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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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19.02.2006
 

Dudens Fakt
Aus vergilbten Papieren

Stellungnahme der Dudenredaktion zum Artikel von Professor Theodor Ickler: Ein Fiasko. Lektüre, Deutung, Analyse der in zwei Wochen erscheinenden zweiundzwanzigsten Auflage des Duden. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) 11.08.2000, S. 41.

Im Wesentlichen keine neuen Erkenntnisse

Seit 1996 sagt Theodor Ickler das unmittelbar bevorstehende Scheitern der Rechtschreibreform voraus. Die für den 25. August 2000 angekündigte Auslieferung der 22. Auflage des Rechtschreibdudens ist ihm Anlass, diese Behauptung in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 11. August erneut zu wiederholen. Er tut dies, indem er im Wesentlichen seine altbekannte Kritik an Teilen der Neuregelung ausbreitet. Der Duden ist ihm nur ein Vehikel. Seiner Kritik mag man sich anschließen oder nicht. Fakt ist jedenfalls, dass die neue Rechtschreibung amtlich ist, an den Schulen unterrichtet und sich über die Schulen nach und nach allgemein durchsetzen wird. Dabei ist es selbstverständlich, dass alte und neue Rechtschreibung über Jahre hinaus nebeneinander bestehen werden und dass sich in dieser Zeit des Übergangs im Schrifttum auch ein gewisses Gemenge an alten und neuen Schreibungen in ein und demselben Text ergibt. Das war nach der Einführung der amtlichen Rechtschreibung 1901/02 nicht anders. Die Geschichte wiederholt sich. Und die Wogen haben sich auch damals nach und nach geglättet.

Theodor Ickler erweckt in seinem genannten Beitrag den Eindruck, als würden in der neuesten Auflage des Rechtschreibdudens amtliche Regeln stillschweigend revidiert. Das ist nicht der Fall. Das amtliche Regelwerk wird nur noch konsequenter umgesetzt als in der 21. Auflage von 1996.
Außerdem wurden Interpretationshilfen berücksichtigt, die die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung mittlerweile zum Regelwerk gegeben hat. Das ist auch schon alles.

Dr. Matthias Wermke
Leiter der Dudenredaktion

Dr. Werner Scholze-Stubenrecht
Chefredakteur des Duden 2000



In Wirklichkeit hatte ich keineswegs der Dudenredaktion vorgeworfen, die Regeln eigenmächtig geändert zu haben, sondern durchaus auf die heimlichen Änderungen seitens der Kommission hingewiesen. Auf der vom IDS betriebenen Website stand jahrelang die verleumderische Behauptung, ich hätte durch eine Falschmeldung die Rückumstellung der FAZ ausgelöst. Erst als ich über rechtliche Schritte nachdachte, wurde sie entfernt, obwohl das IDS zunächst die Verantwortung auf die Kommission hatte abschieben wollen.

Aus der Entfernung stelle ich mit trauriger Genugtuung fest, daß ich recht hatte. Nun stehen wir vor der vierten Reform (und dem vierten stark veränderten Duden) innerhalb von zehn Jahren. Wie lange soll das noch so weitergehen, meine Herren?



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Kommentare zu »Dudens Fakt«
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Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 20.02.2006 um 10.19 Uhr   Mail an
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Bis zum Ruin wird das wohl weitergehen. Duden 23 ist immer noch stapelweise für 15 EUR zu haben, obwohl draufsteht "Jubiläumspreis bis 31.12.2005". Ob man wirklich glaubt, von der nächsten Auflage wieder mehr verkaufen zu können? Zugleich läßt man das sichere Geschäft mit einer "Traditionsausgabe" sausen, die konkurrenzlos wäre und gegen die niemand etwas tun könnte. Marktwirtschaftlich etwas kurios.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 20.02.2006 um 11.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2749

Da wäre doch das sogenannte "elektronische Papier" nachgerade ideal einzusetzen! Man kauft sich einen E-Duden und lädt alle Vierteljahr die Neufassung aus dem Internet herunter. Im Kaufpreis wären dann, sagen wir, die ersten zwanzig Updates gratis enthalten. Ein Bombengeschäft!
 
 

Kommentar von Simon Bauer, verfaßt am 20.02.2006 um 12.34 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2751

Richtig!

Wie heißt es doch so schön in der "Fachsprache":
Nach dem Kauf ist vor dem Kauf - angepaßt hier:
Nach dem Kauf ist vor dem Kauf des ersten Updates (Updates haben angeblich den Ruf, Fehler zu bereinigen?!)
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 20.02.2006 um 12.52 Uhr   Mail an
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Das geht so lange weiter, bis in diesem Land mal wieder alle auf die Nase gefallen sind. Denn wenn jetzt schon die Sprache staatlich hübsch geregelt wird, dann wird das munter so weitergehen können. Vernunft wird da nicht Einzug halten; dumm bleibt eben dumm. Und anders kann man doch solche Zeitgenossen nicht nennen: die Reform jetzt abschaffen – wer da am schnellsten schaltet, der kann doch ein schönes Geschäft machen und bei entsprechender Vermarktung sogar noch mehr einstreichen, als mit der ganzen Reform jemals zu verdienen sein wird. Aber Dummheit ist eben Dummheit.
 
 

Kommentar von Fungizid, verfaßt am 20.02.2006 um 15.12 Uhr  
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"Wer noch lebt, sage nicht: niemals! // Das Sichere ist nicht sicher. // So, wie es ist, bleibt es nicht. // Wenn die Herrschenden gesprochen haben, // Werden die Beherrschten sprechen. // Wer wagt zu sagen: niemals? // An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns. // An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? // Ebenfalls an uns. // Wer verloren ist, kämpfe! // Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein? // Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen, // Und aus Niemals wird: Heute noch!"

Bertolt Brecht: "Lob der Dialektik", 1932
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 20.02.2006 um 15.49 Uhr   Mail an
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Man kann dem Duden eine Mail schicken! Ich habe das gerade getan, und zwar mit ungefähr diesem Text, der natürich beliebig variiert werden kann:

Mir kam zu Ohren, daß es bald eine Art "Duden-Traditionsausgabe" geben soll. Wann ist es soweit? Außerhalb der Schulen kann ja jeder schreiben, wie er will, deshalb soll der Bedarf dafür sehr groß sein. Mein altes Exemplar zerfällt... Die neuen Wörter können Sie übrigens gerne einsparen, das meiste ist ja dummes Zeug und überflüssig. Aber altbewährte Wörter einfach wegzulassen, weil es sie nach der Reform nicht mehr gibt, das geht zu weit! Schließlich stehen sie in ungezählten Büchern und gehören deshalb zur deutschen Schriftsprache und sind ja nun keineswegs verboten, höchstens in den Schulen.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 20.02.2006 um 17.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2760

Die "Traditionsausgabe" ist eine geniale Idee!

