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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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22.02.2006
 

Schon gedruckt
Der neue Wahrig ist schon fertig

Wie der Verlag mitteilt, wird der neue Wahrig schon im März erscheinen.
Das Buch muß also schon fertig sein. Das bedeutet, daß die Kultusminister gar keine Wahl mehr haben, denn "Bertelsmann hat schon gedruckt", genau wie 1996.
Was Bertelsmann gedruckt hat und Duden im Laufe des Sommers drucken will, weiß sonst niemand, auch der Rat für deutsche Rechtschreibung nicht. Er hat es gleichwohl vorab gebilligt, und der "Kompromiß", der dann für die Schulen verpflichtend gemacht wird, ist eine Leistung dieses Rates, in dem bekanntlich auch die Reformkritiker so vertreten waren, daß Doris Ahnen keinerlei Ungleichgewicht erkennen konnte. Der Friede ist nah.



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Kommentare zu »Schon gedruckt«
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 22.02.2006 um 17.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=431#2840

Hat Bertelsmann Einfluß bei Springer bzw. der F.A.Z., und wenn ja, wie stark ist der?
 
 

Kommentar von Johannes Faupel, verfaßt am 26.02.2006 um 13.35 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=431#2882

Offizielle Mitteilung von Bertelsmann zum WAHRIG

Auch wenn sie es offenbar selbst nicht verstanden hat, gab Frau Dr. Krome kurz vor Weihnachten indirekt zu, daß der damals noch aktuelle WAHRIG 2005 nicht für die Allgemeinheit taugte. Ich hatte sie gefragt:

„Stellt WAHRIG Die deutsche Rechtschreibung die Rechtschreibung dar, die ausnahmslos für jeden in unserer Sprachgemeinschaft verbindlich gilt, also für Schüler, Studenten, Lehrer, Beamte, Pfarrer, Rechtsanwälte, Bäcker, Metzger, Zahnärzte, Lokführer, Architekten, Steuerberater, Bademeister, Richter, Werbetexter, Verleger, Schriftsteller, Journalisten, Polizisten, Universitätsprofessoren und Rentner?“ (Auf die weiblichen Formen verzichtete ich aus Platzgründen.)
______________

Am 23.12.2005 um 11:38 antwortete Frau Dr. Krome:

„Wie Sie wissen, ist die amtliche Rechtschreibung für Schulen und Behörden verbindlich.“
______________

Ich schrieb um 11:59 mit dem Betreff: „Offizielle Mitteilung Bertelsmann“

„... vielen Dank für Ihre Antwort. Ihren Angaben zufolge ist "WAHRIG Die deutsche Rechtschreibung" nicht geeignet für den Gebrauch außerhalb von Schulen und Behörden. Eindeutiger hätte Ihre Antwort nicht ausfallen können. Bertelsmann verkauft ein Rechtschreibwörterbuch, das Schreibweisen enthält, die nur für Schulen und Behörden gelten. Ich weise Sie darauf hin, daß ich diese Aussage als offizielle Mitteilung aus Ihrem Hause ansehe.“
_____________________

45 Min. später kam von Frau Dr. Krome die zwischenzeitlich autorisierte Antwort:
Betreff: AW: Offizielle Mitteilung Bertelsmann

„... hiermit weise ich Sie darauf hin, dass keine der in Ihrer E-Mail vom 23.12., 11:59, genannten Aussagen offizielle Mitteilungen unseres Hauses sind. Ausschließlich der Wortlaut des in meinen E-Mail-Schreiben vom 23.12.05, 10:44 und 11:38, bezeichneten Inhalts ist von unserem Hause autorisiert. Bei den u. g. von Ihnen unterzeichneten Aussagen handelt es sich um subjektive Interpretationen Ihrerseits, die unrichtig sind und den Sachverhalt nicht zutreffend beschreiben.“
_____________________

Auch bei subjektiver Betrachtung wird das objektiv Folgerichtige zwangsläufig nicht falsch. Alles unterliegt einfachen Gesetzen der Logik. Das gilt auch für Bertelsmann.

