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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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05.04.2011
 

Needlearbeit
Sprechen Ameisen englisch?

In mehreren deutschsprachigen Beiträgen über das Orientierungsvermögen der Wüstenameisen habe ich gelesen, daß diese erstaunlichen Tiere "Buffon's Needle-Algorithmus" anwenden.

(Außerdem sollen sie ihre Schritte zählen. Natürlich zählen sie weder ihre Schritte noch wenden sie einen Algorithmus an, sondern beides tun die Forscher, die das Verhalten der Insekten simulieren. Leider wird das nicht immer auseinandergehalten. Aber das ist ein anderes Problem.)



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Kommentare zu »Needlearbeit«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2023 um 15.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#51057

Goethe war zwar Behaviorist, wußte aber, daß noch nicht alle so weit gekommen waren, zum Beispiel die drei Erzengel.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.05.2023 um 12.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#51056

Da kann ich mir nun eine kleine, augenzwinkernde Bemerkung nicht verkneifen: Von Goethe als Behaviorist haben Sie aber auch schon besser gesprochen.
Aber weiter im Ernst. Sie fragen:

Was soll es denn wörtlich heißen, daß die Natur Gesetzen folgt? Sehen Sie nicht das Metaphorische daran? Immer wieder Kepler und die Planeten, die seinen "Gesetzen folgen"

Zunächst, man muß ja diese Metapher nicht verwenden. Auf Wikipedia zu den Keplerschen Gesetzen zum Beispiel steht sie nicht ein einziges Mal.

Wo dennoch vom "Folgen" der Natur gesprochen wird, handelt es sich um eine allgemein verständliche, akzeptierte und etablierte Metapher, die keinen Anlaß für Irrtümer bietet. Die Natur "folgt" eben ihren eigenen "Gesetzen", d.h. sie bewegt sich entsprechend der Gesetze, die Menschen gefunden, entdeckt, für menschliche Kommunikation formuliert, aber nicht aufgestellt (im Sinne von bestimmt) haben!

Wer "Sonne und Planetensystem" sagt, der sagt automatisch auch "Keplersche Gesetze", ob er sie nun kennt oder nicht, bewußt oder unbewußt, aber beides ist dasselbe. Naturgesetze sind in der Natur enthalten, sie sind die Natur.

"Nicht die Planeten folgen den Keplerschen Gesetzen, sondern der Astronom."
(1370#49534, auch 1370#21999)
Wenn Sie "folgen" wörtlich nehmen (was aber in diesem Zusammenhang kein moderner Astronom tut), dann haben Sie natürlich recht.
Es handelt sich also nicht um einen kognitivistischen Irrtum, sondern um die unterschiedliche Auslegung von "folgen".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2023 um 08.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#51053

Man hat vernünftigerweise zwischen "regelgeleitet"/"regelfolgend" und "regelhaft"/"regelmäßig" (rule-following vs. rule-governed) unterschieden. So könnte man auch gesetzmäßig und gesetzfolgend unterscheiden. Eigentlich sehr einfach, aber durch zweideutige Sprache verzwickt.
Dazu meine alte Leier: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1370#49534
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2023 um 05.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#51050

Ich habe doch gerade sagen wollen, daß die Natur (die Wirklichkeit) unabhängig von uns existiert, die Naturgesetze aber nicht in ihr sind, sondern von uns aufgestellt werden. Genau wie die Information nicht in den Jahresringen steckt (Dennetts Beispiel, von mir schon mehrmals besprochen), sondern von uns aus der Untersuchung der Jahresringe (unter Heranziehung weiterer Kenntnisse) abgeleitet und in Lehrbücher verpackt wird. Was soll es denn wörtlich heißen, daß die Natur Gesetzen folgt? Sehen Sie nicht das Metaphorische daran? Immer wieder Kepler und die Planeten, die seinen "Gesetzen folgen"... "Und ihre vorgeschriebene Reise vollendet sie mit Donnergang" – kommen wir denn gar nicht von dieser altertümlichen pythagoräischen Sicht los?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.05.2023 um 18.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#51049

Der Mensch paßt sich an die von ihm unabhängige Natur an, indem er die Naturgesetze aufstellt, die sowieso gelten?
Das kann nur ein Scherz sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.05.2023 um 15.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#51048

Warum sollte das folgen? Die Natur, an die ich mich anpasse, auch durch die von mir aufgestellten Natur-"Gesetze", erlebe ich als widerständig, von mir unabhängig, objektiv – das ist ja der Grund meiner Anpassung.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.05.2023 um 10.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#51047

Würde das nicht bedeuten, den Naturgesetzen ihren objektiven Charakter zu nehmen? Sie gelten doch auch ohne Einstein oder andere Beobachter.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.05.2023 um 07.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#51044

Bei den Spinnen sehen wir leichter ein, daß die Ansetzung eines Wissens überflüssig ist. Das Verhalten ist phylogenetisch angepaßt, wie auch immer es in den Genen und dann im ganzen Organismus aussehen und zugehen mag. Ein „Wissen“ im uneigentlichen Sinn können wir daraus extrahieren, aber es ist klar, daß wir die Spinne damit anthropomorphisieren, also personhaft deuten und nichts gewinnen.
Wissen durchweg als angepaßtes Verhalten, also Können erklären – ein phantastischer Gedanke. Die Keplerschen Gesetze nicht als Regeln, nach denen die Planeten sich bewegen, sondern als Anleitungen für uns, ihre Bewegungen zu berechnen und uns dadurch besser zurechtzufinden (Orientierungsgewinn ist Gewinn an Handlungsmöglichkeiten). Von der natürlichen Physik machen wir beim Heben, Werfen, Gehen Gebrauch, jeder sieht, daß es ein „Wissen wie“ ist. Bei der bewußten, mathematisch artikulierten Physik ist es schwerer einzusehen. Abzählen ist wohl das einfachste mathematische Verhalten. So viele Töpfchen, so viele Deckelchen, die ihnen zugeordnet werden. Läßt es sich als angepaßtes Verhalten erklären? Ebenso die Sprache, wobei zur den physischen Gegenständen und Ereignissen das Gesellschaftliche hinzukommt, als Teil der Umgebung, an die angepaßt wird. Das ist Pragmatismus, ein irgendwie steckengebliebener Ansatz (vielleicht weil er, wie der verwandte Behaviorismus, mit der Komplexität nicht zurande kam, vor allem mit der Komplexität der Sprache, die wegen ihrer Geschichtlichkeit so komplex ist).
Die Allgemeine Relativitätstheorie ans angepaßtes Verhalten Einsteins erklären – den Versuch wäre es wert, schon wegen der Einsichten, die unterwegs abfallen dürften.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.01.2023 um 06.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#50309