Aber um sie dem Duden unterzujubeln, müßte man schon eine große Falschmeldung an die einschlägigen Medien lancieren (*) – was zu einem Widerruf oder aber zur besseren Einsicht der Dudenentscheider führen kann.

Und ist solch eine Meldung erst einmal verbreitet, wird sie schon eine "positive" Wirkung zeigen. Im modernen Computer-Slang nennt man so etwas: ein "Mem" erzeugen... "Meme" sind sich selbst verbreitende virale Information, die durch eine zunehmende Bekanntheit immer glaubwürdiger und realer/greifbarer werden, bis schließlich keiner mehr an ihnen zweifelt.

Also die Frage in die große Runde: Wer hat die Verbindungen, um ein derart subversives Unterfangen in die Wege zu leiten?

____
*: Spiegel-Online druckt ja quasi alles, unabhängig vom Wahrheitsgehalt oder der Quellenglaubwürdigkeit einer Meldung.
 
 

Kommentar von Mem, verfaßt am 20.02.2006 um 17.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2765

http://de.wikipedia.org/wiki/Duden
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 20.02.2006 um 18.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2766

Herr Lindner, im Computerslang mag so was "Mem" heißen, in meinem Slang heißt das schlicht "eine Lüge in die Welt setzen". Und so etwas hier öffentlich anzukündigen heißt in meinem Slang "unfaßbar töricht". Die KMK kann so was besser. Das Niveau sinkt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 20.02.2006 um 19.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2767

Völlig richtig. Es sind genügend Halb- und Unwahrheiten über die vermeintliche Rechtschreibreform im Umlauf. Deren Zahl noch zu erhöhen ist nicht unsere Aufgabe.
 
 

Kommentar von Fungizid, verfaßt am 20.02.2006 um 20.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2771

Wir müssen unterscheiden zwischen den moralischen Kategorien des Lügens und Nichtlügens einerseits und der Initialauslösung dynamischer Vorgänge andererseits. Bei dieser Entscheidung hilft die Einsicht in die Tatsache, daß wir in einer vollkommen synthetischen Scheinwelt künstlich erzeugter "Wahrheiten" leben. Sich diesen Prozeß einzugestehen und ihn behutsam mitzugestalten, bedeutet Verantwortlichkeit und Achtung vor der Wahl der Mittel durch unsere Gegner.

Die anderen machen es vor. Wir ziehen nur nach.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 20.02.2006 um 21.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2772

Mag alles sein. Aber wenn man schon etwas „nachmacht“, dann doch bitte nicht so dilettantisch. So macht der Wettstreit keinen Spaß. „Den Prozeß behutsam mitgestalten“ – das klingt gut, das ist der Duktus der Reformdurchsetzer! (Zur Erinnerung: „Sie [die Neuregelung] bemüht sich um eine behutsame inhaltliche Vereinfachung der Rechtschreibung ...“)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.02.2006 um 21.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2773

Bei Livius in seiner Geschichte Roms gibt es in Zusammenhang mit der Geschichte von Äneas und Dido eine wunderbare Schilderung des Gerüchts, der "Fama", die sich immer mehr verselbständigt und allmählich für eine Tatsache gehalten wird.
Ein Gerücht ist noch keine Lüge, nur eine Vermutung. Eine Duden-"Traditionsausgabe" könnte als Gerücht gestartet werden.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 20.02.2006 um 21.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2774

Die Wahrheit macht man... oder man läuft ihr hinterher

Computer-Slang nur in sofern, als daß jeder, der sich mehr als nur als einfacher Nutzer mit Computern beschäftigt, die Mem-Theorie kennt (dieses nur als Anmerkung für Herrn Metz).

Und wer sich einmal ausführlich mit der Dynamik der "Meme" beschäftigt, der wird sehr viele Aha-Erlebnisse erfahren. Über das Thema gibt es zahlreiche sehr gute wissenschaftliche Abhandlungen – und die stammen nicht aus irgendwelchen zwielichtigen Esoterik-Verlagen! Wer heute so tut, als würde das Wissen über die Meme nicht auf breiter Front verwendet, der ist blind für die Welt in der er lebt.

So gibt es z.B. das Mem "Der Irak hat Massenvernichtungswaffen, daher mußte der dritte Irak-Krieg unbedingt geführt werden"... und noch an diesem Abend glauben 80% der US-Amerikaner, daß dieses die absolute Wahrheit ist, und daß daher der Krieg mit all seinen Opfern eine gerechte und ehrenwerte Sache sei (so ist leider die Situation, auch wenn sie einem nicht gefällt).

Und wir hier kämpfen gegen das Mem "Die Rechtschreibreform hat die Rechtschreibregeln halbiert und damit alles für die Kinder viel einfacher gemacht"... und in diesem Moment glauben 80% der Bundesbürger dieses, auch wenn sie sich selbst nicht nach den neuen Regeln richten wollen (so ist leider die Situation, auch wenn sie einem nicht gefällt).

Meme sind weder Lügen noch Halbwahrheiten... es sind Wahrheiten, die bei ihrer Geburt nur noch nicht wahr waren, es aber spätestens im Erwachsenenalter sein werden.

Und wie kann man in der Bundesrepublik des 21. Jahrhunderts (nach Kungel-Kohl und Schummel-Schröder) noch glauben, daß man die Menschen (will sagen: die Politiker und Entscheidungsträger) alleine mit der ganzen/echten Wahrheit auf den Weg des Guten zurückführen kann?

Dieser Gedanke erscheint mir fast so irre, wie die Idee, irgend jemand würde ein Buch kaufen, nur weil es ein Gütesiegel für die "bewährte Rechtschreibung" trägt.

Zugegeben... natürlich gibt es Käufer für genau diese Bücher – aber diese Leute sind ohnehin Bekehrte oder NRS-Verweigerer und so gewinnt man keine zusätzliche verlorene Seele für die eigene Sache.
Diejenigen, welche die NRS gut finden, kann man so jedenfalls nicht zur ganzen/echten Wahrheit bekehren. Und die vom Neue-Rechtschreibung-ist-gut-Mem infizierten Eltern (und das sind 80% der jungen Eltern), die ihren Kindern etwas gutes tun wollen, werden solche Bücher schon aus Prinzip für ihre Kleinen nicht kaufen wollen.
Wie will man so also etwas positives bewirken? Das was man erreicht sind gegebenenfalls etwas Aufmerksamkeit und viel Polarisierung – und man stellt sich dabei selbst ins Abseits.

Ich bin ja nur ein "Westentaschenpsychologe"... daher möge man mir meine harsche Analyse verzeihen.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 20.02.2006 um 21.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2775

Und man verzeihe mir bitte auch, daß ich einige Kommas vergessen habe ;-)
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 20.02.2006 um 22.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2776

Meme sind weder Lügen noch Halbwahrheiten... es sind Wahrheiten, die bei ihrer Geburt nur noch nicht wahr waren, es aber spätestens im Erwachsenenalter sein werden.

