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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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25.02.2006
 

Ein Täter spricht
Zehetmair scheint eine Kleinigkeit vergessen zu haben

Das haben wir natürlich besonders gern: Erst die Rechtschreibung zerstören und dann von den Opfern mehr Dialogbereitschaft verlangen!
Genau wie Friedrich Denk schon vor zehn Jahren sagte: Man klaut jemandem hundert Mark, und dann bietet man ihm großzügig fünfzig an und bezichtigt ihn der Prinzipienreiterei, wenn er alles zurückhaben will.

Was mich betrifft, so habe ich weder im Rat noch sonst irgendwelche Lehrsätze durchzuboxen versucht. Ich habe bloß das Prinzip hochgehalten, zu dem der Rat sich anfangs selbst bekannt hat: Grammatische Richtigkeit und Orientierung am Schreibbrauch. (Letzteres hätte auch allein ausgereicht.) Damit war und bin ich naturgemäß ein unversöhnlicher Gegner der Reform. Daß ich trotzdem eine Liste allenfalls hinzunehmender Reformschreibungen zusammengestellt habe, ist mir ja auch ein bißchen übelgenommen worden, auch wenn die Liste nicht gegen die beiden Kriterien verstößt. (In meinem neuen Buch ist sie ganz hinten auch noch mal enthalten.) Ein wirklicher Prinzipienreiter ist Gallmann; den muß man erlebt haben, wie er alle Welt belehrt, warum man ganz anders schreiben müsse als gewohnt.



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Kommentare zu »Ein Täter spricht«
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Kommentar von Johannes Faupel, verfaßt am 25.02.2006 um 08.30 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2875

Abstruse KMK-Logik: „Versuch nicht in allen Bereichen gelungen", aber unbedingt in allen Bereichen durchziehen!


Das Prinzip von Ursache und Wirkung will nicht jedem einleuchten. Neben einem dünnen Nervenkostüm haben die Reformdurchsetzer wenig Sinn für die Logik. Im vergangenen Sommer verlor eine Mitarbeiterin der KMK in Bonn die Fassung, nachdem ich ihr einige Fakten genannt und sie freundlich um die Beantwortung fünf berechtigter Fragen gebeten hatte:


21.07.05 14:09:33
„Sehr geehrte Frau Dr. Hüfner,

gerade in verfahrenen Situationen ist Gelassenheit besonders wertvoll. Die KMK behauptet, eine Rechtschreibreform durchzuführen, die allen oder den meisten Menschen zum Segen gereicht. Jetzt steht sie vor dem Scherbenhaufen und will es nicht zugeben. Vielmehr werden wieder einmal die Gegner des Verfahrens für dessen systemimmanentes Versagen verantwortlich gemacht.

Bei nüchterner Betrachtung sieht die Realität so aus: Die KMK hat die deutsche Rechtschreibung verändert. Das war nicht die Idee derer, für die sie angeblich gemacht war, die Reform. Diese Veränderung der Sprache hat sich nicht bewährt und wird sich nicht bewähren. Ein derart einfacher Sachverhalt leuchtet jedem Kleinkind ein, sofern es nicht mitten in der Trotzphase steckt. (...)"


21. Juli 2005 16:34:33
von "Angelika Huefner"
Betreff: Antw: Weiterhin offene Fragen: Rechtschreibreform

„... ich versuchs noch mal in aller gebotenen Kürze. Die KMK ist zutsändig für den Bereich Bildung, und hatim Kontext Schule den Versuch unternommen, die nicht ganz einfache deutsche Sprache etwas regelhafter und damit für Kinder und Jugendliche lernbarer und konstruktiv nachvollziehbarer zu gestalten. Dies mag ihr nicht in allen Bereichen gelungen sein, aber doch in weiten Teilen. Die Einzelheiten sind dem neuen Regelwerk zu entnnehmen, das Sie unter der berühmten Internetadresse finden. Schule unterrichtet nach diesem Regelwerk seit sieben Jahren. Sie hat für die bereits in der Schule befindlichen Kinder einen Übergangszeitraum geschaffen, i dem alte und neue Schreibweisen toleriert wurden. Sie hat diese Fehlertoleranz jetzt beendet, mit Ausnahme der Bereiche über die die alte Rechtschreibkommission keine Einigung herbeiführen konnte und die jetzt in einem neuen Verfahren mit einer veränderten Kommission neu entschieden werden. Die seit sechs Jahren die Schule besuchenden Kinder kennen gar nichts Anderes mehr als die neue Rechtschreibung. Wollen Sie dies ernsthaft wieder zurückdrehen ?
Gruß A. Hüfner"

 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 25.02.2006 um 09.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2876

"Abstrus" ist die Logik der KMK nur aus der Sicht des politischen Laien. Man hat der rigiden Uneinsichtigkeit der Minister gelegentlich wahnhafte Züge bescheinigt. In der Tat drängt sich einem der Eindruck von Realitätsverlust und Unfähigkeit zur Selbstkorrektur auf, besonders, wenn man erkennt, daß die Verantwortlichen an der Reform festhalten, nicht obwohl, sondern weil sie mißlungen ist. - Es geht ihnen mit den verschiedenen Reparaturversuchen wie dem Geistesgestörten, von dem der Pfleger berichtet: Herrn X. geht es schon besser. Er hält sich nicht mehr für Ludwig XIV., sondern nur noch für Ludwig XIII.
 
 

Kommentar von FOCUS, verfaßt am 26.02.2006 um 16.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2885

Jetzt wird nachgelegt, FOCUS Online meldet:
"Zeitungen sollen einheitlich schreiben"

Zeitungen sollen die neue Rechtschreibung konsequent anwenden

Der saarländische Bildungsminister Jürgen Schreier (CDU) fordert eine einheitliche Rechtschreibung in den deutschen Tageszeitungen. Zugleich kritisierte er die Blätter, die an der alten Schreibweise festhalten. „Das kann so nicht bleiben", sagte Schreier der „Saarbrücker Zeitung“. Er forderte die Zeitungen auf, die neuen Rechtschreibregeln zu übernehmen.

„Die Zeitungen haben durch ihre ausführliche Berichterstattung über die Schreibreform auch großen Anteil an den Veränderungen zum Guten. Nun müssen sie aber Verantwortung übernehmen und den Empfehlungen des Rechtschreibrats zur neuen Rechtschreibung folgen", sagte Schreier.

Korrektur der Reform

Nach rund einjähriger Arbeit will der Rat für deutsche Rechtschreibung am Montag in Berlin seine Empfehlungen zur Korrektur der Rechtschreibreform an die Kultusministerkonferenz (KMK) übergeben. Die KMK muss entscheiden, ob die Empfehlungen zum neuen Schuljahr ab 1. August umgesetzt werden.

| 26.02.06, 12:56 Uhr |

 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 26.02.2006 um 17.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2886

Dummes Geschwätz - nächster Akt

Von der "Demokratie" über den "Kompromiß" zur "Verantwortung". Die Zeitungen sollen die Verantwortung für den Mist übernehmen, den die Reformer, die KMK und schießlich auch der Rechtschreibrat fabriziert haben. Plötzlich sind sie diejenigen, die eine Wende zum Guten bewirkt haben. Das können doch nur die kritischen, unbotmäßigen "Gazetten" gewesen sein, die man noch vor kurzem höherenorts nicht genug schmähen konnte, sekundiert von einer willfährigen, staatshörigen Presse. Mal sehen, wer auf solch einen Trick hereinfällt
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 26.02.2006 um 19.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2887

Wenn die Zeitungen der Regierung folgen und die vom Volk abgelehnte Rechtschreibung verwenden, ist das nur eine neue Variante von Hofberichterstattung.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 26.02.2006 um 19.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2888

Auch wenn einige Zeitungen zurückbuchstabieren sollten, so heißt das noch nicht viel. Entscheidend ist, welche Rechtschreibung wir wirklich vorfinden werden. Denn eine staatliche Kontrolle samt Sanktionen ist ja wenig wahrscheinlich. Die reformierte Orthographie wird weiterhin nirgends lupenrein umgesetzt werden, bzw. wir werden weiterhin das große Durcheinander erleben. Vor allem aber werden die Schüler genauso viele Fehler machen wie zuvor. - Letztlich werden wohl doch die Gerichte sprechen müssen, gestützt auf Gutachten unabhängiger Sprachwissenschaftler. Denn Akzeptanz ist das eine, Sprachrichtigkeit das andere.
 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 27.02.2006 um 08.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2893

Ich finde schon, daß es viel heißt, wenn die Zeitungen zurückrudern, es heißt nämlich ganz einfach, daß die Reformschreibung im Alltag gesiegt hat. Den Kindern wird in der Schule nur dieser Mist aufgetischt, und wenn sie außerhalb der Schule dann Zeitung lesen, lesen sie den gleichen Reformunsinn.

Ich glaube auch nicht, daß die Gerichte unserer Sache irgendwie helfen könnten.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 27.02.2006 um 09.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2894

Ich bin vielleicht falsch verstanden worden, werter j.k. Natürlich ist es zunächst eine Niederlage der Reformgegner, wenn große Zeitungen jetzt wieder offiziell umstellen. Trotzdem sehe ich das ganze nicht als eine so große Katastrophe. Wie gesagt, die Reformschreibung wird uns auch danach nur in höchst fehlerhafter Form begegnen. Der "Sieg" ist ein nur äußerlicher. Die Reform funktioniert danach genauso wenig wie vorher. Man muß weiter als Partisan aktiv sein und nicht so sehr auf die offene Front schauen, wo man seine Kräfte auch verschwenden kann.
 
 

Kommentar von Fungizid, verfaßt am 27.02.2006 um 10.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2895

Jetzt verlangen sie auch noch von der FAZ, zu dieser Schwachsinnsschreibung zurückzurudern. Die Entscheidung, diesen Mist nicht mitzutragen, ist doch Teil eines Erkenntnisprozesses!
 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 27.02.2006 um 10.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2896

@ Kratzbaum:
Wissen Sie, ob und welche Verlagshäuser zur Reformschreiben zurückkehren?

Und ja, natürlich muß man auch später als "Partisan" auf der Lauer liegen, aber ich schätze die Chancen eher gering ein, da noch was auszurichten.

Ich hoffe einfach, daß in den nächsten Jahren und Jahrzehnten (!) langsam aber sicher immer mehr Schreibung zurückgedreht werden, so daß wir im Jahre 2030 (?) wieder so schreiben, wie wir's vor 1996 getan haben. Unsere österreichischen Mitleidenden haben ja die Heyse-Schreibung, um ein Beispiel zu nennen, schon mal erdulden müssen, und damals hat es 20 Jahre gedauert, bis sie wieder abgeschafft wurde, vielleicht dauert es bei uns auch so lange.
Die einzige Tatsache, die mich hier wieder pessimistisch stimmt, ist die, daß die Österreicher die Heyse-Schreibung niemals akzeptiert haben! Sie wurde in den Schulen gelehrt, außerhalb aber nie angewandt. Heute ist das anders: Wie schon oft erwähnt mag die Jugend Heyse, aus welchen Gründen auch immer, und Heyse wird im allgemeinen ohne unbequeme Fragen angewandt, leider. Somit stehen unsere Karten heute, zumindest was die Heyse-Schreibung betrifft, schlechter als damals.

