zurück zur Startseite Schrift & Rede, Forschungsgruppe dt. Sprache    FDS - In eigener Sache
Diskussionsforum Archiv Bücher & Aufsätze Verschiedenes Impressum      

Theodor Icklers Sprachtagebuch

Die neuesten Kommentare


Zum vorherigen / nächsten Tagebucheintrag

Zu den Kommentaren zu diesem Tagebucheintrag | einen Kommentar dazu schreiben


09.08.2013
 

Der bitterböse Friederich
Sind Tiere Sachen?

Wütende Spiegel-Leser kämpfen siegreich gegen Indefinitpronomen.

Soeben berichtete SPIEGEL, in Leipzig sei eine Transportmaschine ausgebrannt. "Verletzt wurde niemand." Nur eine Menge lebende Küken sind verbrannt. Die Leserzuschriften empörten sich über dieses niemand, wenig später änderte die Redaktion den Text in "Menschen wurden nicht verletzt."

Die Leser machten geltend, daß Tiere keine Sachen seien. Allerdings sind sie auch keine Personen und daher kein "Jemand".

BGB § 90a lautet heute:
Tiere
Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.


Das ist natürlich sehr unbefriedigend. Es geht im BGB hauptsächlich darum, daß man Tiere verkaufen kann. Man darf sie auch schlachten, bloß nicht unnötig quälen. Darf man Fliegen die Flügel ausreißen? Aber was ist das schon gegen die erlesenen Qualen, die meine Lieblingsspinne ihren Opfern zufügt?

Haben Tierschützer schon ein Pronomen gefunden, das zwischen Sachen und Personen vermittelt?



Diesen Beitrag drucken.

Kommentare zu »Der bitterböse Friederich«
Kommentar schreiben | älteste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.07.2024 um 05.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53588

„Sehr plausibel“ – das schon, aber wir wissen ja: „Evidenz ist der Feind der Wahrheit“, und ich bemühe mich seit Jahren mit Engelszungen, den festen Boden zu erschüttern, auf dem Sie stehen. Also noch einmal: Ich bestreite nicht, daß Tiere Schmerzen haben, sondern halte diese Redeweise für überflüssig und irreführend. Ich kann aber nicht die ganze Argumentation ständig wiederholen, sondern verweise auf den Haupteintrag „Naturalisierung der Intentionalität“, wo der bewußtseinsfremde Standpunkt erklärt wird.

Statt Schmerz könnte man auch mal Lust diskutieren. Empfinden Tiere Lust, Freude? Auch das ist keine Tatsachenfrage. Auch ein „Belohnungszentrum“ im Gehirn ist nur durch seine Funktion beim Lernen definiert; es ermöglicht die Konditionierung, und die Redeweise von „Belohnung“ oder „Lust“ tragen wir hinein, weil wir aus der Alltagsverständigung wissen, was das ist. Die Lustprämie auf den Fortpflanzungsakt stammt aus der stammesgeschichtlichen Priorität dieses Aktes. Die Zirkularität, die man dem Behaviorismus zu Unrecht vorgeworfen hat, weil er „Verstärkung“ durch die Wirkung definiere, die sie erklären soll, bezieht ihre Plausibilität aus der Alltagspsychologie. Skinners Darstellung in „Die Funktion der Verstärkung in der Verhaltenswissenschaft.“ München 1974 (einer der wenigen Texte, die auf deutsch vorliegen) ist nicht zirkelhaft.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.07.2024 um 23.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53586

Das Wörtchen "muß" in meinem vorigen Beitrag #53578 ist mir leider im Eifer unbeabsichtigt unterlaufen. Es sollte bitte nicht so verstanden werden, als ob ich diesen Analogieschluß als einzige mögliche logische Folgerung ansehe. Besser hätte ich "kann" schreiben sollen.

Aber dieser Analogieschluß macht das Schmerzempfinden von Tieren m. E. zumindest sehr plausibel, während die andere Sicht ja NUR darauf hinausläuft, daß wir es entweder nicht wissen können oder daß es fürs Verhalten egal ist, also nichts widerlegt.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.07.2024 um 14.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53578

Sind nicht wahrhaft "tierische" Schmerzensschreie ein zwar indirektes, aber doch sehr überzeugendes Indiz dafür, daß Menschen und Tiere Schmerzen empfinden?

Was hat es mit dem Schmerzempfinden zu tun, ob das betroffene Subjekt davon erzählen kann? Menschen und Säugetiere sind sich biologisch sehr ähnlich. Jeder Mensch kennt seinen Schmerz und muß daraus vernünftigerweise Analogieschlüsse auf andere Menschen und auf stammesgeschichtlich höhere Tiere ziehen.

Wenn die Katze auf dem heißen Blechdach keine Schmerzen hat, dann spürt sie auch nicht, daß es überhaupt heiß ist. Dann hat sie überhaupt keine bewußten Empfindunden und Wahrnehmungen. Ihre Sinnesorgane funktionierten zwar, aber nur wie die Sensoren eines Roboters. Alle Tiere wären reine Automaten.

Wie sollte dann bei der Entstehung des Menschen plötzlich dieser Umschwung gekommen sein? Erst mit der Sprache begannen wir plötzlich, Schmerzen zu spüren, Gefühle zu entwickeln und unsere Umwelt sowie uns selbst bewußt wahrzunehmen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.07.2024 um 05.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53575

Manchen Tieren schreibt die Forschung Selbstbewußtsein zu, anderen nicht (auch innerhalb derselben Art je nachdem, ob sie einen bestimmten Test bestehen oder nicht), aber ihr Verhalten unterscheidet sich sonst nicht. Wie kann das sein, wenn Selbstbewußtsein oder Selbsterkenntnis ein „gigantischer Entwicklungsschritt“ sein soll? („Ein mentales Bild von sich selbst zu haben, ist ein gigantischer Entwicklungsschritt. Unter anderem gilt es als Voraussetzung für Emotionen, Wünsche und Intentionen und als Zeichen dafür, dass sich der kleine Fisch – ähnlich wie ein Mensch – wahrscheinlich bewusst darüber ist, wer es selbst ist.“ (Bericht von Tina Baier über Putzerfische, SZ 20.2.23) Die Selektion, die zum gigantischen Entwicklungsschritt führte, muß doch am Verhalten angesetzt haben und nicht an einer unbeobachtbaren Mentalität.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.07.2024 um 03.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53572

Noch einmal zum Ganzen: Ich bestreite nicht die Existenz der Erlebnisse, sondern sage nur, daß es keine Beobachtungstatsachen sind. Sie stehen nicht neben den objektiv gegebenen Daten, mit denen die Physiologie, Biologie, Verhaltensanalyse arbeiten, sondern bilden, metaphorisch gesprochen, ein eigenes Reich, und es ist unsere Aufgabe, das Entstehen und Funktionieren dieser "transgressiven Konstrukte" zu erforschen.
Es ist zugegebenermaßen schwer, diese Sicht einzunehmen und zu erklären.
Ein starkes Argument ist es immerhin, daß die Verhaltensanalyse genau gleich ausfällt, ob man den Ratten nun Bewußtsein, Schmerz usw. zuschreibt oder nicht. Der Hundehalter gibt dem braven Tier ein Leckerli und verstärkt damit sein Wohlverhalten. Dazu kann er nach Belieben noch die Freude des Hundes annehmen oder nicht – es macht keinen Unterschied. Je weiter wir in der Hierarchie der Tierwelt hinabsteigen, desto unproblematischer kommt auch dem größten Tierfreund der naturalistische Standpunkt vor. Nur die PETA-Anhänger wollen davon nichts wissen, nicht einmal bei Nacktschnecken und Fruchtfliegen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.07.2024 um 02.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53571

Wenn die Katze das heiße Blechdach nicht deshalb meidet, weil es ihr weh tut, warum tut es ihr dann überhaupt weh?

Warum tut es mir weh, wenn der Zahnarzt in meinen Zahn bohrt?

Wozu sind Schmerzen da, was ist ihre Funktion?
Nur eine überflüssige und damit sehr unwahrscheinliche Laune der Natur?

Oder bestreiten Sie, daß ich beim Bohren Zahnschmerzen habe, weil weder Sie noch andere meine Zahnschmerzen mitempfinden können?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2024 um 10.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53567

Katzen ziehen die Pfote nicht deshalb vom heißen Blechdach zurück, weil es ihnen wehtut, sondern weil es das Gewebe schädigt und die Reaktion sich stammesgeschichtlich, wenn auch lange vor der Entstehung der Feliden, als überlebensdienlich entwickelt hat. Und wenn man nach der "proximaten" Ursache fragt, wie die Philosophen sagen, dann sucht man im Nervensystem, und dort findet man keine Schmerzen, sondern Nozizeptoren und ähnliches.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2024 um 05.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53564

Schmerz ist keine Beobachtungstatsache, sondern gehört zur Erlebniswelt sprechender Wesen. Die objektive Bezeichnung der Schmerznerven ist daher „Nozizeptoren“, worin die Gewebeschädigung, nicht die subjektive Empfindung ausgedrückt ist. Ob Tiere Schmerzen haben oder nicht, kann der Biologe auf sich beruhen lassen; am Verhalten der Tiere ändert es nichts. Die gesamte „Phänomenologie“ des Erlebens ist für die Tierverhaltensforschung eine überflüssige Zutat. Aus sprachkritischer Sicht hat es keinen Sinn, nach dem Bewußtsein von Tieren zu fragen, schon weil man sich nicht vorstellen kann, wie eine mögliche Antwort aussähe. Oder: ob und wie weit Tiere "über sich selbst nachdenken" usw. (s. Bericht in der SZ, wo auch der Philosoph Albert Newen dazu befragt wird).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.07.2024 um 22.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53563

Niemand würde einen angeblichen Fehlschluß verwenden, wenn er nicht davon überzeugt wäre, daß es gar kein Fehlschluß ist.