Dann wird es für die Lügen und Halbwahrheiten in dieser Welt aber verdammt eng und wir haben den Kultusministern unrecht getan.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 21.02.2006 um 01.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2778

Meme sind weder Lügen noch Halbwahrheiten... es sind Wahrheiten, die bei ihrer Geburt nur noch nicht wahr waren, es aber spätestens im Erwachsenenalter sein werden.

Im Zitat ist der Sachverhalt schief formuliert. Gemeint ist: Auch wenn Gerüchte nichts mit der Wahrheit zu tun haben, können sie im Lauf ihrer Verbreitung an Glaubwürdigkeit gewinnen und schließlich die Wirklichkeit so beeinflussen, daß sie mit ihr besser übereinstimmen oder sogar mit Verzögerung der Wahrheit entsprechen. Das stimmt. Und dafür ist die Rechtschreibreform ein Beispiel: zwar überhaupt nicht im Hinblick auf ihre Qualität, ihre angebliche Notwendigkeit oder ihre angeblich segensreichen Wirkungen, aber zum Beispiel im Hinblick auf ihre sogenannte Akzeptanz (wobei damit nicht emotionale Zustimmung, aber immerhin widerwilliges oder gleichgültiges Mitmachen gemeint ist).

Trotzdem können wir diesen Effekt nicht so einfach nutzen, schon gar nicht mit einer kurzlebigen Ente bei Wikipedia. Die Meinungsmacher müssen schon selber auf den Zusammenhang kommen, daß man zuerst mal gemeinsam die Rechtschreibreform in den Dreck ziehen muß (wo sie tatsächlich hingehört), wenn man sie loswerden will.

Davon kann ich leider nicht viel erkennen. Bisher ist der Mainstream: ein bißchchen lästern, aber ansonsten mitmachen, kuschen, gehorchen, irgendwelche noch so dummen Argumente bemühen und ordentlich auf diejenigen einhacken, die eine klare und vernünftige Linie vertreten, das heißt auch: die Ablehnung der Rechtschreibreform mit dem eigenen Verhalten nachvollziehen. Im Zweifel sind diese Weicheier bei der Presse froh, wenn wieder eine "Entscheidung" der Kultusminister in Pressemeldungen vorliegt, hinter der sie sich verstecken können. Dann heißt es wieder: "Die Rechtschreibreform ist nun endgültig verbindlich ... Klarheit für die Schulkinder ... bla bla bla ..."
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 21.02.2006 um 01.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2779

Es stellt sich lediglich die Frage, wie man in einhundert Jahren über die Erfolge der Rechtschreibreform urteilen wird. Ganz so, wie wir heute über die Erfolge der Reform von 1901 urteilen können.

Wenn man also im Jahre 2100 sagt, daß durch die Rechtschreibreform von 1996 das Leben der Schüler einfacher wurde, dann haben wir in der Tat verloren, denn dann hat sich wohl das Die-Neue-Rechtschreibung-ist-gut-Mem durchgesetzt. Und die Bürger werden urteilen, daß die RSR-Gegner den Kultusministern unrecht getan haben.

Als Hoffnungsschimmer bleibt uns ja noch, daß nicht jedes Mem auch erwachsen wird...


Abschließend eine Fiktion... was wäre wenn...

Ohne ein die-Neue-Rechtschreibung-ist-schlecht-Mem (ich will es mal so nennen... aber eine "Fama" gefällt mir auch sehr gut), das sich in den Köpfen der Menschen wie ein Ohrwurm festsetzt, könnte man den Kampf gleich aufgeben. Aber diese "Fama" erreicht man zum Beispiel, indem man den Leuten einflüstert, daß die RSR-Regeln nur für Haupt- und Realschüler gedacht sind... und die Gymnasiasten (die Elite, die Politiker, die Wirtschaftsbosse, die Studierten, die Akademiker, die Intellekutellen, die Ärzte, die Juristen, die Literaten, et cetera) selbstverständlich nach den bewährten Regeln schreiben... alleine, um sich von dem einfachen Volk abzugrenzen.
Wenn man solch eine Information glaubwürdig streut, dann kann die RSR einpacken — denn wer will sich denn durch die neue Rechtschreibung als Proletarier offenbaren. Und es geht bei einem Mem nicht um eine bewiesene Tatsache – das Mem wird sich schon selbst beweisen, indem die angesprochenen Gruppen sich wie selbstverständlich zur bewährten Rechtschreibung bekennen. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung – sozusagen – und keine Lüge oder Halbwahrheit.
Und Indizien, daß das eine mögliche Realität ist, gibt es doch schon heute genug...
Pseudobeweise: War die "Gleichschaltung" aller Bevölkerungsschichten nicht die Begründung durch die GRÜNEN und ist nicht das Festhalten der Elite eine logische Konsequenz? Und welch ein Politiker oder Intellektueller von Ruf gibt schon öffentlich zu, nach den neuen Regeln zu schreiben? Okay... man könnte jetzt "Giovanni di Lorenzo" sagen? Aber das ist doch ein schlechter Witz... Einmal ehrlich... die Befürworter der RSR sind doch allesammt nur Politiker und Akademiker der B-Kategorie, oder VIP-Sternchen, die gerade mal ihre Namen fehlerfrei aufs Papier bringen können – also keine Menschen, die man sich zum Vorbild nehmen sollte. Und überhaupt... welch ein Intellektueller von Ruf würde seinen Namen unter eine Petition *für* die neue Rechtschreibung setzen?

Aber das ist natürlich alles pure Fiktion... versuchen wir also weiterhin die RSR-Befürworter und die Ich-hänge-meine-Existenz-an-diese-Reform-Politiker durch Wahrheit und gute Worte zu überzeugen...
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 21.02.2006 um 02.16 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2780

Lieber Herr Lindner,

ich glaube, Sie schätzen die Lage nicht ganz richtig ein. Die herkömmliche Orthographie als Elitenorthographie darzustellen, wäre ein fataler Fehler und entspräche außerdem nicht der Wahrheit. Tatsächlich schreibt das "gemeine Volk" viel leichter und häufiger "üblich", einfach weil es intuitiver ist. Das ist nicht zwangsläufig die vorreformatorische Duden-Orthographie, aber eben weitgehend "normale deutsche Rechtschreibung" im Sinne Theodor Icklers. Der selbst für Experten kaum zu durchschauende Regelwust der Reform und die erschwerte Erlernbarkeit sind eigentlich – wenn überhaupt – nur von den Eliten zu leisten. DAS muß gegenüber in dieser Hinsicht erschreckend ahnungslosen Zeitgenossen wie Müntefering oder Nahles wieder und wieder betont werden.