Bleiben noch die anderen unsinnigen Regeln, die hoffentlich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten fallen werden, wobei wir auch für diese ein Negativbeispiel aus der Vergangenheit haben: 1901 wurden nicht nur sinnlose th-Schreibungen abgeschafft, sondern auch welche, die zur Wortunterscheidung dienen, ähnlich dem "greulich - gräulich", z. B. "Thau" und "Tau" ( das eine war das Tau, das andere der Tau, welches was war, weiß ich nicht mehr ;-) ), der "Thon" (Erdart) und der "Ton" (Klang) usw. Die Abschaffung der th-Schreibung in diesen Fällen hat der deutschen Sprache genausoviel Ausdruckskraft genommen wie die Aufhebung von "im allgemeinen" und "im Allgemeinen", "greulich" und "gräulich" und "alles mögliche" und "alles Mögliche". Bis heute wurden diese sinnvollen th-Schreibungen nicht wiedereingeführt, warum sollen also "greulich", "alles mögliche" etc. eine Renaissance erleben?

Das stimmt pessimistisch.
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 27.02.2006 um 12.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2897

Lieber j.k.

wenn noch mehr Schüler Ihrer Meinung sind, würde mich das wieder optimistisch stimmen. Mein Eindruck ist, daß viele Ältere nur aus Angst, alt und unbeweglich zu wirken, die Reform mitmachen, und dabei eine schöne Mischung aus alten, neuen und selbsterfundenen Schreibweisen hervorbringen.

Die Signale von der FAZ/FASZ, das eine von Schirrmacher ausgenommen, stimmen mich optimistisch. Zwischen Ickler und FAZ kann ich inhaltlich keine Differenzen erkennen. Wenn aber auch hier angefangen wird, Politik zu machen, dann kann alles passieren.

Springer war ja bis 2005 ein Oppositionsblatt, da kann man sich schonmal querstellen. Nun sind sie wieder am Ruder, und da ist die Versuchung doch groß, gegen eigene Überzeugungen zu handeln. Daß hier die Länder zu entscheiden haben, oder genauer, daß eine von den Ländern de facto weitgehend unabhängige Zentralstelle, die KMK, entscheidet, spielt bei dieser Überlegung wohl nur eine nachgeordnete Rolle.

Zum Thema Aust/Tiger/Bettvorleger ist, denke ich, schon alles gesagt (-> s.a. Wulff).


 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 27.02.2006 um 12.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2898

Leider muß ich Sie enttäuschen: Ich bin mit meiner Meinung wirklich alleine. Einige ganz wenige Ausnahmen bestätigen die Regel, jedoch sind diese Ausnahmen Schüler, die zwar die Neuregelungen verteufeln, aber die alten eigentlich auch nicht wollen. Das sind halt jene, die lieber so schrieben, wie sie wollen.

Und mit Springer haben Sie womöglich leider recht, jedoch ist die "BILD" das auflagenstärkste Blatt in Deutschland, d. h., wenn Springer zur Reformschreibung zurückkehrt, wäre das für uns schlechter als wenn z. B. die FAZ zurückkehren würde. Also die Rückkehr Springers zum Reformmist, wäre ein sehr großer Rückschlag für unsere Sache. Zwar schlösse diese Rückkehr eine von mir bereits angesprochene allmähliche Rücknahme nicht aus, jedoch ist diese schrittweise, langsame Rücknahme ja nicht sicher, wie der Vergleich 1901 - heute zeigt.
 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 27.02.2006 um 12.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2899

Ich habe folgendes vergessen zu sagen:
Um etwas näher auf diesen "Jugendwahn" einzugehen, möchte ich Ihnen folgendes erzählen: Vor zwei Tagen hatte ich eine Unterhaltung mit eineim 18jährigen Mädchen, welches, wie die übrige Jugend auch, für die Reform ist. Wir fingen an uns über Heyse zu unterhalten, und sie sagte zu mir, diese Regel leuchte doch wirklich ein, schließlich schreibe man jetzt wie man spreche. Ich gab ihr einen Verweis hier auf dieses Rechtschreibtagebuch, genauer auf eine Diskussion bezüglich der Nachteile Heyses. Sie schrieb, nachdem sie die Beiträge gelesen hatte, folgendes (ich zitiere aus der Erinnerung): "ich muss lachen wenn ich eure Beiträge lese. Ihr versucht wirklich mit aller kraft, die neue Rechtschreibung schlecht zu reden."

Dieser Satz von ihr hat mich zutiefst erschüttert, und er verdeutlicht das Denken des überwiegenden Teils der heutigen, reformliebenden Jugend.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 27.02.2006 um 13.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2900

Die Gegenseite hat gegrinst, als ausgerechnet die BILD-Zeitung sich seinerzeit zum Hüter der Qualitätsorthographie aufschwang. Wenn sie nun wieder umschwenkt, sollten im Gegenzug auch wir das nicht so dramatisch sehen - Auflagenhöhe hin oder her.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 27.02.2006 um 13.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2901

Liebe(r) j.k.,

es gibt keinen Grund, erschüttert zu sein Mit 18 hat man meistens andere Probleme als Heyse oder Adelung. Erschütternd sind vielmehr die Einstellungen mancher Erwachsener, aus denen entweder wilhelminischer Untertanengeist oder grenzenlose Ahnungslosigkeit spricht. Letzteres ist leider unter Lehrern besonders verbreitet.

Ärgerlich wird es, wenn die jungen Leute dann im Beruf stehen und gut schreiben sollen, denn die Reform nimmt auf die "Kundschaft", also die Leser, keinerlei Rücksicht. Generell beschränkt sich dies übrigens nicht nur aufs Schreiben. Ich kenne kaum einen Schulabgänger (Haupt-, Real- oder Gymnasialzweig), der in der Lage ist, einen Dreisatz zu rechnen.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 27.02.2006 um 14.17 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2902

Ob Schüler, Kinder zumal, die neue oder alte Schreibung besser finden, ist kein relevantes Argument (sorry, GEW), das ist in diesem Forum schon des öfteren bemerkt worden. Es gibt so manches, was man ihnen aus guten Gründen nicht zur freien Wahl überläßt - oder man braucht sich über die Folgen nicht zu wundern.

 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 27.02.2006 um 14.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2903

Herr Eversberg,
jedoch sind die heutigen Schüler die Erwachsenen von morgen. Und wenn die Erwachsenen dann morgen alle reformiert schreiben, weil sie das für gut halten, ist das sehr wohl wichtig.

Herr Schäfer,
wenn meine Altersgenossen nur andere Probleme hätten, wäre es schön, jedoch haben sie sich alle entschieden, Heyse ist besser, Heyse wird geschrieben! Und von dieser Meinung werden sie wohl kaum mehr abgebracht, weder mit 25 noch mit 35.

Im übrigen kann ich Ihnen auch sagen, daß bei uns kaum jemand in der Lage ist, zwei etwas längere Sätze zu lesen! Die meisten verstehen schon einfache Worte wie "qualitativ" nicht (kein Scherz!), lesen können sie's erst recht nicht. Eine Geschichte im Unterricht zu lesen, ist jedesmal eine Qual.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 27.02.2006 um 14.58 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2904

Sie haben sich alle entschieden? Na gut, dann aber konseqent: "Dass isst Misst" und "Wass kosstet dass" usw. Kurzer Vokal - ss, und damit bassta, nur so kriegt man die Fehlerquote auf Null.
Konnsequennt isst auch, wenn dass dann auf die annderen Konnsonanntenn übergreifft, mann kann ess ja hier unnd da schonn beobachtenn.

Aber Scherrz beiseite, wenn Sie dann zugleich zugeben, daß bei Ihnen "kaum jemand in der Lage ist, zwei etwas längere Sätze zu lesen!", darf man sich schon mal wundern, wer eigentlich über etwas kompliziertere Dinge entscheiden können soll.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 27.02.2006 um 15.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2905

Für Heyse kann man nur sein, wenn man nichts von den Problemen begriffen hat. Die von j.k. zitierten jungen Leute werden wohl kaum darüber befinden, wie die Orthographie der Zukunft aussehen soll. Eine neue Elite wird heranwachsen, die frei ist von den ideologischen Scheuklappen ihrer Väter. Sie werden erkennen und entscheiden, daß es so mit der Orthographie nicht weitergehen kann - weil selbst die maschinellen Korrekturprogramme an ihr scheitern. Wir sollten uns nicht allzusehr bei den Dummplapperern und Neu-Fetischisten aufhalten, es ist besser wir ignorieren sie ... aporopos "Mode": noch ist das ss für viele erregend neu und wird zur Abgrenzung gegen die konservativen "Alten" bewußt eingesetzt. Das wird sich aber bald einmal ändern. Es könnte dann eine Renaissance des ß entstehen.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 27.02.2006 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2906

So, jetzt ge' ich ein Bier trinken. Schließlich ist heute Rosenmontag. Zeit, um die ganze Rechtschreibsch... fortzuspülen!
Spannt mal alle aus!
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 27.02.2006 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2907

Lieber Herr Eversberg, bitte vergessenn Sie nicht die weisenn Worrte von Oberschulmeisterrlein Blüml inn seinemm Innterview:

Wie ich oben schon betonte, wird diese Regel von den Neulernern ganz leicht und schnell angenommen, weil sie die s-Schreibung an alle anderen Konsonantenverdoppelungs-Regeln angleicht. Man schreibt „sie kam“, weil das [a] lang gesprochen wird, man schreibt „der Kamm“, weil das [a] hier kurz gesprochen wird. Diese Regelung gilt nun ohne Ausnahme auch für die Verdoppelung von „s“.

Ess isst ebenn alless gannz einfach(ch)!
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 27.02.2006 um 16.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2908

Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,

erst einmal meine Hochachtung für Ihren ausgezeichneten offenen Brief! - Im übrigen entnehme ich Ihrem letzten Beitrag hier im Forum, daß Sie, wie auch ich und z.B. auch Prof. Ickler, eine Anhängerin der "Langzeittheorie" sind. Kommt Zeit, kommt Rat. Die
Reformsch... verwest von innen her. - Und jetzt schwinge ich mich aufs Rad und erfreue mich an der schönen Gleichgültigkeit der Natur.
 
 

Kommentar von Jens Stock, verfaßt am 27.02.2006 um 17.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2909

Zitat: Kommt Zeit, kommt Rat.

Nichts für ungut, aber lassen Sie uns gemeinsam hoffen, daß es nicht wieder so ein Rechtschreib-Rat ist ...
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 27.02.2006 um 17.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2910

Wir leben im Zeitalter des Machbaren. Erst wurde nichts gemacht, dann wurde einiges gemacht, heute wird alles gemacht.
Wo gemacht wird, wird weggeworfen: wir leben zugleich im Wegwerfzeitalter. Erst wurde nichts weggeworfen, dann wurde einiges weggeworfen, heute wird alles weggeworfen.
(Odo Marquard, Ende des Schicksals. Einige Bemerkungen über
die Unvermeidlichkeit des Unverfügbaren)
Woran scheitert die Rechtschreibreform? Das ist die große, immer wieder zu klärende Frage.
 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 27.02.2006 um 17.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2911

Herr Eversberg,
eigentlich haben Sie deutlich gemacht, wie's ist. Die Jugend kümmert's aber leider nicht.

Frau Pfeiffer-Stolz,
wo bitteschön soll diese neue "Elite" denn aufwachsen? Die heutige Jugend ist für die Reform. Diese Generation kann man nicht mehr "herichten", so sehr man sich auch anstrengt. Und weshalb künftige Generationen zurückrudern sollten, weiß ich auch nicht. Wie schon erwähnt schreiben wir, obwohl es sinnvoller wäre, auch weiterhin "Ton" immer ohne h. Die künftige Jugend wird daher auch nicht plötzlich auf eine Rechtschreibung zurückgreifen, die für sie schon 20 oder 30 Jahre zurückliegt.

Mit der Mode könnten Sie aber erschreckend recht haben! Tatsächlich könnte dies ein solches Ventil sein, jedoch werden diese jungen "Widerständler" auch im "vernünftigen Alter" die in der Jugend erworbenen Schreibungen nicht mehr aufgeben, schon gar nicht, wenn diese noch "offiziell" Schulschrift sind.

