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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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30.04.2008
 

Besserwisser
(sic)

Heute ist es schon so weit gekommen, daß Studenten in Seminar- und Magisterarbeiten, die von Rechtschreibfehlern wimmeln, ein "sic" hinter herkömmlich geschriebene Formen wie daß oder muß in zitierten Texten setzen.
Wenn sie auch sonst nicht viel von der Reform wissen, die Sache mit dem ss glauben sie in der Schule verstanden zu haben.

Daß es aber mit Heyse nie klappen wird, sieht man in der heutigen (und jeder anderen) "Süddeutschen":
Sie findet den Gedanken unerträglich, dass der Mann etwas über sie oder ihr Geschlecht im Allgemeinen wissen könnte, dass sie selbst nicht weiß.



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Kommentare zu »Besserwisser«
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Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 02.06.2008 um 09.46 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12247

Das Prinzip Sic und das Prinzip Sick sind zwei Früchte vom selben Baum.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 08.05.2008 um 18.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12101

Vielen Dank für den Hinweis, lieber Herr Metz, den ich nun zu den Akten nehme. Und natürlich muß ich noch bekennen: "Mea culpa!" Die Konjunktion ist nach zweimaligem Umformen stehengeblieben, was am peinlichen Resultat natürlich nichts ändert und auch keine Ausrede sein soll.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 08.05.2008 um 17.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12100

#12095: Aber genau dieses Wörterbuch (Deutsches Universalwörterbuch von Duden) war es auch, daß [sic] 1989 zum erstenmal (so glaube ich mich aus der Diskussion hier zu erinnern) den Tolpatsch aus „toll“ und „patschen“ zusammenfügte.

Der betreffende Hinweis findet sich schon in der Erstauflage des »Großen Wörterbuchs der deutschen Sprache« (Duden, 1981).
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 08.05.2008 um 15.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12099

Die Schreibung der französischen Komposita war bei einer von der Verwaltung auf den Weg gebrachten Rechtschreibreform Anfang der 90er Jahre ungefähr so ein Punkt wie bei uns jetzt die Getrennt- und Zusammenschreibung. Die Beamten meinten, jedem Kompositum eine erkennbare Singular- und eine erkennbare Pluralform geben zu müssen (1 Haartrockner -> Sèche-cheveu, mehrere -> Sèche-cheveux). Das ist natürlich blanker Unsinn, weil ein Haartrockner nicht nur ein einziges Haar trocknet. Es ist bezeichnend für das Selbstvertrauen der Entwickler unserer amtlichen Rechtschreibung, dass sie an diesen Punkt anknüpften und meinten, Ordnung in die Sache bringen zu können.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 08.05.2008 um 12.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12098

1989 gab es natürlich noch nicht Starbuck's in Deutschland. Entsprechend dürftig ist auch die Auswahl an Kaffeespezialitäten in dieser Auflage. Beim Café crème sieht es aber fast so aus, als sei er ungeprüft (bzw. unreformiert) aus der Auflage von 1989 übernommen worden. Womöglich konnte man die französische Milch noch eindeutig als Substantiv erkennen und entsprechend groß schreiben, war sich aber der Mischung schon nicht mehr so sicher. Da hatte der Schreiber wohl doch wieder unerwünschte grammatische Vorkenntnisse in der Fremdsprache, weil er wußte, daß auch das französische Verb mischen existiert. Und wer nimmt es schon mit den Akzenten so genau?
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 08.05.2008 um 12.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12097

Laut Rechtschreibduden von 2006 soll es Café au Lait heißen, aber Café crème. Was soll das nun wieder? Cremefarben wird Kaffee auch dann, wenn man weiße Farbe hineinschüttet. Und welcher Wortart soll wohl mélange in Café mélange (Universalwörterbuch 2001) angehören?
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 08.05.2008 um 12.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12096

Verzeihung, die vielen Koitusse haben mich offensichtlich verwirrt. Mein vorzeitiger geistiger Erguß hat mich ein Iota und ein Ypsilon schreiben lassen, wo aber doch ein normales I und ein Omega stehen sollte. Also Coitus ['Ko:ito:s], so sollte es akzeptabel sein. Gut, daß ich den Verweispfeil nicht eingefügt habe!
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 08.05.2008 um 12.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12095