Von der GEW möchte ich hier gar nicht sprechen – das dürfte ein ziemlich hoffnungsloser Fall sein. Allerdings haben Sie mit Ihrer Einordnung der Befürworter als B-Akademiker vermutlich recht. Mir drängt sich nämlich immer mehr der Verdacht auf, daß die RSR nicht für die Schüler gemacht wurde, sondern für (Deutsch-) Lehrer, die Schwierigkeiten mit der deutschen Orthographie hatten (und haben) und damit in ihrem Beruf überfordert waren. Das fällt nun angesichts des herrschenden Chaos nicht weiter auf ("Alles egal, Hauptsache dass"). Die jetzige GEW-Vorsitzende ist mit ihrem peinlichen Bekenntnis vor dem BVerfG sicherlich repräsentativ für die professionelle (?) Überforderung von Teilen der Lehrerschaft.

Daher müßte man vor allem klarstellen, daß die RSR ein Schlag ins Gesicht all jener tüchtigen und verantwortungsbewußten Lehrerinnen und Lehrer ist, die sich angesichts der Unfähigkeit, Faulheit oder was auch immer einiger ihrer Kollegen deren Mediokrität beugen müssen. Mit den Schülern hat das überhaupt nichts zu tun. Die sind bestenfalls Manövriermasse.
 
 

Kommentar von GL, verfaßt am 21.02.2006 um 06.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2781

Die Reformdurchsetzer sind nicht deshalb betroffen, weil sie etwa an "ihre Sache" glauben, sondern weil sie daran denken. Besser könnten diese ihre Sehnsüchte und Ängste doch gar nicht demonstrieren.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 21.02.2006 um 08.57 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2782

Die "Traditionsausgabe" ist weniger ein Gerücht als ein Desiderat, vulgo eine Marktlücke. Daß sie noch nicht entdeckt wurde, muß einen wundern angesichts der hohen Zahl von Nichtbefürwortern und der Tatsache, daß die Herausgabe einer solchen Ausgabe keineswegs straf- oder auch nur anfechtbar wäre.
Aber jede Marktlücke wird früher oder später entdeckt – oder wir haben hier einen hochinteressanten Ausnahmefall. Das beste Geschäft mit dieser Lücke könnte natürlich Duden selber machen. Wenn er heroisch drauf verzichtet (obwohl man die Datenbasis noch hätte und Gesichtsverlust wohl vermieden werden könnte), machts eben jemand anders. Warum dann nicht Ickler? Der Titel "Normale Rechtschreibung" ist doch ganz nah dran.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 21.02.2006 um 09.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2784

Tricksen und Täuschen waren und sind bisher ein hervorstechendes Merkmal der Reformerseite, und dabei sollte es bleiben. Wir Kritiker sollten uns bei aller Schärfe und Polemik im einzelnen doch durch sachbezogene, hieb- ud stichfeste Argumente von dieser gemischten Gesellschaft abheben. Ich denke, nur so können wir auch der dringend benötigten Unterstützung bedeutender Medien weiter sicher sein. Und ohne Breitenwirkung stehen wir auf verlorenem Posten. Vor allem muß, neben der grundsätzlichen Kritik an einer staatlich verordneten Orthogaphie, unermüdlich klargestellt werden, daß die Reform keines ihre Ziele auch nur annähernd erreicht hat. Die deutsche Rechtschreibung ist weder einfacher, noch besser ("logischer") geworden. Hingegen hat die Reform eine unglaubliche Vermehrung grotesker Fehlschreibungen im Gefolge. Sie ist einfach ein schlechtes Produkt überforderter Auftragnehmer und überdies nicht erlernbar in Sinne einer intuitiv beherrschbaren Technik. Das Zerstörerische und Dilettantische der Reform ist ihr Hauptmerkmal, das im allgemeinen Bewußtsein wachgehalten werden muß.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 21.02.2006 um 09.50 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2785

Die Reform hat keine Vorteile, aber viele Nachteile, ganz richtig. Kaum jemand mag sich mehr so richtig dafür exponieren, und es gibt kein respektiertes Gremium mehr, um die Irrtümer weiter zu zementieren. Was jetzt bleibt ist nur das freie Spiel der Marktkräfte sowie die Evolution des akzeptierten Usus und seine beobachtende Registrierung. Daß es ein Wörterbuch geben muß, in dem auch alle Wörter zu finden sind, die im neuen Duden nicht mehr stehen, das liegt auf der Hand. Schon weil es beschämend wäre für eine Kulturnation, wenn ein riesiger Teil ihrer rezenten Schriftüberlieferung lexikalisch auf Dauer vernachlässigt würde. Hier ist also ein Bedarf, und er wächst, und das ist ein Faktum, kein Gerücht. Gleichwohl könnte ein Gerücht manche Leute endlich mit der Nase auf offenkundige Fakten stoßen.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 21.02.2006 um 10.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2786

Lieber Kratzbaum...

wie können wir etwas im Bewußtsein wach halten, von dem keiner etwas weiß? Das ist ja das surreale der Situation... als ich neulich mit einem promovierenden Germanisten über die RSR geredet habe, kamen nur die hinlänglich bekannten Pro-Argumente... weniger Regeln, alles einfacher und logischer, die Stolpersteine wurden entschärft, und so weiter...

Und bei den Schülern und dem "gemeinen Schreibvolk im Lande" herrscht die gleiche Sicht der Situation... natürlich will sich von denen "älteren" Schreibern selbst keiner an die neuen Regeln halten – aber nur, weil keiner noch einmal von Null das alles neu lernen will. Das Festhalten an der bewährten Rechtschreibung hängt beim Schreibvolk (jenen 80%, die wir auf unserer Seite meinen) nicht an einer besseren Einsicht, als vielmehr an dem schrecklichen Gedanken, selbst bald alles falsch zu schreiben und sich gegebenenfalls den Kindern/Enkeln lächerlich zu machen.

Wir (hier) leiden unter dem Expertendilemma...

Wir sind (mehr oder weniger) Experten und wissen daher, warum die neue Rechtschreibung unendlich viel schlechter ist, als die bewährte... wir kennen die unlogischen Regeln und die neuen Stolpersteine. Und wir verallgemeinern, daß die vielen vielen Gegner der Reform aus den gleichen Gründen wie wir gegen die neue Rechtscheibung sind. Aber von den 80% der Gegner sind es nur wenige Prozent oder gar Promille, die wie wir einen sachlichen Grund haben. Das Gros ist aus persönlichen/prinzipiellen Gründen gegen die Reform – gute Demokraten oder durch den Zwang zur Veränderung (Pseudozitat: "Wir müssen lebenslang lernen!") eingeschüchterte normale Menschen. Von diesen 80% versteht keiner, warum es "leid tun" oder "Leid tun" heißt... sie wollen nur weniger Veränderung... mehr Stabilität... von ihren Kindern bei der Hausaufgabenhilfe nicht als Legastheniker angesehen werden.