Ich werde mir heute jedenfalls nicht "frei nehmen", denn die Sprache ist mir zu wichtig.

Wie kratzbaum möchte aber auch ich Ihnen für Ihren offenen Brief danken.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 27.02.2006 um 18.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2912

Thon = Erdbodenart und Ton = Laut sind etymologisch (sprachgeschichtlich) begründbar, Thau ist es nicht; Tau = Seil ist ein Lehnwort aus dem Niederländischen wie so viele Seefahrtsbegriffe. Lehnwörter haben meist keine Sprachwurzel im Deutschen.
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 27.02.2006 um 19.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2914

Herr Ickler erwähnt sein neues Buch. Ganz blöde Frage: Wann gibt's das?


@ j.k.:

Ich kenne Schüler der Mittelstufe, die die Reform für ziemlich unsinnig halten. Besonders verärgert reagieren sie, wenn sie auf das ganze Hin und Her angesprochen werden, das letztlich auf ihre Kosten geht. Und wenn man dann noch ein wenig nachhilft und mit der Nase darauf stößt, was denn da alles für Unsinnigkeiten mit der Reform den Schülern aufgezwungen werden, dann hat man sie schnell auf der Seite derjenigen, die den Schwachsinn endlich abgeschafft sehen wollen.
Bei Lichte betrachtet ist die gesamte Reform doch nur Geringschätzung des Schülers. Denn der darf die Sprache nicht richtig lernen, da ihm das ja angeblich nur schadet. Und darüber hinaus soll er die (seine eigene!) Sprache auch gar nicht lernen und beherrschen, weil er dann ja Vorteile haben könnte. Und er darf auch nicht gefordert werden, alles muß für ihn ganz einfach sein. ... Es dauert nicht lange und er fühlt sich vorgeführt und vergackeiert. Und spätestens dann, wenn er mitbekommt, daß der Arbeitsmarkt Sekundäranalphabeten nicht brauchen kann, wird er hellhörig werden.
Ich bin überzeugt: Wenn sich etwas nicht ändern wird, dann wird es das sein, daß sich Schüler, die unterfordert werden und denen man hohe Anforderungen expressis verbis partout nicht zutrauen will, irgendwann selbst zur Wehr setzen werden, allein schon deshalb, weil sie sich in ihrem Stolz verletzt sehen. Womit sie ja auch recht haben.
Und was die 18jährige angeht, die uns alle so lustig findet: Schönen Gruß von mir, sie möchte doch mal Gegenbeispiele, also stichhaltige Pro-Reform-Argumente liefern. Und fragen Sie sie mal, ob sie immer jeden Scheiß (pardon!) unbesehen mitmacht, nur weil er von oben kommt. Wünsche ihr viel Spaß im Leben! So eine Loyalität wünscht sich jeder Diktator...
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 27.02.2006 um 19.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2915

Herr Ickler erwähnt sein neues Buch. Ganz blöde Frage: Wann gibt's das?

Laut buchhandel.de ab dem 21. März 2006.

 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 28.02.2006 um 08.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2916

@ Germanist:
So hätten wir zumindest den "Thon/Ton", den man begründbarerweise wiedereinführen könnte - tut man aber trotz der dann möglichen Unterscheidung und der dadurch einhergehenden Sprachvielfalt nicht.

Sehr geehrter Herr Weiers,
ich beglückwünsche Sie, daß Sie anscheinend noch solche Schüler gefunden haben! :-)

Diese Schüler der Mittelstufe mögen die Reform also nicht. Einfache Frage an Sie: Wenden sie die Reform außerhalb des Schulbereichs an oder schreiben sie bewährt. Wenn ersteres zutrifft, hilft die ganze Abscheu der Schüler vor der Reform nichts, sie tragen sie letztendlich doch mit und verhelfen ihr so zum Sieg.

In den nächsten Jahren, setzt sich die Reformschreibung durch, wenn auch die Mehrheit der Verlage reformiert schreiben wird, werden die Schüler ja gar nichts mehr von der alten Rechtschreibung wissen, und daher werden sie gar nicht den Wunsch hegen können, daß sie alt schreiben, um nicht so unterfordert zu sein.

Und: Ich habe das Fräulein bereits mehrfach gefragt, jedoch das einzige Pro-Argument, das sie nennen kann, ist: "Aber wenn's kurz gesprochen wird, muss man ss schreiben.' Ich hatte ja schon mal gesagt: Die Jugend trägt die Reform mit ohne sie zu hinterfragen. Und wenn man ihnen Beweise für die Unsinnigkeit der Reform liefert, sagen sie einem nur, man versuche mit allen Mitteln, die Reform schlecht zu machen, ohne daß sie jedoch tatsächlich Gegenargumente finden.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 28.02.2006 um 08.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2917

@jk: Machen Sie sich keine Sorge um die Heyse-Schreibung. Sie wird mangels Praktikabilität von selbst verschwinden. Die einen werden nach Schweizer Vorbild als ß durch ss ersetzen, die anderen bleiben bei Adelung. Diejenigen, die meinen, die Heyse-Schreibung sei "logisch", werden mit der vergrößerten Variabilität der ß-Anwendung zu leben lernen müssen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.02.2006 um 10.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2918

Bei der radikalen Abschaffung aller "th", die nicht von einem griechischen Theta abstammen, wurden auch sinnvolle Unterscheidungsschreibungen abgeschaft und neue Homonyme geschaffen. Einige "th" sind alt- und mittelhochdeutsch belegt. Die Indogermanisten schreiben in der rekonstruierten gemein-indogermanischen Sprache sehr viele behauchte Konsonanten.

Wer auch als Erwachsener weiter nur Kinder- und Jugendbücher liest, wird nicht mit der herkömmlichen Rechtschreibung konfrontiert werden.
 
 

Kommentar von Alexander Glück www.glueck.eu.tt, verfaßt am 28.02.2006 um 10.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2919

Folgendes steht ab heute auf meiner Internetseite:

Doppelkonsonanten nach kurzem Vokal?

Der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ hat die Rechtschreibreform kaum angetastet, wie Sie der vergleichenden Wörterliste der Forschungsgruppe Deutsche Sprache e. V. entnehmen können.

Finden Sie es vielleicht logisch, daß man jetzt „Tipp“ schreiben soll, aber nicht „fitt“, „Hitt“ und „topp“? Glauben Sie, man müsse jetzt nach kurzem Vokal immer Doppelkonsonanten schreiben? Warum schreiben Sie dann nicht „wass“, „dess“, „drinn“, „drann“, „ess“, „unnd“ oder „Kinnd“?

Die Reformercliqie hält Sie auch im vierten Schreibdekret zum Narren!

Machen Sie sich selbst ein Bild, indem Sie alles, was Sie über die Reformschreibung wissen, ohne jede Ausnahme anwenden!

Das sieht dann zum Beispiel so aus:

(Verunstaltungen von mir)

Zu derr heute in Berrlin vollzogenenn Übergabe derr Emmpfehlunngenn dess Rates für deutsche Rechtschreibung ann die Kulltussminnisterkonnferrennz errklärt die Forrschungsgruppe Deutsche Sprache (FDS), dass die von Hanns Zehetmair bettriebene Rechtschreib Revvision auff die ein Führung einerr weiterren provvisorischen Ortograffie hinnaus laufe, die auf Grunnd ihrer schweren Männgel nicht vonn Dauer sein könne. Die ein Heitlichkeit derr deutschenn Recht Schreibung könne schon desshalb nicht wieder erlangt werden, weil die ein Führung unn zähliger neuer Schreib Varianntenn vor gesehen sei.

Ess sei offen sichtlich unnzutreffend, dass nur ein Fünnftell derr Rechtschreib Reform bleiben werrde, wie vonn Zehetmair behauptett (Derr Tagesspiegel, 27. 2.). Tatsächlich solle nach Schätzungen derr FDS inn einem durchschnittlichenn Texxt ettwa jedes tausendste Worrt wieder zusammen statt getrennt geschrieben werden dürrfenn. Vonn hunndert reformiertenn Wörtern bliebenn unngefähr 97 bis 99 vonn der Zehetmair-Reform unnberührt.


Dass glauben Sie nicht? Sie nehmen mirr diesen Käse nicht abb?

Dann schauen Sie doch mal bei Google nach:

deßhalb/desshalb: 509.000 Treffer
vonn: 347.000 Treffer
Aufwändungen: 33.900 Treffer
bließ/bliess: 27.900 Treffer
hinnaus: 16.900 Treffer
auswändig: 15.600 Treffer
bewieß/bewiess: 11.600 Treffer
würrde: 3.480 Treffer
ettwa: 3.420 Treffer
verwannt: 3.400 Treffer
werrde: 1.250 Treffer
hinauß/hinauss: 594 Treffer
unngefähr: 325 Treffer
beweißte/beweisste: 321 Treffer
Fünnftel: 5 Treffer
Fünftell: 1 Treffer

Stand: 28. Februar 2006, 10.25 Uhr

Verantwortlich für dieses Desaster: KMK, MPK und Rechtschreibrat
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 28.02.2006 um 11.21 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2920

Das Problem bei den Schülern ist ja, daß sie so gut wie gar nicht schreiben – weder in der Schule (und da auch nur bei Arbeiten und den paar Hausaufgaben, die sie schriftlich anfertigen müssen; Mitschriften aus dem Unterricht sind locker zu vernachlässigen) noch zu Hause, wo sie eigentlich überhaupt nicht schreiben; außer vielleicht in dem ein oder anderen Chat, aber da zählt Rechtschreibung ohnehin nichts, da langt es, sich mit transliterierten Grunzlauten verständlichzumachen. Demzufolge wenden sie zwar die reformierte Rechtschreibung auch nicht an (das tut ja sowieso niemand, auch wenn viele davon überzeugt sind), die normale Rechtschreibung benutzen sie dafür auch nicht. Später, wenn in der Oberstufe dann doch mehr geschrieben wird, hält das Chaos Einzug – wie zu erwarten.

Mich wundert, daß besonders Jungen – so habe ich zumindest den Eindruck – eher den Unsinn der Reform einsehen. Bei Mädchen habe ich es oft genug erfahren, daß sie blind alles nachplappern, was die Reformpropaganda ihnen vorgaukelt. Die sind da sehr unterwürfig, um das mal so zu sagen. Dabei sind es in der Regel eher die Mädchen, die auch zu Hause mehr schreiben als Jungs (Tagebuch, kleine Briefe usw. Mädchen sind ja im allgemeinen kommunikativer, was das angeht).

Aber kein Grund zur Sorge, lieber j.k., der Widerstand wird schon nicht zum Erliegen kommen. Und wenn's auch jetzt nicht klappen sollte: in nicht allzu ferner Zukunft werden die Leute merken, was da angerichtet worden ist. Dann werden sich alle nach verläßlichen "Altschreibern" die Finger lecken.
Man muß nur den längeren Atem haben. ;)

 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 28.02.2006 um 11.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2921

@ Germanist:
Zu sagen, nur wer Kinder- und Jugendbücher liest, wird mit Reformschreibung negativ überrascht, wäre falsch. Erst kürzlich habe ich eine Goetheedition gesehen mit "Faust I & II", "Die Leiden des jungen Werhter" usw. Alles in reformierter Schreibung! Und das wird auch künftig so weitergehen, daher wird man in Zukunft auch bei "erwachsener" Literatur immer öfter auf die Neuschreibung stoßen.