Wer hätte gedacht, daß beim Koitus auch die Grammatik so unterhaltsam sein kann!
Ich besitze zwar nicht viele Wörterbücher, aber das gefragte „Deutsche Universalwörterbuch“ von Duden (2. völlig neu bearb. Aufl. 1989) ist darunter. Deshalb helfe ich hier gern aus:

Coitus [’ko:ıtυs], der; –, – […tu:s] u. -se [siehe auch, womöglich wird der Verweispfeil hier nicht angezeigt] Koitus: in bestimmten Verbindungen: C. a tergo […] (ebd., S. 307)

Koitus, (in lateinischen Fügungen:) Coitus, der; –, Koitus […tu:s] u. -se [lat. Coitus, zu: coire = zusammengehen]: einzelner Geschlechtsakt, der in der genitalen Vereinigung der Partner besteht; Beischlaf (ebd., S. 858)

Der Mackensen hat keine Pluralform. Aber dafür noch „Das Wörterbuch der Deutschen Sprache“ (http:www.dwds.de):

Koitus, der; –, –/ -se [ko-i..] ?lat. Med. Geschlechtsakt, Begattung


Spannend ist für mich nun die Duden-Definition der Schreibung mit K, da es hiernach doch eigentlich gar keine Pluralform geben dürfte. Selbst wenn man den Koitus unterbricht (C. interuptus, vgl. ebd. S. 307), beginnt man nach der „Unterbrechung“ ja eigentlich von neuem. Genau wie beim Schlaf. Wenn ich einmal wach bin und danach wieder einschlafe, ist das ja nicht mein zweiter Schlaf, sondern vielmehr ein neuer Schlaf. Entsprechend hat Schlaf (ebd., S. 1321) auch keine Pluralform.

Immerhin hätte Frau Roche von einem Blick in dieses Wörterbuch oder gerne auch in den Bornemann, der zwar keine Pluralformen angibt, profitieren können. Zumindest die rückwärtige Peinlichkeit hätte sie sich ersparen können.

Aber genau dieses Wörterbuch (Deutsches Universalwörterbuch von Duden) war es auch, daß 1989 zum erstenmal (so glaube ich mich aus der Diskussion hier zu erinnern) den Tolpatsch aus „toll“ und „patschen“ zusammenfügte. Damals freilich noch mit einem schamhaften „wohl“ (vgl. ebd., S. 1539).

Schließlich noch die obligatorische Frage zum Schluß: Ändert sich in der reformierten Ausgabe an den obigen Definitionen und Angaben etwas?
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 07.05.2008 um 21.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12092

Was meinen die Besserwisser: schreibt man reformiert 'dennoch' oder 'dennnoch'?
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.05.2008 um 19.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12091

Lieber Herr Konietzko,
ich besitze das Duden-Universalwörterbuch nicht. Eine Suche auf der Internetseite des Duden ergibt aber bei "Coitus a Tergo" und bei "Coitus interruptus" nur die Mehrzahl mit langem u. Der Eintrag bei "Koitus" ist etwas zweideutig, da sich daraus nicht klar ergibt, ob die Mehrzahl "Koitusse" auch für "Coitus" gilt. Gibt es Unterschiede zwischen dem gedruckten Universalwörterbuch und der Fassung im Netz?
Schleierhaft bleibt, nach welchen Grundsätzen der Duden zwar "Koitusse", aber nicht etwas "Statusse" oder "Kasusse" zuläßt. Warum eigentlich nicht auch "des Koitusses"?
Empörend finde ich, daß der Duden bei "Ukas" nur die Formen "des Ukasses" und "die Ukasse" kennt. Mein Duden von 1961 kannte noch und nur "Ukases" und "Ukase". Jedem, der ein wenig Russisch kennt, muß sich bei "Ukasse" der Magen umdrehen.
Der Beleg für die Mehrzahl "Koitus" erscheint mir nicht gar so eindeutig.
 
 

Kommentar von Kurt Albert, verfaßt am 06.05.2008 um 19.20 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12083

Vielleicht ist es tröstlich (man kann's auch anders interpretieren): Im Feuilleton der "Süddeutschen" fand ich kürzlich ein schönes Beispiel für das richtige "im übrigen" (= 'übrigens'). Jedes stinknormale Rechtschreibprogramm hätte dies doch moniert.