Ist etwa eine unangenehme Empfindung (z. B. Schmerz) nicht der Grund, diese Empfindung zu vermeiden? Also eine Schutzvorrichtung? Wozu sonst sind Schmerzen da?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.07.2024 um 11.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53562

Zur New Yorker Deklaration:

Die Unterzeichner vermuten, daß „a wide range of animals, including all vertebrates and many invertebrates, are likely conscious and able to subjectively experience the world.“

Das „likely“ ist gegenstandslos, weil der Sachverhalt grundsätzlich nicht festgestellt werden kann.
„Octopuses avoid pain and seek pain relief, suggesting they have subjective experiences.“
Das sind keine Beobachtungstatsachen, sondern mentalistische Deutungen. So auch im folgenden: „Behaviors like learning, planning, problem-solving, and self-recognition provide compelling evidence that invertebrate minds are more complex than commonly assumed.“
Tintenfische sind lernfähig (nicht sehr überraschend).
Die Heranziehung von Fruchtfliegen befremdet; sie sind stammesgeschichtlich Hunderte von Millionen Jahren von uns entfernt, und die Analogie im Schlafverhalten sagt gar nichts. Insekten und Krustentiere einzubeziehen ist der besondere Stolz der Verfasser. Ihr Text wird dadurch zu einem Dokument des Vegetarier-Fanatismus, wie von PETA bekannt.
Übrigens: Eine Auster zieht sich krampfhaft zusammen, wenn der Feinschmecker sie mit Zitronensaft beträufelt. Was ist davon zu halten?
Selbst wenn der Begriff „Bewußtsein“ (neuerdings oft durch das ebenso unbestimmte „sentience“ ersetzt) besser definiert wäre, würde aus dem Nachweis bei Tieren keine Verpflichtung des Menschen folgen. „There are strong reasons to think many invertebrates are conscious, and a realistic possibility of sentience creates an obligation to avoid doing things that might harm them.“ – Dieser Fehlschluß gehört zu den bekanntesten überhaupt und sollte nicht mehr zulässig sein, ebenso wie die vielen Beispiele von Petitio principii im gleichen Text.
Die "eminenten" Unterschriften beeindrucken mich nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.07.2024 um 06.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53561

„Bei immer mehr Tieren entdecken Wissenschaftler Formen von Bewusstsein.“ Tina Baier berichtet auf einer ganzen Seite der SZ (20.7.24): Spiegeltest, schlaue Oktopusse usw. Der freie Wille von Fruchtfliegen wird erforscht. In deren Gehirn gibt es nämlich Zellen, die „mal so und mal so feuern“. Das haben wir uns immer unter Willensfreiheit vorgestellt.
Am Ende geht es um Tierschutz und die „New York Declaration on Animal Consciousness“. Deklarieren kann man vieles.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.05.2024 um 05.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53283

Dekapitierte Frösche zu untersuchen war ein Meilenstein der Neurophysiologie. Wird so etwas in Zukunft noch möglich sein? Radikale Tierrechtler würden wohl bestreiten, daß es überhaupt einen „vernünftigen Grund“ gibt, Tiere zu töten. Auch nicht die Rettung von Menschenleben, denn der Mensch ist auch ein Tier, das zu leben und zu sterben verdient wie alle anderen, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Bei Youtube kann man sich unzählige Videos mit jagenden und kämpfenden Tieren ansehen, aber das eigentliche Töten, Fressen und Gefressenwerden wird meistens nicht gezeigt. Das ist sehr lieb.

In neueren Spielfilmen wird nicht mehr geraucht. Die Menschen rauchen bekanntlich nicht und haben nie geraucht. Bald werden in Filmen, die in unserer barbarischen Vergangenheit spielen, auch keine hölzernen Zirkuspferde mehr vorkommen. Wir achten die Würde der Tiere.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.05.2024 um 18.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#53281

Ein besonders gelungenes Kapitel in John S. Kennedys Buch ist das über „Suffering“. Er weist den beinahe unvermeidlichen Anthropomorphismus in dieser Frage nach; auch Behavioristen, die theoretische Zweifel haben, können sich als Menschen der unreflektierten Empathie nicht verweigern und wollen keine Tiere quälen. Kennedy hält es grundsätzlich für möglich, daß wir eines Tages wissen, ob Tiere leiden, aber auf absehbare Zeit glaubt er nicht daran. Ich nehme dagegen an, daß es sich nicht um eine Tatsachenfrage handelt, sondern um eine begriffliche, die nicht entschieden werden kann, weil sie keinen Sinn hat. Ob Menschen leiden, kann nicht sinnvoll gefragt werden, weil sich der Begriff des Leidens (ebenso Schmerz, Bewußtsein usw.) als Teil der menschlichen Verständigung gebildet hat. Nur die Anwendung dieser Verständigungsmittel auf nicht-dialogfähige Wesen kann in Frage gestellt werden, allerdings ohne Aussicht auf eine Lösung.

Auch werden beim Tierschutz zwei Fragen vermischt:
1. Leiden Tiere?
2. Was für einen Unterschied macht es für uns, ob sie leiden oder nicht? („Laßt sie doch leiden!“)
Stillschweigend wird stets vorausgesetzt, daß aus der Tatsache des Leidens die Verpflichtung folgt, dieses Leiden zu verringern oder zu verhindern. Das ist jedoch logisch fehlerhaft.

Man kann den Tierschutz immer weiter verschärfen (z. Z. wird die Höchststrafe für das unzureichend begründete Töten von gewissen Tieren auf fünf Jahre Gefängnis erhöht, ein absurder Schritt, der offenbar bestimmte Lobbygruppen ruhigstellen soll). Zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen scheint man anders empfunden zu haben, übrigens auch gegenüber dem Leiden von Menschen. Daß die Roheit gegenüber Tieren eine ebensolche Roheit gegen Menschen fördern könnten, war denn auch immer einer der Gründe für den Tierschutz (Kennedy 123 mit Hinweis auf Kant).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.03.2024 um 10.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#52963

Vor einiger Zeit hat die Polizei eine Spinne vor dem Tod im Staubsauger gerettet. „Für ihren tierfreundlichen Einsatz zeichnet die Tierrechtsorganisation PETA die Polizeiinspektion Neu-Ulm nun mit einer ‚Helden für Tiere‘-Urkunde aus.“ Zoologisch nicht ganz auf der Höhe, sagte die Sprecherin: „Insekten wie Spinnen sind bemerkenswerte Tiere mit unglaublichen Fähigkeiten.“ (PETA-Presseportal)
Jetzt müßten die PETA-Aktivisten nur noch den Spinnen beibringen, nicht so grausam zu Fliegen zu sein. Fesseln und bei lebendigem Leib aussaugen – das geht gar nicht. Wenn man so etwas sieht, möchte man sagen: Nur eine tote Spinne ist eine gute Spinne. Ich habe aber Spinnen immer geliebt und als Kind Fliegen gefangen, ihnen die Flügel ausgerissen und sie an Eckenspinnen verfüttert, die dadurch eine geradezu adipöse Größe erreichten. (Im Harry-Potter-Film kann man solche Monster sehen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.02.2024 um 07.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#52859

Kein Tier wird meinem Eindruck nach so oft als "Mörder" bezeichnet wie die Schwertwale (Orca). Auch "Killer" wird direkt aus dem Englischen übernommen, obwohl doch alle Fleischfresser töten. Andererseits sind Videos der anmutigen Tiere sehr beliebt.

Große Mühe wird darauf verwendet, die vielen Millionen Hunde und Katzen zur vegetarischen oder gar veganen Ernährung zu überreden. Andererseits wird von den großen Schlachttieren mindestens ein Drittel als "Schlachtabfälle" zu Tierfutter verarbeitet. Luxustierhalter wollen ihren Lieblingen nur bieten, was sie auch selbst essen würden, und zahlen ordentlich dafür. Tierärzte finden das falsch, weil gerade die "Abfälle" ernährungsphysiologisch besonders wertvoll sind. Sie wegzuwerfen wäre ökologisch unsinnig.

Die meisten Menschen, denen wir in Feld und Wald begegnen, sind wegen der Hunde unterwegs. Gestern bedankte sich eine Frau bei ihrem Hund, weil er uns Platz gemacht hatte. Wir wollten uns eigentlich bei ihr bedanken, aber das wäre ja dann widersinnig gewesen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.02.2024 um 13.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#52856

Nicht zum erstenmal muß der Direktor des Nürnberger Tiergartens sich rechtfertigen, weil er die „Entnahme“ von Pavianen aus dem stark übervölkerten Gehege plant. Weil auch alle anderen Zoos zuviel davon haben, sollen sie den Weg allen Affenfleisches gehen und den Magen der Großkatzen füllen, was sie ja in deren Heimat auch tun. Das ist den Tierschützern zuviel Natur. Die bayerischen und regionalen Zeitungen sind voller Beiträge zu diesem wiederkehrenden Thema. Der Tiergarten ist übrigens gut in Schuß; wenn es überhaupt Zoos geben soll, dann nach diesem Muster (wofür ja auch die rege Fortpflanzung spricht, das Natürlichste, was es gibt, samt Entnahme).
Die FAZ schließt sich an:
„Das Gehege zu klein, die Auswilderung unmöglich – deswegen sollen die Paviane sterben. Aus der Ankündigung des Tierparks Nürnbergs spricht ein verhängnisvoller Machbarkeitsgedanke.“ (26.2.24)

(Nur mal nebenbei: In Deutschland werden täglich 2 Mill. Tiere geschlachtet. Die gleichen Zeitungen sind nicht dafür bekannt, daß sie die vegetarische Ernährung propagieren.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.02.2024 um 05.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#52744

Die PETA-Irren fordern ein Verbot von Karussell-Tieren.

Einige Betreiber werden sich sofort unterwerfen. Wir erleben ja schon die Beseitigung nicht-veganer Kinderlieder.

Strafbar ist auch der Besitz von "kinderpornografischen" Zeichnungen oder Animationen, obwohl bei deren Herstellung niemand zu Schaden gekommen ist.

Die zugrunde liegende Hypothese, die keines Beweises bedarf, lautet: Wer auf Holzpferden reitet, der reitet später – schrecklich zu sagen – auch auf richtigen. Der Handel mit Schaukelpferden und Kuscheltieren sollte auch verboten werden.

Auch wer kein PETA-Mitglied ist, sollte den Mitgliedsbeitrag zahlen. (Frei nach Paul Kirchhof)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2024 um 15.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#52570

Hier noch der Link zu PETA:

https://www.peta.de/themen/speziesismus-sprache/

Es geht offenbar nicht mehr darum, Tiere zu schützen Tiere sollen nicht mehr ohne ihre schriftliche Zustimmung genannt werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2024 um 06.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#52567

Tierschützer (PETA) wollen bekanntlich Redensarten abschaffen, in denen "Gewalt gegen Tiere verherrlicht" wird, z. B. "ein Hühnchen rupfen" oder "zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen". Allerdings werden Hühner hierzulande erst gerupft, wenn sie tot sind, und ungerupft schmecken sie einfach nicht. Auch mit der "Verherrlichung" der Fliegenklatsche ist es nicht weit her. Die SZ interviewt den Sprachwissenschaftler Christian Hempelmann dazu.