„Es ist interessant, dass die Arbeiterinnen, die wir beobachtet haben, bei der Futtersuche willens waren, sich selbst unangenehmen Situationen auszusetzen.“ (Aus einem Bericht über Ameisen und deren „Wohlfühltemperatur“, SZ 19.1.23)
Ich muß an die Bienen denken, die nicht einmal bemerken, daß ihnen der Hinterleib abgetrennt wurde. Es ist nicht sinnvoll, Ameisen einen Willen zuzuschreiben, und auch die Rede von Wohlfühltemperatur und unangenehmen Situationen vermenschlicht unangemessen.
(Der Bericht beginnt übrigens mit einem „Team amerikanischer Biologen“, die später zu „Studienautorinnen“ werden.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.06.2022 um 12.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#49182

Kürzlich ist eine zweite, wesentlich erweiterte und aktualisierte Auflage von Bennett/Hacker: „Philosophical foundations of neuroscience“ erschienen. Eine erstaunliche Leistung der beiden nicht mehr ganz jungen Herren, die auch noch viel anderes geleistet haben.
Das Buch ist seit dem ersten Erscheinen 2003 so breit diskutiert worden wie kaum ein anderes. Schon vorher hatten Baker und Hacker die Chomsky-Theorie der Sprache sehr gründlich erledigt.
Wie ein auch auf deutsch erschienener Diskussionsband (Searle, Dennett und andere im Dialog mit Bennett und Hacker) zeigt, ist eine Verständigung nicht möglich, aber der aufgeklärte Leser wird schon sehen, wer recht hat. Spiritus rector Hacker würde sich selbst nicht als Behavioristen bezeichnen, obwohl er einer ist, aber eben als bedeutendster Wittgenstein-Kommentator von dieser speziellen Art.
Wer ein paar Taler übrig hat, sollte seiner Liebsten dieses großartige Buch schenken und dann selbst lesen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.11.2021 um 07.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#47734

„Genauso wie es bei Schachcomputern notwendig ist anzunehmen, daß es in ihnen Repräsentationen von Stellungen und Repräsentationen von Bewertungen gibt, wenn man verstehen will, wie diese Geräte es fertigbringen, einigermaßen erfolgreiche Züge zu produzieren, kann es im Hinblick auf andere Systeme notwendig sein anzunehmen, daß es in ihnen satzartige Repräsentationen von ihrer Umwelt oder von allgemeinen Gesetzmäßigkeiten gibt, wenn man verstehen will, worauf das erfolgreiche Verhalten dieser Systeme beruht.“ (Ansgar Beckermann)

Daß die Berechnungen, die ein Schachcomputer anstellt, überhaupt etwas mit Schach zu tun haben, ergibt sich erst durch die angeschlossene Hardware, z. B einen Bildschirm. Es könnte auch etwas anderes sein, vielleicht etwas Volkswirtschaftliches oder der Fischfang. Man sieht es deutlicher an der analytischen Geometrie, die zwar zur Berechnung von Kurven entwickelt worden ist, aber auch auf Bewegungen oder Veränderungen aller Art angewandt werden kann.

„Satzartige Repräsentationen“ sind ein Widerspruch, weil Sätze mit den Gegenständen, die sie beschreiben, nicht isomorph sind. Wenn diese Bedingung entfällt, verliert der Begriff der Repräsentation seinen Sinn. Was „Repräsentationen von Bewertungen“ sein sollen, ist erst recht unklar. "Erfolgreich" ist auch kein naturwissenschaftliches Konzept.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.05.2021 um 12.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#45929

Itinerare unterrichten den Nutzer darüber, wie er sich an bestimmten Stellen verhalten muß, um ein Ziel zu erreichen. Sie müssen keinerlei ikonische Qualität haben, müssen nicht nach Art einer Karte funktionieren.
Die Ratte muß an jedem Punkt des Labyrinths wissen, wie es weitergeht, mehr nicht. Dazu braucht sie keine Karte. „Neurotechnisch“ kann man sich viele Lösungen denken, die alle nicht die begrifflichen Schwierigkeiten des Kartenmodells mit sich bringen. (Wer liest die Karte? Usw.) Das gleiche gilt für Saugroboter und automatische Rasenmäher, wie man sie jetzt überall herumkriechen sieht. Wie orientieren die sich eigentlich? Die teureren lernen ja angeblich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.03.2021 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#45374

„Ich kann hier auf weitere Details nicht eingehen; aber ich denke, daß schon an diesen nur angedeuteten Beispielen klar wird, daß viele Neurobiologen bei dem Versuch, die erstaunlichen Leistungen des Gehirns zu erklären, tatsächlich die funktionale Einstellung einnehmen und daß sie dabei darüberhinaus tatsächlich Erklärungen auf der Basis der Annahme anstreben, daß im Gehirn bestimmte Berechnungen durchgeführt werden. Rechenprozesse aber sind Prozesse der Veränderung von Zahlzeichen; also Prozesse, bei denen Repräsentationen numerischer Werte manipuliert werden. Wenn man animmt, daß im Gehirn Rechenprozesse stattfinden, ist man damit also auch auf die Annahme festgelegt, daß es im Gehirn ein System von Repräsentationen gibt.“ (Ansgar Beckermann)

Das ist der Planimeter-Trugschluß.

Man kann die verschiedensten Vorgänge, z. B. die Verteilung von Kugeln über ein Nagelbrett oder die Anhäufung chemischer Stoffe an Nervenenden, als Rechenvorgänge deuten, aber das schließt nicht ein, daß dabei Zeichen oder Repräsentationen eine Rolle spielen. Die wenigen Nerven, die einen Schützenfisch erfolgreich jagen lassen, rechnen nicht (WIR müssen rechnen, wenn wir es nachvollziehen wollen).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.02.2021 um 09.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#45184

Wie die "Evidenz der Feind der Wahrheit" sein kann (nicht muß, das gebe ich zu), zeigt sich besonders schön an der bekannten Hell-Dunkel-Illusion (etwa hier: https://www.brillen-sehhilfen.de/optische-taeuschungen/ oder in Lingelbachs Scheune).