Verfasser und Seite habe ich mir nicht eingeprägt, ich erwähne diese Kleinigkeit auch nur bei Gelegenheit – immerhin, ich war doch ein bißchen erleichtert, passiert es mir im Berufsalltag doch öfter, daß auch sprachwissenschaftlich ausgebildete Kollegen (und Kolleginnen) mir besserwisserisch z. B. ein "ohne Weiteres" vorhalten, wenn ich etwa geschrieben habe, man könne ohne weiteres (und diese Variante ist ja "zulässig"!) dies oder jenes sagen.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 06.05.2008 um 11.53 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12073

Zum besseren Verständnis: Herr Ickler hat "so weit" auseinander geschrieben, weil hier die Betonung auf "so" liegt, erst recht vor "daß". Ach, die Welt könnte so einfach sein, gäbe es nur bessere Erklärer.

Was ist übrigens aus dem Projekt geworden, die NRS zu widerlegen? Nicht viel, wie ich feststelle. Nun obliegt es höchstens noch der "Jungen Freiheit", gut und richtig zu schreiben. In dieser Gesellschaft fühle ich mich nicht unbedingt wohl.

Herr Ickler, sosehr ich Sie schätze, so sehr muß ich leider feststellen, daß Ihr Projekt, die NRS in die ewigen Jagdgründe zu schicken, leider fehlschlug. Ich weine, ich trauere.

Ich schreibe dies in dem Bewußtsein, daß meine Meinung niemals zählen wird. Ich war recht früh, und bin es bis heute, ein Gegner der sog. Rechtschreibreform. (Preisfrage: Wie kürzen Reformer "sog." ab? Etwa wie "so g."?)

Man muß irgendwann auch einmal in der Lage sein, eine Niederlage einzugestehen. Wenn ich bedenke, daß meine statistische Lebenserwartung rund siebzig Jahre beträgt, die bei meinem Lebenswandel noch deutlich geringer ausfallen dürfte, sind zehn Jahre Kampf gegen die Rechtschreibreform nicht gerade wenig. Es hat alles nichts geholfen. Der Gegner hat gewonnen.

Verlierer sind nicht Sie und nicht ich. Verlierer ist unsere Schrift.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 04.05.2008 um 22.38 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12065

Sprachlich(!) richtig interessant wird es erst bei Syntagmen wie a tergo coitabel etc., alldieweil das Möglichkeitsadjektiv die Mehrzahl oder wenigstens einmalige Wiederholbarkeit des Vollzugs zur Voraussetzung hat. Da der besagte Akt im Latein mit einem Maskulinum benannt wurde, sollte sein deutscher Plural dem Üblichen folgen, also nicht analog zu Nüsse von Nuß gebildet werden (wiewohl diese – rein sachlich – nahe liegen [getrennt!]).
 
 

Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 02.05.2008 um 15.27 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12057

Laut dem Duden-Universalwörterbuch kann man den Plural Coitusse a tergo bilden. Ich halte als Plural nur Koitus/Coitus (mit langem u) für empfehlenswert, vor allem wenn man die fachsprachliche Schreibweise mit C verwendet und obendrein das lateinische Präpositionalattribut a tergo hinzufügt.

Ich habe die über das Programm Cosmas II zugänglichen Corpora des IDS, das DWDS-Kerncorpus und die übrigen unter www.dwds.de verfügbaren Corpora durchsucht und nur einen einzigen Beleg für die Wortform Coitusse (keinen für Coitussen, Koitusse, Koitussen) gefunden:

»Sie« (die Polizei) »ersann den Mehrfachtäter, den Stadtstreicher (seit Mai 1961 als Parallele zum Landstreicher), den Kurzstrafler und vor allem die Beischlafdiebin (offenbar, weil sie Coitusse klaut).« (Hans Reimann [1931]: Vergnügliches Handbuch der Deutschen Sprache. Berlin: Kiepenheuer. S. 106; die Jahreszahl »1961« dürfte ein Versehen sein)

Den seltsamen Plural kann man hier für einen Scherz halten.

