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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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01.12.2009
 

Geschichtsklitterung
Was geschah in Schleswig-Holstein?

Als Beispiel für verfehlte Volksentscheide wird angeführt:

"Und ein Volksentscheid in Schleswig-Holstein hätte fast dazu geführt, dass dort eine andere Rechtschreibung gegolten hätte als im Rest Deutschlands." (Markus Horeld in Zeit-online 1.12.09)

Nein, der Volksentscheid hatte das Ziel, in ganz Deutschland einheitlich die bisherige Rechtschreibung zu erhalten. Die Veranstalter verließen sich naiverweise auf die Zusicherung, daß die Reform, wenn sie in einem Bundesland scheiterte, in ganze Deutschland zurückgenommen würde. Diese Zusage wurde gebrochen.
Der stets besonnene Kurt Reumann resümierte bitter: "Das Volk, es darf begehren. Aber Politiker machen, was sie wollen."

Die Stimmzettel waren damals bewußt irreführend gestaltet, so daß unzählige Bürger nachweislich nicht wußten, wofür sie ihr Kreuzchen machten. Der Landeswahlleiter mußte in letzter Minute klärende Poster aufhängen lassen, was aber nicht überall geschah. Trotz dieser tückischen Hindernisse war der Volksentscheid ein großer Erfolg.



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Kommentare zu »Geschichtsklitterung«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2016 um 12.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1253#33604

Dass "seine" Urteile dann doch sehr viel bekannter geworden sind als er selbst, das hat ihm ganz gut gefallen. Und Dieter Hömig, der dem Bundesverfassungsgericht von 1995 bis 2006 angehörte, war im Ersten Senat für eine ganze Reihe großer Entscheidungen als Berichterstatter mitverantwortlich – zur Rechtschreibreform etwa, und zum betäubungslosen "Schächten" von Tieren durch muslimische Metzger; das erzliberale Urteil von 2002 hat dem Gericht damals viele Hassbriefe eingebracht. (SZ 20.10.16)

Immerhin, das war also ein "große Entscheidung"!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.10.2016 um 08.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1253#33594

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1253#27116

Bundesverfassungsrichter Hömig ist verstorben. Seine Mitwirkung am Rechtschreiburteil wird erwähnt (FAZ 20.10.16).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.10.2014 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1253#27116

Zu: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1253#15341

Norbert Blüm sagte kürzlich im Bayerischen Rundfunk (zu seinem neuen Buch):

"Ich war vor dem Bundesverfassungsgericht. Da hast du gedacht, du wärst im Gottesdienst. Nur habe ich diesen Respekt verloren, wenn man näher zuguckt. Richter, die können sich alles leisten."

In meinem Buch "Regelungsgewalt" habe ich von der Mitgliederversammlung der Gesellschaft für deutsche Sprache am 10. 5. 1998 berichtet:

"Für mich selbst war aber interessanter, was mir der Vorsitzer, Prof. Günther Pflug, während der Mittagspause triumphierend mitteilte: Er wisse bereits – wohlgemerkt: zwei Tage vor der Anhörung! – aus zuverlässiger Quelle, daß das Bundesverfassungsgericht im Sinne der Kultusminister entscheiden werde; nun seien nur noch die Volksbegehren zu fürchten. Ganz neu war mir das nicht, denn schon zehn Tage zuvor glaubte eine Mitarbeiterin der Deutschen Presse-Agentur dasselbe zu wissen und nannte sogar den Namen des Verfassungsrichters, der geplaudert hatte."

Ich will hier nachtragen, daß dieser Richter Dieter Hömig war, aber ich weiß natürlich nicht, ob die Mitteilung zutraf, kann mich auch an den Namen der Dame nicht mehr erinnern. Es spielt ja auch im Grunde keine Rolle mehr.
 
 

Kommentar von glasreiniger, verfaßt am 03.12.2009 um 08.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1253#15346

Ich habe den Mangel am 16. August 2007, 08:47 Uhr auf der Diskussionsseite des Volksentscheid-Artikels moniert (Thema Nr. 15). Zu dem Zeitpunkt war ich wohl schon gesperrt, was übrigens nicht direkt mit der RSR zu tun hat, weshalb ich die Einfügung nicht mehr selbst machen wollte.
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 02.12.2009 um 23.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1253#15345

Zu glasreiniger:
Nicht trauern, sondern in Wikipedia ergänzen oder zumindest den Versuch unternehmen! Mitunter werden sinnvolle Änderungen in Wikipedia geduldet, wenn es keinen Artikelalleinbesitzer gibt und der ändernde Benutzer auch nicht unter Dauerüberwachung eines scharfen "Admin" steht, welche jede seiner Änderungen dem St. Duden vorlegen.

Andererseits ist ein Benutzer "glasreiniger" in Wikipedia gesperrt worden. Warum wohl?
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 02.12.2009 um 12.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1253#15344

Franz Münteferings Äußerung, ein Erfolg des Volksentscheides in Schleswig-Holstein würde das Ende der Reform in ganz Deutschland bedeuten, kann auch als Versuch verstanden werden, den Betreibern des Entscheids die Vergeblichkeit ihrer Anstrengungen vor Augen zu führen. Die Untauglichkeit dieses Versuchs ist dann ein Beispiel für die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Politikern und Bürgern, kein Beweis für die Verlogenheit von Müntefering. Eine solche Deutung braucht nicht einmal ganz zynisch zu sein: Zu seinen Gunsten spricht immerhin, sonst nie den Eindruck erweckt zu haben, die Reformgegner ermutigen zu wollen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.12.2009 um 09.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1253#15341

Ungefähr zur selben Zeit sagte mir der damalige Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache, Prof. Günther Pflug, während der Jahresversammlung in Wiesbaden, daß nur noch das Volksbegehren zu fürchten sei. Daß die Karlsruher Richter die Reform passieren lassen würden, wußte er aber schon (einige Tage vor der Anhörung!). Ich habe darüber ausführlich berichtet, und mein Bild vom Bundesverfassungsgericht ist davon nicht unberührt geblieben.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 02.12.2009 um 07.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1253#15340

Es muß Anfang oder Mitte 1998 gewesen sein, circa ein halbes Jahr vor dem Volksentscheid, der in Schleswig-Holstein die Rechtschreibreform zu Fall brachte. Ich telefonierte mit Dr. Stefan Krimm, Ministerialrat im bayerischen Kultusministerium, einem der Reformdurchsetzer.

Ich weiß nicht mehr, mit welchem genauen Anliegen ich den Kontakt aufgenommen hatte, aber ich wollte auf jeden Fall meine Fassungslosigkeit darüber mitteilen, daß die deutschen Kultusministerien eine Sache betreiben, die mit guten Gründen von der breiten Mehrheit abgelehnt wird. Ich sagte: "Es läßt sich doch absehen, daß der Volksentscheid in Schleswig-Holstein erfolgreich sein wird, und dann ist dort die Reform abgeschafft. Was wollen Sie denn dann tun?" Er antwortete: "Dann machen wir weiter!" Er hätte auch sagen können: "Das Volk ist uns scheißegal." Immerhin, da war er ehrlich.
 
 

Kommentar von glasreiniger, verfaßt am 01.12.2009 um 19.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1253#15339

Bezeichnenderweise wird dieser Volksentscheid in de.wikipedia.org/wiki/Volksentscheid nicht genannt, obwohl dort eine Aufstellung von Volksentscheiden in Bundesländern geführt wird.
 
 

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