Jeder Zeuge würde vor Gericht beschwören, daß der Balken zum einen Ende hin heller wurde. Wir können uns auch nicht einmal dazu bringen, die Verhältnisse so zu sehen, wie sie wirklich sind; die Illusion ist anders als andere nicht aufhebbar.

Es ist ein Modell und letzten Endes wohl wirklich physiologisch ähnlich wie bei Vorurteilen aller Art, die sich immer nur selbst bestätigen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.06.2020 um 04.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#43767

Die erste Gruppe von Ameisen hatte die Fläche viel gleichmäßiger abgesucht: Die Ameisen mieden Stellen, an denen ihre Artgenossen schon gesucht hatten. Ob das an bewusst abgesetzten Duftstoffen oder unbewusst hinterlassenen Fußspuren liegt, konnten die Forscher nicht klären. (SZ 19.6.20)

Es ist müßig, über Bewußtsein bei Ameisen zu spekulieren. Der wirkliche Unterschied ist dieser: Duftspuren aus entsprechenden Organen zu setzen ist ein zeichenhaftes Verhalten, denn es geschieht gerade um der Reaktion der nachfolgenden Tiere willen, d. h. es hat sich phylogenetisch wegen dieser Wirkung auf andere Organismen entwickelt. Daß auch die Füße Spuren hinterlassen, ist hingegen eine unvermeidliche Begleiterscheinung der Fortbewegung und kein Zeichen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.04.2020 um 03.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#43340

Es gibt Fische, die schwache elektrische Felder erzeugen (also nicht wie die berüchtigten Zitteraale und -rochen) und sich im Raum orientieren, indem sie Störungen dieser Felder durch Gegenstände auswerten.

Wenn wir eine solche Auswertung vornehmen müßten, würden wir höhere Mathematik anwenden, aber das tun die Fische natürlich nicht. Ein weiterer Fall für das Planimeter-Paradox.

Wir modellieren diese Felder durch Feldlinien, aber natürlich handelt es sich in Wirklichkeit um ein Kontinuum, die Feldlinien sind ein menschliches Konstrukt.

Wie Dawkins zeigt (an dessen Darstellung im "Blinden Uhrmacher" ich mich anlehne), funktioniert das nur, wenn der Körper des Fischs stocksteif bleibt, nicht wie die Schlängelbewegung anderer Fische. Der (langsame) Vorwärtstrieb wird durch eine durchgehende Längsflosse bewirkt, bei einigen am Rücken, bei anderen am Bauch, was auf ganz getrennte Entwicklungsgeschichten hindeutet (Konvergenz).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2020 um 06.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#42994

Wo und wie sind eigentlich die "Meinungen" gespeichert, die man mit Meinungsumfragen abzurufen glaubt? Der Befragte "hat" sie doch, oder?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2020 um 05.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#42990

Wie können Bewegungsabläufe "gespeichert" werden? Was wird durch Einführung von "Reflex" wirklich gewonnen? Geht eine solche Darstellung über die bloße Beschreibung des Beobachteten hinaus?

Die Phototaxis der Sonnenblume, die Chemotaxis der Amöbe kann man sicher ohne solchen Aufwand und damit wirklichkeitsnäher erklären. Das sollte das Muster bleiben.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.02.2020 um 16.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#42989

Natürlich nicht die Zahl sechs, aber sie haben die notwendigen Bewegungsabläufe in ihrem Organismus abgespeichert, so daß sie diese reflexartig immer wieder ausführen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2020 um 08.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#42985

Um sechseckige Waben zu bauen, müssen die Bienen keineswegs die Zahl sechs in irgendeiner Weise in sich gespeichert haben; sie ergibt sich "epigenetisch" von selbst aus der dichtesten Packung von kreisförmigem dickflüssigem Material.
In der Natur treten an verschiedenen Stellen (Blättern, Blüten, Zahpfen...) Fibonacci-Folgen auf. Sie sind aber nicht in den Genen gespeichert, sondern erklären sich epigenetisch aus anderen, einfacheren Voraussetzungen im Zusammenspiel mit der Umgebung.

So kann man sich täuschen. "Evidenz ist der Feind der Wahrheit."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.06.2019 um 14.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#41629

Unser Bild vom Insekt als instinktgetriebener Reflexmaschine wankt derzeit gewaltig. Honigbienen treffen Entscheidungen, bauen Erwartungen auf und lernen Regeln, die sie in unterschiedlichen Situationen anwenden. (Randolf Menzel)
(https://www.spektrum.de/magazin/begabte-bienen/839840, 28.7.2004)

Gegen wen wendet sich Menzel hier? Vgl. Hugo v. Buttel-Reepen: Sind die Bienen Reflexmaschinen? Experimentelle Beiträge zur Biologie der Honigbiene. Leipzig 1900 (!).

Ob Bienen „Entscheidungen treffen“ usw., ist keine empirische Frage, sondern eine begriffliche, wie bereits gezeigt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.04.2019 um 16.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#41331

Wir haben keine Ahnung, wie Gedächtnisinhalte gespeichert, wie sie aufgerufen und miteinander verglichen werden, und was es eigentlich auf neuronaler Ebene bedeutet, wenn wir sagen die Bienen treffen Entscheidungen auf der Grundlage erwarteter Folgen ihres Verhaltens. (Randolf Menzel: Die Intelligenz der Bienen. München 2016:72)

Das werden wir auch nie herausfinden, weil Bienen keine Gedächtnisinhalte speichern, aufrufen und vergleichen, und Entscheidungen zu treffen gehört ebenfalls in das mentalistische Konstrukt und nicht in den Gegenstand, den wir damit erklären wollen. Menzel unterscheidet auch sonst „Lernen“ und „Gedächtnisbildung“, obwohl es dasselbe ist: Verhaltensänderung. (Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1240#29787
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=370#40894)

Menzel meint auch, daß die Bienen, wenn man sie mit Zuckerwasser konditioniert, eine „Belohnung verspüren“: Wäre dem nicht so, würde die Konditionierung gar nicht funktionieren. (ebd. 68)