@ Glasreiniger:
Na ja, ich bin da eher skeptisch, was das angeht. Sie haben zwar recht, daß es künftig immer mehr so wird, daß jeder so schreibt, wie es ihm paßt, aber das ist ja nicht die erwünschte Rückkehr zur Adelungschen s-Schreibung. Auch heute liest man ja schon: "In Weißrußland sind die Strassen ..." (Habe ich kürzlich im Internet gelesen.) Einmal habe ich sogar, kein Witz, "Weissrußland" gelesen. Man trifft auf "Preussen" (Wenn ich mich nicht irre, sogar auf der Webseite der Hohenzollern!), auf "beissende Hunde" und auf "grosse Probleme". Man kann lesen: "Das Haus, dass nun vor Gericht verhandelt wird, läßt den ... keine Ruhe, sodass sie ..."
Aber all diese Schreibungen, die zukünftig sicher mehr werden, werden nicht, wie oben bereits erwähnt, zur Rückkehr zu Adelung führen.

In den Schulen muß Adelung wiedereingeführt werden, und die Verlage müssen Adelung wieder allesamt anwenden - dann wäre das Problem gelöst. Wird aber leider nicht passieren.
 
 

Kommentar von Bardioc, verfaßt am 28.02.2006 um 11.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2922

Beitrag verfaßt von j.k. am 27.02.2006 um 12:59 Uhr (Link)

''... Vor zwei Tagen hatte ich eine Unterhaltung mit eineim 18jährigen Mädchen, welches, wie die übrige Jugend auch, für die Reform ist.''

Woher wissen Sie bzw. das 18jährige Mädchen, ob die übrige Jugend für die Reform ist?

''... Wir fingen an uns über Heyse zu unterhalten, und sie sagte zu mir, diese Regel leuchte doch wirklich ein, schließlich schreibe man jetzt wie man spreche.''

Tat man das im wesentlichen nicht immer schon?

''... Ich gab ihr einen Verweis hier auf dieses Rechtschreibtagebuch, genauer auf eine Diskussion bezüglich der Nachteile Heyses. Sie schrieb, nachdem sie die Beiträge gelesen hatte, folgendes (ich zitiere aus der Erinnerung): "ich muss lachen wenn ich eure Beiträge lese. Ihr versucht wirklich mit aller kraft, die neue Rechtschreibung schlecht zu reden." ''

Versetzen Sie sich bitte mal in die Lage des Mädchen: Sie bekommen eine Internet-Adresse auf der sie massenhaft Informationen über ein bestimmtes Thema finden, das für Sie schon längst abgehakt ist. Würden Sie sich wirklich durch alles das ''durchfressen'', würden sie wirklich viel Zeit und Geduld dafür aufbringen. -- Sicher nicht! So sollten Sie den Inhalt Ihres Zitats des Mächens sehen.

''Dieser Satz von ihr hat mich zutiefst erschüttert, und er verdeutlicht das Denken des überwiegenden Teils der heutigen, reformliebenden Jugend.''

Noch einmal, woher wissen Sie, daß die Jugend reformliebend ist? Letztlich wissen die doch gar nicht, um was es bei der Reform wirklich geht. Sie können es noch gar nicht wissen, deshalb klammern sie sich an das einzige, was sie gelernt zu haben glauben: die reformbedingten Schreibungen! Und das gilt nur für diejenigen, die ziemlich mit Scheuklappen behaftet durch die Welt gehen.

Was ich schon immer einmal vorschlagen wollte: Könnte man hier nicht eine spezielle
Webseite einrichten, die nicht massenhaft die hochgeistigen Meinungen und Diskussionen von Sprachliebhabern und Sprachwissenschaftlern enthält, sondern -- in einer für Schüler verständlichen Sprache -- ganz kurz die Vorteile der klassischen Rechtschreibung und insbesondere des scharfen ß darstellt?
 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 28.02.2006 um 13.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2923

Bardioc,
"Woher wissen Sie bzw. das 18jährige Mädchen, ob die übrige Jugend für die Reform ist?"

Weil leider alle jungen Menschen, mit denen ich über dieses Thema spreche, für die Reform sind, mit einigen wenigen Ausnahmen, jedoch selbst diese Ausnahmen sind zumindest für die Heyse-Schreibung.

"Tat man das im wesentlichen nicht immer schon?"

Mein Statement war auf die Heyse-Schreibung bezogen. Und die heutige Jugend findet diese Schreibung nun mal logischer, weil man, so die Jugend, schreibe wie man spreche, während man das bei Adelung nicht tue. Nach kurzen Vokal müsse ss stehen, daher sei die Heyse-Schreibung besser als die Adelungsche.

"Versetzen Sie sich bitte mal in die Lage des Mädchen ..."

Ja, damit mögen Sie recht haben, jedoch ist es immer so, daß wenn ich Jugendliche oder junge Erwachsene mit guten Argumenten zu überzeugen versuche, sie immer damit kommen, ich würde die leichte und tolle neue Rechtschreibung mit allen Mitteln schlechtreden wollen.

"Noch einmal, woher wissen Sie, daß die Jugend reformliebend ist? ..."

Damit könnten Sie auch recht haben: Die Jugend mag die Reform nur, weil sie nichts anderes gewöhnt ist. Jedoch nützt uns das Argument nicht, denn ob die Jugend die Reform aus Gewohnheit, aus Überzeugung oder aus einer Dummheit heraus gutheißt, Fakt ist: Sie heißt sie gut.

"Was ich schon immer einmal vorschlagen wollte: ..."

An sich eine gute Idee, jedoch greift wieder die Tatsache, daß sich die Jugendliche einen Dreck kümmern um noch so gute Argumente. Ihnen ist es egal, sie wollen es nicht hören. Für sie ist die Reform etwas Wunderbares, eine Sprachvereinfachung, etwas Gutes einfach, das wollen sie nicht aufgeben, da können wir ihnen noch so gute Argumente liefern: Für sie ist und für sie bleibt die Reform das Maß aller Dinge.
 
 

Kommentar von V. Okal, verfaßt am 28.02.2006 um 13.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2924

@ Alexander Glück:

Was Sie da bzgl. der Konsonantenverdopplung schreiben und dann am Beispiel ausführen, ist nicht ganz richtig. Die Kürze des Vokals (und darum geht es vor allem dem Leser!) wird gekennzeichnet durch mindestens zwei Konsonanten, also spreche ich Vokale mit nur einem Folgekonsonanten in der Regel lang (Hase, Hast, Hass). Wenn ich nach kurzem Vokal nur einen Konsonanten höre, muss ich diesen verdoppeln.

Dies gilt aber nur für betonte Vokale im Wortstamm bei bedeutungstragenden Wörtern und eben nicht für Funktionswörter, die "in der Regel" nicht regelhaft geschrieben werden. Da sie aber nicht bedeutungstragend sind, fällt uns das nicht so auf. Insofern sind Ihre "Emmpfehlunngenn" ein schönes Beispiel für:
"Si tacuisses...."

Helau!

V. Okal
 
 

Kommentar von Ronald Leideck, verfaßt am 28.02.2006 um 13.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2926

Der Beitrag von V. Okal ist sicher nur ein Karnevalsscherz...

Er erklärt nicht, warum z. B. Hit und Tipp so verschieden geschrieben werden.

Hätte er sich sparen können!
 
 

Kommentar von Klaus Malorny, verfaßt am 28.02.2006 um 16.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2927

Heyse hilft dem Leser nicht. Kennt er das Wort nicht, so hilft es ihm auch nicht, wenn er weiß, wie es ausgesprochen wird. Außer, er sitzt gerade bei Günter Jauch und kann den Telefonjoker benutzen.

Zudem: Adelung ist natürlich viel zu schwer, aber jeder Erstkläßler weiß natürlich, was »betonte Vokale im Wortstamm bei bedeutungstragenden Wörtern« sind.

Zuviel der Worte...

 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 28.02.2006 um 17.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2928

Da bekanntlich Leute, die etwas schwer von Begriff sind, Erklärungen brauchen, hier nochmal speziell für V. Okal:

Reformer wie Heller, Blüml und andere ziehen durch die Lande und predigen: "Nach kurzem Vokal stets doppelter Konsonant". Basta.

Nicht wenige Menschen – nicht nur aus den kognitiv herausgeforderten Schichten, sondern auch so gebildete wie V. Okal! – nehmen's wörtlich und schreiben munter, wie sie's vor dem inneren Ohr hören.

Schau dem Volk aufs Maul! Das schrieb Luther, den man auch noch aus anderen Gründen gutfinden kann. Heute können Sie, Okal und ich dem Volk via Google aufs Maul schauen. Dort haben wir die übergeneralisierte Schreibwirklichkeit.

Nur ein ideologisch verseuchter Reformer kann davor die Augen verschließen.

Okal, schauen Sie doch selbst nach und lassen Sie nicht den armen Glück die ganze Arbeit machen! Schauen Sie ins Google! Geben Sie falsche Schreibungen in das Suchfeld ein! Sie bekommen erquickliche Ergebnisse!
 
 

Kommentar von Bardioc, verfaßt am 28.02.2006 um 17.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2929

"Woher wissen Sie bzw. das 18jährige Mädchen, ob die übrige Jugend für die Reform ist?"

Weil leider alle jungen Menschen, mit denen ich über dieses Thema spreche, für die Reform sind, mit einigen wenigen Ausnahmen, jedoch selbst diese Ausnahmen sind zumindest für die Heyse-Schreibung.

Vielleicht, weil Heyse das einzige ist, was sie zu verstanden haben glauben!

"Tat man das im wesentlichen nicht immer schon?"

Mein Statement war auf die Heyse-Schreibung bezogen. Und die heutige Jugend findet diese Schreibung nun mal logischer, weil man, so die Jugend, schreibe wie man spreche, während man das bei Adelung nicht tue. Nach kurzen Vokal müsse ss stehen, daher sei die Heyse-Schreibung besser als die Adelungsche.

Dann fragen Sie doch mal, warum Heyse logischer ist. Was heißt hier überhaupt ''logisch''? Letztlich geht es doch um Festlegungen, und die sollten möglichtst sinnvoll sein. Die Tatsache, daß etwas logisch ist, bedeutet noch lange nicht, daß es dann auch Sinn macht. Hier sollte man ansetzen: Wollt ihr euch mit sinnlosen oder sinnentstellenden Regeln abmühen?
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 28.02.2006 um 18.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2930

Da Deutsch eine "natürliche" und keine "regelmäßige" Sprache ist (wie zum Beispiel Esperanto), muß hier grundsätzlich alles-vollständig-in-Regeln-fassen zum Scheitern verurteilt sein. Alle von den Germanisten im dunklen Dschungel der Sprache gefundenen (!) Regeln sind Behelfskrücken... und wir müssen uns eigentlich nur darüber streiten, welche Krücken uns denn am besten gefallen – bzw. welche uns am wenigsten bei unserer Arbeit (dem Schreiben/Lesen) behindern.

Adelung: SS, wenn man nach Sprachgefühl die beiden Buchstaben silbenmäßig auftrennt. ß, wenn man den Zischlaut nicht auftrennen kann.

Heyse: SS nach kurzen Vokalen (Wohlgemerkt: ebenfalls kurz oder lang nach Sprachgefühl). ß nach langen Vokalen oder Umlauten/Diphtongen.

In beiden Fällen gibt es aber unzählige Ausnahmen, die von der RSR nicht beseitigt wurden.

Das Grundproblem ist daher: Wir haben über 100 Jahre Adelung gelernt und die zugehörigen Ausnahmen sind uns "Altschreibern" (Gott... bin ich wirklich schon so alt) ins Blut übergegangen. Die gleichen Ausnahmen gelten aber auch für Heyse... und so heißt es Ergebnis und nicht Ergebniss oder Ergebniß.

