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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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03.08.2005
 

Hoher Preis
Irgendwo dazugehören zu wollen …

– nach Heimito von Doderer der Inbegriff der Niedrigkeit (Repertorium s. v. Bassesse). Dieser Wunsch kann jederzeit leicht erfüllt werden, aber der Preis ist fast immer unerträglich hoch.
Ich stelle mir z. B. vor, ich wäre Mitglied der GEW und müßte dann hören und lesen, was Marianne Demmer in meinem Namen verkündet. Ich würde mich zu Tode schämen; ein wenig haben sich sogar die Reformer geschämt, als Frau Demmer vor dem Bundesverfassungsgericht ihre seltsame Sicht der Rechtschreibreform kundtat. Geht es den Mitgliedern anderer Verbände viel anders? Deshalb bin ich auch fast überall wieder ausgetreten, wo ich mal dazugehörte. Sogar aus der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, als sie auf das umstellte, was sie für die neue Rechtschreibung hielt, und mir Prospektmaterial zusandte, das mir Übelkeit erregte, nicht nur wegen der falschen Schreibungen, sondern wegen der niedrigen Gesinnung der "Speichel leckenden" Verantwortlichen.
Und das sind ja noch harmlose Irre. Wie unsere Universität sich nach außen orthographisch präsentiert, stinkt zum Himmel. Den Tiefpunkt bildet der Text, den die KMK jetzt im Netz zu veröffentlichen wagt (Pressemitteilung zum 1. August). Ist je von Regierungen eines nichtdiktatorischen Staates so schamlos gelogen worden? Leider ist nicht zu erwarten, daß Wanka und die anderen je zur Verantwortung gezogen werden, und die Wahl im Herbst, falls sie stattfindet, wird auch nichts ändern, weil es ja hauptsächlich Unionspolitiker sind, die die Reform durchpeitschen. Frau Demmer gefällt's, sie findet die Demütigung der Lehrer ganz in Ordnung und ruft nach mehr.



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Kommentare zu »Hoher Preis«
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Kommentar von H.-G. Wagner, verfaßt am 10.08.2005 um 17.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=210#897

Zum Beitrag „Rechtschreibexperten fassen heißes Eisen an“ im Tagesspiegel vom 22. Juli 2005 (http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=303#1283) wurde folgender Leserbrief am 31. Juli 2005 abgedruckt:

Ignoranz oder Unfähigkeit?

Die Groß- und Kleinschreibung gehört keineswegs zu den „unstrittigen“ Teilen der Rechtschreibreform, sondern soll binnen eines Jahres überarbeitet werden. Damit erweist sich die bisherige Einteilung der Reform in „strittige“ und „unstrittige“ Bereiche als haltlos; die KMK hätte besser das Urteil des von ihr eingesetzten Rechtschreibrates abgewartet, als die Öffentlichkeit in einer trügerischen Sicherheit zu wiegen. Aber nicht nur das, die KMK ist nicht bereit einzusehen, sich geirrt zu haben: „Die Groß- und Kleinschreibung ist mit unserem Beschluss vom 23. Juni (. . .) von Änderungen vorerst ausgeschlossen“, so KMK-Präsidentin Wanka. Ist dies Unlogik, Ignoranz, Unfähigkeit oder Absicht?

Hans-Günter Wagner, Berlin-Zehlendorf


Dieser Text ist nicht nur stark gekürzt, sondern auch in seinem Sinn etwas verändert worden. Hier die von mir eingeschickte Fassung:

Die Unlogik der KMK

Jetzt ist es heraus: Die Groß- und Kleinschreibung gehört keineswegs zu den „unstrittigen“ Teilen der Rechtschreibreform, sondern soll binnen eines Jahres überarbeitet werden. Damit erweist sich die bisherige Einteilung der Reform in „strittige“ und „unstrittige“ Bereiche als haltlos; die KMK hätte besser das Urteil des von ihr selbst eingesetzten Rechtschreibrates abgewartet, als die Öffentlichkeit in einer trügerischen Sicherheit zu wiegen. Aber nicht nur das, die KMK ist nicht bereit einzusehen, sich geirrt zu haben: „Die Groß- und Kleinschreibung ist mit unserem Beschluss vom 23. Juni, die unstrittigen Teile der Reform jetzt verbindlich einzuführen, von Änderungen vorerst ausgeschlossen“, so KMK-Präsidentin Wanka. Ist diese Unlogik Ignoranz, Unfähigkeit oder Absicht?