Die Konditionierung funktioniert auch ohne diese mentalistische, allzumenschliche Annahme. Sogar der Mensch lernt, ohne jedesmal positive Gefühle zu haben. Man könnte sie ihm nachträglich unterstellen, aber dann müßten sie unbemerkt geblieben sein, und dann kann man sie auch gleich weglassen. Das Mißverständnis beruht auf der Gleichsetzung von "Verstärkung" (reinforcement) mit "Belohnung". (Bei den Bienen geht es hier um die Frage, ob sie Schmerz empfinden. Karl von Frisch hatte herausgefunden, daß eine Biene weitertrinkt, wenn man ihr den Hinterleib abschneidet...)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.04.2019 um 13.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#41206

Ameisen finden den kürzesten Weg zu einer Nahrungsquelle, weil die Pheromone, die sie ständig hinterlassen, flüchtig sind und die nachfolgenden daher die Spur mit dem stärksten Duft wählen, die also die frischeste ist (ein Duftgradient). Dieses Verfahren verstärkt sich selbst, nach einer Weile gehen alle den kürzesten Weg, ohne ihn „berechnet“ zu haben.

So sind viele Dinge. „Nicht alles, was gemessen und berechnet werden kann, beruht auf Messung und Berechnung."
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 11.03.2019 um 17.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#41039

Darauf, daß mit "statistischen Fähigkeiten" ein Gefühl für Wahrscheinlichkeiten gemeint ist, muß man aber auch erstmal kommen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.03.2019 um 07.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#41038

Jahrzehntelang nahmen Wissenschaftler an, dass statistische Fähigkeiten eng an Sprachvermögen und mathematische Erziehung gekoppelt sind. Forscher (...) haben jetzt jedoch gezeigt, dass auch Menschenaffen intuitiv Zusammenhänge zwischen Stichproben erfassen und daraus Wahrscheinlichkeiten ableiten. (Göttinger Tagblatt 26.2618)

Quatsch, das hat nie jemand angenommen. Intuitives Verhalten ist kontingenzgesteuert, im Gegensatz zum regelgeleiteten. Ein ganz alter Hut.

(Die Leipziger Anthropologen sind auch wieder dabei und erfinden gerade das Rad.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2019 um 07.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#40933

Die neukaledonischen Krähen werden seit Jahren wegen ihres "raffinierten" Werkzeuggebrauchs gepriesen. Sie stecken auch Stöckchen zusammen, um an Leckerbissen zu gelangen, alles ohne vorherige Schulung und Versuch-und-Irrtum. Dazu gibt es gerade wieder neue Arbeiten aus dem Max-Planck-Institut Seewiesen.

Wie üblich, fehlt der Einblick in die Jahre vor dem Versuch. Die Vögel werden ja auch im unbeobachteten Teil ihres Lebens immer geschickter im Umgang mit den Materialien ihrer Umgebung. Das Beteuern des übungslosen "einsichtigen" Verhaltens bleibt hohl.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.02.2019 um 06.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#40820

Forscher um Adrian Dyer haben herausgefunden, daß Honigbienen leichte Rechenaufgaben lösen.

= Bienen lösen Probleme, die wir Menschen durch Rechnen lösen. Näheres s. Wüstenameisen, Planimeter, Schützenfische usw. – Immer derselbe Fehler.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.01.2019 um 09.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#40466

Noch zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#39675

"Eine große Entwicklungsaufgabe des Menschen besteht darin, seine Außenwelt intern zu repräsentieren. Ab welchem Alter verfügen wir über interne (oder mentale) Repräsentationen?" usw. (Horst Krist/Friedrich Wilkening: "Repräsentationale Entwicklung". Sprache und Kognition 10. 1991:181-195, S. 181)

Diese "Aufgabe" ist eine reine Erfindung. Das Kind kann nicht vor einer solchen Aufgabe stehen; es wüßte gar nicht, was es tun sollte. Also eine unbewußte Aufgabe? Aber was soll das sein? Das Kind lernt, sich an seine Umgebung anzupassen, mit den Dingen und Personen umzugehen usw. Warum sollte man von "Repräsentationen" sprechen? Das ist in jedem Fall mehr, als man weiß, und es stellt den Forscher vor eine unlösbare Aufgabe, denn solche Repräsentationen wird man nie nachweisen können, schon aus begrifflichen Gründen.

Die Chinesen sind gerade auf der Rückseite des Mondes gelandet. Dort werden sie kein bisher verborgenes Motiv entdecken, warum der Mond uns immer dieselbe Seite zuwendet. Allerdings suchen sie erst gar nicht danach.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.12.2018 um 06.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#40434

Um eine Schachaufgabe zu lösen, genügt die Darstellung des Spielstandes zusammen mit der Angabe, wer am Zug ist. Um ein Musikstück fortzusetzen, muß man den bisherigen Verlauf kennen.

Schach läßt sich vollständig kalkülisieren, Musik immerhin teilweise.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2018 um 09.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#39756

„Das Nervensystem der etwa 1 mm großen Art C. elegans besteht aus genau 302 Nervenzellen und sein ´wiring diagram´ ist vollständig entschlüsselt oder aufgeklärt. Seine Gene sind komplett sequenziert, und seine chemischen Synapsen, Neurotransmitter und Neuromodulatoren vollständig aufgeklärt. Dennoch sind wir nicht in der Lage, auf dieser Basis das breite Verhaltensrepertoire, zu dem Chemotaxis, Thermotaxis, Thermogedächtnis und ein komplexes Verhalten bei der Nahrungssuche gehören, zu erklären oder zu verstehen.“
(Rainer Mausfeld)

Das sollte etwas bescheidener machen, wenn es um "Neurolinguistik" usw. geht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.10.2018 um 20.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#39753

Zum Verständnis der Null bei Tieren hatte ich mir vor Jahren schon notiert:

Der Null-Papagei
Graupapageien plappern nach, was sie aufschnappen. Ob sie aber auch abstrakt denken können, blieb bisher unklar. Psychologen an der Brandeis University in Waltham, Massachusetts, beschreiben jetzt im Journal of Comparative Psychology, daß ihr berühmter Laborpapagei Alex tatsächlich mehr kann: Er zählt nicht nur einen Mix verschiedener Bauklötze – er versteht sogar das numerische Konzept der Null. Der achtundzwanzigjährige Graupapagei beschreibt das Fehlen von Bauklötzchen mit dem Begriff ´none´, also nichts oder keins. Alex ist der erste Vogel, bei dem diese Fähigkeit beobachtet wurde. Das Konzept der Null lernen selbst Kinder erst mit drei Jahren.“
(FAS 10.7.05)

