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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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22.10.2005
 

Sprachkunst
Auf der Duden-Website werden 30 Fragen beantwortet

Zum Beispiel so:
"Kanzlerkandidatin ist die allgemein gebräuchliche Form, wobei Kanzlerinkandidatin auch möglich ist."
Ich würde noch ein Fugenelement setzen, so daß Frau Merkel tatsächlich "Kanzlerinnenkandidatin" ist. Das wird sie sehr freuen.



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Kommentare zu »Sprachkunst«
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Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 22.10.2005 um 13.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1189

Es sind offensichtlich "schwer wiegende" sprachliche Probleme, welche die Duden-Leute da umtreiben: "Wie gliedert man internationale Telefonnummern?" oder die Frage nach dem Genus von PDA. Ich erinnere mich, vor längerer Zeit einmal das Wort "SchülervertreterInnen" gelesen zu haben, die politisch korrekt doch "SchülerInnenvertreterInnen" heißen müßten. Ich verkneife es mir, die Duden-Sprachberatung diesbezüglich anzurufen und bleibe bei "Schülervertretern".
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 22.10.2005 um 15.02 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1190

Immer wieder ist die Rede von Beamten (m Pl) und Beamtinnen (w Pl): Der Beamte. Die Beamtin.

Müßte es nicht heißen:

Der Beamte (m Sg).
Die Beamte (w Sg).
Die Beamten (m/w Pl)?

Bzw. Der Beamtete (m Sg),
die Beamtete (w Sg),
die Beamteten (m/w Pl)?

Wer weiß Rat?
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 22.10.2005 um 17.57 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1192

"Beamten"-Deutsch" zu Alexander Glücks Frage "Müßte es nicht heißen:

Der Beamte (m Sg).
Die Beamte (w Sg).
Die Beamten (m/w Pl)?"

Ja, das müßte es. Wir haben es hier mit einem Adjektivsubstantiv zu tun, und nach "der/die/das Kranke; ein Kranker / eine Kranke / (viel) Krankes, Pl. die Kranken / Kranke") wäre auch der w. Sg. "die Beamte" zu erwarten. Aber wir finden statt dessen "e Beamtin, nen", und zwar konkurrenzlos. Wahrscheinlich ist bei "Beamter" das "Eigenschaftsgefühl" sehr schnell aus dem Bewußtsein geschwunden (nicht so bei "der Kranke/Alte/Reiche/Arme", den "Selbständigen", auch "der Erziehungsberechtigte" usw.) und das Berufliche vorrangig aufgefaßt worden, nach dem Muster von "Lehrer/Lehrerin", "Arzt/Ärztin" usw.; und bei "Kollege/Kollegin", "Bote/Botin", "Pate/Patin" usw., den maskulinen schwachen Substantiven also, haben wir sogar ein äußerst verführerisches End-"e", das m. E. auch "die Beamtin" mit zeugte (neben der Tatsache natürlich, daß es zunächst nur wenig weibliche Beamte gab und die also erst später dazukamen). — "r/e/(s) Beamtete" mit den normalen Adjektivendungen wäre bei all dem ein modernes und unmißverständliches und grammatisch unangreifbares Äquivalent zum ursprünglichen "Beamten". Aber wir benutzen es nicht.



 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 22.10.2005 um 20.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1194

Müßte man nicht präziser von "Partizipsubstantiven" oder "Partizipialsubstantiven" sprechen? Immerhin unterscheiden sich diese von anderen Substantivarten dadurch, daß sie verbale Ergänzungen, z.B. ein direktes Objekt, regieren können: "der nur seine Pflicht Tuende". Allerdings scheint sich der "Beamte" doch seit geraumer Zeit in ein echtes Substantiv verwandelt zu haben.
Gibt es eigentlich auch "Pronomialsubstantive", "Präpositionalsubstantive", "Adverbialsubstantive" usw.?
 
 

Kommentar von rrbth, verfaßt am 22.10.2005 um 22.07 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1196

Kanzlerinkandidatin habe ich zuerst von Stefan Raab gehört.

Und dann hab ich heute im Radio noch was gehört:

Der Hurrikan Wilma ... b]Sie[/b] ist so gefährlich, weil ...
Dabei hätte es doch heißen müssen:
„Die Hurrikanin Wilma ...“

Vielleicht sollte man Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer abschaffen und nur noch von Lernenden und Lehrenden sprechen und schreiben.
Studenten und Studentinnen gibt es ja auch schon immer weniger, selbst die Studenten- und Studentinnenwerke nennen sich jetzt Studierendenwerke.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 23.10.2005 um 01.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1198

"Müßte man nicht präziser von 'Partizipsubstantiven' oder 'Partizipialsubstantiven' sprechen?" (Vgl. auch die hiesigen Beiträge von Achenbach, Rominte van Thiel und mir.)