Bevor die Sache an ihrer Lächerlichkeit stirbt, besteht aber durchaus die Gefahr, daß die Sprachregelung von staatlichen Stellen übernommen wird. Darum muß man wachsam bleiben und auch die Irren im Auge behalten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.11.2023 um 05.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#52183

Tierschützer und Tierrechtler wollen gegen die Absicht der Stadt Limburg klagen, die Zahl der Stadttauben zu reduzieren (durch schonende Tötung – was sonst?). Sie nennen den Stadtrat eine „Mörderbande“. Limburg hatte schon 2017 auf Betreiben von Tierrechtlern das Lied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ aus dem Repertoire des Glockenspiels gestrichen.
Es fällt natürlich auf, wenn kleine Gruppen ihre Spezialmoral einer ganzen Gesellschaft aufzwingen wollen, aber die Genderer haben auch nichts anderes getan. Die Klügeren geben nach und sind die Dummen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.10.2023 um 16.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#51890

Beim Geflügel, zumindest bei den ganzen Stücken, kann man das Tier noch erahnen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.10.2023 um 06.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#51889

Die gesamte Fleischproduktion wird heute möglichst weit entfernt vom Verbraucher betrieben. Anschauliche Teile wie Schweinsköpfe, -füße, -ohren und -schwänze sind aus den Auslagen der Metzgereien fast völlig verschwunden, angeboten wird nur das gleichsam abstrakte „Fleisch“. Ich kenne etliche Menschen, die zwar Fleisch und Fisch essen, aber nur wenn auf dem Teller keine Körper und Körperteile mehr zu erkennen sind. Ideal ist der Klops aus Gehacktem zwischen Brötchenhälften.

Dies zur Grenzziehung zwischen Person und Sachen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.07.2023 um 04.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#51470

Ein Wolf ist verbotenerweise getötet worden. Die Verfolgungswut dreier Tierschutzvereine ist bemerkenswert: Für Hinweise auf den Täter haben sie 40.000 Euro ausgelobt und fordern strenge Bestrafung. Warum überlassen sie das nicht der Justiz?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.04.2023 um 06.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#50964

Die Problembärin, die einen Jogger getötet hat, soll in einem „Gnadenhof“ ein bärenwürdiges Leben führen. Dafür kämpfen Vereine. Während dieses langen Bärenlebens werden Millionen ebenso intelligente Schweine, die niemandem etwas getan haben, einer schweinewürdigen Verwertung zugeführt. Auch wenn die Bärenschützer allesamt Vegetarier wären, würde diese Ungleichbehandlung nicht recht einleuchten.
Natürlich hat sich unter Wölfen und Bären längst herumgesprochen, wo sie streng geschützt sind („Pull-Effekt“).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.04.2023 um 18.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#50950

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#46579

Garantierte Aufzucht der Bruderhähne
(Aufdruck auf Eierpackung)

Macht es die Legehennen glücklich, wenn sie wissen, daß ihre Brüder schon gebraten sind?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.03.2023 um 13.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#50758

Das haben wir unter "Superspartaner" schon mal besprochen, aber ich bin gerade dabei, eine Neufassung anzufertigen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.03.2023 um 11.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#50756

Wie will man überhaupt wissen, ob Bienen etwas merken, ob sie Schmerzen haben? Merkten sie etwas, wären das dann Schmerzen? Hätten sie Schmerzen, würden sie diese "bemerken"? Wie würde sich das äußern? Sollten sie sich vor Schmerzen kringeln oder können sie einfach nicht anders, als trotz eventueller Schmerzen ihren Reflexen solange zu folgen, wie der Körper noch funktioniert? Falls sie ihrer eigenen Zerstörung nach Möglichkeit "bewußt" oder irgendwie reflexhaft aus dem Weg gehen, tun sie das, um Schmerzen, Tod oder bestimmte Disfunktionen zu vermeiden?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.03.2023 um 04.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#50755

„Frans de Waal fordert, dass wir umdenken müssen: Wenn Tiere nämlich Gefühle haben, und zwar auch der Hummer und die Biene. Dann muss man ihre Interessen moralisch mitbedenken.“ (DLF 13.4.22)
Berichtet wird dort über Bienen, die Orte meiden, an denen ihnen aversive Reize geboten wurden, die also gelernt haben. Ferner über feuernde Nerven von Hummern, die in kochendes Wasser geworfen wurden. Man weiß zwar nicht, was „Gefühl“ bei solchen Tieren bedeutet, aber schon der naturalistische Fehlschluß macht eine weitere Diskussion unmöglich. Wieso wird ein Lebewesen zum moralischen Subjekt, weil es Gefühle hat (was immer das sein mag)? Außerdem lernen Bienen zwar, merken aber, wie berichtet, nichts, wenn ihnen der Hinterleib abgetrennt wird.
Warum geht es nur um Schmerz, aber nicht um Freiheitsberaubung, Schlachtung, Kastration und all das, was wir uns heute im Umgang mit anderen Menschen versagen?
Frans de Waal begründet seinen bekannten Anthropomrophismus dadurch, daß er zwischen Tier und Mensch eine bereits von Darwin vertretene Kontinuität behauptet (die man schwerlich bestreiten kann), dabei aber die begrifflichen Schwierigkeiten ignoriert, die bei einer Anwendung mentalistischer Prädikate auf Tiere entstehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.03.2023 um 05.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#50652

Der Nürnberger Zoodirektor Dag Encke legt im Interview der SZ (8.3.23) in gewohnter Nüchternheit dar, warum zwei junge Gorillas kastriert werden müssen. Von „Würde“, einem kulturellen Konstrukt der Menschen, könne bei Tieren nicht gesprochen werden. Affen dürfen laut Gesetz nicht verfüttert werden, andere Tiere schon.
Es wird empörte Leserbriefe hageln. Dabei sagt Encke klar genug, was geschehen würde, wenn man die Tiere nicht kastriert. Nirgendwo auf der Welt grast der Löwe neben dem Reh.

Kürzlich haben Vogelschützer vorgerechnet, wie viele Vögel an den Fensterscheiben zu Tode kommen: pro Einfamilienhaus zwei jährlich, an größeren Häusern entsprechend mehr. Eigentlich müßten sie überall herumliegen, wie unter den Windrädern, wo man sie aber auch nicht sieht.
Bei uns fliegt manchmal ein Vogel gegen die Scheibe. Entweder fliegt er gleich weiter, oder er gönnt sich eine Pause, und einmal hing einer zehn Minuten kopfüber an einem Zweig, weil der Greifreflex weiter funktionierte. Gestorben ist noch keiner. Ich halte daher die Zahlen, die allerdings aus den USA kamen, für frei erfunden, wie bei den Windradopfern. Real sind dagegen die Verkehrsopfer und natürlich die konkret erlebbare Dezimierung durch Katzen, von denen es immer mehr gibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.12.2022 um 20.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#50110

Der Oberste Gerichtshof des nordindischen Bundesstaats Uttarakhand ordnete im März 2017 an, dass der Ganges und sein Hauptzufluss Yamuna, den Status einer juristischen Person erhalten sollen. Die Flüsse sollen „alle entsprechenden Rechte, Pflichten und Verbindlichkeiten einer lebenden Person“ erlangen. Diese Entscheidung bedeutet, dass eine Verschmutzung oder Beschädigung der Flüsse einer Schädigung einer Person gleichwertig ist. (Wikipedia Yamuna)

Pflichten kann die Yamuna wohl nicht erfüllen, auch keine Schulden machen. Die Gesetzgebung betrifft allein den Umgang des Menschen mit dem Fluß, und das Ganze ist nur eine zeitgeistige Verkleidung, wie sie auch bei uns in Mode kommt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.12.2022 um 06.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#50090

Zu Buttel-Reeepens Bienen ohne Hinterleib: Als Kind habe ich einmal beobachtet, wie zwei Völker von Waldameisen, die auch morphologisch verschieden aussahen, einander bekämpften. Auf dem mit braunen Fichtennadeln bedeckten Boden einer Lichtung schnitten sie den Gegnern den Leib mitten entzwei. Ich sehe die zuckenden Leichenhälften noch vor mir. Haben sie Schmerz empfunden?
Gegen Mäuse habe ich eigentlich nichts, aber an manchen Stellen sind sie unerwünscht. Gerade versuche ich einige mit zwei Schlagfallen zu ermorden. Am liebsten mögen sie Käse. Jeden Morgen ist der Käse weg, die Maus aber auch. Die Falle ist zugeschnappt oder auch nicht, aber immer ohne Maus. Das Spiel könnte ihnen allmählich Spaß machen, weil sie wissen, daß ich nicht so gefährlich bin wie eine Katze.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.08.2022 um 04.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49622

Auch ich kann aus der Flut der Äußerungen keinen faßbaren Gender-Begriff herausarbeiten und halte mich wie immer in solchen Fällen (also wie bei "Bewußtsein" und solchen philosophischen Erbstücken) an die konkrete Praxis. Da sehe ich einmal mehr oder weniger krause biologische Thesen, auf die denn auch die Biologen schon geantwortet haben; zweitens kompletten Unsinn wie z. B. die bereits zitierte These, E = mc2 sei "sexistisch"; drittens den Sprachfeminismus, zu dem von linguistischer Seite alles Nötige schon gesagt worden ist. Ich sehe außerdem das Drängen zu den staatlichen Fleischtöpfen (Professuren, Quoten usw.); Menschen, die ihre sexuelle Orientierung zum Beruf machen, von dem sich leben läßt. Das ist auch nicht zu unterschätzen. Allgemein kommen noch die Immunisierungsstrategien hinzu, die es auch bei anderen Ideologien gibt, der "Wille zur Macht". Das wär’s dann wohl. Man kann es Gender nennen oder noch anders, die Muster bleiben gleich. Man muß sich wehren, aber für eine inhaltliche Auseinandersetzung ist das Leben zu kurz.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.08.2022 um 20.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49621

Weiter hinten in der gleichen MM-Ausgabe (S. 8) ist die Rede von der "weiblichen Brust" und dem "weiblichen Körper". Es geht auch um sekundäre Geschlechtsmerkmale. Ich frage mich, was "weiblich" im Sinne der Gender-Ideologen überhaupt sein soll. Gerade am Körperlichen, also an biologischen Merkmalen, sollen ja Geschlechter angeblich nicht erkennbar sein. Der MM weiter:

Während es Männern freigestellt ist, ihre Brust zu zeigen, ist das Frauen und nicht-binären Menschen, die weiblich wirken, untersagt.

Wodurch wirkt ein Mensch denn weiblich? Bei welcher Körbchengröße? Und sind das nur nicht-binäre? Haben nicht auch Trans-Männer mitunter eine weiblich wirkende Brust?

Zitiert wird im MM auch die Mannheimer Badeordnung:
"Der Aufenthalt im Nassbereich der Schwimmbäder ist nur in dafür vorgesehener Badebekleidung (z.B. Badehose, Badeanzug, Bikini, Burkini, Neoprenanzug) gestattet."
Ja und? Was davon genau für wie auch immer geschlechtlich Ausgestattete, "Wirkende" oder Sichfühlende vorgesehen ist, findet man in der ganzen Badeordnung überhaupt nicht. Es ist nach Genderprinzip eigentlich gar nichts verboten.