Wenn wir dieses erkennen, dann können wir auch erkennen, wie man etwas ändern kann... und wo der Versuch einer Änderung partout nichts einbringt.

Die KMK-Clique hat mit ihrem Merksatz "die RSR hat es den Kindern einfacher gemacht" einen Virus in die Menschen eingeschleust, den man alleine mit der Wahrheit nicht kurieren kann. Denn die germanistisch-wissenschaftliche Wahrheit verstehen die Bürger einfach nicht. Folglich lassen sich die Menschen nur auf emotionaler Ebene erreichen. Und das bewirkt eben der Irrglaube, daß für die Kinder alles einfacher wurde. Die Konsequenz ist: Man beißt die Zähne zusammen, lernt als Erwachsener noch einmal um... denn es ist ja alles zum Wohl der Kinder – emotionaler geht es doch gar nicht.

Das mit der "Eliteorthographie" ist in diesem Zusammenhang als psychologischer Trick zu betrachten. Eine Möglichkeit von vielen, wie man die Zielgruppe emotional greifen kann. Es ist der gleiche Trick, der den Leuten vorgaukelt, ein Mercedes sei das Auto für die Elite – jedoch fährt die Elite (wenn überhaupt) mit der S-Klasse; der Prolet, der sich wie die Elite fühlen will, kann sich nur eine B/C/E-Klasse leisten/leasen (und muß dafür seine Seele an die Banken verschachern ;-)
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 21.02.2006 um 10.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2788

Lieber Herr Lindner, Sie haben vollkommen recht mit Ihrer ein wenig resignativen Ansicht und Einsicht. Die "breite Masse" werden wir nicht erreichen, geht es doch bei der Diskussion schließlich auch (auch!) um äußerst subtile Geistesdinge. Ich denke, wir müssen auf verschiedenen Ebenen aktiv aufklärend wirken. Den Medien gegenüber anders (schlechte Qualität, Flickwerk, sprachwidrig...) als gegenüber den "einfachen" Menschen, hier vor allem den Eltern schulpflichtiger Kinder. Diesen muß immer wieder gesagt werden, daß ihre Kinder mehr Fehler machen als zuvor, was sich von nun an auch in den Zensuren niederschlagen wird. Ferner, daß sie eine Rechtschreibung lernen, die außerhalb der Schule nicht befolgt und akzeptiert wird. So könnte es durchaus Druck von seiten aufgeklärter Eltern geben, bis hin zu erneuten Klagen vor Gericht. Schließlich sind noch die Lehrer ins Visier zu nehmen, die auch ganz unmittelbar betroffen sind. Die Hoffung ist nicht groß, aber auch hier könnte eine Sammelbewegung entstehen. – Noch einmal: Wir können nur Verbündete suchen und ihnen die Argumente liefern. Bei der weitverbreiteten Abneigung gegen die Reform findet man überall offene Ohren.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 21.02.2006 um 10.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2789

Solange sich noch einige bedeutende Zeitungen an die richtigen Schreibweisen halten, kann das Bewußtsein des Richtigen nicht so einfach verschwinden. Und wenn wir uns daran erinnern, daß sogar die FAZ es ein Jahr lang versucht hat, den Unfug mitzumachen, sehen wir, daß auch ein Weg zurück immer noch möglich ist, solange der Leidensdruck weiterbesteht.

Und das kann sogar den Lehrern noch passieren. Insofern ist es gut, daß die halbherzigen Ausnahmeregeln von NRW und Bayern endlich weg sind.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 21.02.2006 um 11.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2792

Zur Zeit sitze ich hier auf dem Messegelände in Hannover – die Bildungsmesse didacta hat ihre Tore geöffnet. Es gibt hier kein Thema, dem weniger Platz eingeräumt wäre als dem der Rechtschreibreform: sie ist überhaupt kein Thema, weder in Forengesprächen, noch in Vorträgen oder im Rahmen von Publikationen. Darauf angesprochen, würden die meisten Lehrer mit Zeichen deutlicher Abwehr reagieren. Man tut so, als existiere gar keine Rechtschreibung mehr. Ich hüte mich deshalb, darüber auch nur ein Wort zu verlieren – es wäre kontraproduktiv.
Auch ich sehe die Gefahr der Legendenbildung; dagegen kann nur die Presse etwas tun. Einfache Leute – wozu ich auch den Durchschnittslehrer zähle – inhaltlich überzeugen zu wollen ist ebenso fruchtlos wie der Versuch, Sonne und Mond gleichzeitig am Himmel erscheinen zu lassen.
Leidensdruck bei Lehrern ist bezüglich anderer Mißstände vorhanden, die Rechtschreibreform gehört offensichtlich (noch?) nicht dazu. Das könnte sich aber in den nächsten Jahren ändern. Die Gefahr besteht allerdings, daß die eigentlichen Ursachen für den Verfall der Orthographie nicht mehr mit der miesen Rechtschreibreform in Zusammenhang gebracht werden – weil die mächtige Legende "Rechtschreibreform-ist-gut-hat-Erleichterungen-gebracht" zu mächtig ist.
Ganz sicher sollte man nicht den Fehler begehen, sich als die moralisch bessere Truppe zu fühlen, die sich zu gut dafür ist, ein bißchen zu tricksen – wenn es denn der Sache dient. Ich habe mich aufgrund einer privaten Angelegenheit einmal auf die Position "Bei-mir-gibt-es-so-etwas-nicht" Position des wirtschaftlich Unterlegenen, aber sittlich doch Überlegenen kapriziert und mich damit endgültig ins Abseits katapultiert.
 
 

Kommentar von Fungizid, verfaßt am 21.02.2006 um 13.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2794

Dem ist nur zuzustimmen. Mit plakativen Aussagen erreicht man allemal Volkes Ohr:

"Dein Kind hat es jetzt schwerer in Deutsch als früher!"

"Die Mehrheit ist dagegen, mach auch Du mit!"

"Bald kommt wieder eine Revision, wie lange soll das weitergehen?"

"Deutschland hat andere Sorgen, schau auf Deinen Arbeitsplatz!"

"Die Reformschreibung setzt sich ohnehin nicht durch!"

Das, lieber Herr Metz, ist alles nicht gelogen, sondern wahr, und kann so wirksam sein wie ein gutes Mem. Desweiteren habe ich erst gestern auf Wiki gelesen, daß es eine Traditionsausgabe geben soll. Darauf kann man sich ja wohl berufen, diese Quelle ist seriös.