Nun stellt sich das, was ein paar Tage zuvor für Entrüstung gesorgt hat, als Königsweg heraus: die Rechtschreibreform erst dann verbindlich zu machen, wenn der Rechtschreibrat seine Arbeit fürs erste beendet hat. Im Lichte des KMK-Beschlusses, die unstrittigen Teile der Reform verbindlich machen zu wollen, bedeutet die Entscheidung Bayerns und Nordrhein-Westfalens zudem eine klare Gegenaussage – daß es keine unstrittigen Teile gibt. Recht haben sie, denn auch die Laut-Buchstaben-Beziehungen stehen in der Kritik. Jüngst haben die Nachrichtenagenturen erklärt, daß sie „die unnötige Veränderung gewohnter Wortbilder und falsche Ableitungen“ wie „aufwändig; einbläuen, Quäntchen“ ablehnen.

Wann sieht die KMK endlich ein, daß die gesamte Reform auf den Prüfstand muß? Wie lange will die KMK noch das Risiko eingehen, den Kindern etwas „Unstrittiges“ beibringen zu lassen, das dann doch geändert werden soll? Warum lassen sich Eltern, Schüler und Lehrer das gefallen?
 
 

Kommentar von Michael Mann, verfaßt am 04.08.2005 um 15.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=210#873

Lüge, schlechte Recherche oder einfach Ahnungslosigkeit...

Viele Medien begnügen sich ja damit, die Reform an Beispielen wie "Fluß - Fluss" und "Delphin - Delfin" festzumachen. Die immer wiederkehrenden dpa-Grafiken zu dem Thema verkommen für mich langsam zum "running gag".

Und vor ca. zwei bis drei Wochen verkündete Ulrich Wickert im Anschluß an einen Tagesthemen-Beitrag über die Rechtschreibung, der Zuschauer könne beruhigt sein: Wickert werde auch in Zukunft "Balletttruppe" nicht mit drei "t" schreiben.

Die Unterstützung durch bzw. die gute Absicht des "Mr. Tagesthemen" in allen Ehren - nur hätte ihm vielleicht jemand vorher sagen sollen, daß man "Balletttruppe" schon vor der Reform mit drei "t" schrieb.

In diesem Falle also: Gute Absicht, schlechte Recherche oder einfach Ahnungslosigkeit...

Anscheinend lesen zu wenige Journalisten die Beiträge auf "Schrift & Rede", sonst sollten sie sich doch durch die hier gesammelte Kritik langsam bei ihrer Ehre und ihrem journalistischem Ethos gepackt fühlen.
 
 

Kommentar von Calva, verfaßt am 03.08.2005 um 23.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=210#860

Rechtschreibreform II
"Schreiben lernen unter erschwerten Bedingungen
Nach Schätzungen des Bundesverbandes für Alphabetisierung gibt es in Deutschland vier Millionen Analphabeten. Für Menschen, die erst im Erwachsenenalter lesen und schreiben lernen, ist die Rechtschreibreform ein weiterer Stolperstein auf dem Weg in die Welt der Buchstaben."

 
 

Kommentar von Ursula Morin, verfaßt am 03.08.2005 um 22.14 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=210#859

Auch in der Tagesschau wurde gestern wieder schamlos gelogen ... u.a. zur "verbindlichen Einführung" und zu den Lese- und Schreibschwierigkeiten deutscher Analphabeten, die man u.a. auf den derzeit chaotischen Zustand unserer Schriftsprache zurückführte. Leider habe ich das alles nur im Hintergrund mitbekommen ... hat da jemand genauer hingehört?

Eins ist jedenfalls sicher, auch die Medien lügen, daß einem schlecht werden könnte. Ich finde das noch schlimmer als die Lügen der Politiker.
 
 

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