Mein Ergebnis: Leider kann man Heyse nur anwenden, wenn man die adelungschen Ausnahmen kennt. Also muß jeder Neuschreiber lernen, wann es nach Adelung ß, SS oder S heißt und kann erst dann die Heyse-Krücke verwenden – oder er macht peinliche Fehler. Hier hat die Rechtschreibreform versagt, indem sie eben nur die Heyse-Fraktur-Regeln in das 21. Jahrhunder transportierte.

Und als spezielles Heyse-Problem: Das Schriftbild wird durch häßliche SS-Häufungen verunstaltet. Und gerade als Physiker bin ich mit Messergebnissen nicht glücklich.

Zudem... als jemand, dem die Adelung-Krücke in Fleisch und Blut übergegangen ist, mache ich bei vielen Neuschrieb-Wörtern unweigerlich Silbentrennungen in gelesenen SS ... und so lese ich eben Mes-ser-geb-nis und nicht Meß-er-geb-nis (bzw. Mess-er-geb-nis)! Aber das ist wohl nur mein Problem ;-)
 
 

Kommentar von Bardioc, verfaßt am 28.02.2006 um 18.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2931

"Da Deutsch eine "natürliche" und keine "regelmäßige" Sprache ist (wie zum Beispiel Esperanto), muß hier grundsätzlich alles-vollständig-in-Regeln-fassen zum Scheitern verurteilt sein."

Ich würde die Sprachen nicht in "natürliche" und "regelmäßige" unterteilen, wie das bei Sprachen wie Esperanto, also sog. Welthilfssprachen getan wird. Es gibt auch "natürliche" Sprachen, die relativ regelmäßig sind, wie z. B. Türkisch, und erfundene Sprache, die natürlich erscheinen wollen ...

 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 28.02.2006 um 19.29 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2932

Mir geht es genauso wie Kai Lindner: ich assoziiere das Wort "Messergebnis" in dieser Schreibweise immer mit einem gedeckten Tisch.

Man kann die Reform herrlich verulken. Ich mache mich z.B. manchmal über das Reform-ss lustig, indem ich Wörter wie "dass", "muss" oder "verlässlich" mit langem Vokal und extralangem stimmhaften s lese. Ist zwar albern, aber schön! ;)
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 28.02.2006 um 19.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2933

> Adelung: SS, wenn man nach Sprachgefühl die beiden Buchstaben Silbenmäßig auftrennt. ß, wenn man den Zischlaut nicht auftrennen kann.

Ich wäre dafür, diese Erklärung aus dem Verkehr zu ziehen. Erstens ist sie falsch, wie man daran sieht, daß die Schweizer "beis-sen" trennen dürfen, wie man es früher auch sonst gemacht hat, und ich es immer noch halte. Zweitens ist sie zirkelschlüssig, denn man müßte ja die richtige Trennung schon wissen, aber gerade die Trennregel ist wesentlich schwieriger als nötig.

So ist es m.E. einfacher: "ss" wird immer durch "ß" ersetzt, außer an Zusammensetzungsfugen, oder wenn das "ss" (inlautend) zwischen Vokalen steht und die Kürze des vorhergehenden Vokals markiert.

Ausnahmen vermag ich da nicht zu erkennen. Das Problem der Unterscheidung zwischen dem einfachen und doppelten "s" ist an sich kognitiv gleich schwierig unter Heyse und Adelung. Praktisch hat sich aber wegen des Ranschburg-Phänomens gezeigt, daß der Fehlertyp "doppeltes s anstelle des einfachen", der früher kaum eine Rolle spielte, inzwischen weit verbreitet ist.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 28.02.2006 um 20.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2934

Tja... die Regel ist einfach (oder besser: vereinfacht) aber eingängig... und als Munition gegen die Kurze-Vokale-Regel daher gut zu verwenden.

Natürlich ist sie nur die halbe Wahrheit, denn sie läßt sich – wie wir alle wissen – auf das Anlaut-S und Auslaut-S in der Fraktur zurückführen. Und die Unregelmäßigkeiten sind es, die eine Sprache erst interessant machen.

Man möge mir als Germanistiklaien verzeihen... aber mit silbenmäßiger Auftrennung meinte ich jene Zusammensetzungsfugen.

In meinen Duden wird natürlich bei-ßen getrennt. Und, da wir Deutschen noch immer Besitzer eines ß sind, gilt die Ausnahme nur für die armen Schweizer, die ihr ß irgendwo verloren haben. Vielleicht sollten wir jedem Schweizer sein persönliches ß schenken, damit sie es hegen und pflegen können, und so wieder ein vernünftiges Verhältnis zu den aussterbenden Buchstaben der deutschen Sprache bekommen.

Als Wissenschaftler bleibt mir noch anzumerken, daß es keine wissenschaftliche Untersuchung (*) zum Problem der SS/S/ß Fehler in der NRS gibt. Dieses Problem erscheint mir zwar logisch... aber ohne Beweis kann man kaum darauf verweisen.

____
*: Mit "wissenschaftlich" meine ich, Kontrollgruppen von vernünftiger Größe... also im Rahmen von 100 Klassen à 30 Schülern. Aber, da dieses schon den Rahmen der (höchstgradig unwissenschaftlichen) PISA Studie übertreffen würde, ist kaum mit solch einer Untersuchung zu rechnen.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 28.02.2006 um 21.34 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2935

Glasreiniger hat durchaus recht. Bei Diphthongen gibt es keine Unterscheidung zwischen langer und kurzer Silbe. Daher ist auch die Trennstelle nicht eindeutig. Phonetisch sind sowohl die Trennungen "Bei-ßen" als auch "beis-sen" möglich.
Damit stellt sich die Frage, warum überhaupt nach Diphthong ß geschrieben wird. Dies erscheint mir in der Heyse-Schreibung recht unmotiviert, da bei dieser Schreibung das ß nur noch dazu dient, die lange Silbe zu kennzeichnen, nach Diphthongen daher eigentlich unnötig ist. Bei Adelung wird dagegen ss nur dann geschrieben, wenn die Trennfuge zwingend zur Aufspaltung des s-Lauts führt. Anders ausgedrückt: Bei Adelung ist das ß der Normalfall, bei Heyse das ss. Man könnte auch sagen, daß bei Adelung der Grundsatz der Schreibökonomie gilt: Doppelkonsonant nur wenn nötig.
Die von Glasreiniger bevorzugte, angeblich "einfachere" Regel hat den entscheidenden Nachteil, daß sie völlig unmotiviert, ja willkürlich wirkt. Es ist doch gerade diese Regelformulierung, die die Heyse-Schreibung für viele, ja wahrscheinlich die meisten, so "logisch" erscheinen läßt.
Noch "logischer" erschiene es mir übrigens, das ß grundsätzlich für das stimmlose s, das s für das stimmhafte zu verwenden, allerdings unter Berücksichtigung des Stammprinzips. Ergebnis: Raßßen und Rasen; Meßßen, Meßßer und Meßßergebnis; beißen; Haus und Häuser; Geheimniß und Geheimniße usw.
Noch besser wäre es, ein ß in Großschreibung einzuführen. Damit könnte man Fremdwörter phonetisch viel korrekter schreiben, z.B. klarmachen, daß sich der bekannte Dissident ßacharow und nicht Sacharow ausspricht. Schon erstaunlich, was sich die Reformer so alles haben entgehen lassen!
Noch eine kleine Abschweifung: Auf Grund aktueller Ereignisse ist mir aufgefallen, daß der Schreibfehler "Karrikatur" anscheinend recht häufig auftritt.

 
 

Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 01.03.2006 um 08.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2940

Die Fehlschreibung "Karrikatur" ist mir auch schon aufgefallen. Wenn man sie allerdings nach einem üblichen, etwas hemdsärmlichen Verfahren überprüft (www.google.de , "Seiten aus Deutschland"), finden sich etwa 75.000 Fehlschreibungen neben 2,2 Millionen richtig geschriebenen Fundstellen. Das ist Promillebereich und somit vernachlässigbar. Prozentual erheblich häufiger sind Fehlschreibungen wie "asozial", "agressiv", "brilliant", "detailiert" oder auch (ja!) "dilletantisch".

Man könnte mit einem gewissen Recht einwenden, daß dies alles Fremdwörter sind, die zum Wortschatz nur des Bildungsbürgers gehören.

Erstaunt hat mich allerdings die Häufigkeit der Schreibung "Häckchen", die zeigt, daß es offenbar doch nicht ganz so einfach ist festzustellen, ob ein Vokal nun lang oder kurz gesprochen wird. Erstaunlich häufig ist auch – bei deutschen Wörtern – die Schreibung "Gries" für "Grieß". Auch "hälst" für "hältst" wird oft geschrieben.

Die Rechtschreibreform wirkt übrigens! Wer es nicht glaubt, möchte mal nach der Schreibung "vorraus" googeln. Im Moment finden sich 2.200.000 : 8.300.000 Fundstellen, etwa jedes fünfte "voraus" ist also im deutschen Internet bereits falsch geschrieben.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 01.03.2006 um 09.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2941

Hemdsärmlich ist aber auch hübsch! (Im DWb übrigens noch hemdärmelig und nicht in der übertragenen Bedeutung.) Es ist alles möglich. Gestern war ich zu Gast in der neuen Sendung von Arabella Kiesbauer, Talk ohne Show. Man war dort der Meinung, Urinstinkt solle fortan nur noch nach dem n getrennt werden. Nicht nur weiß Zehetmair nicht, wovon er spricht, die Adressaten tun es auch nicht.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 01.03.2006 um 09.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2942

Die Trennung Urin-stinkt finde ich nicht weiter schlimm... man würde schließlich auch In-stinkt trennen...

Man muß die vielen neuen Trennungsmöglichkeiten einfach mal positiv sehen... so gibt es auch in der NRS Bereiche, in denen sich die "schreibende Elite" vom "schreibenden Volk" (oder: den dummen Textverarbeitungsbenutzern) abheben kann ;-)

Frage am Rande: Müßte es nach NRS nicht Urins-tinkt getrennt werden?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 01.03.2006 um 09.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2943

Richtig, das ist auch möglich. Ich habe in der Sendung darauf hingewiesen. Mein Kontrahent, Fritz Tangermann, erzählte daraufhin etwas von Toleranz.
 
 

Kommentar von Fungizid, verfaßt am 01.03.2006 um 09.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2944

Herr Gerdes, ich wüßte nicht, was an "asozial" falsch sein sollte. Schreiben Sie das vielleicht mit ss?
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 01.03.2006 um 09.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2945

> "asozial"

Was ist daran falsch? Häufig findet man "assozial" (heute zu -> Ass).

> "brilliant"

ist englisch für "brillant".

> "agressiv"

"agressif" ist französisch für "aggressiv"

(Das ist aber auch nicht einfach auseinanderzuhalten.)
 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 01.03.2006 um 10.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2946

Bardioc,

"Dann fragen Sie doch mal, warum Heyse logischer ist. ..."

Das habe ich mehrmals getan und auch hierhin gepostet. Es kommt immer dieselbe Antwort: "Es ist logischer, weil wenn man kurz spricht, man ss schreiben muss." Immer dasselbe, immer dasselbe.

Und daß die Jugend nur Heyse versteht, ist, so glaube zumindest ich, auch nicht ganz korrekt, denn Adelung ist nicht so schwer, daß die Jugend es nicht verstünde – sie will nur nicht.


@ Glasreiniger:
Früher wurde, wenn ß nicht vorhanden war, so getrennt, als wäre es vorhanden: "bei-ssen", "Stra-sse", das galt auch in der Schweiz! Auch in der Schweiz trennte man "gro-sse" und "Flo-sse" etc. Nach der Neuregelung wird anders getrennt, aber nicht nur in der Schweiz, auch in Deutschland und Österreich! Nämlich: "beis-sen", "Stras-se" usw.



