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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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21.02.2012
 

Schöne Sätze
Es gibt Inseln im täglichen Geschwätz

"Rien n'est plus beau que le vrai; le vrai seul est aimable."

Für den Frommen ist das sowieso keine Frage.

Vor einigen Jahren wurde der schönste Anfangssatz eines Romans gesucht. Das interessiert mich nicht, s. Boileau. Mein schönster erster Satz lautet:

"Men act upon the world, and change it, and are changed in turn by the consequences of their action." (Skinner: Verbal behavior)

Ich habe noch keine deutsche Übersetzung gefunden, die den ruhigen Fluß dieser Quintessenz des radikalen Behaviorismus wiedergibt.

Heute morgen las ich:

"Beim Erwachen hatte ich schon so viele Einfälle, daß der Tag nicht ausreichte, um sie niederzuschreiben." (Leibniz)

Ich mußte erst mal vor die Tür gehen und frische Luft schnappen.



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Kommentare zu »Schöne Sätze«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.12.2022 um 03.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#50139

Wie ich beim Zurückblättern gerade sehe, habe ich im Haupteintrag falsch zitiert. Boileau sagt

Rien n’est beau que le vrai; le vrai seul est aimable.

Warum habe ich es vor zehn Jahren nicht bemerkt, und warum fällt es mir jetzt sofort auf? Ich babe doch seither Boileau nicht gelesen, muß es also die ganze Zeit im Kopf gehabt haben. Ist die Trivialisierung eine Lectio facilior?

In seinen "Notebooks" notiert Skinner Hunderte solche Alltagsbeobachtungen, vor allem über seine eigenen Gedächtnis- und Fehlleistungen und bringt sie auf die Begriffe seiner Verhaltensanalyse. Das ist ein ständiger, jahrzehntelanger Test der Theorie und überzeugt ihn von deren Richtigkeit. Es ist faszinierend, sich in diesen ganzen Kosmos aus großem Wurf und Alltagsbeobachtungen einzuarbeiten.
Paul Whitley hat ein Verzeichnis der Stellen in den Notebooks angefertigt, die in "Verbal behavior" eingegangen sind: "A referenced index of entries
relevant to Verbal behavior". The Analysis of Verbal Behavior 3, 1985:25-40.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.12.2015 um 05.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#30868

Mithen schreibt:

While handaxe-making hominids are likely to have lived in complex social environments, had considerable technical skill, and engaged in big-game hunting, it is unlikely that they had fully modern language and symbolic thought (Mithen 1996). The linguistic skills of human ancestors have been substantially discussed in recent publications (e.g. Mithen 1996; Bickerton 1996; Dunbar 1993, 1996; Deacon 1997), and remains open to much debate. Anatomical evidence suggests that there was a considerable development of vocal abilities between Homo ergaster and H. neanderthalensis; the encephalization between 600,000 and 250,000 years ago (Ruff, Trinkhaus, and Holliday 1997) is most likely related to the evolution of language ability. But as there are no traces of symbolic behaviour and thought in the archaeological record, it seems probable that fully modern language with a large lexicon and grammatical rules only evolved with modern humans at c. 150,000 years ago.

With an absence of modern language abilities and symbolic thought, the hominid species that made handaxes were quite unlike modern humans.


Auf diese Spekulation, die keinerlei empirische Rechtfertigung hat, stützt er dann seine weiteren Ansichten. Ich weise nebenbei auf die naive Vorstellung von Sprache als "Lexikon und grammatische Regeln" hin.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.12.2015 um 21.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#30866

Die begehrte Frau präfiguriert den Kunden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.12.2015 um 18.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#30864

Nachdem ich den Archäologen Steven Mithen in diesem Strang erwähnt habe, will ich hier auch eine ziemlich bekannt gewordene Idee von ihm referieren. Sie steht im Zusammenhang mit seinen Vorstellungen von der Entstehung der Sprache und überhaupt der Entwicklung "kognitiver" Fähigkeiten, die er aus den Artefakten abzulesen versucht.