Wenn eine Bestimmung oder Regelung ausdrücklich nur für einen eindeutig eingegrenzten Bereich ausgedacht, bestimmt und für gültig erklärt wurde, kann nicht sie nicht gleichzeitig über diesen Bereich hinaus gültig sein. Das versteht sich von selbst, wie man sieht:
1. Die Verkehrsregelungen für Flughafengelände finde keine Anwendung im Straßenverkehr.
2. Die Hygieneverordnungen für Krankenhäuser gelten nicht in U-Bahnen und Bussen.
3. Die Zulassungsbestimmungen für Führerscheinfahrprüfungen gelten nicht für die Aufnahme in Universitäten.
4. Die eindeutig nur für Schulen und Behörden verfügten Reformschreibweisen gelten nicht für die Allgemeinheit. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt: Personen außerhalb dieses Bereichs (Schulen) sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden (vgl. BVerfG, 1 BvR 1640/97 vom 14.7.1998, Absatz 162).

Doch zurück zu den autorisierten Bertelsmann-Mitteilungen:
Frau Dr. Krome hatte um 10:44 geschrieben: „Wie Sie wissen, ist die amtliche Rechtschreibung für Schulen und Behörden verbindlich.“

Um 11:38 schrieb sie: „... die aktuelle Ausgabe von "WAHRIG Die deutsche Rechtschreibung", erschienen im August 2005, setzt die aktuelle, amtliche und zur Zeit gültige Rechtschreibung korrekti und vollständig um.“

Also: Der WAHRIG 2005 ist ein Wörterbuch, das die für Schulen und Behörden verbindliche Rechtschreibung (angeblich) vollständig umsetzt. Mehr aber auch nicht. Die Allgemeinheit muß anderswo sehen, wie sie schreibt.

Man darf annehmen, daß die Frühjahrsausgabe des WAHRIG wieder nicht für die Allgemeinheit taugt. Vielleicht wird es besser mit der WAHRIG-Sommer- oder Herbstausgabe 2006. Schauen wir, was die nächsten Monate bringen.

Sicher ist: Bertelsmann wird nur verkaufen können, was der Markt verlangt. Umgekehrt funktioniert es nicht, auch nicht bei noch so subjektiver Interpretation.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 26.02.2006 um 15.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=431#2883

Die Aussage "die aktuelle, amtliche und zur Zeit gültige Rechtschreibung" ist ohne den Zusatz "für Schulen und Behörden" irreführende Werbung und Verbrauchertäuschung. Es gibt sicher einen Paragraphen dagegen. Tip: Rechtsanwälte könnten mit entsprechenden Abmahnungen Geld verdienen.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 26.02.2006 um 16.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=431#2884

Leider können Sie Bertelsmann diesen Strick nicht drehen, denn Frau Dr. Krome hat sich in ihrer Antwort gar nicht um Ihre Frage geschert (die sich explizit auf den WAHRIG bezieht), sondern sie hat pauschal verkündet, was sowieso jeder weiß (für wen die amtliche Rechtschreibregelung verbindlich ist). Weil das eine vom anderen unabhängig ist, kommen Sie auch mit der Logik nicht weiter.

Natürlich stimmt die Schlußfolgerung aus dem BVerfG-Urteil, daß die Allgemeinheit anderswo sehen muß, wie sie schreibt – aber das gilt für jedes reformschriebliche Wörterbuch, nicht nur für den WAHRIG, und diese Schlußfolgerung geht eben nicht auf Frau Dr. Krome zurück, sondern auf die Urteilsbegründung des BVerfG. Gleiches gilt für Ihre richtige Aussage »Bertelsmann verkauft ein Rechtschreibwörterbuch, das Schreibweisen enthält, die nur für Schulen und Behörden gelten«: Das können Sie nicht als Aussage von Bertelsmann hinstellen. Bertelsmann handelt zwar, wie Sie es beschreiben, braucht das aber nicht dazuzusagen, denn die Alleinverbindlichkeit der reformierten Schreibungen für die Schulen geht auf die Reformbetreiber zurück, nicht auf Bertelsmann.

Den einzigen Vorwurf, den man Bertelsmann machen könnte, ist, bei der Reform mitzumachen. Aber das wäre offensichtlich absurd, denn niemand hat bessere Chancen, von der Reform zu profitieren, als Bertelsmann.
 
 

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