Partizipien heißen ja Partizipien, weil sie in zwei Wortarten partizipieren; sie entspringen deutlich den Verben, funktionieren aber häufig als Adjektive. Substantivisch verwendet haben auch sie das Endungssystem der attributiven Adjektive; es spielt keine Rolle, ob Adjektivsubstantive nun von "reinen" Adjektiven kommen (der [unheilbare] Kranke, s Berufliche, s ewig Weibliche / s ewige Weibliche) oder von Partizipien (r/e/s Studierte, r/e Studierende, "der nur seine Pflicht Tuende" und vieles schon Hinzugekommene und noch Hinzukommende).
Der Terminus "Adjektivsubstantiv" ist sehr nützlich, wenn man Deutsch als Fremdsprache für Englischsprechende unterrichtet. So sind im Englischen "white" und "black" als Rassenbezeichungen ganz "normale" Substantive geworden, d. h., Substantive wie die meisten anderen auch: ihr Plural ist "whites" und "blacks", der mit "s". Wenn Norman Mailer aber *The Naked and the Dead* schreibt, dann ist da eben noch alles drin, Singular, Plural, auf Personen Bezogenes und Nicht-Persönliches (*impers.*), d. h. alle unsere Adjektivendungen, die im Englischen ja nicht mehr zu hören sind. (Und unsere "Patienten" und "Studenten" sind vor der Übernahme ins Deutsche auch mal adjektivische Formen zu Verben gewesen.)
"Gibt es eigentlich auch 'Pronomi[n]alsubstantive', 'Präpositionalsubstantive', 'Adverbialsubstantive' usw.?" — "Nennt man die besten Namen, so wird auch der meine genannt", schreibt Heine. *"Der meine Name" gibt's ja nicht. Zu welcher Wortklasse gehört also "meine" hier? *"Der meinige Name" gibt's ja auch nicht; was ist dann "meinige" in "der meinige"? In München antwortete mir Hilfesuchendem einmal ein hilfreicher Mann, den ich danach fragte, ob ich die Straßenbahn auf meiner Seite nehmen sollte oder die auf der anderen: "Nehmen S' die drüberne." Es kann auch "drübene" gewesen sein. Auf jeden Fall war ich dem Manne dankbar; er hatte mir klar und deutlich und auf gut deutsch gesagt, was ich wissen wollte. — Adverbien können wohl nur über adjektivische Formen zu Substantiven werden (die ewig Gestrigen, Hiesige, Heutiges). Aber wir lesen bei Hofmannsthal: "Das Gestern lügt und nur das Heut ist wahr."
Bloß weil der Terminus "Adjektivsubstantiv" nicht gleich jedem von der Schule her vertraut ist, heißt das doch nicht, daß es solche Substantive nicht gibt. Deswegen nehme ich die Frage nach den "Präpositionalsubstantiven" nicht ernst. Ich hab aber lange darüber nachgedacht, weil sie nun mal gestellt worden ist.

 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.10.2005 um 01.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1199

In der Sprachwissenschaft besteht noch Handlungsbedarf. Die Frau ist eine Substantivin (mit Artikelin). Usw.
 
 

Kommentar von Dr. Konrad Schultz, verfaßt am 23.10.2005 um 14.08 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1202

Nach einer schnellen Google-Durchsicht gibt es lauter Studierendenwerke in Rheinland-Pfalz und eines in Hamburg unter der Adresse studentenwerk-hamburg. Die übrigen Studentenwerke sind noch solche, auch der Dachverband hat sich noch nicht umbenannt. Hoffentlich haben wir jetzt keine schlafenden Hündinnnen geweckt. Es fehlen immerhin auch noch Mistkäferinnen und Sch...fliegeriche.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 23.10.2005 um 16.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1203

