der Interpunktion. Leider neigen simple Geister dazu, "dürfen" und "müssen" durcheinanderzuwerfen, mit dem Ergebnis, daß sie im Übereifer noch reformierter schreiben als die Reform selbst. Das führt dann konsequenterweise zu "auf machen" oder "zu kleben" und so weiter. Die Dummheit der Schreibenden ist nicht ausreichend berücksichtigt worden, statt unzähliger Varianten wäre eine klare "muß immer"- oder "darf niemals"-Regelung praxisnäher gewesen.
 
 

Kommentar von PEZ, verfaßt am 24.04.2008 um 07.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11984

Wer "Kenntniß" schreibt, schreibt auch "Zeugniß".
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 24.04.2008 um 00.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11982

Die Reformschreibung "aufwändig" war immer fakultativ. Bemerkenswert ist nicht, daß sie immer seltener vorkommt, sondern daß sie überhaupt massenhaft verwendet wurde.
 
 

Kommentar von Florian Bödecker, verfaßt am 24.04.2008 um 00.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11981

Ein Grund mehr, den Keil mit einer Neuauflage des "Ickler" noch weiter zwischen diese Parteien zu treiben. Wenn offensichtlich wird, daß Teile der Reform auch bei Befürwortern oder Mitmachern kläglich durchfallen sind, muß das irgendwann zur Kenntniß genommen werden.

Wenn sich dann eine vernünftige Rechtschreibung konsequente Alternative anbietet …
 
 

Kommentar von Erbsenzähler, verfaßt am 23.04.2008 um 13.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11975

Im Archiv der ZEIT: 4.204mal aufwendig, 1.375mal aufwändig. Dem Beobachter Z. sollte das nicht entgehen!
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 23.04.2008 um 13.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11973

Sinnvoller, als dem Rat etwas unter die Nase zu halten, scheint mir, diese Hammel völlig zu ignorieren. Das einzige, was zu erwarten ist, wenn sie den Schreibgebrauch zur Kenntnis nehmen, ist, daß der Herr Vorsitzende noch mal ein paar Gesprächsreisen unternimmt.
 
 

Kommentar von rrbth, verfaßt am 23.04.2008 um 11.51 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11972

Im Archiv des Nordbayerischen Kuriers (Bayreuth) finden sich seit November 2005:

191 aufwendig
108 aufwändig

Allerdings scheint diese Archivfunktion ziemlich fehlerbehaftet. Eine Tendenz ist allerdings erkennbar. Vielleicht kann man das im Mai nochmal machen, denn bis dahin soll das Archiv des NK überarbeitet werden.
 
 

Kommentar von Christoph Kukulies, verfaßt am 23.04.2008 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11970

Wie halten's die großen Zeitungen eigentlich mit "aufw*ndig" – auch einer Augst'schen Ethymogelei?
In der Süddeutschen sehe ich es nicht, in Spiegel Onlein auch nicht.
So, wie ich in letzterem auch plazieren wiederfinde.

Man müßte doch dem "RfR" mal den tatsächlichen Sprachgebrauch mal unter die Nase halten. Er soll ihn ja schließlich beobachten.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 23.04.2008 um 08.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11969

Noch sind zwei Tage übrig, die Ratsherren und -damen anzurufen, anzumailen oder öffentlich anzusprechen. Hat jemand eine Kontaktliste?
 
 

Kommentar von b.eversberg, verfaßt am 23.04.2008 um 08.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1002#11968

Wenn der Rat diese Dinge (wie leider zu erwarten) nicht zur Kenntnis nimmt, und manche anderen, die im Lesealltag immer wieder aufstoßen, kann man ihn vollends nicht mehr ernstnehmen, sondern er wird zu einer Quatschbude von grotesker Weltfremdheit. Die Aussage auf seiner Homepage, "... die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren, die Entwicklung der Sprachpraxis zu beobachten ..." ist ja schon in ihrem ersten Teil verlogen (weil die Einheitlichkeit zerstört ist) und wird es in ihrem zweiten dann auch.
 
 

nach oben


Ihr Kommentar: Sie können diesen Beitrag kommentieren. Füllen Sie dazu die mit * versehenen Felder aus und klicken Sie auf „Kommentar eintragen“.

Sie können in Ihrem Kommentar fett und/oder kursiv schreiben: [b]Kommentar[/b] ergibt Kommentar, [i]Kommentar[/i] ergibt Kommentar. Mit der Eingabetaste („Enter“) erzwingen Sie einen Zeilenumbruch. Ein doppelter Bindestrich (- -) wird in einen Gedankenstrich (–), ein doppeltes Komma (,,) bzw. ein doppelter Akut (´´) werden in typographische Anführungszeichen („ bzw. “) umgewandelt, ferner werden >> bzw. << durch die entsprechenden französischen Anführungszeichen » bzw. « ersetzt.

Bitte beziehen Sie sich nach Möglichkeit auf die Ausgangsmeldung.
Für sonstige Diskussionen steht Ihnen unser Diskussionsforum zur Verfügung.
* Ihr Name:
E-Mail:
(Wenn Sie eine E-Mail-Adresse angeben, wird diese angezeigt, damit andere mit Ihnen Kontakt aufnehmen können.)
* Kommentar:
* Spamschutz:   Hier bitte die Zahl einhundertvierundfünfzig (in Ziffern) eintragen.
 


Zurück zur vorherigen Seite | zur Tagebuchübersicht


© 2004–2018: Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V.

Vorstand: Reinhard Markner, Walter Lachenmann, Jan-Martin Wagner
Mitglieder des Beirats: Herbert E. Brekle, Dieter Borchmeyer, Friedrich Forssman, Theodor Ickler, Michael Klett, Werner von Koppenfels, Hans Krieger, Burkhart Kroeber, Reiner Kunze, Horst H. Munske, Adolf Muschg, Sten Nadolny, Bernd Rüthers, Albert von Schirnding, Christian Stetter.

Webhosting: ALL-INKL.COM