Ausgangspunkt ist die Beobachtung, daß Faustkeile nach einer sehr langen Zeit der Stagnation zu einer schönen Form entwickelt wurden, deren abgerundetes Ende gut in der Hand liegt. Das sei aber, so Mithen, eigentlich gar nicht nötig gewesen, denn mit roheren Faustkeilen konnte man die angenommene Arbeit (fast) ebenso gut verrichten, und die Herstellung kostete unverhältnismäßig viel Zeit, Kraft und auch Hirnschmalz.

Die These ist nun, daß nicht die funktionalen Seiten des Werkzeugs die vollendete, eher ästhetisch befriedigende Form hervorbrachte, sondern die sexuelle Selektion. Er vergleicht den prächtigen Schwanz des Pfaus: Die Männer wollten den Frauen imponieren, und die Frauen beurteilten die Kraft und Intelligenz des Mannes nach ihren Faustkeilen.

Das klingt verwegen, aber ganz von der Hand zu weisen ist es wohl nicht; man könnte auch die Sprache teilweise so erklären, denn die Rhetorik der Männer ist, wie ich anderswo schon referiert habe, bei vielen Völkern ein Mittel, Frauen zu gewinnen.

Was man anzweifeln könnte, ist die Erklärungsbedürftigkeit jenes "Überschusses" an Perfektion der schönen Form. Gibt es nicht in vielen Bereichen einen über das Funktionale hinausgehenden Drang nach schöner Form? Mithen hat insbesondere die Entstehung der Musik erforscht; vielleicht sieht er dort dasselbe Prinzip am Werk, ich habe es im Augenblick nicht gegenwärtig. Man kann natürlich immer sagen, es gehe beiden Geschlechtern darum, dem anderen zu gefallen. Immerhin ein interessanter Aspekt.

(Auf seine Thesen zur Sprachentstehung komme ich noch zurück.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2014 um 17.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#25231

Mal ein schöner deutscher Satz (die unmoderne Synonymenvariation ist dem unmodernen Inhalt gemäß):

Es ist aber zu glauben, daß in der Welt hinter den Sternen, die gewiß ihre eigenen, ganz sonderbaren Begriffe von Andacht hat, schon das unwillkürliche Händefalten selbst für ein gutes Gebet gegolten, wie denn mancher hiesige Handdruck und Lippendruck, ja mancher Fluch droben für ein Stoß- und Schußgebet kursieren mag; indes zu gleicher Zeit den größten Kirchenlichtern hienieden die Gebete, die sie für den Druck und Verlag ohne alle Selbst-Rücksichten bloß für fremde Bedürfnisse mit beständiger Hinsicht auf wahre männliche Kanzelberedsamkeit im Manuskripte ausarbeiten, droben als bare Flüche angeschrieben werden. (Jean Paul: Flegeljahre, Nr.36)

(Kurioserweise klingt die Einleitung genau wie mancher Artikel aus dem Katechismus der katholischen Kirche.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2014 um 09.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#24851

„Die Sprache gehört zu jenen Themen, für die sich viele Menschen interessieren. Dennoch gibt es keinen einzigen deutschen Linguisten, dessen Name einem interessierten Nicht-Fachmann sofort einfallen würde. (...) Anders im angelsächsischen Raum: die Amerikaner Steven Pinker, George Lakoff und Derek Bickerton, der Brite Steven Mithen, der auf Englisch schreibende Israeli Guy Deutscher und natürlich der Linguistik-Guru Noam Chomsky haben alle sehr erfolgreiche Bücher verfasst, in denen sie ihre Theorien einem breiten Publikum präsentieren.“ (Spiegel 3.5.11)

(Die Beispiele sind unglücklich gewählt. Pinker ist Psychologe, Mithen ist Archäologe, Chomskys Veröffentlichungen sind keineswegs allgemeinverständlich und oft von trügerischer Einfachheit.)

Zu einem etwas anderen Urteil über amerikanische Linguisten kommt Skinner:

"All the linguists I have known have enjoyed using their technical vocabularies in part because they impressed nonlinguists." (Burrhus F. Skinner: Notebooks. Hg. von Robert Epstein. Englewood Cliffs 1980:343)
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 07.05.2012 um 14.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20655

Ach so! Oh, das ist aber schön.