Andererseits konnte ich auch für Koitus als Plural nur einen eindeutigen Beleg finden (für Coitus gar keinen):

»Sie fand Photographien von Koitus, pervertierten Szenen, Ausschnitte aus illustrierten Zeitungen (Baronin G., Spiel der Äpfel), von letzteren waren verschiedene 7 Wochen alt.« (Wolfgang Weyrauch [1929]: Die Ehe. In: Hermann Kesten [Hg.] [1983]: 24 neue deutsche Erzähler. Leipzig [u.a.]: Kiepenheuer. S. 337–369)

In diesem Zusammenhang muß ich an die Augstsche Ständelwurz denken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.05.2008 um 13.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12056

Ja, und ein Ergebnis dieser Verwirrung ist "a Tergo" im DUW. Welche Anforderungen an die Lateinkenntnis die Neuregelung mit sich bringt, sieht man auch im Fremdwörterduden: "Verba Dicendi et Sentiendi". Alle Achtung!
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 01.05.2008 um 13.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12055

Analstil wäre natürlich schöner gewesen. – Orthographisch neu ist eigentlich nur die Verwirrung, die durch die Großschreibung in Alma Mater usw. entsteht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.05.2008 um 09.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12054

Herr Schatte hat ganz recht ("was"). Ich möchte noch etwas nachtragen.
Der zitierte Satz stand in einem Artikel über das wohlkalkulierte Schmuddelbuch, das angeblich Ausdruck des neuen Feminismus ist und den heutigen Frauen aus der Seele spricht (aber vornehmlich von Männern über 50 gekauft wird, laut Buchhändlerangabe). Der "Stern" hat sich auch gleich mit einer Titelgeschichte angehängt und gibt sich leicht entrüstet, weil die seriöse Literaturkritik (Löffler) das Buch noch nicht zur Kenntnis genommen habe, obwohl es doch schon 450.000mal verkauft worden ist usw. Na, das mag man auf sich beruhen lassen, ich will noch einmal auf die Rechtschreibung zurückkommen. Im selben Artikel ist vom a-tergo-Stil des Koitus die Rede (worunter die Verfasserin anscheinend irrigerweise „Analverkehr“ versteht). Richtig wäre A-tergo-Stil. Das Duden-Universalwörterbuch bietet (wie auch der Fremdwörterduden)
"Coitus a Tergo, der; - - -, - [...tu:s] u. -se - - [zu lat. tergum= Rücken]: Geschlechtsverkehr, bei dem die Frau dem Mann den Rücken zuwendet." § 55, E2 der amtlichen Neuregelung bestimmt jedoch: „In festen adverbialen Fügungen, die als Ganzes aus einer fremden Sprache entlehnt worden sind, gilt Kleinschreibung, zum Beispiel: a cappella (...)“
Demnach müßte die adverbiale Wendung a tergo immer klein geschrieben werden, auch als Attribut. Für Zusammensetzungen ist ausdrücklich vorgeschrieben: A-cappella-Chor usw.
Wer hätte gedacht, in welche Schwierigkeiten die auf den ersten Blick so unscheinbare Änderung bei der GKS der Fremdwörter führt!
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 01.05.2008 um 00.38 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12050

Cassirer jedenfalls muß solches nicht lesen und die Zerstörung des Sinns symbolischer Formen zur Kenntnis nehmen.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 01.05.2008 um 00.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12049

Heute kam das Maiheft der Zeitschrift Merkur. Darin erstmals seit der Umstellung auf Reformorthographie Karl Heinz Bohrer. Er schreibt "dass", "Bewusstsein", "im Einzelnen" (wo gar nicht der Einzelne gemeint ist), "im Nachhinein" und, ja, auch "rau". Es geht gegen die 68er: "Sie haben in Deutschland den letzten Rest [gemeint ist wohl: des Sinns] für Form, vor allem die symbolische Form, zerstört." Wahrscheinlich hat er ja recht. Die Attacke jedenfalls, in dieser Form vorgetragen, ist bloße Ärmchenschwenkerei.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 30.04.2008 um 23.20 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12047

Statt

"Sie findet den Gedanken unerträglich, dass der Mann etwas über sie oder ihr Geschlecht im Allgemeinen wissen könnte, dass sie selbst nicht weiß."

hätte das Schreibindividuum der SZ die attributive Hypotaxe unter der "dass"-Hypotaxe auch sprachüblich interrogativ (generalisierend) mit "was" anschließen können und so der orthographisch trügerischen Ähnlichkeit von "dass" und "das" entkommen können.