Ich schätze Herrn Lindners subversive Energie, seine Beiträge erinnern ein bißchen an die Szene im Freischütz, wo es nach Schwefel riecht und die Freikugeln gegossen werden sollen... Samiel, Samiel... und weil das auch unsere Gegner lesen können, schlage ich dringend vor, daß wir diesen Teil der Debatten vielleicht in eine geschlossene Mailgruppe verlegen. Sonst ist unser taktischer Vorteil sofort wieder verspielt. Wer macht's? Jedenfalls unbedingt mit Zugangskontrolle!
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 21.02.2006 um 17.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2795

An plakativen Aussagen bestand kein Mangel.

"Weg mit der Schlechtschreibreform!" titelte z.B. die BILD (oder so ähnlich). Nur: Hat es unserer Sache genützt?

Wenn der Duden-Verlach keinen Traditionsduden herausbringen will, wird er es nicht tun, ob es nun wirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht. Vielleicht ist aber die Information immer noch zutreffend, daß man durch direkte Bestellung beim Verlag immer noch neue Exemplare der letzten unverunreinigten Rechtschreibung erhalten kann. Wenn solche Bestellungen massenweise eingingen, würde er vielleicht nachdrucken. Oder auch nicht. Den 2CV kann man ja auch nicht mehr bauen lassen.

Praktikabler wäre es, die Verbreitung des Ickler zu fördern, z.B. durch eine Online-Ausgabe oder CDROM. Sollte es an IT-Kapazitäten mangeln, wäre ich zur aktiven Mitarbeit an so einem Projekt bereit.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 21.02.2006 um 20.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2799

Werter Fungi (wenn diese Anrede nicht zu vertraulich ist), klar kann man sich auf Wikipedia berufen, wer könnte etwas dagegen haben? Ich habe den den Eintrag, von dem Sie sprechen, auch gelesen. Wo liegt das Problem?

Subversive Energie ist etwas Wunderbares. Aber offenbar erkennen ja auch Sie die Notwendigkeit einer gewissen Kanalisierung, damit die Energie nicht ins Leere verpufft.

Mit dem Slogan "Deutschland hat andere Sorgen, schau auf Deinen Arbeitsplatz!" wäre ich übrigens sehr vorsichtig. Der Schuß könnte nach hinten losgehen.
 
 

Kommentar von Fungizid, verfaßt am 21.02.2006 um 20.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2807

Lieber Herr Metz,

hier habe ich etwas sehr interessantes gefunden, das unserer Sache dienen könnte:

http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_milit%C3%A4rischer_Taktiken

Ich werde mir das mal gründlich durchlesen und meine eigenen Aktivitäten daran ausrichten.

Ich stimme Ihnen auch zu, aber auch Herrn Lindners Anregung gezielter kleiner "Schweizer Kracher", die schon ihre Wirkung tun werden. Sie müssen eben sehr gut gezielt werden.

Massenweise Brieflawinen werden wir (ohne Manfred R. vom VRS) kaum auslösen können. Ich glaube auch nicht, daß man damit etwas bewirken könnte. Wenn sich durch gezielte Guerillaaktionen hysterische Masseneffekte auslösen lassen, ist das schon weitaus zielführender. Dabei setze ich auf plakative, wahre Parolen.

Ihrer Überlegung zu einer dieser Parolen stimme ich zu und freue mich auf ihren überlegenen Gegenvorschlag.

"Fungi" bitte nicht, weil ich kein Pilzchen sein will, sondern ein Pilzmittel. Herr Glasreiniger würde sich bestimmt auch gegen "Glasi" verwahren.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 21.02.2006 um 22.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2809

Lieber/Liebe/Liebes Fungizid! (Wenn Sie mir nur das reichlich abgedroschene „Metzchen“ ersparen.) Irgendwo auf dieser Seite wurde heute gemutmaßt, juristische Laien könnten zur Befolgung der neuen amtlichen Rechtschreibregeln verpflichtet zu sein vermeinen. Für diese Zeitgenossen käme etwa folgender Slogan in Betracht:

Ich will so schreiben, wie ich bin. – Du darfst!

Im Hinblick auf den ersten Satz dieser Losung wäre es allerdings dringend geboten, den Terminus „normale Rechtschreibung“ ins allgemeine Bewußtsein zu heben, denn wer möchte schon gern alt aussehen?

Oder wie wär’s mit: Du bist Rechtschreibung?

Den Kunden einer großen Medienmarktkette könnten wir ein Aha-Erlebnis bescheren, indem wir ihnen zurufen: Neuschrieb? – Ich bin doch nicht blöd!

Für Heinz-Erhardt-Fans: Besser altbewährt als neu verkährt.

Und für Nostalgiker: Alte Schreibe rostet nicht. (Oder so ähnlich.)

Möchtegernaristokraten könnte man neugierig machen mit dem Spruch: Adle Dich mit Adelung! Da das allein nicht verfangen dürfte, müßte flankierend die kostenlose Ausgabe von Eszet(t)-Schnitten (kennt die heute noch jemand?) mit informativen Texten zu den verschiedenen s-Schreibungen organisiert werden.

Ich denke morgen nach Feierabend weiter hierüber nach.

Alles Ickler, oder was?!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.02.2006 um 22.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2810

Noch'n Gedicht: "Sind Sie noch ganz normal? Dann schreiben Sie doch auch ganz normal!"
 
 

Kommentar von J.S., verfaßt am 21.02.2006 um 22.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2812

Prima, Herr Metz, zur Inspiration weiterer Werbesprüche siehe auch hier:

www.raecht-schreibung.de
 
 

Kommentar von GL, verfaßt am 22.02.2006 um 06.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2813

Eine zu wählende Strategie müsste sein, die Reform gesellschaftlich unannehmbar erscheinen zu lassen. Wenn die Realität nicht mehr genügt, die Vorstellungskraft der Öffentlichkeit zu entflammen, muss entsprechend die emotionale Grundlage viel stärker einbezogen werden, z.B. im Gebrauch von Plakaten, die vor der Reform warnen:

– Ein Plakat in Deutschland zeigt zwei oder mehrere Kinder, die in einem Bus nebeneinander auf einer Bank sitzen. Mehrere Reihen hinter ihnen hocken Reformer, die karikiert dargestellt werden. Die Unterschrift des Plakats mahnt: "Ihr wisst nie, wer zuhört! Wenn ihr zuviel sagt, kann das schulisches Weiterkommen kosten!"

Immerhin hat die Erkenntnispsychologie nachgewiesen, dass wir uns auf äussere und offenkundige Signale verlassen. Ein sinnvollerer Kommunikationsakt kann ich mir unter den gegebenen Umständen nicht vorstellen.
 
