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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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17.10.2009
 

Umlaut
Schulische Strafmentalität

Vor einigen Jahren hatte unsere Jüngste in einem Schulaufsatz die Pünktchen über einem ü vergessen. Als Korrektur lieferte sie nur diese beiden Pünktchen nach. Der Lehrer hatte aber wenig Humor und verhängte eine Strafe.

Man könnte noch viel erzählen, was unsere Schulen in die Nähe von Justizvollzugsanstalten rückt, neben denen sie ja auch traditionell als Backsteinbauten im gleichen Stil errichtet wurden.
Auch damit hat die Einstellung zu Rechtschreibfragen etwas zu tun.



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Kommentare zu »Umlaut«
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Kommentar von Taugenichts, verfaßt am 17.10.2009 um 20.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1228#15110

Ja, die Schule! Ich bin da von vornherein durchgerutscht mit meinem Kasperl-Humor und habe später alles schwerlich in Eigenregie – sozusagen im 4. Bildungsweg – mir erarbeiten müssen, echte Knochenarbeit.

Und heute? Heute begegnen mir nur beflissentliche und stets stramm reformierte Lehrerinnen (und Lektorinnen etc.), da bin ich in den Weiterbildungsseminaren, Symposien und Redaktionssitzungen auch nicht weit gekommen mit meinem hölzernen Charme.

Aus irgend einem Grund ist das gleich geblieben mit dem Geruch der Schule und dem ganzen Brimborium.

Und es gibt nach wie vor Tabus. (Herr Paulwitz hat heute einen herrlichen Artikel über die Macht der Tabus geschrieben.)

Kinderherzchen mit Pünktchen, wächserne Pädagogen mit ihrer Seifenlauge.

Auf eines wollte ich Herrn Ickler noch hinweisen (paßt eigentlich ganz gut hierher):

Gestern in der F.A.Z.:
"Vom stolzen Buch bleibt nur Papiersalat"
(über die "tabuisierte" Büchervernichtung):

"... Weshalb werden Bücher überhaupt makuliert? Aus unterschiedlichen Gründen." Auf hundertfünftausend Palettenplätzen lagern die kompletten Auflagen von etwa achtundvierzigtausend Titeln, Sigloch verschickt mehr als zweihunderttausend Sendungen täglich, knapp hundert Millionen Bücher pro Jahr. Es gibt zum Teil Neuerungen oder gesetzliche Auflagen wie die Rechtschreibreform, die eine Makulierung nötig machen. Dann wird durchaus mal was aus dem Handel genommen. Es sind vielfältige Gründe, die uns im Einzelnen aber nicht interessieren. Wir sind der Dienstleister, der das lediglich im Auftrag des Kunden organisiert ...

Die Macht der Verlagsauslieferer. Verstehe ich den Text richtig ("gesetzliche Auflagen wie die Rechtschreibreform"), hieße das doch, daß Kinderbücher in besserer Rechtschreibung gar nicht in die Lagerhalle dürfen, und die mal dort lagerten (oder sich betteten ;-), kamen in den Reißwolf, oder?!"

http://www.faz.net/f30/kom/KomWrite.aspx ?rub={E26455A3-251A-4E72-A8D1-3804A90F40BF} &doc={CB93ADBB-EDE6-48D1-89EB-EA5A8F569098}

Ist das das Niveau der Journalisten von heute?

Gesetzliche Auflagen wie die Rechtschreibreform, das will mir nicht aus dem Kopf, so ein Humbug!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.04.2015 um 07.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1228#28717

Der Umlaut ist zweifellos ein Fall von Assimilation. Meistens wird ein Vokal unter dem Einfluß eines i oder j der folgenden oder gar der übernächsten Silbe umgelautet. Auch heute noch wird der Sachverhalt so erklärt:

„Als Beispiel für die Fernassimilation ist der i-Umlaut zu nennen.“
(Damaris Nübling in Zusammenarbeit mit Antje Dammel, Janet Duke und Renata Szczepaniak: Historische Sprachwissenschaft des Deutschen. Eine Einführung in die Prinzipien des Sprachwandels. Tübingen 2006:13, weiter 265ff.)

Physiologisch würde es sich darum handeln, daß die Artikulationsorgane bereits die Stellung der nächsten oder übernächsten Silbe vorwegnehmen. Leichter vorstellbar ist die Erklärung, die Scherer, Sievers und danach Hermann Paul gegeben haben:

„Nur scheinbar gehören hierher viele vokalische Assimilationen wie z. B. der Umlaut in den germanischen Sprachen. Diese sind durch eine Modifikation der dazwischenstehenden Konsonanten vermittelt, also in Wahrheit keine Fernassimilationen.“ (Paul Pr. 65, Fn.; Dt. Gr. I:111f.)

Diese Mouillierungstheorie krankt allerdings daran, daß es keine Belege für die mouillierten Konsonanten gibt. Daß der Umlaut aus der dritten Silbe die zweite überspringt, scheint aber auch nicht vorzukommen, die zweite wird zuerst umgelautet, dann von dort aus die erste.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.07.2015 um 12.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1228#29522

Bei unseren Kindern hören wir manchmal du fäßt, er fäßt, obwohl wir Eltern niemals so reden und die Kinder im übrigen auch ziemlich genauso reden wie wir (das bilden wir uns jedenfalls ein). Das kann nun von den Schulkameraden usw. stammen (wofür spräche, daß die Jüngste, die kommunikativer ist als die andere, den Umlaut konsequenter durchführt), oder sie haben es analog selbst entwickelt, wie ja auch gepfeift. Ich korrigiere sie nie, weil das den Wert der Kinder als Versuchsobjekte mindern würde. (Weh, ohn' Opfer gehn die süßen Wunder, Gehn die armen Herzen einsam unter!)
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 22.07.2015 um 14.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1228#29525

Vielleicht gibt es regionale Unterschiede, aber ich höre immer wieder (wenn auch nicht sehr oft) "fäßt", vor einigen Tagen erst im Radio. In einem Film mit Louis de Funès etwa sagt jemand mit einem Schmuckstück (einer Halskette oder so) in der Hand ungefähr: "Man kriegt eine Gänsehaut, wenn man das anfäßt".
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.07.2015 um 17.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1228#29527

Gefühlsmäßig und überspitzt gesagt: Schwache Beugung ist norddeutsch, starke Beugung ist süddeutsch. Es gibt nun mal unterschiedliche Hochdeutsches.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2018 um 13.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1228#37934

Der Enkel müßte ja nach Augsts Verfahren Änkel geschrieben werden, weil er die Verkleinerung von Ahn ist. Er heißt also eigentlich "Opachen", weil man glaubte, im Enkel lebe der Großvater weiter oder wieder auf. Damit hängt der alte Brauch zusammen (auf dem Lande heute noch), dem ersten Sohn den Namen des Großvaters zu geben. Bei den Mädchen war man wohl freier.
 
 

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