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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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29.07.2006
 

Sprache ist lebendig
Nur die Reformkritiker wollen sie tot machen

Unsere famosen Nürnberger Nachrichten jubeln schon auf der Titelseite: "Reform ist perfekt". Auf der zweiten Seite folgt ein großer Agenturbeitrag (mit dem Fehler "Angst und Bange werden"), dazu eine dpa-Grafik (mit dem Fehler "Grislibär", außerdem in der längst abgeschafften Lateinischen Ausgangsschrift).
Dann als Höhepunkt ein Kommentar ("Sprache ist lebendig"), in dem Herbert Fuehr die Reform verteidigt und den Kritikern ("Fundamentalopposition" usw.) die Schuld am Wirrwarr zuschiebt. Er sagt ausdrücklich, daß heute alles in Ordnung wäre, wenn damals nicht die Kritik alles kaputtgemacht hätte. Die Reformgegner wollten zu den starren Regeln von einst zurück und würden damit der Lebendigkeit der Sprache nicht gerecht usw. Zum Glück seien aber die Lehrerverbände usw. jetzt sehr zufrieden mit der endlich eingekehrten Ruhe usw.
Es ist unfaßbar, auf welchem Niveau Zeitungsschreiber ihre Leser verdummen können, wo die Konkurrenz fehlt. Nicht einmal über die Tatsachen wird korrekt aufgeklärt. Der Kommentar wirkt wie aus der seit zehn Jahren laufenden Rechtschreibreformkommentarmaschine ausgespuckt, so oft habe ich ihn schon gelesen.



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Kommentare zu »Sprache ist lebendig«
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Kommentar von AH, verfaßt am 30.07.2006 um 00.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=570#5116

Auch ganz „famos“ im Kompilieren von Agenturmeldungen und offiziellen Statements sind die „Westfälischen Nachrichten“ (Münster), eine ganz besonders beflissene Vertreterin der Rechtschreibreform. Die Schlagzeilen des Artikels von Dorle Neumann am 27. Juli glaubte ich 2005 um die gleiche Jahreszeit schon einmal gelesen zu haben: „An den Schulen soll endlich Ruhe einkehren/Ab 1. August gelten verbindliche Rechtschreibregeln im Unterricht/ 'Sensibilität im Umgang mit der Sprache'“.
Zitiert werden Ludwig Eckinger vom VBE, der die neue „Sensibilität“ entdeckt hat, Werner Scholze-Stubenrecht, stellvertretender Leiter der Dudenredaktion, der auf eine „Rückkehr zum Vier-Jahres-Rhythmus“ hofft („Das ist fester Bestandteil meines Nachtgebets“) und Herbert Spies, Pressesprecher des Schulministeriums NRW, der den Lehrern die neue Freiheit verkündet, vgl. # 5111.
 
 

Kommentar von Lost, verfaßt am 29.07.2006 um 16.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=570#5109

Im Trierischen Volksfreund wurde heute von Inge Kreutz ein ähnlich dämlicher Kommentar veröffentlicht. Von der grauenhaften Argumentation einmal abgesehen, fällt auch negativ auf, daß wie so oft auf die Autoren eingedroschen wird, die sich der Reform widersetzen. Wo sind wir eigentlich, wenn es Günter Grass, Reiner Kunze und anderen im Land der Dichter und Denker verboten sein soll, gegen die Beschädigung ihres Handwerkszeugs vorzugehen. Diese Haltung gegenüber unseren großen Schriftstellern der Gegenwart ist meiner Meinung nach der eigentliche Skandal in der Sache. Ich habe natürlich einen Leserbrief an den TV geschrieben und bin mal gespannt, ob sie ihn abdrucken werden!
 
 

Kommentar von Kölner Stadt-Anzeiger, verfaßt am 29.07.2006 um 12.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=570#5107

Eis laufen und Eis essen

Sind Sie schon fit für die Zukunft? Immerhin ist es am 1. August so weit - dann gilt offiziell die Reform der Rechtschreibreform. Acht Jahre nach Einführung der neuen Rechtschreibung müssen sich Lehrer und Schüler wieder umstellen - und alle anderen, die dem offiziellen Regelwerk entsprechen wollen. Wir legen hier einen Test-Text vor, der recht sinnfrei ist, aber den Vorteil hat, einigen Änderungen auf den Grund zu gehen. Verfasst ist er nach den Regeln der umstrittenen Rechtschreibreform von 1998.