Es gibt wie immer, wenn es ums Gendern geht, einfach ein unwissenschaftliches Gewirr von Widersprüchen und Unklarheiten.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.08.2022 um 11.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49619

Die Stadt Mannheim beabsichtigt derzeit nicht, die Badeordnung dahingehend zu ändern, dass Frauen oberkörperfrei schwimmen dürfen.
(MM, 29.8.22, S. 1)

Gilt das jetzt auch für Transfrauen, die keine Brust haben, oder für Transmänner, die eine Brust haben?
Muß man den Reisepaß mit ins Bad nehmen, um nachweisen zu können, daß man (cis- oder trans-)männlich oder divers und somit obenohne-berechtigt ist?
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 29.08.2022 um 06.55 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49618

Den Begriff Gender bestimmt Wikipedia so:
Als Gender ([ˈdʒɛndɐ]; Lehnwort aus dem Englischen) oder soziales Geschlecht werden Geschlechtsaspekte zusammengefasst, die eine Person in Gesellschaft und Kultur in Abgrenzung zu ihrem rein biologischen Geschlecht (englisch sex) beschreiben. In den Sozialwissenschaften untersuchen die Gender Studies (Geschlechterforschung) seit den 1970er-Jahren das Verhältnis der Geschlechter zueinander, ihre unterschiedlichen Geschlechterrollen und die soziokulturelle Geschlechterordnung sowie – in kritischer Absicht – insbesondere auch deren gesellschaftliche Entstehung bzw. Konstituierung.

Das sind viele Worte. Aber was genau ist denn nun Gender? Ich könnte es nicht sagen. Es gibt viele "Aspekte", die eine Person beschreiben, die Eingrenzung "in Gesellschaft und Kultur" bringt nicht viel Klarheit. Eigentlich ist es etwas schief formuliert, denn Aspekte sind nur "Betrachtungsweisen", wie sollen die eine Person beschreiben? Und "Geschlechtsaspekte"? Sind das biologische Aspekte? Was wäre eine sinnvolle Antwort auf "welches Gender hat er?". Gibt es da so Begriffe wie "männlich" und "weiblich"? Muß man sich Gender als "Grad" der Männlichkeit oder Weiblichkeit vorstellen? Welche Gender gibt es überhaupt? Der zweite Satz der Begriffsbestimmung handelt von "Geschlechterrollen" und "Geschlechterordnung". Eine Geschlechterrolle ist aber eine Rolle und kein Geschlecht. Ebenso ist eine Geschlechterordnung eine Ordnung und kein Geschlecht. Wie kommt man also überhaupt auf den Begriff "soziales Geschlecht"? Ab wann wird eine Rolle oder eine Ordnung zu einem Geschlecht?

"Gender" war nie ein Begriff der Gemeinsprache, nie wurde im Alltag von "sozialem Geschlecht" gesprochen – es scheint sich um reine Fachwörter zu handeln. Da sollte man eigentlich eine klare Definition erwarten. Es sei denn, das "Fach" selbst ist kein wissenschaftliches.

Es gibt sehr „feminine“ Männer und sehr „maskuline“ Frauen (Nüsslein-Vollhardt im Emma-Interview)

Im normalen Sprachgebrauch war „männlich“ und „weiblich“ (oder „maskulin“ bzw. „feminin“) nie ausschließlich biologisch zu verstehen. Aber wie verhält es sich mit "Geschlecht"?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.08.2022 um 22.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49616

Man kann ja gern ein "Konzept des sozialen Geschlechts" einführen, aber weshalb muß dieses dann das bisherige Konzept des biologischen Geschlechts ersetzen?

Wenn bisher ins Personenstandsregister und in den Reisepaß im allgemeinen das biologische Geschlecht eingetragen wurde (außer im Falle von Irrtümern oder wenn jemand aus psychischen Gründen seine Geschlechtsmerkmale chirurgisch ändern ließ), weshalb muß dann künftig dort das hinzuerfundene soziale Geschlecht stehen?

Soziales Geschlecht bedeutet ja, man kann es wechseln nach Gusto wie das Hemd, es ist an keinerlei überprüfbare Identitätsmerkmale gebunden.

Ein soziales Geschlecht ergibt vielleicht Sinn, um zwischenmenschliche Beziehungen zu erklären, also eher in der privaten, intimen Sphäre, aber es bringt überhaupt keinen Nutzen im Paß oder im staatlichen Register.

Das biologische Geschlecht hingegen ist so sicher und fest wie Fingerabdruck, Gesicht, Augenfarbe, Körpergröße oder Unterschrift, und daher zur Identifikation einer Person (ggf. zusammen mit anderen Merkmalen) bestens geeignet.

Wenn bei 3 von einer Million Menschen (meine Schätzung) das biologische Geschlecht wirklich nicht klar bestimmbar sein sollte, dann kann man da wohl pragmatische Lösungen finden (z. B. daß der Eintrag des biologischen Geschlechts frei bleibt oder meinetwegen "divers" heißt). Aber es bleibt das medizinisch bestätigte biologische Geschlecht, das registriert wird, und kein beliebiger Eintrag, zu wechseln je nach Laune. Wie sich die Menschen anziehen, welches physische Aussehen sie ihrem Körper verpassen lassen und wie sie sich nennen lassen, soll doch unabhängig vom Paßeintrag jeder halten, wie er will.

Wo es drauf ankommt, z. B. bei Sportwettkämpfen oder bei der Frauenquote, muß natürlich immer das biologische Geschlecht gelten. Sonst könnte ja jeder kommen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.08.2022 um 04.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49615

Es ist unangemessen, auf Basis einer als biologisch „normal“ definierten Entwicklung Werturteile abzugeben, also vom Sein auf das Sollen zu schließen (Naturalistischer Fehlschluss). Der gesellschaftliche, rechtliche und moralische Umgang mit Trans- und Inter-Personen ist kein Thema der Biologie. Es ist unangemessen, aus biologischen Fakten Schlussfolgerungen über die gesellschaftliche Ordnung oder den Umgang der Geschlechter normativ abzuleiten. Auch um solche Fehlschlüsse zu vermeiden, wurde das Konzept des sozialen Geschlechts, nach dem Englischen meist unübersetzt als Gender bezeichnet, eingeführt. (Wikipedia Biologisches Geschlecht)

Einverstanden, aber der naturalistische Fehlschluß muß überall vermieden werden, z. B. auch bei der Verwerfung der Tierquälerei. Das würde bedeuten, daß in solchen und ähnlichen Ge- und Verboten keinerlei Tatsachenaussagen als Begründungen vorkommen dürfen. Bekanntlich wird zum Tierschutz mancherlei an Tatsachen herangezogen, z. B. ob es sich um Wirbeltiere handelt oder ob die Tiere Gefühl und Bewußtsein haben (was im Gegensatz zur Wirbelsäule nicht objektiv beobachtet werden kann). Daß ein Tier „wie du den Schmerz“ fühlt, ist an sich kein Grund, es nicht zu quälen, im Gegenteil, dann macht es dem bitterbösen Friederich erst so richtig Spaß. Einer Biene den Hinterleib abzutrennen (ich habe Buttel-Reepen schon zitiert), findet er witzlos, weil sie es sowieso nicht zur Kenntnis nimmt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.08.2022 um 05.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49551

Noch mal was Unappetitliches:

Die vegetarische Bratwurst soll so schmecken, als habe ein Metzger die minderwertigen Teile eines Schweins zerkleinert und stark gewürzt in einen Darm gepreßt. Zu diesem letzten Schrei gibt es gerade einen Vergleichstest in der Zeitung. Es erinnert an die große Zeit des „Ersatzes“. In meiner Familie gab es noch ein selbstgeschriebenes und collagiertes Kriegskochbuch. Bis hin zu Kartoffelschalen wurde alles verwertet.

Der echte Vegetarier ißt nicht nur kein Fleisch, er mag es auch nicht und kommt nicht auf den Gedanken, dessen Geschmack und Konsistenz zu simulieren – warum sollte er?

Man kann das auf andere Gebiete der Geschmacksbildung und des Lebensstils übertragen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.06.2022 um 03.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49331

Die Rede von „Tierrechten“ ist ein rhetorischer Trick. Tierrechte regeln natürlich den Umgang des Menschen mit Tieren und nicht, was Tiere tun und lassen dürfen oder müssen. Tiere sind eben gerade keine Rechtssubjekte. Sie haben keine Pflichten und daher auch keine Rechte. Etwas mehr begriffliche Schärfe wäre hier wünschenswert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.06.2022 um 12.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49311

Beim Tierschutz bedient man sich des naturalistischen Fehlschlusses (vom Sein aufs Sollen), um den „artgerechten“ Umgang mit Tieren durchzusetzen. Wenn aber jemand – z. B. die katholische Kirche – nach dem gleichen Muster beim Menschen nur bestimmte sexuelle Verhaltensweisen als „artgerecht“ zulassen will, läßt man das nicht gelten.

Ich will nur auf die Inkonsequenz hinweisen, selbstverständlich ohne wem Vorschriften machen zu wollen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.06.2022 um 11.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49308

Veganer haben nicht nur erreicht, daß in Limburg "Fuchs, du hast die Gans gestohlen" aus dem Glockenspiel entfernt wurde, sie geben auch streng vegane Kinderlieder heraus. Besonders schlimm finden sie "Backe backe, Kuchen", denn in diesem Rezept werden sowohl Eier (!) als auch Milch (!) erwähnt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.06.2022 um 13.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49232

Ich hatte mich kurz gefaßt, weil ich das Thema schon zu oft behandelt habe. Mir kam es darauf an, an eigenständige vegetarische Küchen zu erinnern, die nicht "auf Fleisch verzichten" und auch keine lächerlichen Fleischimitate aus Soja usw. anbieten. In deutschen Restaurants kann es einem passieren, daß man denselben Teller wie der karnivore Nachbar bekommt, nur ohne das Fleisch. Das ist keine vegetarische Küche, wenn nur die "Sättigungsbeilage", die sonst um das Fleisch herum drapiert ist, übrigbleibt. Diese komischen und rückständigen Verhältnisse spiegeln sich in der Sprache nieder, die damit durchaus angemessen ist.

Besonders in Nordindien wird viel Fleisch gegessen, nicht nur wegen der Muslime, sondern weil der Norden stark persisch geprägt ist (auch in Musik und Kunst). Die meisten indischen Restaurants sind überall auf der Welt in nordindischer Hand.

