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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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27.09.2014
 

Kitsch
Die Wonnen der Gewöhnlichkeit sind nicht jedem vergönnt

In Warenhäusern, Taxis und auch sonst wird ohne weiteres vorausgesetzt, daß jedermann Schlager und Popmusik mag, auch wenn die Geschmäcker sonst verschieden sind.

Die Augen kann man zumachen, aber die Ohren haben keine Deckel, und so bleibt nur Fremdschämen. Ich bin nicht besonders musikalisch, allerdings schon mehr ein Ohren- als ein Augenmensch; Musik bedeutet mir mehr als Malerei zum Beispiel. Wahrscheinlich ist es ein Defizit, aber ich kann einfach nicht anders als die meiste Popmusik unerträglich finden, ohne Hoffnung, mich daran zu gewöhnen. Das fiel mir wieder mal ein, als ich mich jetzt mit dem Wortfeld "Dank" beschäftigte (wozu demnächst mehr) und auf jenen unsäglichen Kirchenschlager stieß, der auch einen Wikipediaeintrag hat. Das ist also auch schon wieder über 50 Jahre her, daß man dem fürchterlichen Song nirgendwo entgehen konnte. Der Text ist eine indiskutable Fassung von Theodizee, aber das Allerschrecklichste ist die Musik mit ihrer sich von Strophe zu Strophe höherquälenden Chromatik. Und das Ganze wird man als wahren Ohrwurm überhaupt nicht wieder los; schon packt es mich wieder, und ich muß irgend etwas tun, damit mir nicht der ganze schöne Samstag verdorben wird. (Ich empfinde musikalisch den Schluß jeder Strophe als besonders peinlich; ob ein Musikwissenschaftler das erklären könnte?)



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Kommentare zu »Kitsch«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.09.2014 um 05.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#26867

An einem tschechischen Gymnasium trug eine Klasse dem deutschen Gast ein deutsches Volkslied vor ("Im Frühtau zu Berge"), das die Lehrerin mit großer Sorgfalt einstudiert hatte. Musikalisch sehr gut und mit dem nötigen Schwung, nur wurden die deutschen Wörter stellenweise falsch betont und daher falsch auf die Takte verteilt. Ich mußte mir das Lachen verkneifen, blickte in die frischen Gesichter und versuchte mich vor jeder Wiederholung der heiklen Stellen zusammenzunehmen. Daran muß ich immer denken, wenn unsere eigenen Kinder exotische Lieder singen wie "Hava nagila". Ob da alles so ganz richtig ist?
Aber nicht anders kann es ja bei der Entlehnung fremder Wörter zugegangen sein, von grauer Vorzeit an, wir sehen ja die Ergebnisse.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 27.09.2014 um 23.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#26872

Als Ohrwurm hat Danke für diesen guten Morgen unbestreitbare Qualitäten! Kein anderer deutscher Gospelsong hat ja auch diesen Erfolg gehabt. Von dem Vers »Danke für manche Traurigkeiten« wird wohl niemand die Auflösung der Theodizeeproblematik erwartet haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2014 um 04.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#26873

Niemand? Unterschätzen Sie Ihre Zeitgenossen nicht! Das Lied gehört sehr wohl in einen solchen Zusammenhang, vgl. etwa hier:
http://www.gratefulness.org/dankbarkeit.htm
http://www.dankbar-leben.org/index.php/dankbarkeit-leben/16-ueber-das-netzwerk-dankbares-leben

David Steindl-Rast OSB ist ausdrücklich auch für das Ereignis 9/11 dankbar, weil es eine "Gelegenheit" war, dem Sein gegenüber dankbar zu sein usw. - ein Stellvertreter Hiobs sozusagen, aber die Websites zeigen, was man daraus alles machen kann. Theodizee light sozusagen, aber immerhin.

Die Psychologie der Dankbaren scheint mir noch nicht ganz aufgeklärt zu sein. Warum macht es glücklich und zufrieden, gegen jede Vernunft ständig dankbar zu sein für etwas, was ohnehin geschieht? Das "Gefühl" der Dankbarkeit ist auch wohl nur ein Konstrukt, errichtet über dem weniger innerlichen Sprechakt Danksagen, Sichbedanken, und dessen Funktion in der Gesellschaft ist es eigentlich, was geklärt werden müßte. Leider ist die Forschung (Woods u. a.) stark von therapeutischen Absichten bestimmt. Das gilt ja in gewisser Hinsicht auch für Steindl-Rast und andere Gottesmänner, die uns immer gleich auch zu besseren und vor allem zufriedeneren Menschen machen wollen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 28.09.2014 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#26880

Der Song »Shout« von Tears for Fears bezieht sich auf die Urschreitherapie, und die Urschreitherapie ist Quatsch, aber das heißt ja nicht, daß der Song nichts taugt.