Aber Basisgrammatik ist den Schriftnäheren in culture-ambitionierten Gazetten wie die SZ unbekannt und daher nicht einmal ein Graus. Sie streben viel Höherem, d.h. der reinen Lehre bzw. Ideologie zu. Und solche ging – da gedankenfrei – schon immer in jeder Schreibung.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 30.04.2008 um 23.08 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12046

Oliver Höher ist aufgefallen, was seit etwa zehn Jahren merklichen Beginn nahm.

»Die Zeiten, in denen beispielsweise bedeutende Zeitschriften wie "Die Fackel" oder "Akzente" nachgedruckt wurden, sind eben ein für allemal vorbei.«

Ein Verlag muß selbst wissen, was ihn schätzenwert sein läßt ist. Vergißt er es, verschwindet er im Dunstkreis des den Alltag müde machenden Durchschnittlichen.
 
 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 30.04.2008 um 21.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12044

Ich beziehe die Zeitschrift Gehirn & Geist im Abonnement. Vor einigen Monaten war dort ein ziemlich übel polemisierender Artikel pro-Rechtschreibreform. Was muß ich in der aktuellen Ausgabe lesen?

"Unser Drang, das Unbewuste zu erforschen..."

Und das – wohlgemerkt – zentimetergroß im Randbereich neben dem Artikel. (Gehirn & Geist 5/2008, Seite 64)
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 30.04.2008 um 19.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1006#12043

Zu den Besserwissern gehörte auch von Anfang an der Frankfurter Buchversand Zweitausendeins. Nicht nur, daß er sich sofort und bedingungslos gleichschaltete, sondern auch vor seiner freiwilligen Gleichschaltung schon immer in Superlativen dachte und schrieb. Wie viele der witzigsten Autoren Deutschlands verdanken wir nicht Zweitausendeins?

Die Zeiten, in denen beispielsweise bedeutende Zeitschriften wie "Die Fackel" oder "Akzente" nachgedruckt wurden, sind eben ein für allemal vorbei. Nun wimmelt es in den Katalogen nur so von "Biografien", "Tipps" und "Grafiken". Und natürlich ist auch der Geßlerhut der Reform überall vorhanden. Bei einer so frühzeitigen und konsequenten Gleichschaltung sollte man eigentlich meinen, zumindest bei Zweitausendeins klappe der Dummschrieb im (Un-)Sinne der Erfinder. Weit gefehlt, wie aus der Begrüßung Till Tolkemitts hervorgeht (leider ist das nur im gedruckten Katalog und nicht im Internet nachzulesen):

"Neulich rief jemand an von der FAZ (doch, doch!) und sagte, in Australien verbieten sie die Plastiktüte und was wir denn jetzt machen. Zum Glück konnten wir berichten, dass wir bereits vier Wochen vorher entschieden hatten, fortan nur noch Papiertüten zu verwenden. [...]
Zweitausendeins-Läden stehen im Ruf, bisweilen Städte, aber zumindest Stadtteile, ein bißchen zu verändern." (Mai/Juni 2008, S. 2)

Ich spare mir einfach die beiden besserwisserischen Sics (womöglich noch mit Ausrufezeichen, doppelt hält ja bekanntlich besser) und weise neben dem wunderbaren Schnitzer aus dem Lande der Gleichschaltung noch darauf hin, daß sich zumindest Zweitausendeins freut, wenn die FAZ anruft. Ich garstiger Mensch hingegen schmeiße die vielen Einladungen, diese Zeitung doch zu abonnieren, immer ungelesen weg.

Zum Abschluß noch einige der gelungenen Worttrennungen des Katalogs: Wi-ckelkleid (S. 30), Klös-ter (S. 34), strohhalmdi-cker Plastikschlauch (S. 40), aber dagegen: Werkstoffentwick-lern (S. 257).

Das Rechtschreibprogramm trennt, der Mensch denkt... leider nicht mehr.
 
 

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