Ein "witziges" Phänomen ist auch, daß Adjektive manchmal ganz komisch geschrieben werden, so findet man immer öfter "Deutschland-weite Angebote".
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 01.03.2006 um 10.32 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2947

Daß in jugendlichen Köpfen eine Unlogik als Logik verankert wird und nicht mehr wegzukriegen ist, das gehört mit zu den unvorhergesehenen Nebenwirkungen der Reform. Eine Evaluierung hätte gerade auch solche Effekte zu untersuchen.
 
 

Kommentar von Bardioc, verfaßt am 01.03.2006 um 10.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2948

David Weiers: ''Mir geht es genauso wie Kai Lindner: ich assoziiere das Wort "Messergebnis" in dieser Schreibweise immer mit einem gedeckten Tisch.''

Meine Assiziationen sind da eher schwärzerer Art: Cäsar und Brutus! Wer weiß, vielleicht hat Brutus Cäsar ja bei Tisch das Messer gegeben!

 
 

Kommentar von Bardioc, verfaßt am 01.03.2006 um 11.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2949

Ähnlich wie beim Wort "asozial" vs. "assozial" verhält es sich auch beim Wort "Resource" vs. "Ressource". Im Englischen heißt es "resource". Woher das Doppel-s im Deutschen kommt, ist mir schleierhaft.

Als ich in die 5. Klasse kam, warf mir ein Mitschüler vor, ich sei asozial. Damals wußte ich nicht, was das bedeutet. Seitdem mag ich alle Wortbildungen mit "soz" nicht. Irgendwann hatten wir dann "Sozialkunde", wobei man aber vergaß zu erklären, was dieser Begriff bedeutet. Ich mochte dieses Fach nicht, weil es mir das schien, was ich heute mit dem Begriff "ideologisch" bezeichnen würde.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.03.2006 um 11.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2950

Für Nichtlateiner ist es wohl schwierig, die Vorsilben "a-" = un- und "ad-" = an, wobei sich das "d" an den nachfolgenden Konsonanten angleichen kann wie in acc-, aff-, agg-, all-, amm-, ann-, app-, arr-, ass-, att-, zu unterscheiden. Es sollte im Deutschunterricht unter Fremdwortkunde behandelt werden.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 01.03.2006 um 11.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2951

Im Fall des Worts "asozial" dürfte die Bemühung des Lateinischen fehlschlagen. Die verdoppelten Konsonanten kommen regelmäßig von der lateinischen Vorsilbe "ad", wohingegen das einfache a dem Griechischen nachempfunden ist. Insofern zeugt die Falschschreibung "assozial" sogar von einem - hier allerdings unangebrachtem - Einfühlen in die richtige Wortbildung.
 
 

Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 01.03.2006 um 11.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2952

Ich mach mal die Ingrid:
Natürlich lautet die fragliche Fehlschreibung "assozial".

Auf http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtschreibfehler gibts übrigens noch mehr davon. Bedingung für einen Eintrag dort ist , daß Google mehr als 10% Fehlschreibungen findet.
 
 

Kommentar von V. Okal, verfaßt am 01.03.2006 um 11.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2953

@ Glück und Leideck

Zitat Glück:
"Da bekanntlich Leute, die etwas schwer von Begriff sind, Erklärungen brauchen, hier nochmal speziell für V. Okal:...."

Danke für die überaus freundliche Ansprache. Wer nicht Ihrer Meinung ist, wird beleidigt? Vielleicht sollte hier mal ein Administrator für ein sachlicheres Klima im Forum sorgen...

Zitat Leideck:
"Der Beitrag von V. Okal ist sicher nur ein Karnevalsscherz...
Er erklärt nicht, warum z. B. Hit und Tipp so verschieden geschrieben werden.
Hätte er sich sparen können!"

War kein Scherz! Tatsächlich gibt es einige wenige Ausnahmen, wie z.B. Mond (wg. der Herkunft) und auch wie Sie richtig schreiben hat man bei Hit das Englische beibehalten und bei Tipp "eingedeutscht". Darüber kann man sicher streiten.

Herzliche Grüße
V. Okal
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.03.2006 um 12.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2955

Ich muß mich korrigieren: Die Vorsilbe "a-" = un- ist griechisch. Die lateinische für deutsch un- heißt "in-". Es bleibt schwierig.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 01.03.2006 um 12.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2956

Warum Tipp aber nicht Hitt?

Ich schätze, weil man tippen sagen kann... aber nicht hitten.

In diesem Zusammenhang würde toppen (und nicht die Toppen = die Mastspitzen ;-) wohl als zu umgangssprachlich gesehen, weshalb es eben bei Top geblieben ist. (*)

Gleiches gilt natürlich auch für Stopp und stoppen.

Da Pop (Pop-Musik) nichts mit poppen (wir wissen schon, was gemeint ist ;-) zutun hat, blieb es bei Pop ohne PP.

Über den Sinn solcher Änderungen läßt sich streiten... bei einer vernünftigen Reform (ach!) hätte man diese Änderungen optional gemacht, da sie nur sehr sehr wenige Worte betreffen und in gehobener Literatur so gut wie nie vorkommen.

Tip kommt (wohl ?) von der englischen Fingerspitze (Zehenspitze, Mastspitze, etc. -- dem entgegen ist die Pfeil-, Schwert- oder Lanzenspitze = Point)... und als Zehn-Finger-Schreiber tippe ich den lieben langen Tag auf meiner Tastatur herum (die Ein-Finger-Schreiber "hacken" hingegen neudeutsch auf ihrer Tastatur). Von dieser Fingerspitze leitet sich (wohl ?) auch der Tip = Hinweis ab. Im Sinne von: Mit erhobenem Zeigefinger! Und das lottotippen müßte (wohl ?) auch diesen Ursprung haben. Man tippt mit der Fingerspitze auf das Feld, auf das man in der Lotterie setzen will (aus den Zeiten, in denen mit einem Lotterie-Rad ein Gewinner bestimmt wurde). Die Schreibvarianten sehe ich nur als eine Chance auf Evolution... hätte man die NRS als "große Variante" eingeführt, wäre sie bis heute schon ausgestorben. So aber wurde das Rechtschreib-Monstrum immer wieder mit neuem, unheiligem Leben erfüllt.
____
*: Oder aber (meine Verschwörungstheorie), weil die Reformer einfach einige Worte übersehen hatten... dieses hinterher aber nicht zugeben mochten.
 
 

Kommentar von Jens Stock, verfaßt am 01.03.2006 um 13.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2957

Hm, Sie wissen aber schon, daß der "Tip" im Sinne eines Hinweises, einer Empfehlung nichts mit "tippen" zu tun hat? Da sehe ich keinen Unterschied zu "Pop" und "poppen", die ja, wie Sie zu Recht schreiben, ebenfalls nicht zusammenhängen. Warum also "Tipp", wenn's nicht ums Lottospielen geht?

Daß man in der Schule "Tipp" schreibt, ist vielleicht auch ein Grund dafür, daß Schüler so gern "Ergebniss" und "Missthaufen" schreiben. Das ist letztlich nicht nur eine s/ss/ß-Problematik, sondern eine Problematik des (übertriebenen) phonetischen Schreibens, das unsere Kinder bekanntlich in der Grundschule so intensiv praktizieren dürfen.

Und wem soll es dienen, wenn man in diesem Zusammenhang Schreibvarianten einführt? Den Schülern wohl kaum, höchstens sehr oberflächlich betrachtet ("... die Schüler können dann weniger falsch machen ..." – als ob es darum wirklich ginge).
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 01.03.2006 um 13.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2958

Das ist alles Kokolores. Ich bitte alle Mitlesenden dringend, jetzt Informationen aus diesem Rechtschreibtagebuch an diejenigen Redakteure zu vermitteln, die in den nächsten Tagen in den Regionalzeitungen über die anstehende KMK und die Beschlußfassung zur Rechtschreibreform berichten werden.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 01.03.2006 um 14.01 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2961

Zum Abkupfern stelle ich gerne nochmal, leicht verbessert, den Brief bereit, den ich vorgestern an die Braunschweiger Zeitung geschickt habe. Man hat mir schon bestätigt, daß man ihn bringen wird.:


Der Kurzbericht zu Icklers Austritt aus dem "Rechtschreibrat" ist leider zu knapp und zu einseitig geraten. Weder kommen Icklers Motive wirklich heraus, noch wird die Unhaltbarkeit von Zehetmaiers Aussagen deutlich gemacht, noch wird erwähnt, daß z.B. die FAZ eben nicht von ihrer Haltung abweicht. Deshalb erlaube ich mir, den Bericht Icklers aus der FAZ vom 25.2. beizulegen.
Indessen bin ich sicher, daß auch Sie mit der Reform alles andere als glücklich sind. Eine derartige Zumutung könnte die Politik doch auf keinem anderen Felde durchbringen: eine große Mehrheit ist dagegen, die Sache hat keine Vorteile, aber große Nachteile und unübersehbare Folgewirkungen - und doch wird sie eisern durchgeknüppelt.
Oder sehen Sie einen Vorteil? Die s-Regel? Die ist 1. nicht neu (im 19. Jh. ausprobiert und wieder aufgegeben) und 2. nicht logisch (man schreibt nicht "dass isst Misst" und auch nicht "wass kosstet dass?", obwohl das lauter kurze Vokale sind). Schüler machen jetzt damit nachweislich mehr Fehler - was aber die Kultusminister ignorieren, ohne selber eine entsprechende Untersuchung anzustellen. Allein dieses muß man sich mal klarmachen, man faßt es nicht. Auch die negative Wirkung im Ausland wird nicht thematisiert. Wer ein neues Produkt auf den Markt bringt, muß ansonsten zuerst dessen Unbedenklichkeit nachweisen oder für Schäden geradestehen. Und hier? Die Vorgehensweise ist indiskutabel, eine Evaluierung ist jetzt dringendst geboten, bevor man die nächste halbgare Variante den Schulen aufdrückt.
Und was machen in dieser Situation unsere kritischen Journalisten? Es ist zum Verzweifeln: sie lassen das der Politik einfach so durchgehen. Wie lange noch? Zivilcourage kostet hier ausnahmsweise weder Kopf noch Kragen!
Jeder hat das unbestreitbare Recht, so zu schreiben, wie es 100 Jahre richtig war und auch heute noch weithin praktiziert wird. Nur den Schülern wurde dieses Recht genommen, allen anderen nicht!
 
 

Kommentar von Richard Dronskowski, verfaßt am 01.03.2006 um 21.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2964

Einen ganz ähnlichen Brief habe ich soeben an den Chefredakteur der Aachener Zeitung geschrieben, mit dem ich mich im August 2004 (bei der Umstellung des Springer-Konzerns) ausgetauscht hatte. Herr Mathieu argumentierte damals noch mit den vielen Millionen Schülern, die "mit der Reform leben" müßten. Daß die Schüler nun bis zum Ende aller Tage (der KMK) umlernen müssen, erfordert nun sicher ein neues Pseudoargument.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 01.03.2006 um 21.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2965

Ich bin Abonnent der WAZ und der Süddeutschen Zeitung. Leider verspreche ich mir in beiden Fällen nichts von einem Leserbrief.