„»Eis essen im Sommer, wir haben den Genuss und um uns herum stehen dicht gedrängt Kinder und schauen zu: Das ist so gemein wie Eis laufen im Winter vor Gymnasiasten, die wissen, dass sie Pleite gehen, weil sie beim Telefonieren mit dem Handy nicht rechtzeitig Halt gemacht haben.« Der dies sagte, war ein 70-jähriger Mann in quer gestreiftem Jackett, der gerne quer schoss, wenn seine Bekannten sich mal gehen lassen wollten. Einer zeigte ihm die rote Karte, die anderen blieben friedlich, sagten nur, er solle zu Hause bleiben, Kopf stehen und das Fenster öffnen um endlich frische Luft in sein Zimmer fließen zu lassen.“

Wie aber wird dies künftig geschrieben? Nennen Sie uns mindestens eine Schreibung oder eine Zeichensetzung, die von Dienstag an als Fehler gilt - und schon können Sie gewinnen. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir drei Preise. 1. Preis: Ein Mountainbike im Wert von 499 Euro. 2. Preis: Gutschein für ein Essen im Kölner Restaurant Fischers im Wert von 200 Euro. 3. Preis: Meyers Großes Taschenlexikon in 26 Bänden plus CD-ROM im Wert von 100 Euro. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Einsendeschluss ist Montag, 31. August 2006, 18 Uhr.
Die Lösungen können per Post, per Fax und per Mail eingeschickt werden.

Post: Verlag M. DuMont Schauberg, Verlagswerbung, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln
Fax: 02 21 / 2 24-33 40
E-Mail: gewinnen@ksta.de

http://www.ksta.de/html/artikel/1152898252933.shtml
 
 

Kommentar von Martin Valeske, verfaßt am 29.07.2006 um 12.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=570#5105

In der gestrigen Ausgabe der Tageszeitung Der neue Tag fand sich unter der Überschrift "Die zehn Gebote für Schreibende - Am 1. August tritt geänderte Rechtschreibreform in Kraft - Die wichtigsten Regeln" folgender Artikel:

"Amberg/Weiden. (sr) Seit 1996 wird an ihr herumgebastelt - am 1. August nun wird die neue Rechtschreibung "end-gültig". Nach jahrelangen Disputen hat der Rat für deutsche Rechtschreibung einige Änderungen an dem 1998 eingeführten Regelwerk vorgeschlagen.
Die zuständigen Gremien in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben diesen Ideen zugestimmt, so dass der überarbeiteten Rechtschreibreform jetzt nichts mehr im Weg steht. In Deutschland gilt noch eine Übergangszeit bis zum 31. Juli 2007, in der die überholten Schreibungen in den Schulen nicht als Fehler gezählt werden dürfen.
Die Kultusminister haben den Rat für deutsche Rechtschreibung im Jahr 2004 eingesetzt, um die zahlreichen Kritiker der Reform in die Weiterentwicklung der neuen Schreibweisen einzubinden. Neben der langfristigen Beobachtung der Sprache hatte die 40-köpfige Expertenrunde ihre erste Aufgabe darin, auf der Basis des amtlichen Regelwerkes von 2004 eine Lösung zu entwickeln, die von der Bevölkerung besser angenommen wird als der viel kritisierte erste Reformschritt.
Der Rechtschreib-Experte und Duden-Autor Christian Stang (30) aus Regenburg (www.christian-stang.de) hat für unsere Leser die zehn wichtigsten Regel-Änderungen der Rechtschreibreform, quasi "Die zehn Gebote für Schreibende", zusammengestellt (siehe unsere Grafik nebenan). Auf der Homepage des Rats für deutsche Rechtschreibung ist das amtliche Regelwerk veröffentlicht. Regeln und Wörterverzeichnis können in ihrer aktuellsten Fassung als pdf-Dokumente gedownloadet werden."

Nachdem der Leser dieser Zeitung bereits auf der zweiten Seite unter der Überschrift "Zehetmair rügt Duden-Verlag" erfahren hatte, daß der Vorsitzende des Rates für deutsche Rechtschreibung dem Duden-Verlag vorgeworfen hat, die Beschlüsse des Rates in der neuen Ausgabe seines Wörterbuches bewußt zu unterlaufen, wofür ihm jegliches Verständnis fehle, war nun zu erwarten, daß der "Rechtschreib-Experte und Duden-Autor" Christian Stang in seinen "zehn Geboten" nicht nur auf die geänderten Schreibweisen, sondern auch auf die Abweichungen des neuen Duden von den Beschlüssen des Rechtschreibrates wenigstens ansatzweise eingehen würde. Statt dessen präsentiert er in seiner Grafik einige neue Regeln, die, wenn ich es richtig sehe, allesamt Bereiche der neuen Rechtschreibung betreffen, die vom Rechtschreibrat unangetastet geblieben sind. So ist etwa der gesamte Bereich der besonders umstrittenen GZS, an dem umfangreiche Korrekturen vorgenommen worden sind, völlig außer acht gelassen, so daß beim Leser der wohl beabsichtigte Eindruck entstehen muß, die Änderungen seien so marginal, daß im wesentlichen alles beim alten bleibe.