Noch eine sprachliche Kleinigkeit dieser Art, die mir gerade auffällt: Manche Leute fahren ihre Kinder mit dem Auto zur Schule, andere "kutschieren" sie im Fahrradanhänger "umher". Auch das spiegelt genau wider, was der Radfahrer täglich empfindet.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 11.06.2022 um 12.04 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49231

Die indischen Restaurants, die ich kenne, bieten alle Fleischgerichte an.

Nebenbei gibt es auch einheimische vegetarische Küche.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 11.06.2022 um 12.01 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49230

Dann muß man den Supermärkten mal erklären, daß sie die falschen Dinge im Regal haben. Oder den Leuten, daß sie die falschen Dinge kaufen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 11.06.2022 um 10.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49229

Auf indisch umsteigen. Indische Gerichte sind kein Fleischersatz.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 11.06.2022 um 10.37 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49228

Man sollte also Fleischersatzprodukte nicht Fleischersatzprodukte nennen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.06.2022 um 06.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49227

Sprachkritik und Ernährung: Knapp 100.000 Tonnen „Fleischersatzprodukte“ werden in Deutschland hergestellt. Das zeigt noch einmal den verkehrten Ansatz: als ob eigentlich Fleisch das Wahre wäre und man sich durch Ersatz etwas vormachen müßte, wie seinerzeit durch Kaffee-Ersatz und den ins Englische übernommenen kriegsbedingten „ersatz“ überhaupt. Ich bin kein Vegetarier, aber eine vegetarische Ernährung, wie ich sie in Indien weitestgehend genossen habe, braucht sich nicht als Ersatz zu verstecken, sondern kann mit allem auftrumpfen, was das Herz (und der ganze Körper) begehrt. Es ist wirklich nicht nötig, die bedenklichen Sojaimporte zu steigern, um uns „Fleischersatz“ unterzujubeln. Soja gab es in Indien gar nicht, Milchprodukte eigentlich nur als „Paneer“.
Es ist eine Existenzfrage der Menschheit, den Leuten etwas anzugewöhnen, was nicht bloß aus Gewissensgründen ertragen wird („Verzicht“, „Ersatz“), sondern Freude macht und den Eigennutz als treibende Kraft hinter sich hat. Ich bin also dafür, die Ernährung völlig vom Tierschutz zu trennen. Das wäre auch philosophisch konsistenter.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.04.2022 um 16.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49004

Was den Lesben recht ist, sollte den Hühnern billig sein: ihre Sichtbarkeit muß erhöht werden.
Warnwesten für Lesben würden signalisieren: bitte nicht übersehen!
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 25.04.2022 um 12.49 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#49001

Die Grünen zumindest sind ganz auf der Seite der Nutztiere:
https://youtube.com/watch?v=hcjzv_ViRQc
 
 

Kommentar von Ivan Panchenko, verfaßt am 25.04.2022 um 02.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#48999

„Denn wenn wir keine Nutztiere hielten, gäbe es sie gar nicht“ − dadurch würden wir aber verhindern, daß sie unter schlechten Bedingungen leben, weil sie eben gar nicht erst zur Welt kämen, und ich gebe zu bedenken, daß ca. 98 Prozent des in Deutschland verzehrten Fleisches aus Massentierhaltung stammt.

Ich neige sogar zur Auffassung, daß eine positive statt höchstens neutrale Lebensqualität unmöglich ist. Zwar sind lustvolle Erlebnisse möglich, wertvoll können diese aber dadurch sein, daß sie bei einem Individuum, welches bereits auf der Welt ist, eine Präferenz erfüllen oder ein Übel mindern. Hingegen sehe ich nicht, daß durch das Zur-Welt-Bringen eines Individuums, das Lust erlebt, für das Individuum selbst etwas gewonnen ist, zumindest würde ich darauf bestehen, daß Leid nicht vollständig aufgewogen werden kann. Vgl.:

https://plato.stanford.edu/entries/repugnant-conclusion/#RevNotLifWorLiv

https://t1p.de/AnAsymmetryInUrgency

Selbst unter der Annahme, das Nutztier habe es besser, als wenn es nicht zur Welt gekommen wäre (klingt in dieser Form unlogisch; es geht eigentlich darum, zwei Situationen unter Mißachtung der Interessen aller Individuen mit Ausnahme des Nutztieres in einer der beiden Situationen zu vergleichen, so in etwa kann man es vielleicht zurechtbiegen), könnte ein Vertreter einer deontologischen Ethik sich auf den Standpunkt stellen, daß dieser Vorteil eine Verletzung des Rechts auf Leben oder des Rechts auf körperliche Unversehrtheit nicht rechtfertigt. (Darf ich jemanden gegen seinen Willen schlagen, wenn ich ihm im Gegenzug 1000 Euro gebe?)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.04.2022 um 08.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#48994

Christina Berndt stellt in der SZ vom 23.4.22 eine ganz nette, wenn auch unlogische Betrachtung an: Wer Tiere liebt, sollte sie essen. (Ich habe das meiner Frau vorgelesen und ihr versichert, wie sehr ich sie liebe...) Denn wenn wir keine Nutztiere hielten, gäbe es sie gar nicht, und damit wäre ihnen ja auch nicht geholfen. Man kann sogar noch weiter gehen: Ein gut gehaltenes Schwein ist glücklich, und wenn man es fragen könnte, würde es wahrscheinlich wie die meisten Menschen das Sein dem Nichtsein vorziehen (was ja seit der Antike ebenfalls als logisch unsinnig entlarvt ist).
Also gerade wenn man den höheren Tieren Emotionen usw. zuschreibt, haben sie etwas davon, daß wir sie letzten Endes essen. Nur die brutalen Vegetarier und Veganer setzt sich darüber hinweg und verweigern den Tieren das nackte Leben.
Nüchterner geht der Agrarwissenschaftler Wilhelm Windisch in der FAS an die Sache heran. Er zeigt, daß Tierhaltung (auf der Weide!) auch ökologisch sinnvoll und ein mäßiger Verzehr von Fleisch und Milch usw. am besten ist. Das ist lesenswert. (Zwar nicht dieses Interview, aber ähnliche Beiträge findet man leicht im Internet.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.04.2022 um 04.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#48954

In einem „Feature“ des DLF „Radikale Netzwerke. Einblicke in Pflanzenwelten“ (Wiederholung von 2020), das die Germanistin Antonia Kreppel zusammengestellt hat, wird die modische Mystifikation der Pflanzen völlig unkritisch weiterverbreitet. Auch Mitverfasserinnen der „Rheinauer Thesen“ zu Pflanzenrechten kommen zu Wort, Rudolf Steiner, Kritik der Gentechnik usw. Eine hübsche Pointe ist, daß es keine moralische Begründung der Schonung von Tieren gibt, weil Pflanzen genauso sensibel und intelligent sind. Nur aus ökonomischer Sicht ist es sinnvoll, die Kalorien nicht erst über Tiermast zu erzeugen. Aber insgesamt eine deprimierende Darbietung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.04.2022 um 07.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#48936

Hummer in kochendes Wasser werfen – das ist auch der Ausgangs- und Endpunkt eines Berichts der SZ (14.4.22) zur Frage, ob Tiere gefühle haben.

„Nicht nur Menschen, Schimpansen und Hunde haben Emotionen, sondern auch wirbellose Tiere wie Hummer Oktopusse und sogar Bienen.“ Wenn man die Namen der zitierten Autoren (Frans de Waal, Kristin Andrews...) liest, weiß man schon, was sie dazu sagen werden.

„Gefühle sind Bewusstseinszustände, die nicht gemessen werden können und die deshalb für die Wissenschaft nicht zugänglich sind. Streng genommen auch beim Menschen nicht. Emotionen dagegen lassen sich messen und so auch nachweisen.“ (Tina Baier: „Lebensgefühle“, SZ 14.4.22)

Es ist erstaunlich, daß Naturwissenschaftler Gegenstände ansetzen, deren geisterhafte Existenz angeblich nicht nachzuweisen ist.

Mit der begrifflichen Unterscheidung von Gefühlen und Emotionen wird das alte philosophische Problem eskamotiert. Kraken oder Hummer, die Emotionen, aber keine Gefühle haben, brauchen uns nicht zu interessieren.

Die „affective neuroscience“ vergleicht, „welche Bereiche im Gehirn von Mensch und Tier etwa bei Angst, Ärger, Ekel oder Freude aktiv sind.“

Die Emotionen werden also vorab unterstellt, dann braucht man sie eigentlich nicht durch Hirnscans nachzuweisen. Richtig wäre es, die Ergebnisse der bildgebenden Verfahren mit ebenso objektiven Verhaltensbeschreibungen zu korrelieren.

Auch die weiteren Ausführungen sind naiv. Wenn man auf naturwissenschaftliche Weise (durch klassische Konditionierung) beweist, daß Kraken usw. Schmerz empfinden, handelt es sich vorab um eine Umdeutung des Begriffs „Schmerz“ – eben vom nicht beobachtbaren Gefühl zur beobachtbaren Emotion, und die ist überflüssig, weil sie nur die Reaktion verdoppelt. Melissa (!) Bateson hat Honigbienen konditioniert: „‚So haben wir gezeigt, dass die Bienen durch das stressige Schütteln eine negative Lebenseinstellung entwickelt haben‘, sagt die Entomologin Geraldine Wright, die an der Studie beteiligt war.“ Falls das ernst gemeint sein sollte, müßte man darüber lachen.

Welche Lebenseinstellung haben Bienen, die nicht einmal bemerken, daß ihnen der Hinterleib abgetrennt worden ist? Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1539#41637 - Am Ende wird die Katze aus dem Sack gelassen: Es geht gar nicht um Wissenschaft, sondern um Tierrechte, vegane Ideologie...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.04.2022 um 15.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#48835

Anregender Gedanke, obwohl ich es bei den Beispielen noch nicht erkennen kann.
In den alten Kochbüchern, die es meiner Kindheit im Haushalt gab (sonst wenig Bücher), waren auch Haustiere abgebildet und jeweils die Teile bezeichnet, wie sie der Metzger sieht, aber nicht der Zoologe.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.04.2022 um 12.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#48834

Gilt das nicht auch für Pflanzen und Pflanzenteile?
Mehl, Brot, Salat, Ketchup, ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.04.2022 um 04.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#48832

In manchen Sprachen werden Tiere und Teile davon anders benannt, wenn sie auf den Tisch kommen. Das schont die Nerven beim Verzehr des Sonntagsbratens ("Steak", "Roastbeef", "Tafelspitz", "Schnitzel" usw.).