Wenn ich in einem Unfall verletzt worden bin, schreie ich nach einem Arzt, wenn ich das noch kann. Und ich will dann nicht die dumme Frage hören: "Darf's auch eine Ärztin sein?" Und wenn ich in Afrika von meiner Touristengruppe abgekommen bin und mich allein einem Rudel Löwen gegenüber sehe, kommt mir auch nicht der Gedanke, daß ich jetzt wohl von Löwinnen und Löwen gefressen werde. Und wird nach dem oben erwähnten Unfall der fahrerflüchtige Fahrer gesucht (schließlich muß ja wer [mask.!] den Arzt bezahlen, der hoffentlich schon auf dem Wege ist), erwarte ich auch, daß die Polizei die Suche nach dem noch nicht identifizierten Fahrerflüchtigen nicht nur auf männliche Fahrer beschränkt, sondern alle infragekommenden Fahrer in Betracht zieht.
Warum tue ich all das ohne weiteres? Weil ich deutsch spreche und wir nun mal im Deutschen eine maskuline Substantivgruppe haben, die a. ganz neutral von Natur her männliche und weibliche Personen oder Tiere als Angehörige einer Gruppe bezeichnet und die b. mit gleichen Formen die von Natur her männlichen Personen oder Tiere dieser Gruppe bezeichnet. Und wir haben daneben eine feminine Substantivgruppe, die einzig die von Natur her weiblichen Personen und Tiere bezeichnet und da nützlich ist, wo gerade diese Kennzeichnung nötig ist (Studentin, Bärin). Ist die gleiche geschlechtsspezifische Kennzeichnung für männliche Personen und Tiere nötig, stellt uns unsere Sprache nur die Modifizierung des Substantivs durch das Adjektiv "männlich" zur Verfügung (außer bei Adjektivsubstantiven im Singular, da gibt es "r/e Reisende"). Aber hinreichend klar ausdrücken haben wir uns in dieser Hinsicht schon immer können.
Also "Studierendenwerke"! Daß ich nicht lache ob solcher sprachschöpferischen Leistung! rrbth hat völlig recht: "Studenten und Studentinnen gibt es ja auch schon immer weniger" — und das wohl schon seit langem. Die Verursacher der Rechtschreibreform und ihre Begrüßer zeigen das sehr deutlich. Diese Verbrecher — und da vor allem die Verbrecherinnen — sollte man in die Wüste schicken! (Und: Gab's nicht auch 'mal 'ne Zeit, wo man statt mit "Guten Morgen!" anders grüßte, um politisch rein und nicht im geringsten verdächtig auszusehen?)

 
 

Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 23.10.2005 um 16.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1204

Für die Polizei wird das zu schwierig sein: Einbrecherinnen, Räuberinnen, Verkehrssünderinnen, Falschparkerinnen, Totschlägerinnen. Nur Diebinnen und Mörderinnen gibt es schon immer; ein Schuft sei, wer Schlechtes dabei denkt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.10.2005 um 16.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1205

Eine Kandidatin kann Bundeskanzler werden, ein Kandidat aber nicht Bundeskanzlerin. Die Unmöglichkeit des Kanzlerinkandidaten ist also ein Fall von Diskriminierung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit und damit verfassungswidrig.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 23.10.2005 um 19.09 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1206

Zwei Anmerkungen zum Thema.

Erstens ist mir schon öfters aufgefallen, daß gerade die engagiertesten Blaustrümpfe bei negativ besetzten Begriffen keinen besonderen Wert auf angehängte weibliche Formen legen, daher begegnen uns auch nicht besonders oft VergewaltigerInnen, Bankräuber und Bankräuberinnen, Terroristen und Terroristinnen oder StaatsfeindInnen, letztere fallen ja ohnehin unter den Euphemismus "Rote Zora".

Zweitens, zum Begriff der Studierenden: An jeder Universität kann man besichtigen, daß beileibe nicht jeder Student auch wirklich studiert. Ein "Studierendenwerk" oder "Studierendenparlament" würde demnach nur eine Teilgruppe vertreten, nicht aber die Gesamtgruppe aller Studenten.
 
 

Kommentar von W. Scheuermann, verfaßt am 24.10.2005 um 10.20 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1214

Studierende dem Ärztinnenberuf zustrebend

Diese Albernheiten finden jetzt schon regelmäßig Eingang in Gesetzestexte (und wurden ja u.a. von Jacques Derrida, dem Erfinder des "Phallogozentrismus" - Gott sei seiner Seele gnädig! - sogar noch theoretisch unterfüttert).

Durch die mutmaßlich ins Haus stehende Wahl einer Frau zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland deuten sich inzwischen aber auch diplomatische Komplikationen an.
Die konservative französische Presse orintiert sich am Grundgesetz und bezeichnet Frau Merkel als zukünftigen »Chancelier allemand«. Die Blätter, die moderner wirken wollen, übertragen die "Kanzlerin" zu »chancelière«. Leider ist dieses Wort im Französischen schon vergeben und bedeutet Fußsack oder Fußwärmer.

Noch zur Überschrift: Meine nur noch sehr rudimentären Lateinkenntnisse lassen mich schließen, daß Student die substantivierte Form von STUDENS, dem Partizip Präsens von STUDERE (= sich bemühen, streben nach) sei. STUDENS bedeutet somit "studierend", während "Student" die abgeleitete Gattungsbezeichnung darstellt. Ein Arbeiter hat auch mal Feierabend, während dem "Arbeitenden" dieses Recht verwehrt ist. Wie überzogen die antiphallokratischen Forderungen sind (die jetzt schon bis zu der nächstes Jahr fertig werdenden "Bibel in gerechtem Deutsch" führen), sieht man besonders deutlich an Zusammensetzungen, z.B. der "Arbeiterinnenrentenversicherung" oder - wie oben, der Berufung zum "Ärztinnenberuf" (müßte es nicht gleich "Ärztinnenberufung" heißen?).
 