 

Kommentar von Fungizid, verfaßt am 22.02.2006 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2821

Warum normal schreiben? – Weil ich es mir wert bin.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 22.02.2006 um 10.57 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2822

Reform? Wass kosstet dass?
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 22.02.2006 um 10.59 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2823

Zum Thema Gütesiegel:

Ich arbeite gerade an einem Entwurf und habe dafür auch ein sehr passendes Känguruh gefunden. Nur mit der Rundschrift klappt es in meinem Graphikprogramm nicht so gut.

Wer mir eine passende Rundschrift als bmp zur Verfügung stellen kann, möge sich bitte per Email melden. Als Rundschrift-Text halte ich gegenwärtig "In normaler deutscher Rechtschreibung" für ideal, bin aber allen Vorschlägen offen.

Das Emblem ist dann natürlich frei und kann auf verschiedenen Internetseiten deponiert werden, damit Verlage es sich dort holen können.

Ein Prüfungsverfahren vor Vergabe halte ich für unsinnig, weil jede Instanz damit überfordert wäre und dies auch kein Verlag mitmachen würde.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 22.02.2006 um 13.23 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2829

Ich fürchte, so einfach kann man es sich nicht machen...

In Deutschland sind zahlreiche Symbole und Bezeichnugen in der Art der Verwendung geschützt... als sogenannte Gebrauchsmuster. Diese können beim Patent- und Markenamt angemeldet werden – was für eine Privatperson fast schon zu teuer ist (im Bereich von mindestens 500 EUR für zehn (?) Jahre in drei (?) Verwendungskategorien). Leider habe ich meine Bookmarks zu diesem Thema verlegt... und es ist schon ein Weilchen her, seitdem ich mich damit beschäftigt habe.

Aber, da zum Beispiel Renault ein Känguruh als Logo für seinen Kangoo des öfteren auf Prospekten druckt, wäre es möglich, daß eben dieses Zeichen schon für die Verwendung auf Druckerzeugnissen geschützt ist.

Und eine Abmahnung aufgrund unerlaubter Verwendung eines Symbols (oder vielleicht einer Farbe, wie beim Telekom-Magenta), kann für den Verursacher sehr sehr teuer werden.

Also: Erst beim Patent- und Markenamt prüfen, dann registrieren und mit moderaten Bedingungen (Symbol nur gemäß normaler Rechtschreibung zu verwenden) ins Public-Domain geben.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 22.02.2006 um 14.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2830

Lieber Herr Lindner,

wenn Renault ein Känguruh für Werbezwecke verwendet, so bedeutet das keineswegs, daß damit jedes Känguruh tabu ist (das wollten Sie, glaube ich, aber auch nicht unbedingt sagen). Selbstverständlich läßt sich ein Känguruh verwenden, solange es dem Renault-Tierchen nicht zu ähnlich ist. Hier sind die Kreativen gefragt.

Ich glaube jedoch, daß eine solche Aktion nur Erfolg hätte, wenn die Verlage sich auf ein gemeinsames Gütesiegel einigen könnten. Hier habe ich, ehrlich gesagt, gewisse Zweifel, denn auch in diesem Bereich ist der Druck durch die Kultusministerien enorm. Wer kann es sich schon leisten, daß seine Bücher, auch wenn sie in Staatsorthographie gedruckt sind, auf dem Index landen, nur weil ein anderer Teil des Programms mit Qualität wirbt?

Das ist zwar absurd, aber man wundert sich ja über fast gar nichts mehr.

Ansonsten stimme ich Herrn Metz ausdrücklich zu: Es muß klar sein, daß das, was von manchen als "alt" verkauft wird, normal und selbstverständlich ist. Und ein entsprechend betiteltes Regelwerk gibt es ja auch schon.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 22.02.2006 um 14.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2831

Für mich ist das Thema Gütesiegel jetzt beendet. Ich wollte Hilfe bei der Gestaltung der Rundschrift und keine bedenkenschwere Rechtsberatung.
 
 

Kommentar von Simon Bauer, verfaßt am 22.02.2006 um 15.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2833

Zum Thema Gebrauchsmusterschutz:

Gebrauchsmuster können in bestimmten Leitklassen angemeldet werden. Es ist durchaus möglich, das gleiche Gebrauchsmuster in unterschiedlichen Bereich bzw. Klassen anzumelden.

Exkurs: Es dürften dann auch, nur weil Renault mit einem Tierchen wirbt, keine allzu bekannten Schilder mehr mit Bild und Aufschrift "kangaroo crossing" verkauft werden...

Die Anmeldung eines solchen Musters kostet für bis zu drei Leitklassen 300,- Euro im zeitlich normalen Verfahren und 500,- Euro für ein zeitlich beschleunigtes Verfahren.

Es wäre hier kein Problem, sich von anderen Symbolen abzusetzen. Es kommt letztendlich auf die Kombination an – und diese sollte hier dann doch "einzigartig" sein.

Die Idee, Bücher so zu kennzeichnen, halte ich nach wie vor für überlegenswert.
 
 

Kommentar von Simon Bauer, verfaßt am 22.02.2006 um 15.12 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2834

@ Alexander Glück:

Senden Sie mir doch einfach Ihre bisherigen Grafiken zu. Eine Rundschrift hinzuzubauen sollte keine große Schwierigkeit sein.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 22.02.2006 um 15.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2835

Lieber Herr Glück... Sie klingen ein wenig verärgert... Ich wollte mit meinen Bedenken keinen von einer guten Aktion abhalten – ganz gewiß nicht...
...aber wir leben in Zeiten, in denen man ohne böses zu wollen, sehr schnell mit den vielen Gesetzen in Konflikt kommen kann. Rechtsstaat (sofern es den nach der VDS-Richtlinie überhaupt nocht gibt) bedeutet immer erst einmal, daß der Staat für die Rechte der jeweils mächtigeren sorgt (tschuldigung... aber ich bin nun mal ein Zyniker ;-).

Dazu ein wenig Statistelei: Seit den 1970'ern hat sich die Zahl der Juristen mehr als verdoppelt... und nicht alle von denen können heute noch Politiker werden (dafür ist der Bundestag einfach nicht groß genug). Daher tummeln sich im Netz und in der wirklichen Welt unzählige Menschen mit fragwürdiger Gesinnung, die aus den Fehlern guter Menschen einen billigen Lebensunterhalt zu ziehen versuchen. Und so kann ein falsches Wort in einer eBay Auktion schnell einmal 5.000 Euronen an Abmahngebühr kosten.

Wenn man die Idee eines Gütesiegels wirklich ernst nehmen will, dann muß man das professionell aufziehen. Dieses kann durch die FDS oder eine andere Organisation geschehen. Zudem muß dafür vernünftige PR bei den entsprechenden Verlegern gemacht werden. Das Design des Logos kommt (abgesehen von einem ersten Entwurf) ganz am Schluß des Prozesses.