Ein „Verstehen des Konzepts der Null“ kann sicher nicht „beobachtet“ werden. Die Forscher versuchen offenbar gar nicht erst, die Lernvorgänge als Verhaltensänderung zu untersuchen, was allerdings nach fast drei Jahrzehnten Training mit demselben Tier auch nicht einfach sein dürfte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.09.2018 um 16.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#39685

Bienen verstehen das Prinzip der Null
Honigbienen erkennen: "Nichts" ist weniger als Eins oder Zwei
Zahlenbegabter als kleine Kinder: Honigbienen haben ein überraschend menschenähnliches Zahlenverständnis – sie begreifen sogar das abstrakte Konzept der Null. Im Experiment erkannten die Insekten spontan, dass ein leeres Bild einen niedrigeren Zahlenwert besitzt als ein Bild mit einem oder mehr Punkten, wie Forscher im Fachmagazin "Science" berichten. Das Überraschende daran: Das Prinzip der Null als Zahlenwert begreifen selbst menschliche Kinder erst ab etwa vier Jahren.


(Die Quelle ist wohl dies: Howard, S.,Avargues-Weber, A.,Garcia Mendoza, J.,Greentree, A.,Dyer, A. (2018). Numerical ordering of zero in honey bees In: Science, 360, 1124 – 1126)

Die Mathematik ist wieder mal „im Auge des Betrachters“, d. h. in der Deutung des Verhaltens der Bienen durch den Forscher; darum ist es auch so „überraschend menschenähnlich“ (wie die Integralrechnung der Wüstenameisen usw.).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.09.2018 um 07.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#39675

Das Baby weiß, wann es den Mund öffnen muß, um Brei zu bekommen.
"Aber verfügen Säuglinge wirklich schon über interne Repräsentationen?"
Zwei Kinder werfen sich einen Ball zu.
"Was wissen sie über die hierbei relevanten physikalischen Gesetze? Man müßte sagen: nicht viel, ginge man allein danach, was die Kinder explizit über die Form der Flugbahnen und die maßgeblichen Einflußparameter aussagen können. Dennoch wissen sie ´gefühlsmäßig´ genau, wie stark sie zu werfen haben, ob sie einen Ball noch erreichen können und vieles mehr. Basiert dieses Wissen auf einer intuitiven Physik, welche die für diese Situation wesentlichen Aspekte der Bewegungsgesetze repräsentiert?" (Horst Krist/Friedrich Wilkening: "Repräsentationale Entwicklung". Sprache und Kognition 10. 1991:181-195, S.182)

Aber es gibt keinen Grund, hier den Begriff des "Wissens" einzuführen. S. Planimeter-Trugschluß und "Blaupause vs. Rezept". (Die Verfassser können wohl kaum sagen, was „repräsentieren“ hier bedeuten soll und warum sie dieses Wort verwenden.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.06.2018 um 14.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#38860

Raubfliegen „berechnen“ die Flugbahn ihrer Beute und fliegen Abkürzungen. Planimeter-Trugschluß. (Zur Zeit in allen Medien wegen eines neuen Raubfliegenbuches)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2018 um 04.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#38678

Dieser "wesentliche Teil der Wirklichkeit" ist das Sprechen von einer Innerlichkeit, einer inneren Welt, die ich nicht als Objekt, sondern als "folkpsychologisches" Konstrukt auffasse, im Sinne jener "transgressiven Metaphorik". Wie es dazu gekommen ist und wie es funktioniert (mit Unterschieden zwischen einzelnen Kulturen), das beschäftigt mich mehr als alles andere (und hindert mich auch daran, die deutsche Grammatik endlich abzuschließen). Weit entfernt also, daß mich dieser wesentliche Teil der Wirklichkeit nicht interessierte. Übrigens hat auch Skinner einen großen Teil seiner Arbeit auf dieses Thema verwendet, wie Wittgenstein, nur besser (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1106#30207).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.05.2018 um 17.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#38670

zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#38645:

Eine systematische Darstellung, z. B. als Buch, wäre natürlich toll und hätte ganz sicher viele Vorteile. (Meine lang gehegte heimliche Hoffnung ist ja besonders, daß es einmal eine umfassende deutsche Grammatik von Ihnen geben würde.)

Was die Verhaltensforschung und speziell den Behaviorismus betrifft, so habe ich wohl auch einige Probleme mit dem Wort "begriffskritisch".
Man kann natürlich sagen, das Bewußtsein interessiert mich nicht, darüber spreche ich nicht. Aber was bleibt, wenn man einen wesentlichen Teil der Wirklichkeit einfach ignoriert? Deshalb kommt man um die Frage der realen Existenz von Bewußtsein und Bewußtseinsinhalten (als Information) nicht herum.

Ich kann mein Ohr noch so fest an eine Musik-CD pressen, ich höre nichts. Ist das nicht ein ganz guter Vergleich zur Musik im Gehirn oder zum mentalen Lexikon? Das Lexikon ist hier ja auch nur ein sehr bildhafter Vergleich für die irgendwie gespeicherte Information.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.05.2018 um 18.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#38649

Man muß immer den ganzen Regelkreis betrachten: Der besteht aus Meßglied, Regler und Stellglied. Hier z.B. Augen, Gehirn und Hände.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.05.2018 um 15.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#38645

Aber das Bewußtsein der meisten Menschen (und früher aller Menschen) weiß nichts vom Gehirn, nicht wahr?

Ich hätte alles mit noch mehr Anführungszeichen einhegen sollen. Ich wollte nur sagen, daß im Fliehkraftregler keine Spur der Funktion aufzufinden ist, die er erst zusammen mit der Hardware ausübt, so wie in der Mausefalle nichts von einer Maus und im Gehirn nichts von Sprache, Musik und Schach. (Also auch kein "mentales Lexikon".)

Ob ich mich mit einer systematischen Darstellung verständlicher machen könnte als mit Hunderten von verstreuten Einträgen? Daß mein Vorgehen begriffskritisch ist und ich mit Bewußtsein, Wissen von sich usw. nichts anfangen kann und will?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 01.05.2018 um 09.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#38643

Der Fliehkraftregler weiß auch nichts von sich oder der ganzen Maschine, wenn er verbunden ist.