 

Kommentar von Die Schwestern Christaller, verfaßt am 24.10.2005 um 11.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1215

Wieder einmal ergibt sich das Normative aus der Neudeutung und wird der "Arzt" nur deshalb zur Diskriminierung (gemacht), weil "ÄrztIn" als gerecht postuliert wird.

Agitprop der Wort-Entwerter.
 
 

Kommentar von Max Pohl, verfaßt am 24.10.2005 um 11.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1216

Vorweg: Das "man" der deutschen Sprache kommt aus einer sprachgeschichtlich alten Wurzel und bedeutet nichts anderes als "Mensch". Diese Bedeutung ist beispielsweise im englischen Wort "mankind" (Menschheit) noch deutlich zu erkennen. Ein Gegensatzpaar von man/frau zu konstruieren, mag in manchen Zusammenhängen vielleicht ein witziges Stilmittel sein, hat mit wirklicher Sprache jedoch nichts zu tun. "Man" bedeutet eben "Mann, Frau und Kind".

Ein geschlechtergerechter Sprachgebrauch kann nur darin bestehen, die männliche und die weibliche Form zu verwenden, niemals aber in einem mühsam lesbaren und schon gar nicht sprechbaren "Binnen-I" in der Wortmitte. Soviel Zeit und Höflichkeit muß sein, daß man, wenn es zur Sitution paßt, die höfliche und korrekte Form, z.B. Teilnehmerinnen und Teilnehmer, zu Papier bringt (man würde es auch so sprechen, und ein Grundmerkmal jeder Schriftsprache ist es, eine Vorlage für die gesprochene Sprache zu sein!), nicht aber TeilnhmerInnen. Alles andere wäre eine Gedankenlosigkeit und Beleidigung gegenüber den Frauen, die es nicht verdienen, hinter einem unschönen "Binnen-I" versteckt zu werden.

Geht es um generelle Sachverhalte, bei denen beispielsweise Personengruppen, unabhängig von ihrem Geschlecht, gemeint sind, dann genügt für das Verständnis die Pluralform auf -er. Zum Beispiel: Das neue Stadion faßt 50.000 Zuschauer, der Betrieb hat 5.000 Mitarbeiter. Das entspricht dem Sprachgebrauch und wird als geschlechtsneutral verstanden. Mit Formulierungen wie 50.000 ZuschauerInnen macht man sich nur zum Narren - oder man(!) ist Ideologe.

Jeder Leser, jede Leserin kann gerne selbst die Verständlichkeit des letzten Satzes überprüfen: Der Narr, die Närrin - so sagt man, wenn es um konkrete Personen geht; aber man sagt: sich zum Narren machen, auch als Frau, weil es in diesem Fall eine geschlechtsneutrale Formulierung ist. Auch kann man zum Ideologen werden, ob als Mann oder als Frau.

Man denke an viele verkrampfte Formen wie AkademikerInnenberaterInnen (was man gelegentlich leider auch schon lesen kann). Oder möchte jemand künftig "BürgerInnenmeister" schreiben? Ich denke doch, daß "Bürgermeister" genügt und es verständlich ist, daß diese Person Bürgerinnen und Bürger vertritt.

Die Zeitschrift "konsument" (sic!) hat schon vor einiger Zeit eine Umfrage unter ihren Leserinnen und Lesern gestartet, ob diese mit der neutralen Form "Konsument" und "Konsumenten" einverstanden sind. Die überwiegende Mehrheit hat sich für diese gut verständliche Form ausgesprochen, einige Leserinnen haben sogar festgestellt, daß sie die Zeitschrift nicht mehr beziehen wollten, wenn sie gezwungen wären, jedesmal, auch in nicht notwendigen Zusammenhängen, das den Lesefluß hemmende "KosumentInnen" lesen zu müssen.

Zusammenfasssend möchte ich, aus sprachlich-kompetenter Sicht, nochmals festhalten: Der Fehler ist, daß angenommen wird, das grammatische Geschlecht (Genus) eines Wortes würde eine definite Aussage über das natürliche Geschlecht (Sexus) des Beschriebenen machen. Eine solche Übereinstimmung trifft in den heutigen indoeuropäischen Sprachen für die Mehrzahl der Wörter nicht mehr zu. Häufig richtet sich das grammatische Geschlecht nach morphologischen Kriterien (nach der Art der Wortbildung). So sind beispielsweise alle Wörter auf "-ung" weiblich, während Worte auf "-er" maskulines Genus haben. Daß Wörter auf "-er" geschlechtlich unmarkiert sein können, zeigt etwa der Vergleich mit dem Englischen, wo es dasselbe Wortbildungssuffix gibt: So bedeutet "teach-er", "danc-er" schlicht "Lehr-er", "Tänz-er" von unbestimmtem Sexus.