In seiner Grafik führt Christian Stang die seiner Meinung nach wichtigsten Regeln auf und veranschaulicht sie jeweils an drei Beispielen
(AS = alte Schreibung; NS = neue Schreibung):

1. Nach einem kurzen Vokal (Selbstlaut) schreibt man immer (!) Doppel-s.
AS: Kuß, bißchen, (er/sie) ißt; NS: Kuss, bisschen, (er/sie) isst.
2. Wörter mit ä bzw. äu lassen sich meistens (!) von einem Stammwort mit a bzw. au ableiten.
AS: behende, Gemse, verbleuen; NS: behände, Gämse, verbläuen.
3. Folgt auf einen kurzen Vokal (Selbstlaut) ein einzelner Konsonant (Mitlaut), so wird dieser in der Regel (!) doppelt wiedergegeben.
AS: numerieren, Tip, Friteuse; NS: nummerieren, Tipp, Fritteuse.
4. Beim Zusammentreffen von drei gleichen Konsonanten (Mitlauten) bleiben alle Buchstaben erhalten.
AS: Schiffahrt, Stilleben, Sperriegel; NS: Schifffahrt, Stillleben, Sperrriegel.
5. Bei bestimmten (!) Fremdwörtern gibt es eingedeutschte Schreibweisen. Die bisherigen Schreibungen bleiben in der Regel (!) weiter gültig.
AS: Orthographie, Thunfisch, Myrrhe; NS: Orthographie/Orthografie (nach dem neuen Duden ist die Hauptvariante allerdings die Schreibung mit f!), Thunfisch/Tunfisch, Myrrhe/Myrre.
6. Tageszeiten nach den Wörtern vorgestern, gestern, heute, morgen und übermorgen werden großgeschrieben.
AS: gestern abend, heute mittag, morgen vormittag; NS: gestern Abend, heute Mittag, morgen Vormittag.
7. In Zusammensetzungen mit Ziffern setzt man einen Bindestrich.
AS: 10jährig, 100prozentig, 4tonner; NS: 10-jährig, 100-prozentig, 4-Tonner.
8. Die Buchstabenfolge st wird jetzt getrennt.
AS: Fen-ster, We-ste, ge-stern; NS: Fens-ter, Wes-te, ges-tern.
9. Die Buchstabenfolge ck kommt bei der Trennung auf eine neue Zeile.
AS: Bäk-ker, Zuk-ker, lek-ker; NS: Bä-cker, Zu-cker, le-cker.
10. Hauptsätze, die mit und bzw. oder verbunden sind, müssen nicht mit einem Komma voneinander getrennt werden.
AS: Lukas spielt Gitarre, und Andrea singt dazu. Ich lese heute ein Buch, oder ich gehe ins Kino; NS: Lukas spielt Gitarre (,) und Andrea singt dazu. Ich lese ein Buch (,) oder ich gehe ins Kino.

 
 

Kommentar von Bernd Schöller, verfaßt am 29.07.2006 um 10.45 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=570#5104

Sehr geehrter Herr Prof. Ickler, wenn die dafür Verantwortlichen Ihre Analysen zum Duden und zu Wahrig in der F.A.Z. v. 20. u. 21.07. lesen, müßte ihnen die Schamröte noch heute im Gesicht stehen. Was mich am meisten ärgert, ist, daß diese Wörterbücher überall in den Buchhandlungen rumstehen, die "Normale Deutsche Rechtschreibung" von Ickler dem "gebildeten" Buchhändler unbekannt ist. Bitte weitermachen, ich bewundere Ihre Energie.
 
 

Kommentar von borella ;-), verfaßt am 29.07.2006 um 10.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=570#5103

Nichts von dem, was sie verspricht bzw. versprach, hält sie ein, die Neuregelung! Völlig egal, welche Version man betrachtet.
Wer daran schuld ist? Natürlich die Kritiker, wer denn sonst?
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 29.07.2006 um 09.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=570#5102

Aus dem Artikel der Nürnberger Nachrichten: "Viele Köche rührten den Brei: Kultusminister, Rat für Deutsche Rechtschreibung, Ministerpräsidenten, Parteipolitiker, selbst ernannte und tatsächliche Rechtschreibexperten ..."

Tja, was soll man da machen, wenn selbst die ernannten Rechtschreibexperten mitgemischt haben?
 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 29.07.2006 um 09.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=570#5101

Herr Ickler, freuen Sie sich erst auf die Kommentare am 1. August! Ich werde an diesem Tag alle Medien meiden, ob Fernsehen, Radio oder Zeitung, da ich wohl in jedem dieser Medien vom "Erfolg der Rechtschreibreform" zugedröhnt werde.

Ab und an hörte ich in der Vergangenheit zwar auch andere Stimmen (z. B. bei eine RTL-Sendung bezüglich Reform sagte eine Moderatorin, den ganze Wirrwarr hätten wir uns erspart, wäre diese Reform nie eingeführt worden), aber der Großteil ist doch von Reformern getätigt, die natürlich ihr Werk mit aller Macht verteidigen.

Witzig, das muß ich hier auch sagen, ist immer wieder, wenn man sieht, wie Leute, die die Reform anwenden und gut finden, sich über manche Schreibungen gar nicht im klaren sind. So mußte ich kürzlich ein paar Reformfreude davon überzeugen, daß man seit 1996 "Spagetti" schreiben könne - sie wollten es mir nicht glauben.
 
 

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