Das mit dem Körper verbundene Gehirn steuert nicht nur das Verhalten (Sprache, Musik, Schachspiel), sondern es weiß auch von sich bzw. das ganze System Mensch weiß von sich, insofern das Gehirn von übrigen Organen abhängig ist. Dieses Von-sich-Wissen ist ja das Wesen des Bewußtseins.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.05.2018 um 08.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#38641

Der Fliehkraftregler "weiß" nichts von der Dampfmaschine, die er regelt. Erst in mechanischer Verbindung mit der Maschine wird er überhaupt zum Fliehkraftregler.

Der Gehirn "weiß" nicht, was es verarbeitet und "speichert". Erst in Verbindung mit der Hardware des ganzen Körpers (und des Körpers mit der Gesellschaft) wird daraus Sprache, Musik oder Schachspiel...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.04.2018 um 08.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#38565

Um eine Dampfmaschine gleichmäßig laufen zu lassen, kann man die Rotation des Schwungrads messen und danach die Dampfzufuhr berechnen. Einfacher ist der Fliehkraftregler, der nichts mißt und nichts berechnet. So geht es in Tausenden von Fällen zu. Vgl. das Planimeterbeispiel, die Wüstenameisen mit ihrer "Integralrechnung", den Schützenfisch, die Mauthnerzelle usw.

"Nicht alles, was gemessen und berechnet werden kann, beruht auf Messung und Berechnung."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.03.2018 um 05.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#38278

Die "Türme von Hanoi" sind ein schönes Kinderspiel. Die mathematische Lösung ist gar nicht leicht:

https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%BCrme_von_Hanoi

Und zum Anschauen:

https://www.youtube.com/watch?v=UMPneeBzQHk

(Das hat der Herr Professor natürlich auswendig gelernt.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.03.2018 um 07.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#38263

Auch in deutschen Medien ist nun zu lesen, was Nicoló Cesana-Arlotti von der Johns-Hopkins-Universität zuvor in "Science" veröffentlicht hat: Kinder können logisch denken, bevor sie sprechen können. Logik sei also unabhängig von Sprache.

Ich brauche die Experimente nicht zu schildern. Es sind die von Piaget her bekannten Versuche mit Dingkonstanz usw. Natürlich zeigen Säuglinge im Hantieren mit Gegenständen eine gewisse Folgerichtigkeit, die buchstäblich in der Natur der Sache liegt. Wenn man will, kann man dem Verhalten ein logisches Schließen unterlegen, das ist aber Sache des Beobachters, logisierende Deutung. Notwendig ist es nicht, und erklären tut es auch nichts.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.09.2017 um 18.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#36237

„Es ist erstaunlich, daß Neurobiologen, die dem erklärenden Rückgriff auf Homunkuli keinen Glauben schenken, auf der anderen Seite annehmen, in neuronalen Strukturen seien exakte Algorithmen implementiert und es würden buchstäblich Berechnungen von Invarianzen vorgenommen.“ „Die Algorithmen, die von diesen Forschern zur Erklärung von Hirnfunktionen vorgeschlagen wurden, funktionieren deshalb, weil sie auf der Basis ingeniöser und präziser mathematischer Modelle, in einer auf sozialer Überlieferung basierenden Kultur, von Wissenschaftlern ersonnen wurden; sie wurden nicht von Homunkuli geschaffen, und es spricht nichts dafür, daß sie in unseren Gehirnen tatsächlich existieren.“ (Gerald Edelman: Unser Gehirn - ein dynamisches System. München, Zürich 1993:79)

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.06.2017 um 17.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#35306

Beim Betrachten eines Kindes auf einer Schaukel: Eine Zeitlang muß man die Kinder jedesmal anstoßen, damit sie Schwung gewinnen und nicht wieder verlieren. Irgendwann lernen sie, wie sie durch Strecken und Anwinkeln der Beine im richtigen Zeitpunkt selbst in Schwung kommen.
Noch länger dauert es, bis sie eine Schiffschaukel in Gang setzen können.
In beiden Fällen erfahren sie (anfangs durch Nachahmung zu mehr oder weniger zufallsgesteuerten Bewegungen angeregt), welche Bewegungen Erfolg haben, zuerst nur einen sehr geringen, aber immerhin.

Die Physik des Pendels ist nicht in irgendeinem vernünftigen Sinn in den Kindern "repräsentiert". (S. Planimeter und Radfahren)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.10.2016 um 06.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#33587

Die Leipziger Anthropologen haben bewiesen, daß auch Schimpansen eine Theory of Mind haben, anderen Intentionen und Überzeugungen zuschreiben (FAZ 19.10.16). Die Tests waren Abwandlungen des False-belief-Tests. Allerdings sei die ToM „implizit“, also – natürlich – nicht sprachlich formuliert. Nun kann man jedes Verhalten so beschreiben, als beruhe es auf Überzeugungen und Theorien. Das ist die mentalistische Simulation. Das ist keine Entdeckung, sondern eine Darstellungsweise, mit derselben Schwäche wie alle Thesen über „implizite Theorien“ (vgl. Planimeter). Aus der willkürlich gewählten mentalistischen Diktion kommt man nicht mehr heraus. Eine Beschreibung in Verhaltensbegriffen wird gar nicht ins Auge gefaßt. Was könnten Behavioristen aus den Versuchen machen!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.05.2016 um 12.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#32545

Noch eindrucksvoller als die Bienenwaben sind vielleicht die Schneckenhäuser (wir haben uns ja aus anderen Gründen schon mit den Schnirkelschnecken beschäftigt). An unseren Nordseestränden findet man ja mit Glück ein paar intakte Wellhornschneckenhäuser (die meisten sind wohl von kleinen Einsiedlerkrebsen entführt), also vergleichsweise bescheidene, aber doch auch kleine Wunderwerke. Man könnte meinen, es bedürfe eines raffinierten "Bauplanes", um sie hervorzubringen, aber das ist natürlich nicht so. Das Gebilde ergibt sich durch vergleichsweise einfache Steuerung gewisser Wachstumsphasen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2016 um 12.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#32522