Das war aber nicht leicht zu verstehen. Das Bedürfnis, frische Luft zu schnappen, hat man ja meistens, wenn man einer schwülen, schlechten Atmosphäre ausgesetzt ist. Das schloß sich unmittelbar an das Leibniz-Zitat an.

Ahnen Sie, was ich mir für einen Reim darauf gemacht hatte? Etwa so: "So viele tolle Gedanken hatte auch Leibniz nicht gleich beim Erwachen, daß er einen ganzen Tag lang damit beschäftigt sein konnte, sie niederzuschreiben. Damit bemäntelt dieser eitle Pfau nur, daß in seinen unglaublich weitschweifigen Formulierungen nicht viel Substanz steckt. Hätte er sich nur mehr Mühe gegeben, seine wilden Einfälle auf das Wesentliche zu konzentrieren und genau dies in Worte zu fassen! Dann wäre man mit der Lektüre Leibnizscher Schriften viel schneller fertig und wäre genauso schlau. Immer diese vermeintlich großen Geister. Sobald man auf den Stil sieht, sind es alle Nieten, jedenfalls verglichen mit Skinner."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2012 um 11.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20653

Lieber Herr Wrase, ich bin doch nicht immer auf der Jagd nach dem Schlechten! Mein Tagebucheintrag enthält tatsächlich lauter schöne und gute Sätze, und der von Leibniz ist so, daß ich angesichts der Vortrefflichkeit dieses Mannes – wenigstens metaphorisch – in Atemnot geriet.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 07.05.2012 um 10.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20651

Was ist eigentlich an dem Satz von Leibniz (im Tagebucheintrag) schlecht?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2012 um 07.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20650

Von Joseph H. Williams stammt auch:

"Life is too short to count words and do long linguistic analysis of everything you write. It's got to be quick and dirty."

Fast immer kann man sich fragen, ob es auch einfacher geht. Ob man manches nur sagt, um sich ein Ansehen zu geben. Es fällt schwer, sich von einer "blendenden" Formulierung zu trennen. Eduard Engel hat das Laster der Eitelkeit so glänzend dargestellt, daß es schon fast wieder eitel wirkt. Trotzdem lesenswert und heilsam.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.03.2012 um 14.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20277

In der Süddeutschen Zeitung von heute / Literatur steht unter "Mehr Ami als Oxford, Eine CD präsentiert Shakespeare in Originalaussprache" ein interessanter Bericht, daß die US-Amerikaner eigentlich heute noch so sprechen, wie Shakespeares Englisch geklungen hat, und daß das Oxford-Englisch sich davon entfernt hat. Zitat: "Die CD stellt den Versuch dar, das Bühnenenglisch des späten sechzehnten und frühen siebzehnten Jahrhunderts zu reproduzieren. Und das klingt nun einmal, wie Sprachwissenschaftler schon länger wissen, eher wie amerikanisches als wie heutiges britisches Englisch."
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 17.03.2012 um 08.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20255

Vermeidung von "dass"-Sätzen oder kreative Wortschöpfung nach englischem Muster? Aus einem Brief: "Ich habe mich sehr gefreut über Dein Anmichdenken." Bei Googel 885 mal "Anmichdenken".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.03.2012 um 09.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20195

Most reading is just reminding yourself of what you already know. (Joseph H. Williams)

Auch gut gesagt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.02.2012 um 09.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20187

Man muß auch bedenken, daß die von Skinner hier verwendeten Ausdrücke zugleich die Kernbegriffe des gesamten Werkes und des radikalen Behaviorismus überhaupt sind. Also act, change, consequence. "Folge" ist das Nächstliegende. Skinner drückt sich immer so einfach wie möglich aus, in seinen Notebooks stellt er auch manchmal stilistische Überlegungen an, spricht sich gegen Füllsel aus usw.
Mit Actio und Reactio kommt man nicht weiter, weil das Besondere an der konditionierten Antwort gerade darin liegt, daß sie in keiner "mechanischen" Beziehung zum auslösenden Ereignis steht. Das sagt er gleich im nächsten Absatz:

Behavior alters the environment through mechanical action, and its properties or dimensions are often related in a simple way to the effects produced. When a man walks toward an object, he usually finds himself closer to it; if he reaches for it, physical contact is likely to follow; and if he grasps and lifts it, or pushes or pulls it, the object frequently changes position in appropriate directions. All this follows from simple geometrical and mechanical principles.
Much of the time, however, a man acts only indirectly upon the environment from which the ultimate consequences of his behavior emerge. His first effect is upon other men. Instead of going to a drinking fountain, a thirsty man may simply "ask for a glass of water" that is, may engage in behavior which produces a certain pattern of sounds which in turn induces someone to bring him a glass of water. The sounds themselves are easy to describe in physical terms; but the glass of water reaches the speaker only as the result of a complex series of events including the behavior of a listener. The ultimate consequence, the receipt of water, bears no useful geometrical or mechanical relation to the form of the behavior of "asking for water." Indeed, it is characteristic of such behavior that it is impotent against the physical world. Rarely do we shout down the walls of a Jericho or successfully command the sun to stop or the waves to be still. Names do not break bones. The consequences of such behavior are mediated by a train of events no less physical or inevitable than direct mechanical action, but clearly more difficult to describe.


Ich empfinde in Skinners Prosa eine gewisse Gelassenheit, wie bei jemandem, der seiner Sache nach langem Nachdenken sicher ist und sich nicht aufzuregen braucht. Sein bewundertes Vorbild war Thoreau, der ihm ja auch den Titel eines seiner bekanntesten Werke (Walden Two) geliefert hat. Diesen Ton müßte man im Deutschen treffen.
 
 

Kommentar von Thomas Frieling, verfaßt am 28.02.2012 um 08.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20185

Wenn hier schon die Maxwell-Gleichungen bemüht werden, dann dürfen wir auch versuchen, den Satz mit Hilfe des dritten Newtonschen Axioms zu übersetzen:

"Actio = Reactio"

Sonst wäre das hier mein Versuch:

"Die Menschen wirken auf ihre Umwelt ein, sie verändern sie und werden ihrerseits von den Auswirkungen ihrer eigenen Einwirkungen verändert."

Oder voller bemühter Originalität:

"Die Auswirkungen ihrer eigenen Einwirkungen auf die Umwelt zeigen Rückwirkungen auf die Wirkenden."

Thomas Frieling
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2012 um 17.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20168

Nicht durch die eigene Tat, sondern durch deren Folgen. Das ist ja der Kern des operanten Konditionierens, und darin besteht auch die Anpassung an die Welt, wie sie nun mal ist.
 
 

Kommentar von MG, verfaßt am 25.02.2012 um 15.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20167

Jetzt probiere ich es auch:

Der Mensch handelt und verändert so die Welt und wird selbst verändert durch die eigene Tat.

Hm. Auch nicht ganz. Aber mein Satz klingt weniger bürokratisch als die anderen.
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 24.02.2012 um 11.15 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20156

Mit Sprache kann man auch Theologie betreiben, mit Mathematik kaum – obwohl Kurt Gödel einen mathematischen Gottesbeweis versucht haben soll. Die Mathematik enthält auf verborgene Weise bereits Naturgesetze, anders ist ihre gewaltige Erklärungskraft nicht zu verstehen. Die bedeutendste Entdeckung der letzten Jahrzehnte ist nach meiner Meinung die mögliche quantenmechanische Verschränkung von Teilchen, die auch makroskopische Entfernung voneinander haben können und doch zeitunabhängig als Einheit wirken – eine Vorstellung, die die Relativitätstheorie anderswo gerade erfolgreich beseitigt hatte. Erkennen (und Modellbau) setzt Trennung und Teilbarkeit voraus – der damit uns zugängliche Bereich dürfte aber nur die Oberfläche der Natur darstellen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2012 um 08.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20152

Mit Sprache (einschl. mathematische Formeln) kann man eben Modelle bauen, die als makroskopische Gegenstände (wie Astrolabien, Doppelstrickleitern usw.) nicht möglich wären.
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 23.02.2012 um 17.28 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20151

