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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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30.06.2007
 

„Natur“ als Adjektiv
News vom Duden

Im letzten Duden-Rundbrief liest man:

»Schreibt man etwa 'in Birke natur' oder 'in Birke Natur'?

In derartigen Angaben werden die nach 'in' aufgeführten Substantive groß-, vor- oder nachgestellte attributive Adjektive kleingeschrieben: 'in Eiche Natur, in Eiche geölt, in Ahorn dunkel'. Farbbezeichnungen und gewöhnliche Adjektive werden, sofern sie direkt auf die Präposition 'in' folgen, als substantiviert angesehen und daher ebenfalls großgeschrieben: 'in Rot, in Hell, in Matt Natur'.«

Der erschrockene Leser wird aber anschließend gleich wieder beruhigt:

»Der Bestandteil 'Natur' kann in vielen solcher Fügungen auch als unflektiertes Adjektiv angesehen und kleingeschrieben werden.«

So steht es ja auch im neuen Rechtschreibduden: Man kann es klein oder groß schreiben, aber die Großschreibung wird gelb empfohlen. Vor der Reform war in Duden-Werken nur Großschreibung vorgesehen, die Kleinschreibung müßte also eigentlich mit Rotdruck als neu hervorgehoben werden.
Wahrig schweigt sich aus.



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Kommentare zu »„Natur“ als Adjektiv«
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 01.07.2007 um 09.44 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9264

Das Nomen "Natur" toleriert Duden also -- im Hinterdreingeworfenen -- nach "in" auch kleingeschrieben. Das Nomen "Rot" bleibt großgeschrieben. Dank dieser Duden-Orthographie hat das Deutsche nun auch das Nomen "hell"? Es ist nicht zu fassen, mit wie die Duden-Leute bar jeder Reflexion in der deutschen Grammatik herumtrampeln. Woher nehmen sie eigentlich die Legitimation zu ihrem unseligen Tun?
 
 

Kommentar von stst, verfaßt am 01.07.2007 um 21.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9274

"Eiche natur" ist doch wohl eine Abkürzung für "Eiche naturbelassen"? Mit der "Natur" hat das wenig zu tun, oder?
 
 

Kommentar von Roger Herter, verfaßt am 02.07.2007 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9278

Das nachgestellte natur ist in der Tat ein unflektiertes Adjektiv mit der Bedeutung naturbelassen, ohne jedoch eine Verkürzung davon zu sein. Es handelt sich vielmehr um eine schon im Französischen - dem das Wort folgt und entspricht - vollzogene Desubstantivierung: cerisier nature = Kirschbaum natur, poirier nature = Birnbaum natur; aber auch z.B. Siena natur (vs. gebrannt), etc. - In der Gastronomie ist ja bei uns noch immer die französische Form gebräuchlich: Café bzw. Kaffee nature (= schwarz), Schnitzel nature (= unpaniert). [Langenscheidt (1975) vermerkt daher allzu eng adj. cuis. dazu.]
Wer mehr und Genaueres weiß, möge bitte ergänzen und berichtigen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 02.07.2007 um 11.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9280

Im Französischen sind das Substantivkomposita, wobei dem Determinatum ein Determinans nachgestellt wird: chou-fleur (mit Bindestrich), voiture famille (ohne Bindestrich).
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.07.2007 um 12.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9283

"In der französischen Sprache besteht die Tendenz, zusammengesetzte Substantive durch einfaches Nebeneinanderstellen zweier Substantive zu bilden; sie werden meist ohne Bindestrich geschrieben, und nur das erste Wort erhält die Pluralmarkierung: une tarte maison, des tartes maison selbstgebackener Kuchen; un navire école, des navires école Schulschiff; une assurance auto, des assurances auto Autoversicherung; une assurance vie, des assurances vie Lebensversicherung" (Französische Grammatik, Diesterweg)

In den romanischen Sprachen überwiegt die Nachstellung des Attributs.

Aber das muß man ja nicht so Wort für Wort ins Deutsche übersetzen.
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 03.07.2007 um 13.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9295

Natur wird in der Bildung "Eiche natur" adjektivisch gebraucht und ist daher klein zu schreiben. Unabhängig von "in": "Was das Holz angeht, hätten Sie lieber Eiche natur oder Eiche dunkel?"

Genauso wird übrigens Abend in "heute abend" adverbial gebraucht.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.07.2007 um 17.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9296

zu #9295:
Nein, also da sträubt sich was in mir. Ein Substantiv kann man nicht adverbial gebrauchen, höchstens innerhalb einer Wortgruppe, und dann bleibt es groß geschrieben. Oder man kann Adjektive adverbial oder attributiv gebrauchen. Ein Wort "adjektivisch" gebrauchen - nein, entweder es ist ein Adjektiv oder es ist keins.
Abend ist ein Substantiv und abend ist ein Adverb.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.07.2007 um 18.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9297

In der Techniksprache wird gerne das adjektivisch gebrauchte Partizip II nachgestellt, weil es dann nicht gebeugt werden muß: "Das ist Stahl verzinkt, Messing versilbert, Stahl vernickelt und verchromt, Aluminium eloxiert, Bronze vergoldet, Kupfer patiniert." Man kann darüber streiten, ob ein Komma dazwischengehört.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.07.2007 um 22.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9299