Das Danksagen für das alltäglich Selbstverständliche soll wohl einen heilsamen Verfremdungseffekt hervorrufen – ob das auf Dauer gelingen kann, ist natürlich eine andere Frage.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 29.09.2014 um 00.38 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#26883

Der vorletzte Takt des Liedes erscheint mir auch etwas archaisierend, ein bisschen wie diese stereotypen Kadenzfloskeln in der Zeit zwischen Renaissance und Barock.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 30.09.2014 um 10.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#26893

Ist denn anzunehmen, daß die Dankbarkeit der Liedsinger echt ist?

Das ist halt ein Lied, sonst nichts. Lieder werden doch nicht nur dann gesungen, wenn man sich zu 100% mit dem Text identifiziert. Ich meine, die in dem Lied besungene Dankbarkeit gibt es in Wirklichkeit nicht, weil es nicht möglich ist, etwas Amorphem gegenüber dankbar zu sein, wie sollte sowas denn funktionieren? Echte Dankbarkeit kann man nur realen Personen gegenüber empfinden. Und zur Kategorie Popmusik würde ich dieses Lied auch nicht zählen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.09.2014 um 14.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#26895

Ich glaube auch nicht, daß "Dankbarkeit" der richtige Ausdruck ist. Es ist ja weder psychologisch noch auch nur begrifflich möglich, dem "Sein" dankbar zu sein. Das ist aber mit "Liebe" und anderen Alltagsbegriffen nicht anders. Nach Teilhard de Chardin läuft die Evolution auf einen Endzustand "absoluter Liebe" zu. Das ist meines Erachtens nur frömmelnde Wortemacherei. Wir alle wissen (hoffentlich), was Liebe ist; lassen wir es doch damit genug sein. Und dankbar sind wir auch manchmal, aber immerzu und für alles und jedes - das geht doch gar nicht und entwertet den Dank im Grunde.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 30.09.2014 um 16.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#26898

Liebe bedeutet im Theologensprech offenbar etwas anderes als weltlich. Weltlich gibt es Liebe zu Menschen und umgangssprachlich zu Umständen oder Tätigkeiten (Natur, Musik, Wandern, usw.).

Ich nehme an, daß de Chardins Endzustand „absoluter Liebe“ eine Metapher ist, die zu ergründen sich sicher lohnt, bei einem Autor seines Lebenslaufes. Wörtlich verstanden ist ein Endzustand absoluter Liebe (zumindest für mich) etwas vollkommen Unvorstellbares, aber offenbar dem Ansatz geschuldet, daß Geist und Materie (irgendwann) eins werden, was immer man sich drunter vorzustellen hat …
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.10.2014 um 06.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#26911

Die Zustände, in die sich ein Mystiker versetzt, sind verständlicherweise nicht leicht in Allgemeinsprache zu beschreiben.

„Objektlose Liebe“: Liebe als Grundhaltung benötigt für christliche Mystiker wie Meister Eckhart kein Objekt. Liebe wird hier als bedingungsloses Öffnen verstanden. Der Philosoph und Metaphysiker Jean Émile Charon bezeichnet diese „universale“ Liebe als „Finalität der Evolution“ und „Selbsttranszendenz des Universums“. (Wikipedia Liebe)

Was immer das sein mag, mit Liebe im allgemeinsprachlichen Sinn hat es sicher nichts oder nicht viel zu tun. Allerdings sind Verliebte auch ein bißchen verrückt, lallen Unsinn und werden ihren Mitmenschen lästig, wie Platon es so schön und kenntnisreich beschrieben hat. Der schwärmerische Gebrauch der Sprache kann, wie in dem Zitat, sehr weit gehen. Da muß man nachsichtig sein, aber in wissenschaftlichen Texten sollte ein anderer Ton herrschen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.10.2014 um 05.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#27042

Nachtrag:

„Jeder Klampfenbarde mit Lagerfeuerdiplom kennt diesen Aufbau. Es handelt sich dabei um eine der einfachsten musikalischen Texturen überhaupt.“ (Jörg Döring: „‘Danke für diesen guten Morgen‘. Zur Rhetorik von Katalog und enumeratio in einem neuen geistlichen Lied“. In: Natalie Binczek u. a. [Hg.]: Dank sagen. Politik, Semantik und Poetik der Verbindlichkeit. München 2013:141-155. S. 150.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.10.2014 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#27048

Noch ein Nachtrag und zu #26893:

Nicht zur Popmusik? Nun, unter dem Wikipedia-Artikel zu "Danke..." steht:
"Ein religiöser Popsong feiert Geburtstag. Deutschlandradio Kultur 5. Mai 2012 "

Döring gibt in einer Fußnote noch den nicht ganz passenden Spruch zum besten: "Man muss Gott für alles danken, auch für einen Mittelfranken." Das soll bayerische Spruchweisheit sein, aber meinem Eindruck nach wird es von den Mittelfranken selbst viel häufiger gebraucht. Die sind nämlich durchaus selbstironisch und brauchen nicht viele Worte, um das Theodizeeproblem zu lösen. Erst bei den Oberfranken hört der Spaß auf; das fängt schon an, wenn man am Kanal entlang nach Forchheim radelt, wo die völlig unfähigen Autofahrer wohnen. Vorgestern schnitt mich ein Rechtsabbieger, so daß ich scharf auf meine Hydraulikbremsen drücken mußte. Ich brauchte gar nicht hinzusehen, um sein Kennzeichen zu identifizieren: FO...Mit den Fürthern sind wir zwar auch verfeindet, aber nur wegen des Fußballs, es sind ja Mittelfranken, die Witze über sie entsprechend gutmütig-herablassend.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.04.2015 um 05.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#28503

Zu #27042:

Lorenz Jäger referiert Dörings Aufsatz (FAZ 1.4.15) und nennt das Lied „das unfreiwillig komischste, immer wieder parodierte und doch bis heute erfolgreichste der ‚neuen geistlichen Lieder‘ der sechziger Jahre“.
Zu „Danke, wenn auch dem größten Feinde ich verzeihen kann“: „Döring macht darauf aufmerksam, dass es keineswegs schon ausgemacht ist, dass ich dem Feinde verzeihe, sondern dass es sich um einen Konditionalsatz (‚wenn‘) handelt.“
Diese Deutung ist aber nicht zwingend (abgesehen davon, daß auch das „mag“ am Anfang eher dem Reim geschuldet als sinnvoll ist). Ein wenn-Satz kann auch Ergänzungssatz sein. Ich habe das kurz besprochen unter „Abfall für alle“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.08.2015 um 09.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#29626

200 Menschen aus Deutschland sagen in der Huffington Post: "Willkommen, liebe Flüchtlinge, gut, dass ihr hier seid"

Zu den Unterzeichnern gehört Margot Käßmann, in deren Stil die Liebeserklärung abgefaßt ist. Aber auch Sigmar Gabriel und Malu Dreyer sind dabei.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 05.08.2015 um 19.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#29629

Menschen in Not zu helfen, ist selbstverständliche menschliche Verpflichtung, ob man nun Christ ist oder nicht. Daß Frau Käßmann ihren säuselnden Moralton auch hier bemüht, ist natürlich übertrieben und klebrig, aber sei's drum.

Daß die Flüchtlinge etwas mitbringen, von dem Deutschland profitiert, ist – um das mindeste zu sagen – irrelevant. Die christliche Nächstenliebe und auch alle anderen Überzeugungen, aus denen heraus Hilfe geleistet wird, verlangen von allen, dem ersten, dem besten beizuspringen, dessen Not sie sehen, völlig egal, um wen es sich handelt.
Hier wird einfach mal wieder vermengt, was nicht zusammengehört: Flüchtlinge und Einwanderer. Das ist auch das, was eigentlich hilfsbereiten Menschen, die aus eigener Erfahrung heraus diese Unterscheidung treffen, sauer aufstößt.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 05.08.2015 um 20.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#29630

So selbstverständlich ist das nicht!