Das Konstrukt der "mental maps" oder inneren Landkarten ist schwer in die Sprache der Psychologie und Neurologie zu übertragen, man weiß eigentlich gar nichts darüber. Es ist aber auch unnötig.
Wenn ich mich durch eine Stadt bewege, brauche ich keinen inneren Stadtplan. Ich muß nur an den entscheidenden Stellen wissen, wie es weitergeht. Dazu dienen mir auslösende Reize. Ich bin jetzt orientiert und außerdem gewiß, daß ich auch nach der nächsten Abzweigung wissen werde, wie es weitergeht. Das Labyrinthlernen führt die Ratte und mich nicht zur Entwicklung einer inneren Karte. Ich könnte eine solche aber mehr oder weniger rekonstruieren.
Ein schwieriges Gebiet. Dazu eine alltägliche Erfahrung, die wohl jeder kennt:
Ein Autofahrer fragt mich nach dem Weg. Ich kenne den Zielort und auch den Weg dorthin - meinen Weg als Radfahrer oder Fußgänger, aber nicht den des Autofahrers. Alle drei Fortbewegungsarten führen dazu, daß wir von derselben Stadt sozusagen drei verschiedene Stadtpläne im Kopf haben bzw., wie ich vorziehe, verschiedene Wegmarken. Deshalb fällt es mir schwer, dem Autofahrer Auskunft zu geben; ich begnüge mich oft damit, ihm zwei Kreuzungen weiterzuhelfen und ihm zu raten, dann noch einmal zu fragen. Andernfalls reut es mich manchmal, ihm einen Weg beschrieben zu haben, auf dem er eine Einbahnstraße in der falschen Richtung fahren müßte...

Allgemeinere Anwendung: Ich muß nicht den ganzen Satzbauplan im Kopf haben, bevor ich anfange zu sprechen. Ich bin aus Erfahrung sicher, daß ich nach dem konventionellen Anfang weiterwissen werde. So auch beim Klavierspielen – wobei der Berufsmusiker eher in der Lage ist, das Ganze zu rekonstruieren. Mozart konnte eine Oper nach einmaligem Hören aus dem Gedächtnis niederschreiben. Er wußte, wie das Wunderkind in Thomas Manns gleichnamiger Erzählung, gut und nur zu gut, wie es gemacht ist. Aber die Partitur ist nicht "gespeichert" – so wenig wie der fertige Kuchen im Backrezept (dies hatte ich schon als "Blaupause vs. Rezept" besprochen).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.02.2016 um 09.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#31574

Der mereologische Trugschluß (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#18428) ist schon von Aristoteles sprachkritisch widerlegt worden:

τὸ δὴ λέγειν ὀργίζεσθαι τὴν ψυχὴν ὅμοιον κἂν εἴ τις λέγοι τὴν ψυχὴν ὑφαίνειν ἢ οἰκοδομεῖν· βέλτιον γὰρ ἴσως μὴ λέγειν τὴν ψυχὴν ἐλεεῖν ἢ μανθάνειν ἢ διανοεῖσθαι, ἀλλὰ τὸν ἄνθρωπον τῇ ψυχῇ·

Auf deutsch also ungefähr:

"Wenn man sagte, die Seele sei zornig, so wäre das ähnlich, als wenn man sagte, die Seele webe oder baue ein Haus. Man sollte also besser nicht sagen, daß die Seele mitleide oder lerne oder denke, sondern daß der Mensch das mit Hilfe seiner Seele tue. (De anima 408b)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2016 um 10.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#31292

When Pfungst demonstrated that the horses of Elberfeld, who were showing marvelous linguistic and mathematical ability, were merely reacting to movements of the trainer's head, Mr. Krall, their owner, met the criticism in the most direct manner. He asked the horses whether they could see such small movements and in answer they spelled an emphatic 'No.' (Karl S. Lashley: „Persistent problems in the evolution of mind“. In: The neuropsychology of Lashley. New York u. a. 1960:455)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.11.2014 um 16.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#27381

Den Wüstenameisen ebenbürtig: Die Speikobra soll eine Fünftelsekunde „in die Zukunft planen“, wo sich die Augen ihres bewegten Opfers befinden werden, in die sie ihr Gift spritzt. (Bericht in der SZ vom 18.5.10)
Ein überflüssiger mentalistischer Schnörkel, der das Verhalten nicht erklärt. Bei Werfen von Gegenständen in vorbeifahrende Behälter kann ich natürlich ohne jede Berechnung lernen, etwas "vorzuhalten", so daß der Gegenstand dort ankommt, wo der Behälter etwas später sein wird. Den Rest erklärt die Physiologie; Berechnungen wird sie allerdings nicht vorfinden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.10.2014 um 07.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#27018


„Ausgehend von einem 'hypothetischen' Realismus stellt Lorenz dar, daß jede Anpassung eine außersubjektive Realität widerspiegele“, nämlich teils im Genom, teils im ZNS: „Man kann beides als Erkenntnisvorgang im Sinne eines Abbildens einer außersubjektiven Realität auffassen.“ (Irenäus Eibl-Eibesfeldt in: Lorenz und die Folgen. Zürich 1978:82.)

Dagegen ist dasselbe einzuwenden wie gegen die entsprechende Deutung ontogenetischer Vorgänge. Jede sogenannte Erkenntnis ist Anpassung und wird dadurch erklärt. Aber es erklärt nichts, wenn man umgekehrt jede Anpassung als Erkenntnis bezeichnet. Eine Mausefalle ist an Mäuse angepaßt, bildet sie aber nicht ab, und es bringt auch nichts, die Anpassung als Erkenntnis oder Wissen über Mäuse zu personalisieren. Fallen gibt es auch in der Natur.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2014 um 17.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#27009

Der Nobelpreis für Medizin geht an Erforscher des Hippocampus und der Gitterzellen, die dem Tier die räumliche Orientierung ermöglichen. Dazu meine laienhaften Bemerkungen: Sogleich ist von "mental maps", auch "neural maps" die Rede: Place cells allow an animal to construct a map of the environment and its location within it. Usw. Wie bitte? Das Tier konstruiert eine mentale Karte? Aus den Texten zum Thema, die ich bisher lesen konnte, geht nichts hervor, was solcher Rede eine mehr als metaphorische Bedeutung geben könnte.