Der Ausdruck "Heimtier" ist offensichtlich neu. Weitere Kategorien sind "Vieh", "Wild" und dann der ganze Rest. Wohin gehören eigentlich Zuchtlachse usw.? Die Bürokratie wird sich schon was ausgedacht haben.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 14.02.2022 um 12.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#48538

http://pics.virch.net/GottTierreich.jpg
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 14.02.2022 um 10.29 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#48537

Das ist doch auch wieder so ein verengter Bluck auf uns Menschen. Ich habe vor einiger Zeit erfahren, daß Krokodile andere Mitbewohner brutal ertränken oder vor ihren Artgenossen in Stücke reißen. Können wir da einfach wegsehen?
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 14.02.2022 um 09.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#48536

„… die Vorstellung, lebendig gekocht zu werden.“ Man sollte auch keine Hummer essen. Zumindest nicht im Winter; im Sommer sind sie am besten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.02.2022 um 19.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#48532

PETA lehnt die Verwendung von Seide ab:

Aufgrund des steigenden Wissens um das Schmerzempfinden von wirbellosen Tieren wie Insekten ist es unsere Verantwortung, auch den Seidenspinner vor Leid, Schmerz und Tod zu schützen. 
Seide ist nicht nur Tierquälerei, sondern auch speziesistisch. Die Tiere werden vom Menschen zum „Nutztier“ degradiert und ausgebeutet, obwohl wir keine Seide für unsere Kleidung brauchen. Würde eine Katze lebendig gekocht werden, würden die meisten Menschen Mitleid empfinden, während sie dasselbe Szenario mit einer Raupe kalt lässt, da sie nicht schreien kann und wir bisher wenig über ihre Gefühlswelt wissen. Um das Leid aller Tiere zu beenden, muss der Speziesismus aus unseren Köpfen für immer verschwinden.
(https://www.peta.de/themen/seide/)

Das erinnert an die Jaina-Mönche, die pro forma einen Mundschutz tragen und den Weg vor sich fegen, um keine Tiere zu töten. Es ist mehr deklamativ als effizient. PETA hat Züge einer Tierrechtsreligion. Übrigens sind die Kunstfasern, die PETA empfiehlt, für unzählige Tiere eine Quelle von Leid und Tod. Das ist aber nicht so anschaulich wie die Vorstellung, lebendig gekocht zu werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.07.2021 um 18.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#46579

(Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#43688)
Dem männlichen Küken eine Chance (19.7.21) – nämlich die Chance, als „Bruderhahn“ sechs Wochen später am Grill zu stecken.

„Bitte zwei Bruderhähnchen, aber nicht zu fett!“
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.07.2020 um 05.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#43941

Dressur ist immer auch eine Form von Gewalt: Der Wille des Tieres wird gebrochen, das heißt der Bär willigt nicht ein, sondern gibt klein bei. Was bleibt ihm anderes übrig? (https://www.planet-wissen.de/natur/tier_und_mensch/baer_und_mensch/pwiezirkusbaeren100.html)

Früher war die Abrichtung von Tanzbären usw. eine grausame Angelegenheit, aber wenn man jede Konditionierung als Gewalt kritisiert, wird es uferlos. Dann müßte z. B. das Reiten verboten werden, ebenso die „Hundeschule“, so daß die Hundehaltung praktisch unmöglich würde (mir wäre es recht). Auch der Mensch dürfte nicht erzogen werden, denn jegliche Sozialisation „bricht den Willen“. (Richtiger wäre: Der sogenannte Wille entsteht überhaupt erst mit dem Handlungsschema, und das ist gesellschaftlich.)
Ein Bär ist nicht dialogfähig, darum kann man nicht sinnvoll von seinem „Willen“ sprechen, wie man auch an der Überlegung sieht, auf welche Weise er denn „einwilligen“ könnte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.06.2020 um 03.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#43688

ALDI beendet das Kükentöten und schließt sich der „Bruderhahnaufzucht“ an. (Ganzseitige Werbung)
Vgl. auch https://www.bruderhahn.de/initiative/

Eier sollen teurer werden durch einen Ethikaufschlag. Aber was ist daran ethisch, wenn „auch die männlichen Küken aufgezogen und vermarktet werden“?
Es handelt sich wohl um die Niedlichkeit der Küken. Um die Schwestersau kümmert sich niemand.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.04.2019 um 05.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#41234

Richard David Precht: „Tiere denken: Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen“
(Bei Amazon durchweg „verifizierter Kauf“, wohl die Vegetarier- und Veganergemeinde, die sich hier munitioniert)

Aber wir sind schon weiter: Pflanzenrechte!

Die „Rheinauer Thesen“ (https://www.blauen-institut.ch/s2_blue/tx_blu/tp/tpt/t_rheinau.pdf) sind mit einem Pathos formuliert, das Verfassungen nachempfunden ist (s. etwa die Präambel), und lesen sich wie eine unfreiwillige Parodie. Durchgehend wird ein Sollen aus dem Sein abgeleitet (naturalistischer Fehlschluß). Ein Beispiel ist Artikel 18:

18. Pflanzen sind die Grundlage für unsere Ernährung. Insofern ist unsere Kultur von Pflanzen nicht zu trennen. Aus diesem Grund verdienen Pflanzen Achtung.

Wieso „aus diesem Grund“? Auch vom Wasser und von der Luft könnte man so etwas sagen und daß sie daher „keine Sachen“ sind. Die Verfasser scheinen zu bedauern, daß sie etwas essen müssen. Am liebsten würden sie die „Natur“ nicht anrühren und sich rücksichtsvoll davonmachen.

Sollen wir ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir einen Pflücksalat verstümmeln? Oder genügt es, dies achtsam zu tun? (Achtsamkeit war 2008, als die Rheinauer Thesen formuliert worden, allerdings noch nicht das Modewort wie heute.)

Frutarier sind sich zwar nicht einig, was sie essen dürfen, sollten aber bedenken, daß auch Fallobst lebensfähigen Nachwuchs enthält, sein Verzehr also eine Untat (Kindermord oder wenigstens Abtreibung vergleichbar) ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.02.2017 um 05.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#34487

Eine Veganerin stört sich an "Fuchs, du hast die Gans gestohlen" – und die Stadt Limburg streicht das Lied aus dem Glockenspiel des Rathauses. (10.2.17)

Allerdings hat der Jäger, der den Fuchs mit dem Schießgewehr bedroht, nicht die Absicht, ihn zu essen. Vielmehr geht es um die Frage, wer die Gans essen darf. Füchse können mit veganer Ernährung nicht überleben. Vielleicht ist aber schon die Erwähnung eines Tieres für Veganer schwer zu ertragen. Wo Tiere erwähnt werden, sind auch Tiere drin, und das darf nicht sein. Man darf Tiere nicht in Wursthüllen und nicht in Kinderlieder stecken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2016 um 14.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#32633

Nach einem Gerichtsurteil bleibt es dabei: 50 Millionen Küken müssen sterben, weil sie das falsche Geschlecht haben, die anderen 50 Millionen, weil sie das richtige Geschlecht haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.04.2016 um 07.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#32341

Eine der seltsamsten Unterscheidungen ist durch den Begriff "Heimtier" eingeführt worden.
Der Ausdruck Heimtier bezeichnet ein Tier, das der Mensch insbesondere in seinem Haushalt zu seiner eigenen Freude und als Gefährten hält oder das für diesen Zweck bestimmt ist. (Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren)
Der Text dieses Übereinkommens wirkt entsprechend willkürlich und geradezu verspielt. Wir haben schon gesehen, wie die Medien und die Tierfreunde reagieren, wenn Mützen aus Hundefell verkauft werden. Das wertvolle Hundefell bleibt wegen des besagten Übereinkommens ungenutzt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.03.2016 um 04.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#31990

Gestern abend wollte ich eigentlich noch genau dies nachtragen, zusammen mit einer kleinen Betrachtung. Auf indischen Landstraßen begegnet man Jaina-Pilgern, die tatsächlich vor jedem Schritt mit einem Besen wirkliche oder vorgestellte Kleinlebewesen von ihrem Weg entfernen. Das ist natürlich nur ein Ritual, die wirkliche Effizienz spielt keine Rolle. Ebenso beim Mundschutz.
Das bringt mich auf eine Unterscheidung. Viele Bräuche werden von der Mehrzahl nur noch pro forma eingehalten. Zum Beispiel sind wir gerade in der Fastenzeit, aber die Leute haben seit je Wege gefunden, sich schadlos zu halten. Verzichten sie auf Fleisch, essen sie eben Fisch und trinken Starkbier dazu usw. ("Gottesbscheißerle"). Das Sabbatgebot wird hochgehalten, zugleich mannigfach umgangen. Unser indischer Lektor aß zu Hause fleischlos, seiner Frau und den Kindern zuliebe, aber auf einem Institutsausflug bestellte er sich eine Schlachtplatte.
Und dann gibt es die Orthodoxen, die nehmen alles ernst und immer ernster. Zur Zeit knebeln sie die Gesellschaft Israels. Die Vegetarier und Veganer zerfallen auch in diese beiden Gruppen. Die Orthodoxen steigern sich immer weiter hinein.
Aber wenn man übertreibt, hat man die Lächerlichkeit (Fontane). Man glaubt es ja nicht ohne weiteres, daß erwachsene Menschen im Internet ernsthaft über die Zulässigkeit von Wolle, Roßhaaren, Honig usw. diskutieren. Die PC entwickelt sich genau so, jeder versucht den anderen und sich selbst zu überbieten. Eine Zwangsneurose.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 17.03.2016 um 19.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#31987

Ähnliches berichtet man auch von den Jainas und wohl auch anderen indischen Sekten. Es heißt, manche fegen beim Gehen vor sich her, um nur ja kein Tier zu zertreten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.03.2016 um 19.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#31986

Wie ich gerade lese, schlagen Veganer keine Fliegen tot, sondern fangen sie lebend und setzen sie in Freiheit. Sie benutzen auch keine Wolle und kein Leder. Diskutiert wird seit einiger Zeit, ob sie Geige spielen dürfen, wegen der Saiten und des Bogens.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2015 um 07.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#29616

Nachtrag zu #23901:

Meine Beobachtungen zu Hundefängern in Delhi decken sich mit den in Kabul gefilmten: www.zeit.de/video/2014-10/3854451836001/afghanistan-tierschuetzer-entsetzt-ueber-jagd-auf-wilde-hunde-in-kabul#autoplay

Nicht schön, aber kaum vermeidbar und landesüblich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.03.2015 um 05.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#28482