Das Problem für das Deutsche liegt darin, daß es im Deutschen (anders als im Englischen) zusätzlich ein moviertes Femininum auf -in/-innen gibt. Dies verleitet zum falschen Umkehrschluß, alle Endungen auf "-er" wären definite oder movierte Maskulina. Tatsächlich steht aber die Form "-er" für für geschlechtlich Unbestimmtes UND für Maskulina. Anders ausgedrückt: Wörter auf "-er" sind also NICHT definitiv natürlich-geschlechtlich maskulin.

Nach diesen deutlichen Hinweisen, daß Wörter auf "-er" im Deutschen (wie im Englischen) hinsichtlich ihres natürlichen Geschlechts unmarkiert sind, stellt sich folglich die Frage nach dem leidigen "Binn-I" gar nicht mehr, denn:
"Leser" = männliche und/oder weibliche Leser
"Leserinnen" = weibliche Leser.

Es ist, so hoffe ich doch, jedem einsichtig, daß "LeserInnen" (oder auch "Leser(innen)") eine Überdefinition und somit überflüssig ist.

 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 24.10.2005 um 18.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1222

Man wird es so gut wie nie erleben, daß, außer vielleicht in amtlichen und quasi amtlichen Texten, das Anführen maskuliner und femininer Formen konsequent und strikt durchgehalten wird. Fast immer wird am Anfang das Pflichtpensum an Korrektheit abgeliefert, und danach geht es lässig weiter mit gelegentlichen, eher zufälligen Reminiszenzen. - Noch stärker als der Zwang zur "Gerechtigkeit" ist eben der zur Kürze oder Sprachökonomie.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 24.10.2005 um 22.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1224

rrbth: Vielleicht sollte man Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer abschaffen und nur noch von Lernenden und Lehrenden sprechen und schreiben.

Das erinnert mich an einen Tanzworkshop: Bei der Erläuterung eines Paartanzes, bei dem nicht nur jeweils ein Herr und eine Dame, sondern zum Teil auch zwei Damen miteinander getanzt haben, wurde der Allgemeingültigkeit halber bei den Rollen innerhalb des Paares (und entsprechend bezüglich der Schritte etc.) zwischen der des Führenden und der des Folgenden unterschieden. In diesem Zusammenhang gewinnt die neuschriebliche Formulierung im Folgenden eine ganz eigene Bedetutung...
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 25.10.2005 um 10.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1229

Mir ist aus einer Grundschule bekannt, daß dort um 1990 von juvenilen Diplompädagoginnen die "gerechte" Bezeichnung "Schülerinnen und Schüler" durchgedrückt wurde. Diese Mitarbeiterinnen haben dann aus Gründen der Ökonomie in internen Papieren die Schülerinnen und Schüler durchgehend mit "SS"(!!!) abgekürzt.

Als wir Kinder waren, gab es von der Verkehrswacht leuchtend orange Kappen für die Jungs und Kopftücher für die Mädchen. Die Mädchen wollten dann keine Kopftücher mehr und irgendwann gab es Kappen für alle. Das ging von der Leidensgruppe selbst aus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.10.2005 um 11.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1231


Wie die Bundeszentrale für politische Bildung auf ihrer Website zum "Gender Mainstreaming" erklärt, bedeutet "Mainstreaming", daß etwas
"zum zentralen (!) Bestandteil bei allen Entscheidungen und Prozessen gemacht wird". Man beachte den enormen Anspruch.

Diese Krankheit wird man nie wieder los. Wer die Duckmäuserei beliebiger Gremien (besonders aber Professorenversammlungen) in dieser Sache kennt, macht sich keine Illusionen. Bleiben nur die sprachlichen Eiertänze zur Vermeidung vollständiger Selbstlähmung.
 
 

Kommentar von Franziska Hofmann, verfaßt am 25.10.2005 um 12.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1236

Es ist zum allgemeinen Usus geworden, sich in Vorworten von Büchern für sprachökonomisches Verhalten zu rechtfertigen bzw. gegen mögliche Kritik zu wappnen.

Folgendes Beispiel aus dem gerade bei Hanser erschienen Buch des früheren McKinsey-Beraters Herbert A. Henzler "Das Auge des Bauern macht die Kühe fett - Plädoyer für Verantwortung und echtes Unternehmertum":

"Der guten Ordnung halber möchte ich darauf hinweisen, dass ich immer, wenn ich von dem Unternehmer, dem Vorsitzenden usw. spreche, natürlich auch Unternehmerinnen und weibliche Vorsitzende meine. Keinesfalls möchte ich suggerieren, dass nur von männlichen Vertretern die Rede ist."

Ist es nicht unnatürlich, etwas sagen zu müssen, was natürlich ist? Selbstverständlichkeiten sind keine Selbstverständlichkeiten, solange man extra auf sie hinweisen muß. Das "der guten Ordnung halber" ist eine Unterwerfung vor der politischen Korrektheit.