Sogleich werden auch wieder die Londoner Taxifahrer angeführt, deren Hippocampus wegen der außerordentlichen Anforderungen an die Straßenkenntnis an einer bestimmten Stelle gewachsen sein soll. Ich weiß nicht, wie weit versucht worden ist, Maguires Untersuchungen von 1999 zu replizieren. Den 16 Taxifahrern stand damals eine nicht ganz klare Kontrollgruppe gegenüber. Später will man auch Unterschiede zwischen Taxifahrern und Busfahrern festgestellt haben und folgerte daraus, daß Taxi- und Busfahrer wohl in verschiedenen Leistungsbereichen geeigneter sein müßten. Das ist mir immer ziemlich windig vorgekommen, aber vielleicht irre ich mich ja.

Inzwischen hat der Navi dafür gesorgt, daß die Untersuchungen nicht wiederholt werden können, weil es keine Londoner Taxifahrer mit Superhippocampus mehr gibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.03.2013 um 11.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#22884

Um nachzuweisen, daß Ameisen ihre Schritte "zählen", hat man ihnen zum Beispiel die Beine durch Schweineborsten verlängert. Sie liefen dann erwartungsgemäß zu weit. In populären Berichten für das empfindsame Publikum wird manchmal angemerkt, den Tieren sei dadurch kein Leid zugefügt worden. Verschwiegen wird, daß man den Ameisen auch die Beine verkürzt hat ... (Walking on stilts and stumps).


Nun ja, bei jedem Spaziergang lassen wir schwerverletzte Insekten und Würmer zurück, da braucht sich niemand so anzustellen.
 
 

Kommentar von Joghurtbecher, halbleer, verfaßt am 16.04.2011 um 05.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#18496

Das Verhalten eines Perimeters – oder einer Uhr – ist ja noch nicht besonders komplex. Kein guter Vergleich mit der mausenden Katze. Warum nicht andere mechanische Systeme heranziehen, z.B. eine Nähmaschine mit Stichschablonen, auf denen das Verhalten der Nadel kodiert ist? Auch auf der DNA kann man bestimmte Abschnitte einem bestimmten Verhalten zuordnen. Ich halte es nicht für erfolversprechend, wenn man das Gehirn als etwas betrachtet, das ganzheitlich ein bestimmtes Vehalten zeigt.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 05.04.2011 um 20.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#18429

Und was sagt Gallmann dazu bzw. wie sieht er das? (Ich vermute mal, daß er ganz auf Chomskys Seite ist.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.04.2011 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#18428

Ja, mir geht es natürlich immer noch um die Sprache. Nach üblicher Auffassung befolgen wir beim Sprechen "grammatische Regeln" usw.

Vielleicht erinnert sich mancher noch an meine Frage nach einem Planimeter, siehe hier.

Skinner hat zu Chomsky usw. geschrieben:

„Die sogenannten Regeln der Grammatik sind jüngst Gegenstand einer weitläufigen Kontroverse geworden. In dieser Kontroverse wurde behauptet, daß es Regeln und Anweisungen gibt, die die Sprachgemeinschaft beherrschen und denen wir gehorchen, ohne uns dessen bewußt zu sein. Gewiß haben die Menschen über Jahrtausende grammatisch gesprochen, ohne zu wissen, daß es grammatische Regeln gibt. Ein grammatisches Verhalten wurde damals wie heute durch die verstärkenden Praktiken einer Sprachgemeinschaft geformt, aufgrund derer sich einige Arten von Verhalten als wirksamer erwiesen als andere. Durch das Zusammenwirken vergangener Verstärkungen und eines gegenwärtigen Problemaufbaus wurden Sätze erzeugt. Der Sprachgebrauch aber wurde von Kontingenzen und nicht von Regeln beherrscht, ob diese nun explizit formuliert gewesen sind oder nicht.“ (B. F. Skinner: Was ist Behaviorismus, Reinbek 1978: 146)

Meiner Ansicht nach hat der Trugschluß bzw. die irreführende Begrifflichkeit zwei Spielarten, die ich als Planimeter-Trugschluß und Homunkulus-Trugschluß bezeichnen möchte.

Der erste besteht darin, einem Teil des Systems zuzuschreiben, was nur dem ganzen System zukommt. Daher auch die Bezeichnung mereologischer Trugschluß, ausführlich und meisterhaft behandelt von Bennett/Hacker in "Philosophical foundations ..." (wozu jetzt auch auf deutsch ein Diskussionsband erschienen ist). Frühe Entlarvung:
„Wenn mir jemand zeigt, daß eine leichte Verletzung irgendeines Hirnteils bewirkt, daß eine sonst gesunde Katze das Mausen läßt, so will ich glauben, daß man auf dem richtigen Wege psychischer Entdeckungen ist. Ich werde aber auch dann nicht annehmen, daß damit der Punkt getroffen ist, in welchem die Vorstellungen der Mäusejagd ihren ausschließlichen Sitz haben. Wenn eine Uhr die Stunden falsch schlägt, weil ein Rädchen verletzt ist, so folgt daraus noch nicht, daß das Rädchen die Stunden schlug.“ (Friedrich A. Lange: Geschichte des Materialismus. Bd. 2. Frankfurt 1974:797f.; zuerst erschienen 1866)

Der Homunkulus-Trugschluß besteht darin, eine "Person", eben den Homunkulus, in subpersonale Bereiche zu projizieren. Darüber haben sehr viele gehandelt, besonders deutlich drückt sich Geert Keil aus (obwohl ich dessen Gesamtauffassung nicht ganz teile, denn ich bin Behaviorist und vertrete die vollständige Naturalisierbarkeit der Sprache und des "Geistes"!).
Vgl. auch:
„That one can model behavior does not imply that the behaving subject ‘‘knows the model.’’ A pigeon on concurrent schedules of reinforcement knows nothing of the matching law; in flight it knows nothing of principles of aerodynamics. But according to Chomsky, grammatical rules are not merely models of behavior; they are things that native speakers know. The model has slipped out of the linguist’s notebook into the speaker’s head.” (David Palmer, Nativism reconsidered)

Ich erspare mir genauere Nachweise, unter den genannten Namen finden Sie ganz schnell das Einschlägige!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.04.2011 um 15.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1432#18427

Nicht nur Tiere haben solche erstaunlichen Eigenschaften. So sollen zum Beispiel reife Äpfel die Fähigkeit besitzen, das Newtonsche Gravitationsgesetz anzuwenden.
 
 

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