Tatsächlich melden die Tierschützer Bedenken an, weil die Eier samt Insassen weggeworfen werden sollen. Die Zeitungen bilden "süße Küken" ab und drücken auf die Tränendrüse: Sie dürfen nicht weiterleben, "nur weil sie das falsche Geschlecht haben". Da klingt das Gender mainstreaming an, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Leider kann man die Küken nicht fragen, Vielleicht würden sie den schnellen Tod durch Schreddern einem kurzen Leben bis zur Schlachtreife vorziehen?
Übrigens: Wovon sollen 7 Mill. Hunde und 12 Mill. Katzen leben? Man arbeitet daran, sie vegan zu ernähren, aber artgerecht ist das nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.03.2015 um 06.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#28462

Ob es nun 20 oder 50 Mill. Küken (Zeitung gestern: "Kücker") sind, die jährlich "geschreddert" werden - man will das künftig vermeiden. Das männliche Geschlecht soll schon im Ei festgestellt und das Ei dann vernichtet werden. Das kann die Tierfreunde aber doch nicht beruhigen und die Abtreibungsgegner auch nicht.
Ein ähnliches Dilemma sehe ich beim Kastrieren von Nutz- und Haustieren. Wenn wir es beim Menschen nicht mehr dulden (früher fand man nichts dabei), wird es über kurz oder lang auch bei Tieren nicht mehr geduldet werden können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.08.2013 um 06.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#23904

Auf die kuriose rechtliche Stellung der Zoophilie wurde schon hingewiesen (siehe hier). Bei Wikipedia erfährt man:

"Sexuelle Kontakte zwischen Tieren und Menschen waren in Deutschland bis 1969 durch § 175b StGB verboten. Die widernatürliche Unzucht, welche von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. (§ 175b in der Fassung vom 28. Juni 1935). Die Strafbarkeit wurde 1969 durch die Große Strafrechtsreform aufgehoben. Gewisse Grenzen setzen hier weiterhin die Tierschutzgesetze und, falls es sich um fremde Tiere handelt, die strafrechtliche Bestimmung zur Sachbeschädigung (§ 303)."

Also noch ein Gesichtspunkt, der Tiere wie Sachen zu behandeln vorgibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.08.2013 um 05.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#23901

Vielen Dank für diesen kleinen Essay, der mit Recht auch den sprachlichen Dimorphismus (wie man es nennen könnte), der uns hier besonders interessieren muß, in Erinnerung ruft. Allerdings würde ich gegen Schopenhauer und auch gegen Frau Walden einwenden, daß bei der Entwicklung unseres Verhältnisses zu den Tieren nicht mit Begriffen wie "Unverschämtheit" und "Niedertracht" beschrieben werden sollte. Wir stöbern in den Hinterlassenschaften unserer Vorfahren und finden auf der ganzen Welt Tierknochen darin, aber wer würde über die Schmausenden von damals ein so hartes Urteil fällen? Überhaupt scheint es bei aller Tierliebe ein wenig an Verständnis für den Menschen zu fehlen. Darüber könnte man lange diskutieren, aber dies hier ist nicht der geeignete Platz.

Nur dies noch: Im Englischen mögen vorbildliche sprachliche Ausdrücke verbreiteter sein, aber im Eßverhalten beispielsweise sind die Anglophonen auch nicht anders geworden, der Kult ums Steak ist in den USA verbreiteter als bei uns.
Die Inder mögen Delphine zu Personen erklärt haben, und die meisten Inder essen wenig oder gar kein Fleisch (es ändert sich allerdings gerade). Aber der Umgang der Inder mit Tieren würde bei uns sofort die Polizei auf den Plan rufen, das kann ich nach eigener Beobachtung (z. B. von Hundefängern) leider nicht anders sagen.
Gestern habe ich eine Mausefalle gekauft und auch sogleich eines dieser Tiere getötet, die ich sonst niedlich finde; der Schaden, den es angerichtet hatte, war nicht länger zu ertragen. Gern tue ich es nicht, aber schlecht fühle ich mich jetzt auch nicht.

Unsere Frage hier lautet übrigens nicht: Wie ist es eigentlich gelungen, diskriminierende Wörter wie „Negerkuß“, „Zigeunerwirtschaft“ und dgl. aus unserer Alltagssprache zu eliminieren? Sondern: Wie ist es eigentlich gelungen, den Leuten einzureden, Wörter wie „Neger“, „Zigeuner“ usw. seien diskriminierend?

Grundsätzlich halte ich Recht und Moral für nicht begründbar. Es handelt sich um "Gruppenleistungen vom Typ des Bestimmens" (nach Hofstätter). Deshalb lese ich auch keine philosophischen Texte, in denen Argumente für Werte irgendwelcher Art vorgetragen werden.
 
 

Kommentar von Sina Walden, verfaßt am 15.08.2013 um 22.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#23900

Die rechtliche Einteilung der Welt in Personen und Sachen stammt bekanntlich aus dem römischen Recht. Dieses Recht beruht auf einer erzpatriarchalischen Gesellschaftsordnung, in der überhaupt nur erwachsenen „freien“ Männern Rechte gewährt wurden – das waren die „Personen“. Zu der Kategorie „Sachen“ gehörten Frauen, Sklaven, Kinder, Tiere und leblose Dinge. Diese Grundeinteilung wurde im Kern vom deutschen Recht übernommen und „ultimativ“ im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 kodifiziert. (Auch in den Zehn Geboten, die oft und oft zum ewigen Fundament aller Moral und Gesetzgebung erklärt werden, heißt es: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh und alles, was sein ist.“) Der Tatsache, daß sich die Gesellschaft in den Jahrtausenden ganz schön verändert hatte, wurde insoweit Rechnung getragen, als auch Frauen und Kinder den Personenstatus erhielten. Die Sklaverei war ohnehin schon lange abgeschafft. Die Rechte der Frauen und Kinder blieben im BGB trotz ihrer Zuordnung zu den „Personen“ erheblich eingeschränkt, erst nach und nach und Stück für Stück wurde die Gleichberechtigung der Frauen erkämpft – das dauerte über ein Jahrhundert ... (und Restbestände beschäftigen uns noch in unseren Tagen). Kinderrechte stecken in der Kinderschuhen, partizipieren jedoch weitgehend an dem Personenrecht, das sich der Mensch selbst zugesprochen hat. Den vorläufigen Gipfel brachte die Idee der universalen Menschenrechte, immerhin erst 1948 formell von den UN deklariert.

Die Tiere, und zwar alle, vom Schimpansen bis zu den Insekten, so wie dieses Wort heute noch benutzt wird, blieben rechtlos. Das Auge starr auf die längst überholten zwei Kategorien des römischen Rechts geheftet, schlug man sie einfach weiterhin den „Sachen“ zu. Die gesellschaftliche Entwicklung unter der Herrschaft der Kirche und ihres Christentums bot auch keinen Boden, der eine andere Stellung der „Tierwelt“ erfordert hätte. Im Gegenteil, die theologischen Gelehrten, die Kirchenväter und die christlich geprägten Philosophen gingen noch hinter antike Denker wie Pythagoras oder Plutarch zurück, indem sie dem Menschen die „unsterbliche Seele“ zusprachen und den Tieren selbstherrlich verweigerten. Daß deren Nähe zu Möbelstücken oder Aktien oder Bananen eine geringere war als zur Gattung Mensch, zeigte hingegen die tägliche Erfahrung und Beobachtung, mindestens bei Säugetieren, bei nistenden Vögeln, bei geliebten Heimtieren. Die führte in allen Zeiten zu einem inneren Widerspruch (und entsprechend tierfreundlichem – oft verschämtem – praktischen Verhalten und Denken) ungezählter unbekannter Einzelmenschen; auch einige professionelle Denker wagten sich hervor.

Doch auch als der religiöse Druck langsam wich und die Naturwissenschaften im 19. und mit enormen Mengen von Erkenntnissen im 20. Jahrhundert den „Abgrund“ zwischen Mensch und Tier immer kleiner werden ließen, blieb die gläserne Decke des kategorialen Unterschieds im allgemeinen Halbwissen, im Unterbewußtsein und in der juristischen, politischen, wirtschaftlichen Praxis erhalten. Leicht gemildert durch Tierschutzgedanken und -gesetze richtete man sich mit dem Status der Tiere als Objekte zum menschlichen Gebrauch, als Sachen eben, ein. Es bringt ja nur Vorteile für die eigene Spezies, für nahezu jedes Mitglied. Unbehagliche Gefühle angesichts der nach Zahl und Art ins Unermeßliche gestiegenen Leiden der leidensfähigen „Sachen“ werden mit allen Mitteln der Macht verdrängt, egal, welcher noch so törichten, falschen, unlogischen, leichtfertigen oder zynisch gemeinen Argumente man sich bedient. (Eine Fundgrube sind Leserbriefe im Internet zu einschlägigen Themen, auch in den sonst um Seriosität bemühten Medien.) Selbst „Tierfreunde“ unterwerfen sich oft dem „Klassenstandpunkt“ und betrachten ihre Tierliebe als private Angelegenheit, verhalten sich defensiv und unsicher gegen den absoluten Herrschaftsanspruch ihrer „Rasse“.

Parallel ist aber im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts eine Bewegung entstanden, die gegen die so tief verwurzelte legitimierte Verachtung der „anderen Tiere“ auftritt und die unübersehbar an Boden gewinnt. Begriffe wie Tierrechte, Tierbefreiung, Tierethik sind Teil der akademischen Philosophie geworden (besonders im angelsächsischen Raum), gehören – mehr oder weniger gut verstanden – schon zum allgemeinen Sprachgebrauch, sind Diskussionsstoff, und sie zeugen auf den verschiedensten Teilgebieten der grenzenlosen Tierausbeutung und in den verschiedensten Weltgegenden bereits mehr und mehr praktische Erfolge. – Der bescheidene etablierte klassische Tierschutz wurde binnen kurzer Zeit von den neuen Denkansätzen mitgerissen. (Heute stehen keine Mitarbeiterinnen mehr im Pelzmantel an den Ständen von bürgerlichen Tierschutzvereinen am Weihnachtsmarkt wie noch um 1980 herum.)

Ein Erbe der kategorialen moralischen und rechtlichen Differenzierung von Mensch und Tier ist freilich, daß dieser anschwellende Paradigmenwechsel gerade von den Schichten der Kulturträger und den die herrschende Meinung spiegelnden Medien weitgehend ignoriert wird – was hat Kultur mit Tieren zu tun? Die gehören in die Zoologie, die Verhaltensforschung, allenfalls in schöne Naturfilme, aber nicht in die höhere Bildung, ins Feuilleton, in die Rechtswissenschaft, in die geistige Auseinandersetzung. Für viele gebildete, ja hochgebildete Menschen ist die Tierfrage gar nicht existent. In der Regel kennen „die Intellektuellen“ und die auf allen sonstigen Gebieten aufmerksamen Lesenden und Schreibenden überhaupt nicht die Bücher und die Hunderte von Webseiten, wo Fakten registriert werden, die sonst gar nicht oder mal als Kuriosum im „Vermischten“ auftauchen, und wo die Diskussionen stattfinden. Auf der Basis völligen Unwissens läßt sich, nebenbei, am effektivsten mit sogenanntem Humor, mit Witzchen und Scherzchen, das angestrebte Niveau der Bedeutungslosigkeit der Problematik herstellen. Lachen tun die Leut immer gern. Auch über die „wildgewordene Wildsau“, die ihre Kinder verteidigt und dafür zur allseitigen Befriedigung erschossen wird.