Aus der Satanischen Bibel von Anton Szandor LaVey:

4. Satan bedeutet Güte gegenüber denen, die sie verdienen, statt Liebe an Undankbare.
5. Satan bedeutet Rache statt Hinhalten der anderen Wange.
6. Satan bedeutet Verantwortung für die Verantwortungsbewussten statt Fürsorge für psychische Vampire.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 05.08.2015 um 21.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#29631

Ich beziehe das jetzt nicht auf die Flüchtlinge, sondern auf ihre – sehr provokante Aussage – allgemeine Aussage, Menschen in Not zu helfen (egal ob man Christ ist oder nicht).

Es wäre zumindest vorher zu erörtern, ob man überhaupt helfen kann und ob die Hilfe überhaupt erwünscht ist. Anderenfalls führt das dazu, daß Leuten gegen ihren Willen ''geholfen'' wird, insbesondere durch die Psychiatrie, was aber eher einer Vergewaltigung gleichkommt. Weiterhin sorgt unser sogenannter ''Sozialstaat'' durch seinen teils ungerechten Gesetze dafür, daß Menschen bewußt in Not gebracht werden, damit sich andere bereichern können.

Den Flüchtlingen sollte natürlich geholfen werden, falls sie dies wünschen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.09.2015 um 16.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#29932

Ex-Bischöfin Margot Käßmann wendet sich mit deutlichen Worten an selbsternannte Verteidiger des Abendlands. "Gehen Sie sonntags in die Kirchen, dann müssen Sie keine Angst vor vollen Moscheen haben." (spiegel.de 10.9.15)

Freilich selbsternannt, denn wer sonst sollte sie ernennen? Im übrigen sind die Worte zwar deutlich, aber ihre Logik erschließt sich mir nicht. Gleichwohl zitiert Ex-Verfassungsrichter Udo di Fabio sie in einem ganzseitigen FAZ-Beitrag und empfiehlt christliche Wiederaufrüstung als Antwort auf die Islamisierung. Er unterstellt denen, die nicht mehr in christlicher Tradition stehen, die größere Angst vor den Muslimen - eine Tatsachenbehauptung, für die er keinen Beleg haben dürfte. Außerdem erwartet er, daß die Muslime sich unter Christen eher zu Hause fühlen als unter Unfrommen. Das mag sein, aber trotzdem müssen die Zuwanderer zuerst lernen, in einem säkularen Staat zu leben, denn daran sind die wenigsten gewöhnt, und vielen kommt es ungeheuerlich vor.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 14.09.2015 um 18.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#29936

Frau Käßmann hat ja nur aufgewärmt, was die Kanzerin zuvor schon geäußert hatte. Henryk Broder hat sich die Mühe einer Niederschrift gemacht: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/was_die_eu_zum_islamistischen_terror_beigetragen_hat.

Anscheinend meint die Kanzerin, weil deutsche Moscheen IS-Terroristen produzieren, solle man sich keine Gedanken über den Islam machen, sondern sonntags in die Kirche gehen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 14.09.2015 um 19.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#29937

Frau Käßmann unterhält ja bekanntlich sehr enge Beziehungen zu Bundeskanzlern. Da fliegen dann eben die Gedanken nur so hin und her.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.09.2015 um 00.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#29938

zur "Logik", #29932:

Mit Logik hat das alles nichts mehr zu tun.
Sehn Sie, ich nehme nun mal nicht gern einen angeschlossenen Föhn mit in die Badewanne. Da muß ich wohl nach heutiger Logik eine Heidenangst vor elektrischem Strom haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.09.2015 um 05.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#29940

Danke für den Hinweis auf das unglaubliche Gefasel der Kanzlerin über Islam und Kirchgängerei! Als ob es um die hergebrachte Konkurrenz zwischen Religionsgesellschaften ginge und nicht um die Bedrohung der Religionsfreiheit und damit der Freiheit überhaupt. Man lobt gelegentlich die Toleranz des Islam seinerzeit in Spanien, aber das war nur eine relative, im übrigen muß man die Nichttrennung von Staat und Religion, die Bevormundung aller Menschen durch "Geistliche" also, fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Schon jetzt werden um der Political correctness willen zu viele Zugeständnisse gemacht. Durch dieses Hintertürchen schleicht sich eine neue Unfreiheit ein.
(Gestern hat Jörg Baberowski in der FAZ sich so deutlich ausgesprochen, wie er es anderswo kaum könnte und bald gar nicht mehr können wird. Er hat sogar von "illegalen Einwanderern" zu sprechen gewagt.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 16.10.2016 um 11.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#33557