Die Gefahr, die ich auch noch sehe ist, daß es ein Gütesiegel Pro-Reform geben könnte... "Auf Basis der amtlichen Regeln – zugelassen für alle Schulkinder" ... und die verängstigten/ungebildeten Eltern kaufen dann nur noch solche Bücher.

In einem unendlichen Multiversum ist auch die Dummheit unendlich.
 
 

Kommentar von Bardioc, verfaßt am 22.02.2006 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2836

Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.

Albert Einstein (14.03.1879 - 18.04.1955)
deutscher Physiker und Nobelpreisträger
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 22.02.2006 um 16.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2837

"Es gibt nichts Gutes,
außer, man tut es"

(Erich Kästner)

Lieber Herr Lindner,

es war mir zwar nicht der Anlaß, aus der BRD auszuwandern, aber es hat die Sache ein bißchen erleichtert: Kaum will man etwas auf die Beine stellen, kommen von überall her alle möglichen Einwände. Ich bin sicher, daß der heutige Zustand dieses Landes damit einiges zu tun haben könnte.

Mir ist klar, daß wir nicht mit Schnellschüssen operieren können. Es GIBT aber bereits Pro-Gütesiegel der verschiedensten Art. Wir müssen nachziehen. Es gibt für alles Experten, auch für rechtliche Fragen. Die PR und Medienarbeit läßt sich schon machen. Meine Bitte war die um eine Randschrift, nachdem ich heute vormittag eine Stunde für die anderen Teile dieses Emblems aufgewendet hatte. Das bezahlt mir niemand, und ich bin Freiberufler. Ich muß bei meiner Arbeit Aufwand und Nutzen abwägen.

So ein freies Projekt ist NUR sinnvoll, wenn andere dem zustimmen und man gemeinsam etwas versucht. Hobbies habe ich so schon genug und brauche kein weiteres. Also Sekt oder Selters: Entweder ich greife eine hier diskutierte Idee auf und höre irgendwas von Echo, oder ich ordne im stillen Kämmerlein meine Multivitamintabletten in ein Sammelalbum ein.

Gerade Sie geben sich doch laufend als Aktivist zu erkennen – hic Rhodos, hic salta!
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 26.02.2006 um 22.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=426#2892

Auch die damalige Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung nahm zu dem FAZ-Artikel von Herrn Ickler Stellung, sie widmete ihm die „Anlage 2“ ihres dritten turnusmäßigen Berichts: „Stellungnahme zu den Vorwürfen Th. Icklers, die 22. Auflage des Duden würde vom amtlichen Regelwerk abweichen“ (S. 120–125, siehe z. B. web.archive.org/web/20040722180326/http://rechtschreibreform.de/K3/K3_alles.html).

Die Kommission behauptet, sie habe die »Kritik Th. Icklers (FAZ, 11. August 2000), der Duden widerspreche in seiner 22. Auflage in einigen Fällen dem amtlichen Regelwerk und praktiziere so eine „Reform der Reform“, [...] Punkt für Punkt überprüft und widerlegt.« (3. Komm.-Bericht S. 39) Daß diese Behauptung nicht zutrifft, habe ich auf den Seiten 45–54 meiner „Berichtskritik“ gezeigt (web.archive.org/web/20070930044147/http://www.ifto.uni-jena.de/~jmartin/Berichtskritik_14Dez.pdf). Im einzelnen geht die Kommission auf folgende Punkte ein; dazu gebe ich jeweils das Fazit meiner Überprüfung an:

– „schwindelerregend, musikliebend; vielsagend, vielversprechend“:
Die von der Kommission in der Begründung ihrer Stellungnahme herangezogene Regel ist nicht im amtlichen Regelwerk enthalten.

– „blutbildend, blutsaugend“:
Die von der Kommission angegebene Begründung ist falsch, sie wendet das Regelwerk falsch an.

– „zufrieden stellend, nichts sagend“:
Die Kommission beruft sich erneut auf ihre falsche Auslegung des Regelwerks. Außerdem ergibt eine Einzelfallprüfung, daß die Darstellung der Kommission unzutreffend ist.

– „Hohelied, Hohepriester“:
Die Kommission hat nicht widerlegt, daß diese Schreibungen regelwidrig sind, sondern entlang einer irrelevanten Strecke argumentiert und das eigentliche Problem außer Betracht gelassen. Zudem folgt aus den Ausführungen der Kommission vielmehr, daß hier Getrenntschreibung gilt. Andererseits ist die angegebene Begründung nicht nachvollziehbar, keiner der Paragraphen der amtlichen Regelung stellt einen Bezug zwischen der Flektiertheit bzw. Unflektierbarkeit von Adjektiven und der Getrennt- und Zusammenschreibung mit Substantiven her.

– „Agent provocateur“:
Dies ist der einzige Fall, in dem die Kommission mit ihrer Gegendarstellung möglicherweise recht behält; ich kann es nicht abschließend feststellen, da ich die Angaben der Kommission nicht überprüft habe. Hier muß die Wortart in einer fremden Sprache ermittelt werden, bevor man entscheiden kann, ob eine bestimmte Schreibung richtig ist oder nicht.

– „Messmer“:
Die Kommission gibt Icklers Aussage falsch wieder und bezieht sich in ihren Ausführungen auf diese falsche Darstellung.

– „wieder/wieder-“:
Die Kommission verfehlt das Thema. Sie versäumt zu begründen, warum die Zusammenschreibung nach § 34 (1) bei wiederherrichten unzulässig sein soll. Insbesondere geht sie auf Icklers Gegenüberstellung von wiederherrichten und wiederherstellen nicht ein.

– „wohl/wohl-“:
Die Aussage der Kommission ist wertlos. Die Kommission stellt weder einen Zusammenhang mit dem amtlichen Regelwerk her noch einen Bezug zu den divergierenden Einträgen im Duden, und sie verweist auf falsche Regelauslegungen.

– „hoch“:
Ickler hat hierfür keine Abweichungen des Duden vom amtlichen Regelwerk moniert. Weil aber die Schreibung hochempfindlich den Voraussetzungen von § 36 (5) genügt, hat die Kommission hier eine Abweichung des Dudens vom amtlichen Regelwerk festgestellt.

– „der Schwerverletzte“:
Die Kommission führt keine Begründung für ihre Aussage an; sie zeigt nicht, wie sich die Schreibungen der Schwerverletzte u. a. anhand des Regelwerks begründen lassen.

– „Onestepp“:
Die Klarstellung der Kommission ist an sich nicht zu beanstanden, jedoch ist sie vollkommen unnötig, weil davon nichts in dem Artikel in der FAZ stand, auf den sich die Kommission bezieht; vermutlich geht die Kommission hier auf das ungekürzte Originalmanuskript ein. Bei sorgfältiger Arbeit der Kommission wäre dieser Punkt nicht in die Anlage 2 aufgenommen worden.
 
 

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