Die SZ hat (mindestens) einen klarsichtigen Redakteur, der sich offenbar nicht gegen die Kollegen in der Wirtschaftsredaktion behaupten kann. Und die WAZ ist ja sozusagen die Höhle des Löwen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 01.03.2006 um 22.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2966

Abbestellen! (Sicher findet sich jemand, der Sie als Abonnent der F.A.Z. werben würde.)
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, Den Haag, verfaßt am 01.03.2006 um 23.21 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2967

Ich denke, in der jetzigen Situation geht es nicht so sehr darum, irgendeinen Redakteur von den Vorzügen der klassischen Rechtschreibung zu überzeugen; das wird so schnell nicht gelingen. Man muß auch aufpassen, daß man nicht allzu belehrend daherkommt, was schnell passieren kann, wenn man sich intensiv – womöglich intensiver als der Adressat – mit der Materie auseinandergesetzt hat. (Daher habe ich in der Mail, die ich gerade an die Zeitung meiner Heimatstadt Hamm/Westfalen schreibe, einen ganzen Absatz wieder gestrichen.) Statt dessen sollte man den Redakteur bei seiner journalistischen Ehre packen und ihn bitten, sich trotz des Überdrusses, der sich möglicherweise nach all den Jahren bei ihm eingestellt hat, und jenseits der offiziellen Verlautbarungen wie auch der Agenturmeldungen, die sich so verlockend bequem abschreiben lassen, mit dem zu beschäftigen und über das zu berichten, was sich hinter (und zum Teil ja sogar vor!) den Kulissen sowohl des Rates als auch der KMK abgespielt hat. Für einen Journalisten dürfte, ja müßte im Moment der Aspekt des Durchknüppelns der Reform noch interessanter sein als orthographische Detailfragen, so wichtig sie auch sind. Übrigens bringt der Brief von Herrn Eversberg meines Erachtens beides gut zum Ausdruck.

Eines der stärksten inhaltlichen Argumente gegen den nun vorgelegten „Kompromiß“ ist aus meiner Sicht der Umstand, daß die Reformschreibung durch die Revision nicht besser, sondern schlechter wird! Wenn man der neuen Rechtschreibung ernsthaft etwas Gutes hätte tun und ihre Erlernbarkeit hätte fördern wollen, hätte man Schreibungen wie ein Bisschen, Buss und zurück kommen zugelassen – nein: eingeführt. Hat man aber nicht. (Die einzige mir bekannte „Verbesserung“ in diesem Sinne war die trotzige nachträgliche Aufnahme der Schreibung heute [usw.] Früh in die Wörterbücher vor einigen Jahren.) Mit dem, was nun die KMK absegnen soll, kann also niemand etwas anfangen. Es macht die neue Rechtschreibung endgültig unlehrbar und unerlernbar. Die armen Schüler sind sowieso die Gelackmeierten, ob man nun diese merkwürdige, völlig unausgegorene Zwitterschreibung durchdrückt oder zur klassischen Rechtschreibung zurückkehrt. Umlernen müssen sie ohnehin noch einmal. Eine unglaubliche Chance!
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 01.03.2006 um 23.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2968

Meiner Erfahrung nach gibt es diese journalistische Ehre bei den meisten Chefredakteuren nicht. Einige halten den Reformschrieb immer noch für fortschrittlich oder modern (Jörges, Markwort, Reitz), andere wissen, was sie ihrer Leserschaft jeden Tag für einen Stuß vorsetzen, obwohl diese mehrheitlich nichts davon wissen will. Sie haben aber keine Wahl, denn einerseits haben sie selbst einmal mitgemacht und reagieren deshalb ähnlich wie die Kultusminister (daher wahrscheinlich das stillschweigende Bündnis von KMK und großen Teilen der Presse). Andererseits wäre es selbst beim besten Willen für viele nur schwer möglich, ohne weiteres umzusteigen. Am schwersten wiegen dabei natürlich die Agenturmeldungen, die umzuschreiben mit unterbesetzten Redaktionen kaum möglich ist.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 01.03.2006 um 23.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#2969

Mag alles sein, aber einen Versuch ist es wert. Im Niederländischen gibt es eine schöne Redensart, die Sie, Herr Schaefer, möglicherweise kennen: „Nee heb je, ja kun je krijgen.“ In der Tat, für das Nein muß man nichts tun, für das Ja schon. Wer aufgibt, hat schon verloren.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 02.03.2006 um 22.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#3017

An der ganzen Diskussion wird doch eines deutlich: Die Reform ist theoretisch gedacht. Orthographie hat sich aber nicht in der Theorie, sondern in der Praxis entwickelt. Daher auch die endlosen Erklärungen, Regeln und Folgeregeln, die "Der Reformer" hier anführt, um Heyse zu rechtfertigen. In der Praxis kann man damit jedoch nichts anfangen. "Der Reformer" wie die Reformer beantworten Fragen, die sich in der Praxis gar nicht stellen.

Die Praxisfrage heißt: Wie schreibe ich das "s" richtig? Zunächst muß hier der Unterschied zwischen stimmhaften und stimmlosem s gelernt werden. Das ist für beide Schreibweisen gleich. Für Schreibende sind Fragen des Stammes vollkommen gleichgültig, und selbst intelligente Menschen werden derartige Fragen nicht verstehen. Was hilft also weiter? Wenn das stimmlose s einmal identifiziert ist, hat man die Möglichkeit, s, ss oder ß zu schreiben. Ist es nun einfacher, die Verwendung des einfachen s aus komplizierten Regeln abzuleiten, die ihrerseits wiederum aus der Schreibpraxis abgeleitet wurden, oder die entsprechenden Wörter zu üben und zu lernen? Wohl doch letzteres. Im übrigen gibt es in dieser Frage keinen Unterschied zwischen Heyse und Adelung. Bleibt also die Unterscheidung von ß und ss.

Wie stellt sich das Problem aus der Sicht der Schreibenden dar? Adelung: ß ist die Regel, ss nur, wenn eine Trennung eintreten kann. Dies ist der Fall, wenn eine hörbare Vokalverdoppelung eintritt (Flüs-se <-> Fü-ße). Alternative Erklärung: wenn auf das stimmlose s ein kurzer Vokal folgt. Dies sind keine linguistischen Kategorien, wohlgemerkt, aber sie lassen sich, für Lernende unschlagbar einfach, im Satz "ss am Schluß bringt Verdruß" ausdrücken. Damit ist das lästige Problem "Schreibung am Silben- oder Wortende" erledigt. Mehr muß man dazu nicht wissen.

Nun Heyse, logisch und konsequent, sicherlich. Aber das bei Adelung gar nicht existierende Problem der Schreibung am Silben- oder Wortende tritt nun in aller Schärfe hervor. Und um dieser Angelegenheit Herr zu werden, muß man dann allerhand Theorie und Phonetik aufwenden, wie "Der Reformer" ja eindrucksvoll bestätigt hat.

Das kommt eben davon, wenn man die Sach am falschen Ende anpackt. Nichts demonstriert dies besser als folgende Aussage: "Die Reform hat es ihm nun erspart im Falle des "s" noch die zusätzliche Regel zu lernen, dass auch noch ZUSÄTZLICH die Regel gilt, das Doppel-s vor "t" und am Wortende als "ß" zu schreiben sei." (Übrigens noch ein falsches "das") Diese Regel gibt es nicht, weil sie vollkommen überflüssig ist. Wo haben Sie die denn her, Herr Reformer? Viele "Regeln", die ja vielmehr Regelmäßigkeiten der herkömmlichen Orthographie sind, scheinen die Reformer nur erfunden zu haben.
 
 

Kommentar von Red., verfaßt am 02.03.2006 um 22.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#3019

Sehr geehrter Herr Schaefer,

bitte verschwenden Sie (und die anderen) nicht Ihre Energie, um an dieser Stelle, die nicht für diesen Zweck gedacht ist, mit einem Unbelehrbaren zu diskutieren. Wenn Sie unbedingt wollten, können Sie das an anderen Orten tun, aber Schrift & Rede ist nicht dafür eingerichtet worden, ein weiteres Forum für solche fruchtlosen Endlosdebatten zu bieten.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 02.03.2006 um 22.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#3020

Kaum ist man mal kurz weg, da ist hier schwer was los. Die Sache mit dem Stamm- und dem Lautprinzip sollten wir aber nicht noch einmal durchkauen. - "Aufgeregt" wirkt eher der Herr Reformer mit seiner eigenwilligen Typographie. Wir anderen hier regen uns schon lange über nichts mehr auf, oder? Aber wir wollen auch nicht Wasser in ein Sieb schöpfen.Doch dieser Lehrerton ist schon penetrant. Daß den Lernschwachen ausgerechnet die kompliziertesten Regeln helfen sollen, glaubt so leicht auch keiner, nicht mal dr Färimaa.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 02.03.2006 um 23.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#3038

Es geht gar nicht darum, wer hier recht und die besseren Argumente hat, sondern nur um den unnötigen Kräfteverschleiß. Die Kultusminister gestehen in ihren Verlautbarungen heute selbst ein, daß die jetzt gefundene Lösung keinen Bestand haben wird. Es ist jetzt unsere Aufgabe zu zeigen, warum das so ist, und zwar in der weiteren Öffentlichkeit.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 03.03.2006 um 01.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#3058

R. Markner: Die Kultusminister gestehen in ihren Verlautbarungen heute selbst ein, daß die jetzt gefundene Lösung keinen Bestand haben wird. Es ist jetzt unsere Aufgabe zu zeigen, warum das so ist, und zwar in der weiteren Öffentlichkeit.

Stimmt. Aber Kleinvieh macht auch Mist. Wessen Aktionsradius mangels entsprechender Kontakte nur die engere Öffentlichkeit, also den privaten Umkreis, erfaßt, sollte dort Überzeugungsarbeit leisten. Viele potentiell Einsichtige erreicht man im persönlichen Gespräch vielleicht sogar eher als mit einem noch so guten Artikel in einer überregionalen Zeitung, die sie nicht abonniert haben. Das eine erscheint mir so wichtig wie das andere.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 03.03.2006 um 01.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#3059

Im privaten Umfeld dürften die wenigsten Probleme auftreten, denn da ist ja ohnehin fast jeder dagegen, selbst die Lehrer -- mittlerweile, muß man sagen. Im beruflichen Umfeld ist es schon schwieriger. Zwar ist da auch kaum jemand dafür, aber die Kollegen beugen sich, zumindest in meinem Bereich, dann doch bzw. überlassen das Beugen dem Textverarbeitungsprogramm. Ein paar Saboteure scheint es aber zu geben, denn seit letztem November heißt es auf den Vordrucken für Dienstreiseanträge wieder "Vorschuß" und "Zuschuß".
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.03.2006 um 01.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#3060

Der Schlussstrich unter die Reform ist bekanntlich ja schon oft gezogen worden, und dann kam die Sache doch wieder hoch. Jetzt hört man (erstmals in dieser Deutlichkeit), sie sei im Grunde eben ein Fehler gewesen, den man bloß nicht völlig wiedergutmachen könne. Immerhin seien »die gröbsten Unebenheiten geglättet«. Das kann nun selbst der gutmütigste Leser kaum als völlig beruhigende Auskunft deuten. In der neuesten Handreichung der KMK (dort herunterzuladen) wird ausgeführt, daß kleinschneiden auch getrennt geschrieben werden dürfe, warm laufen nur getrennt, volltanken hingegen nur zusammen. Die amtliche deutsche Schriftsprache bleibt eine Rüttelpiste.
 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 03.03.2006 um 08.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#3061

Der Deutsche Elternverein hat sich jetzt ja auch dafür ausgesprochen, das Reformprojekt zu Grabe zu tragen. Glauben Sie, daß uns das was nützen könnte?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.03.2006 um 08.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#3062

Schaden kann es sicher nicht. Daß der DEV sein (ablehnendes) Gutachten zu den Ratsempfehlungen unaufgefordert einreichen mußte, illustriert die Irregularität des Anhörungsverfahrens. Regierungsrat Stöckling will nun (aus naheliegenden Gründen) eine Vernehmlassung vor allem an den Schweizer Schulen durchführen. Wir werden uns das sehr genau ansehen.
 