Breaking News: Die Publizistin Carolin Emcke bekommt den Friedenspreis der deutschen Buchhändlerinnen für ein Buch, das Margot Käßmanns Auslassungen zu diesem und jenem im Vergleich als enorm tiefsinnig erscheinen läßt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.10.2016 um 04.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#33573

(...) wird nach Belieben diffamiert und entwertet, gebrüllt und getobt: die Juden, die Frauen, die Ungläubigen, die Schwarzen, die Lesben, die Geflüchteten, die Muslime oder auch die USA, die Politiker, der Westen, die Polizisten, die Medien, die Intellektuellen. (Carolin Emcke: Gegen den Hass, Leseprobe)

Da die Verfasserin hier aus der Sicht der Hassenden schreibt, wirken die politisch korrekten Geflüchteten deplaziert. sogenannte Flüchtlinge wäre passender.

Ich werde das Buch aber nicht lesen, weil ich daraus nichts lerne. Wie gut ich bin, weiß ich selber.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.11.2016 um 16.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#33842

Frage: Frau Käßmann, könnten Sie sich vorstellen, mit Martin Luther verheiratet zu sein?
Margot Käßmann: (lacht) Das stelle ich mir sehr anstrengend vor. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Er war ein Poltergeist.
(Zeit online 15. 10.16)

... diesen Poltergeist Luther. (Käßmann DLF 21.4.12)

„Dieser Poltergeist wäre in Talkshows sicher sehr beliebt.“ (Käßmann über Luther, zit. in Claudia Reiterer: Der Popcorn-Effekt. Wien 2015)

Das Wort Poltergeist scheint von Luther selbst geprägt zu sein; es bedeutet "Klopfgeist", wie der Duden definiert. So ist es ins Englische übernommen, und heutige Kinder kennen es vielleicht am ehesten aus "Harry Potter".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.11.2016 um 07.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#33849

Vor der Präsidentenwahl schrieb Margot Käßmann in BILD:

Hillary Clinton ist nicht schon deshalb ein besserer Mensch, weil sie eine Frau ist. Sie hat den Irak-Krieg befürwortet, gehört zum Washingtoner Establishment. Aber sie kennt die Welt, war Senatorin und Außenministerin, hat internationale Verantwortung übernommen.
Bitte, liebe amerikanischen Wählerinnen und Wähler, verschont euer eigenes Land und die ganze Welt übermorgen davor, in die Willkür eines Donald Trump zu fallen!


Nun ist es schon so weit gekommen, daß ganze Völker sich weigern, auf Frau Käßmann zu hören.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 15.11.2016 um 07.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#33850

Zu #33842: Wohl eine Kreuzung aus Polterer und Quälgeist, Flattergeist u. ä. An Nachweisen für diese Verwendung mangelt es nicht. Siehe etwa den Eintrag samt Korpusbelegen im DWDS: https://www.dwds.de/wb/Poltergeist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.11.2016 um 09.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#33851

Voraussetzung einer solchen Kontamination ist eben, daß die ursprüngliche Bedeutung verblaßt oder nicht mehr aktuell ist. Wenn es heute auf dem Dachboden rumpelt, hat wahrscheinlich der Marder was umgeschmissen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.10.2020 um 04.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#44528

Gestern fand ich es seltsam, im Nebel zu wandern. Hermann Hesse fand es auch seltsam, im Nebel zu wandern, aber er glaubte ein Gedicht machen zu müssen. Es beginnt naturgemäß so: Seltsam, im Nebel zu wandern! Man lernt es üblicherweise im Deutschunterricht kennen, weil es in den Lesebüchern steht. Es hat sogar einen eigenen Eintrag bei Wikipedia, soll über hundertmal vertont worden sein. Die erste Zeile ist wie ein Ohrwurm, den man leider nie wieder los wird. Sogar Peter von Matt, der die Banalität des Ganzen durchaus erkennt, sagt:

„Es muß an der ersten Zeile liegen! Der Rest besteht aus Gemeinplätzen, ist wehleidig und auch etwas eitel. Es muß diese erste Zeile sein, die alle Banalitäten magisch verwandelt und das Ganze zu einer Verlautbarung werden läßt, in der Hunderttausende ihr tiefstes Gefühl ausgesprochen hören durften. Gibt es ein Gedicht, das innigere Zustimmung gefunden hätte in diesem Jahrhundert? (...)
Es verwandelt einen Gemeinplatz in eine akute Erfahrung. Daß es gelingt, liegt an der ersten Zeile. Sie ist ein lyrisches Ereignis, das einzige in allen sechzehn Versen.“
(http://www.planetlyrik.de/peter-von-matt-zu-hermann-hesses-gedicht-im-nebel/2016/10/)

Meiner Ansicht nach eine grobe Fehleinschätzung. Für mich beginnt das Debakel schon mit der ersten Zeile.
Weil es das Nächstliegende ist, nimmt es dem Leser sozusagen das Wort aus dem Mund, und das spricht viele an. Eigentlich sollte die Dichtung uns helfen, überhaupt erst Worte für etwas zu finden, aber hier bestätigt sie nur, was ohnehin jedem einfällt. Aber „magisch“ kann ich es nicht finden, Peter von Matt verwechselt da wohl etwas.

Es liegt nicht an der Struktur des ersten Satzes. Annette von Droste-Hülshoff beginnt ja ähnlich:

O schaurig ist’s übers Moor zu gehen...

Aber schaurig gehört, wenn man die Schallanalyse von Eduard Sievers und seinen Nachfolgern anwendet, zu einem ganz anderen Register als seltsam. Machen wir die Probe: Wenn man einen Sachverhalt erwähnt, zum Beispiel wie ich gestern hier die Tatsache, daß die Finnen bei aller vorbildlichen Infrastruktur eine so niedrige Geburtenrate haben, könnte jemand einwerfen: Das ist aber seltsam! Man kann aber in keinem Zusammenhang im gleichen Tonfall sagen: Das ist aber schaurig! – Schaurig kommentiert nicht, sondern appelliert. Es ist kein „Prosawort“ wie seltsam, merkwürdig, außergewöhnlich usw. Hesse hat keinen Sinn für Sprache, für Banalität, er hat schlicht keinen Geschmack. Der Rest des Gedichts ist so schlecht, daß ich ihn fast gar nicht zitieren mag:

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allem ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.


Das wirkt geschwätzing mit seinen Wiederholungen. Und was denn nun: Nebel oder Dunkel? Wenn es dunkel ist, kann sowieso kein Baum den andern sehen, da braucht es nicht auch noch Nebel.

Ein wirklicher Dichter macht das so:

Über die Heide

Über die Heide hallet mein Schritt;
Dumpf aus der Erde wandert es mit.
Herbst ist gekommen, Frühling ist weit –
Gab es denn einmal selige Zeit?

Brauende Nebel geisten umher;
Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.
Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai!
Leben und Liebe – wie flog es vorbei!


Das greift einem wirklich ans Herz und ist auch viel zu schade fürs Lesebuch. Man könnte den ganzen Hesse dafür wegschmeißen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.05.2021 um 13.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#45810

In der Schule lasen wir Gottfried Benns "Reisen", und ich habe es bis heute im Kopf (fast möchte ich sagen: wie alle Gedichte aus meiner Schulzeit).

Und nach wie vor stört mich die Zeile "immer als Inhalt hat". Das ist schwach. Aber sonst ein schönes Gedicht.

Noch ein Nachtrag:

Hesses "Seltsam, im Nebel zu wandern" ist eine sehr schwache Zeile, während Storms "So war es immer schon" ("Meeresstrand") trotz seiner scheinbaren Banalität an dieser Stelle eine zauberhafte Wirkung hat, jedenfalls auf mich Watt-Liebhaber. Storm hatte in seinen Gedichten einen untrüglichen Geschmack.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.06.2021 um 11.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1621#46214

Gleichrangig neben Hesse steht ein anderer Meister der Besinnlichkeit: Hans Carossa, von dem der Ohrwurm stammt:

und mancher noch ist auf dem Weg zu dir

(Als Reimwort ist vorsorglich hier untergebracht.)

In der Zeitung würde kürzlich über neue Forschungen zu (quälenden, schlafstörenden) musikalischen Ohrwürmern berichtet. Aber sind die lyrischen nicht ebenso gefährlich? "Er konnte vor Kitsch nicht einschlafen" – das hat man noch nie gehört.
 
 

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