Heinrich Hertz hätte sicher gern erfahren, daß im nächsten Jahrhundert die Mathematik der Quantenphysik (inzwischen erwiesene) Wahrheiten aussagte, die selbst Einstein nicht anerkennen mochte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2012 um 16.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20149

Man kann Modelle von Planetensystemen, Atomen oder DNS bauen, diese Modelle studieren und dabei etwas über das Original herausfinden, nicht wahr? Interessanterweise scheint das auch für sprachliche Gebilde zu gelten, die ja das von ihnen beschriebene Original zunächst nicht abzubilden scheinen wie ein Modell. Die Maxwellschen Gleichungen haben, sollte man meinen, keine modellhafte Beziehung zu den elektromagnetischen Wellen selbst. Eben dies soll aber anscheinend doch gelten. Wenn ich es recht verstehe, hat Wittgenstein im Tractatus eine solche Abbildtheorie der Sprache aufgegriffen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 23.02.2012 um 13.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20148

Solange sich die elektromagnetischen Wellen nach den Maxwellschen Gleichungen richten, ist ja alles in bester Ordnung. Ich hoffe, sie wissen, was von ihnen erwartet wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2012 um 10.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20129

Da Google heute an Heinrich Hertz erinnert, möchte ich auch aus dessen "Prinzipien der Mechanik" noch einen schönen Satz zitieren, der sich mir gleich bei der ersten Bekanntschaft vor vielen Jahren eingeprägt hat. Es geht um Maxwells Lichttheorie:

"Man kann diese wunderbare Theorie nicht studieren, ohne bisweilen die Empfindung zu haben, als wohne den mathematischen Formeln selbständiges Leben und eigener Verstand inne, als seien sie klüger als wir, klüger sogar als ihre Erfinder, als gäben sie mehr heraus, als seinerzeit in sie hineingelegt wurde. Das kann eintreten, wenn nämlich die Formeln richtig sind über das Maß dessen hinaus, was der Erfinder sicher wissen konnte.“

Wie man sich damals noch auszudrücken wußte! Jeder kann es verstehen, und trotzdem ist es von unauslotbarem Tiefsinn.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2012 um 09.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20127

Es gibt ja die schöne Anekdote von Platon, der immer wieder am ersten Satz seines Hauptwerkes ("Politeia") herumgefeilt habe. Noch auf dem Sterbebett fand man den toten Achtzigjährigen mit der Wachstafel zwischen den Fingern, darauf der berühmte erste Satz. Und wie lautete er? "Kateben chthes" usw. – genau wie in der bekannten Fassung!
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 22.02.2012 um 09.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20126

Ich kann mir keine bessere Übersetzung vorstellen, zumal sie auch den "ruhigen Fluß" des englischen Zitats wiedergibt. Das Englische hat allenfalls den Vorteil der Kommas, so daß der dreiteilige Satz zugleich ruhig fließt und klar gegliedert ist. Im Deutschen verbieten sich die Kommas.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2012 um 06.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20125

Mein eigener Versuch lautet übrigens:

Der Mensch wirkt auf die Welt ein und verändert sie und wird seinerseits durch die Folgen dieser Einwirkung verändert.

(Bitte nicht den Singular korrigieren! Ich kann das im Englischen durchaus unterscheiden...)

Ich habe das gesamte Werk vor zehn Jahren übersetzt, finde aber nicht die Zeit, um es noch einmal zu überarbeiten und dann gegebenenfalls zu veröffentlichen. Das Hauptproblem ist die trügerische Einfachheit des Originals.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2012 um 06.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20124

Leider nicht, weil schon der "um zu"-Satz, den wir ja so salopp in nichtfinalem Sinne zu gebrauchen pflegen, vollkommen in die Irre führen könnte. Für den Behavioristen gibt es keine Intentionalität. (Für mich also auch nicht.)
 
 

Kommentar von Marco Niemz, verfaßt am 22.02.2012 um 00.19 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1499#20123

"Die Menschen verändern durch ihr Einwirken die Welt, um dann selbst durch die Folgen ihres Einwirkens verändert zu werden"

Könnte dies als zumindest sinngemäße Übersetzung von Skinners Aussage durchgehen?
 
 

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