Man wird dabei unangenehm an Publikationen aus der DDR und anderen Diktaturen erinnert, in denen von Sachbuchautoren stets ein Bekenntnis zum Sozialismus bzw. zum Staat, zur Partei etc. vorangestellt wurde.

Tatsächlich sind Unternehmerinnen und Frauen in Vorstandspositionen noch eine winzige Minderheit. Doch die Sprache ist dafür weder verantwortlich noch ändert sich dies durch politisch korrekte, jedoch sprachlich unkorrekte Formen.

Wie bei der Rechtschreibreform wird hier die inhaltliche Auseinandersetzung auf die Ebene der Gesinnung verschoben, wobei die Sprache verbogen und verunstaltet wird.
Doch wer diesen Quatsch nicht mitmacht, läuft Gefahr, nicht verstanden zu werden oder sogar gesellschaftlich ins Hintertreffen zu geraten.

Gut, daß wenigstens auf diesen Seiten so etwas wie Gegenaufklärung stattfindet.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 25.10.2005 um 13.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1237

Viel wirksamer als alle von außen vorgegebenen Verhaltensregeln ist eben die "Schere im Kopf ". Auch das "Fräulein" wurde uns ja genommen. Blickt man etwas tiefer, so wenden sich die vermeintlichen Wohltaten sehr oft gegen den zu Beglückenden selbst. So wird immer die weibliche Form zuerst genannt, ein Rest von Galanterie, die doch bei wirklicher Gleichberechtigung nicht mehr nötig sein sollte und eigentlich in diesem Zusammenhang eher komisch wirkt. Oder: Eine unverheiratete Frau gilt manchen noch immer weniger als eine verheiratetete. Also decken wir wenigstens sprachlich den Unterschied zu. Diese ganzen sprachlichen Eiertänze dienen der Ruhigstellung und der Verschleierung der Machtverhältnisse. Es ist wie bei den "Mitarbeitern", die die "Angestellten" ersetzt haben. Noch der letzte Malocher am Band kann sich als Mitarbeiter von Herrn Pischetsrieder fühlen. - Frauen, die selbst etwas darstellen, müssen sprachlich nicht gestreichelt werden und verbitten sich sogar solche Anbiederungsmanöver.
 
 

Kommentar von Max Pohl, verfaßt am 25.10.2005 um 13.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1239

Wie die Schwestern Christaller bereits bemerkt haben, gibt es ja bei diesen Wortbiegungen den sehr schädlichen Effekt, das einst neutrale Wort als "ungerecht", "herabwürdigend" oder "diskriminierend" zu diffamieren. Auch das Wort "Neger" kann bzw. könnte durchaus positiv besetzt und mit gesundem Stolz benutzt werden. Afroamerikaner haben damit in der Regel kein Problem. Nur bei uns wird sowas zum Problem gemacht, indem gesagt wird, "Farbiger" sei korrekt und "Neger" nicht. (Natürlich ist gleichzeitig darüber zu sprechen, wie das Wort "Neger" in Deutschland bis in die siebziger Jahre benutzt worden ist.) Das gleiche mit "Eskimo" und "Innuit", mit "Indianer" und "Indigenen". Auch das "Fräulein" bedeutet zunächst noch nicht, daß man selbiges für eine dumme Trutschen hält.

Man muß nicht "Wroclaw" und "Gliwice" schreiben, nur weil man kein Revanchist sein will. Im Gegenteil, man darf "Breslau" und "Gleiwitz" nicht den Revanchisten überlassen!

Was z. B. ein Kommunalpolitiker aus Berlin in kompromißloser Freizügigkeit über seine sexuelle Veranlagung deklamieren konnte, belegt eindrucksvoll, wie stolz und souverän man auch mit dem Begriff "schwul" umgehen kann, der ja dank vieler stolzer Schwuler knapp vor der Metamorphose zum Schimpfwort noch rechtzeitig die Kurve gekriegt hat.

Und noch ein Beispiel: Daß die Frakturschrift eine Nazischrift sei, entsprang ausschließlich lange nach Kriegsende den Köpfen ausschließlich wirrer Linkspopulisten. Weit mehr wären doch die Groteskschriften als Nazischriften zu bezeichnen.
 
 

Kommentar von Jörg Metes, verfaßt am 25.10.2005 um 14.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1240

Max Pohl: entsprang ausschließlich lange nach Kriegsende den Köpfen ausschließlich wirrer Linkspopulisten

Sagen Sie das einfach nur so daher, oder wissen Sie es genauer?
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 25.10.2005 um 14.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1241

Überschlau

Besonders neckisch zieht sich der Verband freier Lektorinnen und Lektoren auf seiner Mitteilungsseite aus der Affäre: Er wechselt einfach innerhalb eines Satzes ständig das Genus. "Sach- und Fachbuchlektor, Belletristiklektorin" usw. So versucht er Sprachökonomie und Korrektheit zu vereinen. Das Ergebnis ist, wie man sieht, nicht die Neutralisierung der Geschlechtsunterschiede, sondern ihre Verfestigung. Oder muß man da zwischen den Zeilen lesen?
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 25.10.2005 um 14.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1243

Und noch etwas: Die Abschaffung "diskriminierender" Bezeichnungen kommt nie an ein Ende. (Aber vielleicht leben die Wörterwäscher gerade davon.) Bald wird auch "Farbiger" oder "Afro-Amerikaner" oder sogar "Maximal-Pigmentierter" (hat mir mal eine junge Dame beigebracht) als Beleidigung gelten.
 