Gewiß, solche Auswüchse wie Massentierhaltung, besonders grausame Tierversuche, brutale Transporte, Ausrottung ganzer Arten sind negativ konnotiert, aber für den Einsatz gegen diese „Mißstände“ (was für ein Wort für die gesetzlich geschützte Regelhaftigkeit – und durch das dreifache s geradezu lächerlich) fühlt man sich nicht zuständig. Die Empörung über das grundsätzliche Unrecht, die sich – glücklicherweise – auch bei den kleinsten Vorfällen von Rassismus, Sexismus, Unterdrückung, Ausbeutung und dergleichen ergießt, ist bei dem gigantischen Unrecht gegen Tiere eher lauwarm, wenn überhaupt vorhanden.

Da sollen sich „die Tierschützer“ drum kümmern, offenbar eine besondere Kaste. Zur Betonung, daß man sich nicht herabläßt, ernsthaft über Moral und Gerechtigkeit gegen so niedere Wesen wie Tiere zu reflektieren, kann man sich von den Tierschützern auch noch abgrenzen, indem man sie „Gutmenschen“, gefühlsgesteuert, radikal, militant, missionarisch oder gleich menschenfeindlich nennt. Und die gerade sollen die uralte Einteilung der Welt in Personen und Sachen (wir und die anderen) mal so eben korrigieren? Nicht Juristen, Moralphilosophen, Politiker?

Nun, was auch immer hier unter „Tierschützern“ verstanden wird, einem ungeschützten bequemen Begriff, der völlig heterogene Bestrebungen in einen Topf wirft, so gibt es sehr wohl unter diesen genügend, die sich von der formalen Ergänzung des § 90a BGB im Jahr 1990, die den Satz „Tiere sind keine Sachen“ einfügte, nicht blenden lassen (er bedeutet lediglich einige winzige Änderungen, z. B. im Pfandrecht) und einen Ausweg suchen, der in der einfachsten Form darin bestehen könnte, Tiere schlicht Tiere zu nennen, weder Personen noch Sachen. Im übrigen haben die US-Professoren der Philosophie Peter Singer, Tom Regan und viele andere schon vor Jahrzehnten groß angelegte Konzepte vorgelegt, wie der Status der Tiere neu definiert werden könnte. Manche schlagen vor, den Personenstatus über die Artengrenze zu erweitern und an objektiven Kriterien wie Empfindungsfähigkeit, (Selbst-)Bewußtsein, eigenem Willen usw. festzumachen. Für Menschenaffen ist die „Gewährung“ elementarer Lebensrechte in Neuseeland bereits Gesetz, in Spanien (wer hätte das gedacht?) wäre das fast auch gelungen, wenn nicht ein Regierungswechsel, der die Konservativen an die Macht brachte, das verhindert hätte. Manche Tierrechtler sehen in dem internationalen Great Ape Project, das weiterhin betrieben wird, eine zu starke Orientierung an menschlichen Eigenschaften und Werten, andere begreifen den Schritt über die bisherige Grenze am Beispiel dieser uns besonders nahestehenden Arten als Türöffner für weitere/andere Formen der Rechtsstellung anderer Tiere. In englischsprachigen Texten ist in diesem Zusammenhang fast durchweg nicht mehr von dem uferlosen Begriff „Tier“ die Rede, sondern von non-human animals. Gerade hat übrigens vor einigen Tagen Indien den Delphinen den Personenstatus zugebilligt.

Im Deutschen ist das Wort „Sache“ für Lebewesen so kraß daneben, daß es relativ leicht war, den schönen Satz ins BGB zu bringen. Er ist zwar nicht mit viel Inhalt gefüllt, aber auf längere Sicht zeigt so eine Sprachwende – in Verbindung mit dem mühsam ins Grundgesetz gequälten „Tierschutz als Staatsziel“, dem Leitwort „Mitgeschöpfe“ im Tierschutzgesetz und dem Schutz für „sentient beings“ in der Europäischen Verfassung doch einen Trend in die richtige Richtung.

Einfach statt Sache Person anzustreben wirkt nicht unbedingt zielführend. Hier stoßen wir nämlich auf das gleiche Problem, das die Sprache auch der feministischen Linguistik entgegenstemmt: die Sprache ist alt und hat sich am gesellschaftlichen Sein entwickelt. Wo Frauen keine Rolle außerhalb des Frauseins zugestanden wurde, waren sie eben niemand, das heißt kein Mann, wie die Sprache verrät. Da sich die Zeiten geändert haben, gehören Frauen inzwischen zu man, zu mensch (einem Wort, in dem ja auch der Mann steckt), werden mit-verstanden im grammatischen männlichen Plural. Während heute in jeder Rede peinlich darauf geachtet wird, von „Lehrern und Lehrerinnen“, „Politikern und Politikerinnen“ (oder in umgekehrter Reihenfolge) zu sprechen, widerstehen manche Wörter, die konstitutive Bestandteile der gewachsenen Sprache sind – wie etwa eben „Mensch“ oder „niemand/jemand“ oder „wer/wem“ – der Veränderung, schon aus ästhetischen Gründen. Aber das darf ja nicht dazu führen, daß ganze riesige Gruppen unterschlagen werden, als wären sie gar nicht vorhanden.

Und das geschieht in Fällen wie dem, der den Anlaß dieses Beitrags bildet. „Niemand“ umfaßt heute gewohnheitsmäßig auch Frauen, nicht aber Tiere. Bei „normalen“ Katastrophen mit vielen Opfern kommen sie meist überhaupt nicht vor, im Gegensatz zu „Frauen und Kindern“, damit die wenigstens nicht vergessen werden, wenn etwa von dreißig toten Menschen beim letzten Selbstmordattentat oder Hochwasser die Rede ist. Die Leute, die aufgeschrien haben, als von 50.000 (!) lebendig verbrannten Küken mit der Bemerkung „niemand kam zu Schaden“ berichtet wurde, haben völlig recht. Es ist ein Zeichen für das gewachsene Bewußtsein in der Bevölkerung, daß Tiere nicht „niemand“ sind, und es ist ein gutes Zeichen, daß der SPIEGEL sofort eine bessere Lösung umsetzte. Wenn wir schon nicht die alten Wörter verändern können und die mit ihnen transportierte Mißachtung von Tierleben, ist die „Lehrer und Lehrerinnen“-Variante schon mal der gerechtere Weg als das zweite Töten der Tiere durch die sprachliche Entwertung ihres Todes.

Da wir hier auf einer Seite sind, die „Schrift und Rede“ beobachtet und analysiert, sollte „man“ sich hier einmal mit der Sprache beschäftigen, durch die Tiere permanent herabgesetzt werden und so ihre Ausgrenzung aus der Moral tagtäglich perpetuiert wird. Schon Schopenhauer hat diese Tatsache scharf gesehen und scharf formuliert, u.a. hier (Parerga II): „... den so erbärmlichen, wie unverschämten ... Kunstgriff, alle natürlichen Verrichtungen, welche die Thiere mit uns gemein haben und welche die Identität unserer Natur mit der ihrigen zunächst bezeugen, wie Essen, Trinken, Schwangerschaft, Geburt, Tod, Leichnam u. a. m. an ihnen durch ganz andere Worte zu bezeichnen, als beim Menschen. Dies ist wirklich ein niederträchtiger Kniff ...“. Kein Krimi im Fernsehen, der nicht das Schwein als Schimpfwort für besondere Niedrigkeit benutzt, kaum ein Report über zusammengepferchte Flüchtlinge, in üblen Kerkern vegetierende Gefangene, willkürlich niedergeschossene Menschen, der nicht den bildhaften Vergleich „wie Tiere“ unterbringt. – Wie ist es eigentlich gelungen, diskriminierende Wörter wie „Negerkuß“, „Zigeunerwirtschaft“ und dergleichen aus unserer Alltagssprache zu eliminieren?
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 09.08.2013 um 12.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1572#23867

Tiere waren eben bis zur Einfügung des § 90 a BGB Sachen.
Die Formulierung im 90a wirkt gequält. Es sind keine Sachen, aber das Sachenrecht findet Anwendung.
So kann ich mir einen herrenlosen Hund als herrenlose bewegliche Sache aneignen, s. § 958.
Die wütenden Leserproteste kommen mir missionarisch vor.
 
 

nach oben


Ihr Kommentar: Sie können diesen Beitrag kommentieren. Füllen Sie dazu die mit * versehenen Felder aus und klicken Sie auf „Kommentar eintragen“.

Sie können in Ihrem Kommentar fett und/oder kursiv schreiben: [b]Kommentar[/b] ergibt Kommentar, [i]Kommentar[/i] ergibt Kommentar. Mit der Eingabetaste („Enter“) erzwingen Sie einen Zeilenumbruch. Ein doppelter Bindestrich (- -) wird in einen Gedankenstrich (–), ein doppeltes Komma (,,) bzw. ein doppelter Akut (´´) werden in typographische Anführungszeichen („ bzw. “) umgewandelt, ferner werden >> bzw. << durch die entsprechenden französischen Anführungszeichen » bzw. « ersetzt.

Bitte beziehen Sie sich nach Möglichkeit auf die Ausgangsmeldung.
Für sonstige Diskussionen steht Ihnen unser Diskussionsforum zur Verfügung.
* Ihr Name:
E-Mail:
(Wenn Sie eine E-Mail-Adresse angeben, wird diese angezeigt, damit andere mit Ihnen Kontakt aufnehmen können.)
* Kommentar:
* Spamschutz:   Hier bitte die Zahl einhundertvierundfünfzig (in Ziffern) eintragen.
 


Zurück zur vorherigen Seite | zur Tagebuchübersicht


© 2004–2018: Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V.

Vorstand: Reinhard Markner, Walter Lachenmann, Jan-Martin Wagner
Mitglieder des Beirats: Herbert E. Brekle, Dieter Borchmeyer, Friedrich Forssman, Theodor Ickler, Michael Klett, Werner von Koppenfels, Hans Krieger, Burkhart Kroeber, Reiner Kunze, Horst H. Munske, Adolf Muschg, Sten Nadolny, Bernd Rüthers, Albert von Schirnding, Christian Stetter.

Webhosting: ALL-INKL.COM