Wenn man mit adjektivischem Gebrauch meint, wie ein Adjektiv gebrauchen, dann mag das wohl für ein Partizip möglich sein, aber bei Bronze(,) vergoldet oder vergoldeter Bronze usw. würde ich doch eher vom attributiven Gebrauch des Partizips oder prädikativem Gebrauch sprechen. (Letzteres hatte ich bei meiner Aufzählung unten vergessen.)
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 04.07.2007 um 01.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9300

Zu #9297:

Nicht zu vergessen die Kommode in Loriots Ödipussi: „echt Nußbaum furniert. Die können Sie auch haben in Eiche, in Mahagoni und Birke geflammt.“
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 04.07.2007 um 17.09 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9306

Die Duden-Rechtschreibung ist wieder einmal auf die "Präposition" hereingefallen. Statt sich zu fragen, ob das gegebene Wort in seiner Umgebung überhaupt als solche fungiert, betrachtet die Duden-Rechtschreibung alles einem "in" usw. Folgende als Nomen, so daß wie dann endlich auch "hell" als Nomen haben, weil "hell" das Pech hatte, z.B. hinter "in" zu stehen. Abstruser geht´s nimmer.

Nachgestellte Partizipialattribute, werden in Normaltexten zwar mit Komma abgetrennt (anders im Fränzöischen oder Polnischen), aber z.B. in technischen Texten ist es legitim(iert), eine einzelnes solches Attribut ohne Komma anzuschießen. Die Beispiele von Germanist sind typisch.

Bei "gebraucht" in syntaktischem Kontext sollten Wortklassennamen ausgeschlossen werden, d.h. nur syntaktische Funktionsnamen erscheinen. Das schon lange währende Durcheinander in dieser Hinsicht ist einst von der GTG potenziert worden.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 04.07.2007 um 21.15 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9313

Zu Germanist:
Ich glaube nicht, daß das eine besondere Eigenschaft der Techniksprache ist. Schon in grauer Vorzeit, während meines Wehrdienstes, ist mir diese fremd anmutende Sprachgebrauch aufgefallen: "Unterhose(,) lang(,) oliv". Ob dabei Kommas gesetzt wurden oder nicht, weiß ich nicht mehr.
Das hat auch durchaus einen Sinn. Die Voranstellung des Grundworts und Nachstellung der näheren Bestimmung führt bei alphabetischer Auflistung dazu, daß alle Unterhosen beieinanderstehen, genauso die Unterhosen lang usw.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 04.07.2007 um 23.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9315

Was Herr Achenbach beschreibt, ist angewandte Dezimalklassifikation welche für Lagerhaltungen aller Art zwingend ist, und in dieser ist die Reihenfolge von Grundwort und Bestimmungswörtern genau entgegengesetzt zur Reihenfolge in Wortbildungskonstruktionen, jedenfalls im Deutschen.
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 05.07.2007 um 17.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9332

'Eiche natur' folgt nach meinem Empfinden demselben Muster wie 'Röslein rot'. Tatsächlich können im Deutschen Adjektive nachgestellt werden, wobei sie alle Flexionen einbüßen. Bei 'natur' erscheint mir die Nachstellung zwingend, vielleicht gerade wegen der Ableitung von einem Substantiv. Der standardsprachlichen Formulierung 'in heller Eiche' kann man zwar ein fachsprachliches 'in Eiche hell' gegenüberstellen, aber ein standardsprachliches '*in naturer Eiche' gibt es nicht (allenfalls 'in Natureiche').

Der langen Rede kurzer Sinn: Die Duden-Erklärung halte ich für schlicht falsch.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 13.07.2007 um 19.18 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#9499

Das urige Inventarverzeichnis des Warteraums der Deutschen Reichsbahn in Neusörnewitz bei Meißen (2 Bänke hölzern; 1 Kleiderständer eisern; 1 Tisch hölzern; ein Ofen gußeisern usw.) ergänzte einst ein sich Mopsender um den Eintrag "1 Schimmel Amts-". Jawoll.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.07.2017 um 03.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=868#35713

Als letztes Jahr durch einen Leak die sogenannten Panama-Papers ins Netz gelangten, sorgte das rund um den Globus für mächtig Unruhe. (stern.de 14.7.17)

Mir fällt auf, daß diese sehr verbreitete Verwendung des unflektierten Adjektivs in den Wörterbüchern kaum erwähnt wird. mächtig steht an der Stelle eines "Quantors" wie viel, oft in Verbindungen wie sorgt für mächtig Ärger, Wirbel, Furore, Dampf, Spaß. Auch gewaltig, reichlich wird so gebraucht. Adverbial läßt sich die unflektierte Form nicht deuten, dann könnte sie nicht zwischen Präposition und Substantiv stehen; sorgte mächtig für Ärger ist etwas anderes. viel ist anderer Herkunft, wurde früher mit partitivem Genitiv gebraucht. Es gab reichlich zu essen – hier ist das Adjektiv am ehesten als Objekt zu verstehen.
 
 

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