 

Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 25.10.2005 um 14.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1244

Die Rechtschreibung kann kein Grammatikproblem lösen: Es wird eine zusätzliche Mehrzahlform für eine Gruppe aus männlichen und weiblichen Personen gebraucht, "der gemischte Personenplural". Das muß ein Forschungsauftrag werden.
 
 

Kommentar von Max Pohl, verfaßt am 25.10.2005 um 14.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1245

Sagen Sie das einfach nur so daher, oder wissen Sie es genauer?

In diesem Fall nehmen Sie es bitte als einfach so dahergesagt. Tatsache ist dennoch, daß die Fraktur auch und ohne jeden Hintergedanken für das Kommunistische Manifest, für die Schriften von Marx, Engels, Liebknecht usw. usw. usw. verwendet wurde. Der "Völkische Beobachter" hat als eine der ersten Zeitungen im Dritten Reich auf Antiqua umgestellt. Eine ganze Menge Flugblätter, Verordnungen, Bekanntmachungen, insbesondere der NSDAP, wurde schon vor 1941 in Groteskschrift gedruckt.

Was ich meinte, war, daß dieses irrige Konstrukt der "Naziartigkeit" der Frakturschrift nicht von rechts gekommen ist, auch wenn junge blöde Glatzen und die Gothic-Szene diese angebliche Affinität heute aufgreifen. Wenn man Hitler glauben dürfte, wäre Fraktur sogar eine jüdische Schrift, was jedoch ebensolcher Humbug ist wie die falsche Idee, sie sei eine politisch rechte Schrift. Schauen Sie nur die Einbände von populärhistorischen Büchern an.

Bei der "Tannenberg" würde ich gelten lassen, daß sie martialisch und graphisch durchaus brutal ist. Es gibt jedoch sehr viele äußerst feingliedrige und zärtelige Frakturschriften, die mit dieser Programmatik keineswegs unter einen Hut gebracht werden können. Demgegenüber gibt es mit den Groteskschriften eben auch martialisch-brutale Antiquaschriften. Man darf nicht übersehen, daß die 30er und 40er Jahre eine technisch und gestalterisch äußerst innovative und moderne Zeit waren (Bauhaus, Fernsprecher, Fernsehen, Radar, Feinwerktechnik, Kameras, Weltraumforschung usw.).
 
 

Kommentar von Muck Lamberty, verfaßt am 25.10.2005 um 14.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1246

An Kratzbaum:

Ich fühle mich eigentlich irgendwie zum Sonderfall erklärt, wenn man mich weiterhin als "Nichtraucher" bezeichnet. Künftig würde ich gerne als "Freiatmer" bezeichnet werden.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 25.10.2005 um 18.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1249

Irgendwann, wohl vor 10 bis 20 Jahren, wurde auch bei der Polizei die Rede von "Zigeunern" obsolet. Intelligente Beamte haben jedoch bald herausgefunden, daß die politisch korrekte Bezeichnung "Sinthi und Roma" ziemlich unpraktisch ist, jedenfalls im Singular, in dem es sprachlich korrekt nur "Angehöriger der Volksgruppe der Sinthi und Roma" heißen kann, wenn man nicht "ein Sinthi oder Roma" sagen will, was aber wiederum den Genauigkeitsanforderungen an korrektes Beamtendeutsch nicht gerecht wird. Das Ergebnis war die Sprachregelung "mobile ethnische
Minderheit(en)" bzw. "Angehöriger einer mobilen ethnischen Minderheit" (zumindest wenn ein Journalist Rückfragen zu einer Pressemitteilung hatte). Das ist aber immer noch recht umständlich, weshalb sich im Jargon die Akürzung "Mem" herausbildete; im Plural "Mems". — Der Befund liegt allerdings schon einige Jahre zurück und ist empirisch lediglich durch die Erfahrung mit einigen wenigen Polizeirevieren gesichert. Deshalb muß man leider befürchten, daß viele Polizeibeamte, wenigstens untereinander, weiter – oder wieder – völlig ungeniert von "Zigeunern" reden.
 
 

Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 26.10.2005 um 18.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1255

"Sinti und Roma" ist ein Mehrzahlwort. Im "Ickler" gibt es den Sinto und den Rom. Aber wie heißt dazu die Frau? Sinta und Roma? Und kann jemand zugleich Sinto und Rom bzw. Sinta und Roma sein oder nur entweder oder? Muß das einzelne Mitglied dieser Gruppe das angeben können?
 