 

Kommentar von Fungizid, verfaßt am 05.03.2006 um 19.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#3078

Wenn am lautesten der Frieden verkündet wird, ist der weiter denn je.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.12.2013 um 17.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#24711

Etwas Besinnliches zum Jahresausklang. Man bedenke, daß der Verfasser des folgenden Dokuments, statt sich in den hintersten Winkel zu verkriechen, heute noch dem Rat für deutsche Rechtschreibung vorsitzt, der letzten Instanz in Fragen der Rechtschreibung!


DER BAYERISCHE STAATSMINISTER
FÜR UNTERRICHT, KULTUS, WISSENSCHAFT UND KUNST
München, den 1. Juli 1996
An die
Schulleiterinnen und Nr. III/9-S 44/4-8/98 648
Schulleiter der
Schulen in Bayern




Neuregelung der deutschen Rechtschreibung



Sehr geehrte Damen und Herren,

am 1. Juli ist die gemeinsame Erklärung zur Neuregelung der deu-
schen Rechtschreibung von den Vertretern aus den deutschsprachigen
Staaten unterzeichnet worden. Ich bin überzeugt, daß die Verein-
fachungen, die die Neuregelung aufgrund ihrer stärkeren Systema-
tik, der Beseitigung von Ausnahmen und der Betonung des Ent-
scheidungsbereichs der Schreibenden mit sich bringt, den Recht-
schreibunterricht günstig beeinflussen wird.

Gemäß der Vereinbarung tritt das Regelwerk am 01.08.1998 in Kraft.
Wie im Schreiben vom 21.08.1995 Nr. III/9-S 4400/4-8/108 925
angekündigt, wird sich im Interesse der Schüler, insbesondere der
Schulabgänger, der Rechtschreibunterricht jedoch schon vorher, und
zwar möglichst früh im kommenden Schuljahr, an den neuen Regeln zu
orientieren haben. Über den Zeitpunkt, ab dem das neue Regelwerk
an der ganzen Schule anzuwenden ist, entscheidet diese nach den
jeweiligen örtlichen Gegebenheiten in eigener Verantwortung.

Unabhängig davon sollen ab sofort Schreibweisen, die dieser Rege-
lung entsprechen, nicht als Fehler bewertet werden. Für eine
Übergangsfrist bis 2005 werden bisherige Schreibweisen nicht als
falsch, sondern als überholt gekennzeichnet und bei Korrekturen
durch die neue Schreibweise ergänzt.

Die Schulen erhalten demnächst kostenlos zwei Exemplare der Hand-
reichung des ISB zur "Neuregelung der deutschen Rechtschreibung".
Die Handreichung enthält eine zusammenfassende Darstellung der
wichtigsten Neuerungen, methodische Vorschläge für alle Schularten
und eine Liste der Wörter mit geänderter Schreibung.

Einen Überblick über die Neuregelung, der in Kopie auch zur Infor-
mation der Schulabgänger des laufenden Schuljahres dienen kann,
finden Sie zudem in der Juni-Nummer der Zeitschrift "Schulreport".

Für die Veröffentlichung des gesamten Regelwerks ist eine Sonder-
nummer des Amtsblatts vorgesehen.

Ich bitte Sie, die Fachbetreuer für Deutsch, an den Volksschulen
entsprechend qualifizierte Lehrkräfte, zu Beginn des Schuljahres
1996/97 zu beauftragen, das Kollegium, die Schüler und die Eltern-
schaft über Verfahren und Inhalt der Rechtschreibreform zu infor-
mieren.

Zur Unterstützung der schulinternen Fortbildung werden im nächsten
Schuljahr Veranstaltungen der Akademie Dillingen und der regionalen
Lehrerfortbildung angeboten.

Die Umstellung der Rechtschreiblernmittel auf die neuen
Gegebenheiten ist bereits angelaufen; es kann also davon ausgegangen
werden, daß neue Sprachbücher bzw. überarbeitete Rechtschreib-
kapitel zugelassener Werke bereits in Bälde zur Verfügung stehen.
Zusätzliche Materialien können der Handreichung des ISB entnommen
werden. Bis 2005 werden alle Lernmittel die neue Schreibung anwenden.

Besonders kommt es mir darauf an, daß die Schulen die Neuregelung
zum Anlaß nehmen, sich mit der Bedeutung von Rechtschreibung
und Zeichensetzung für das Schreiben als eine der wichtigsten
Kulturtechniken eingehend auseinanderzusetzen. Ich möchte Sie und
die von Ihnen beauftragten Lehrerinnen und Lehrer daher ermuntern,
die Vereinfachung, die mit der Neuregelung verbunden sind, als
positiven Impuls zu nutzen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen bei der Einführung viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen



Hans Zehetmair
 
 

Kommentar von stefan strasser zu 437#24711, verfaßt am 30.12.2013 um 19.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#24712

Was fällt u. a. auf:
Der Text, der zwar die neuen Schreibungen anpreist, ist selbst jedoch in klassischer Schreibung gehalten.

Und dann die Aufforderung:
„Ich bitte Sie, die Fachbetreuer für Deutsch, an den Volksschulen entsprechend qualifizierte Lehrkräfte, zu Beginn des Schuljahres 1996/97 zu beauftragen, das Kollegium, die Schüler und die Elternschaft über Verfahren und Inhalt der Rechtschreibreform zu informieren.“

Es wird also angenommen, daß es Fachbetreuer gibt, die die krausen Schreibneuerungen der Kollegenschaft und den Eltern sozusagen im Vorbeigehen so vermittel können, daß diese die ganze Pracht auch weitergeben können.

Na ja, die bekannten Klagen bzgl. Schreibleistungen (ich sage gar nicht Rechtschreibleistungen) bezeugen momentan breitgefächert, nicht nur das dürfte damals kraß in die Hose gegangen sein.

Tipp- oder sonstigen Schreibfehler einmal unkommentiert stehengelassen.
 
 

Kommentar von Kannitverstan, verfaßt am 31.12.2013 um 00.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#24714

Sind folgende Fehler Übertragungsfehler oder original Zehetmair?
"Ich bin überzeugt, daß die Vereinfachungen ... den Rechtschreibunterricht günstig beeinflussen wird."
"Ich möchte Sie ... daher ermuntern, die Vereinfachung, die mit der Neuregelung verbunden sind, ..."

Nun gut, das sind grammatische Flüchtigkeiten, gedankliche sind schwerwiegender:
"Besonders kommt es mir darauf an, daß die Schulen die Neuregelung zum Anlaß nehmen, sich mit der Bedeutung von Rechtschreibung und Zeichensetzung für das Schreiben als eine der wichtigsten Kulturtechniken eingehend auseinanderzusetzen."
Ich lese daraus, daß die Schreibung eine Bedeutung für das Schreiben habe und daß man sich vor der Reform nur unzureichend damit auseinandergesetzt habe. Sprachlos geworden angesichts solch sinnloser Sprechblase, möchte man eigentlich nur noch rufen: Hä?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.12.2013 um 04.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#24715

Dies ist meine Quelle:
http://uploader.wuerzburg.de/rechtschreibreform/l-u-by.html

Es scheint sich um eine getreue Wiedergabe des Originals zu handeln.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.12.2013 um 05.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#24716

In seiner "Elternzeitschrift" teilte das Ministerium 2006 zur „vorläufig endgültigen Festlegung“ der deutschen Rechtschreibung u. a. mit:

Groß schreiben (!) darf man jetzt wieder:
- feste Adjektiv-Substantivfügungen mit neuer Gesamtbedeutung,
z.B. Schwarzes Brett
- die Anrede im Brief,
z.B. Du, Ihr.

 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 31.12.2013 um 08.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#24717

Doch, doch, Kannitverstan, die Reform diente u.a. dazu, die Sprachgemeinschaft dazu zu zwingen, sich mit Regeln auseinanderzusetzen:

"Der Vorsitzende der Reformkommission, der Siegener Professor Gerhard Augst, sagte, die Hälfte der Deutschen beherrschten die jetzigen Regeln höchstens mangelhaft." (http://archiv.rhein-zeitung.de/on/98/05/12/topnews/ortho.html)

Wohlgemerkt: Augst sagte nicht "beherrschten die Rechtschreibung höchstens mangelhaft", sondern "beherrschten die jetzigen Regeln höchstens mangelhaft."

Darin ("Generative Orthographie" und Volksbelehrung bzw. -beglückung) liegt das Grundübel der "Reform".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.11.2019 um 17.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#42468

Aus Zehetmairs Rundschreiben an die bayerischen Schulen geht hervor, daß die vorzeitige Einführung an den Schulen, nämlich ab sofort, ausdrücklich gewünscht wurde. Das ermöglichte es den Durchsetzern dann, alle Rücknahmeforderungen mit dem Argument abzuweisen, die Schülern lernten schon nach den neuen Regeln und es sei ihnen nicht zuzumuten, noch einmal umzulernen.

Wie anderswo gezeigt, war diese Überrumpelung von langer Hand geplant. Die scheinbar großzügigen Übergangsfristen dienten zur Einlullung der Bevölkerung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.11.2019 um 19.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#42469

In Zehetmairs Schreiben war sehr früh auch schon die schäbigste aller Rechtfertigungen angelegt:

Besonders kommt es mir darauf an, daß die Schulen die Neuregelung zum Anlaß nehmen, sich mit der Bedeutung von Rechtschreibung und Zeichensetzung für das Schreiben als eine der wichtigsten Kulturtechniken eingehend auseinanderzusetzen.

In den folgenden Jahren hieß es immer wieder: Auch wenn die Reform Mist war, hat sie doch immerhin zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Rechtschreibung geführt.

Dabei ist das Zitat, wie hier schon bemerkt wurde, leeres Stroh. Jedes Kind sieht ein, daß Rechtschreibung wichtig ist, und damit ist der Fall erledigt. Im übrigen war das Thema während meiner Schulzeit mit der Grundschule abgeschlossen. Stattdessen prunkt die heutige Didaktik mit "Spiralcurricula", die den Rechtschreibunterricht bis zum Abitur fortsetzen oder gar in lebenslanges Lernen...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2019 um 07.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#42483

Die vorzeitige Einführung der Reform an den Schulen – Stichdaten hin, Übergangsfristen her – wird ja auch durch das giftige Schreiben von Habedank (eigentlich Stillemunkes) bestätigt:

Die Länder haben – in pädagogischer Verantwortung und auf der Grundlage des Beschlusses der KMK – die Rechtschreibreform an den Schulen eingeführt.
Die in den Ländern etwas unterschiedlichen Verfahren sind allerdings völlig identisch in der Sache. Die Grundschulen in NRW wurden zu 97 % eingeführt, im übrigen kann von 90 % ausgegangen werden.
(Sept. 1997)
(http://www.fds-sprachforschung.de/ickler/index.php?show=news&id=652)

So war es geplant. Die Durchsetzer ahnten damals noch nicht, was alles kommen würde – immer aufgrund der mangelhaften Qualität der Neuregelung.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.11.2019 um 11.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#42484

Was wurde denn nun eingeführt, die Rechtschreibreform oder die Grundschulen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2019 um 11.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#42485

Die Grundschulen in die Rechtschreibung und umgekehrt.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.11.2019 um 11.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#42486

Ja, das würde ich sonst auch so sehen, aber beide Varianten fast in einem Atemzug wirken schon ein wenig zeugmatisch, oder?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2019 um 15.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=437#42487

Habe auch gestutzt.
 
 

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