 

Kommentar von Jörg Metes, verfaßt am 26.10.2005 um 18.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1256

In der Tat ist auch die Bezeichnung Sinti und Roma politisch inkorrekt, da sie nur die männlichen Plurale enthält. Politisch ganz korrekt – vgl. den entsprechenden Abschnitt in Ralph Babels FAQ-Liste zu de.etc.sprache.deutsch – wäre Sintice und Sinti und Romnia und Roma. Was die polizeilichen Dienstvorschriften für den Gebrauch der Bezeichnung Sinti und Roma wenigstens in Rheinland-Pfalz angeht, siehe hier, was die feinen Unterschiede im Gebrauch des Begriffs African American in den USA angeht, siehe hier. Zu den Paradoxien der politisch korrekten Sprache insgesamt siehe wiederum Ralph Babels FAQ-Liste zu de.etc.sprache.deutsch, und zwar hier.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 26.10.2005 um 23.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1257

Lieber Herr Metes, vielen Dank für den Hinweis. Mein MeM- resp. Mem- bzw. Mems-Befund stammt aus einem Bundesland (Baden-Württemberg), in dem die politische Korrektheit wohl bis heute noch nicht ganz so weit gediehen ist wie in Rheinland-Pfalz oder Hessen, und ist außerdem etwa sieben Jahre alt. Ich bezweifle, daß dort auch damals schon die Bezeichnung "Sinthi und Roma" bei der Polizei verboten war, gebe aber zu, daß ich die Sprachregelung "Mem(s)" vielleicht etwas launig hergeleitet habe. Hier besteht zweifellos Klärungsbedarf. Das wäre doch mal ein Stoff für Aspiranten auf den höheren Polizeidienst.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.10.2005 um 05.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1258

In meinem Wörterbuch gibt es, lieber Herr Nemec, auch die weiblichen Formen. Allerdings ist hier irgendwo eine Grenze erreicht, denn die Selbstbezeichnungen sämtlicher Völker können nicht als Bestandteil der deutschen Sprache angesehen werden.
 
 

Kommentar von rrbth, verfaßt am 28.10.2005 um 21.42 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1266

Es ist amtlich, es gibt keine Studenten mehr:

KMK-Pressemitteilung
Bonn, 28.10.2005

Kultusministerkonferenz hat Zahlen weder unter Verschluss gehalten noch manipuliert

Die Kultusministerkonferenz widerspricht dem im „Tagesspiegel“ vom 22.10.2005 erhobenen Vorwurf, die jüngst veröffentlichte Prognose der Studienanfänger, Studierenden und Hochschulabsolventen sei seit März „unter Verschluss gehalten“ und nachträglich manipuliert worden.

 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 28.10.2005 um 22.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1267

Evolution im Zeitraffer

Demnach fangen alle als männlichen Geschlechts an. Während des Studiums spalten sie sich in zwei Geschlechter auf. (Das große Rätsel der Zweigeschlechtigkeit, über das S. Freud grübelte, ist damit gelöst: Sie ist eine Nebenwirkung des Studiums). Am Ende gibt es dann nur wieder Absolventen, d.h. die weiblichen Merkmale verschwinden wieder. Wir wollen nicht annehmen, daß das auch vom Studieren kommt, obwohl sich hierdurch erklären ließe, warum Akademikerinnen kaum noch Kinder bekommen. Aber was soll das? Es ist doch alles nur Grammatik!
 
 

Kommentar von Jörg Metes, verfaßt am 07.11.2005 um 00.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=265#1438

Eine englische Sprachlehre, die in den USA offenbar einen ähnlichen Stellenwert hat wie bei uns W.E. Süskinds Vom ABC zum Sprachkunstwerk, ist The Elements of Style von William Strunk Jr. (1869–1946) und Elwyn Brooks White (1899–1985) aus (in ihrer letzten Fassung) dem Jahr 1979. Was das vermeintlich geschlechtsneutrale Formulieren angeht, so hatte insbesondere White eine klare Meinung: Wenn man etwa von einem author spricht und sich mit dem Personalpronomen he auf ihn bezieht, so besagt das nichts über sein Geschlecht – "He has lost all suggestion of maleness in these circumstances.".

Es hat ihm nichts genutzt. Eine 1999 erschienene Neuauflage von The Elements of Style wurde politisch korrekt redigiert, und zwar heimlich. Die Neuauflage enthält, ohne daß der Verlag die Leser auch nur im Kleingedruckten darauf hinweisen würde, „geschlechtsneutrale“ Sätze, die die Autoren so nie geschrieben haben. David Gelernter kommentiert es bestürzt, einmal für das Wall Street Journal, einmal für die Los Angeles Times. Große Hoffnungen freilich macht er sich keine mehr.
 
 

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