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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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01.07.2005
 

Was wird falsch, was bleibt richtig?
Eine Handreichung zur neuen Schulorthographie

Nach mehreren inoffiziellen Änderungen und einer wenig beachteten amtlichen Revision im Jahre 2004 wissen viele Lehrer, Schüler und Eltern nicht mehr, was von der Rechtschreibreform eigentlich übriggeblieben ist. Zur Zeit arbeitet zwar der neue „Rat für deutsche Rechtschreibung“ an durchgreifenden Korrekturen in allen Teilbereichen, doch soll nach dem Willen der Kultusminister und Ministerpräsidenten am 1. August etwa die Hälfte der neuen Regeln bereits verbindlich und notenrelevant werden. Entsprechende Wörterbücher oder andere Hilfsmittel liegen noch nicht vor. Die folgenden Beispiele zeigen exemplarisch den gegenwärtigen Stand, mit dem sich vor allem die Deutschlehrer vertraut machen müssen.


Als allein richtig gelten ab August folgende Schreibweisen:

im Allgemeinen, des Öfteren, im Voraus, im Einzelnen u. ä.
jemandem Feind sein, Freund sein, Todfeind sein
jeder Einzelne
der Letztere, das Folgende
er ging Pleite, Bankrott
heute Abend
wir leben Diät, kochen Diät
Seefahrt ist Not; er hat Hilfe dringend Not
wie Recht du doch hattest
zu Eigen machen
jedes Mal
in Sonderheit
jenseits von gut und böse
Primus inter Pares
rau
Zierrat
behände: „Füße, die behände sind, Schaden zu tun“ (Lutherbibel, Spr. 6, 18)
Stängel
einbläuen
Quäntchen
sich schnäuzen
gräulich
nummerieren
deplatziert
Tipp, Mopp, Stopp
dass, Missstand
30-jährig
Fens-ter, Zu-cker usw.
„So?“, fragte sie.


Zulässige Formen sind zum Beispiel:

bei Weitem, seit Langem u. ä.
die Meisten
du tust mir sehr Leid
die so genannte Reform
Schikoree, Kupee, passee (aber nur Abbé, Attaché)
Spagetti
Katarr
Hämorriden
Kolofonium, Fonetik
Res-pekt, O-blate, malt-rätieren, Tee-nager, vol-lenden, Dusche-cke usw.


Als Fehler zu kennzeichnen sind zum Beispiel:

im allgemeinen, des öfteren, im voraus, im einzelnen u. ä.
jemandem feind sein, freund sein, todfeind sein
jeder einzelne
der letztere, das folgende
er ging pleite, bankrott
heute abend
wir leben diät, kochen diät
Seefahrt ist not; er hat Hilfe dringend not
wie recht du doch hattest
jedesmal
zu eigen machen
insonderheit
jenseits von Gut und Böse
Primus inter pares
rauh
Zierat
behende
Stengel
einbleuen
Gemse
Tolpatsch
Quentchen
sich schneuzen
greulich
numerieren
deplaciert, deplaziert
Tip, Mop, Stop
Gräkum
daß, Mißstand
30jährig
Fen-ster, Zuk-ker usw.
„So?“ fragte sie.



(Hinweise, Ergänzungen, Korrekturen erwünscht!)



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Kommentare zu »Was wird falsch, was bleibt richtig?«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.03.2014 um 05.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#25432

Wenn die Dudenredaktion (falls es sie noch gibt) den Schreibbrauch beobachtete, würde sie feststellen, daß die von ihr empfohlene Schreibung Homofonie usw. nicht angenommen worden ist und geradezu exotisch wirkt. Unbegreiflich ist nach wie vor, warum der Rechtschreibrat und daher auch die Wörterbücher Symfonie nicht gelten lassen. Das ist dieselbe Verzagtheit wie bei den Porno- und anderen Grafen. Man führt das Projekt nicht zu Ende, weil dann seine ganze Lächerlichkeit offenbar würde.
 
 

Kommentar von Reinhard Markner, verfaßt am 08.07.2005 um 16.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#666

§ 40 warnt nicht ausdrücklich vor der Schreibweise der Siebzehn-Jährige, aber § 42 E hebt hervor, daß »ausgeschrieben: die Zweierbeziehung, die Zehnergruppe, die Achtzigerjahre (auch die achtziger Jahre)« zu schreiben sei. Siehe auch Wörterverzeichnis s. v. Achttonner.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 08.07.2005 um 15.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#665

Müßte er wohl – obwohl es ja keinen Jährigen gibt, weswegen ich diese Schreibweise für prinzipiell verfehlt halte.
 
 

Kommentar von Sabine, verfaßt am 08.07.2005 um 15.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#664

Ist dann der Dreißig-Jährige auch richtig?
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 08.07.2005 um 15.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#663

Allein richtig dürfte doch außerdem der 30-Jährige sein (Schreibung mit Bindestrich), ohne daß der Dreißigjährige falsch wird – im Unterschied zum 30jährigen.

Warum wird Gräkum falsch?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.07.2005 um 10.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#636

Wie Frau Ahrens richtig sagt, gilt "Stopp" jetzt auch im Sport, das amtliche Regelwerk vermerkt ausdrücklich "auch beim Tennis". Es kommt also hier auf das "allein richtig" an. Bei der überwiegend englischen Tennisterminologie ist das schon recht eigenartig, und außerdem mischt sich die Reform hier entgegen allen Proklamationen eben doch in Fachsprachen ein.
 
 

Kommentar von Klaus Malorny, verfaßt am 02.07.2005 um 00.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#635

Zu Potential: Neulich habe ich in einem Elektronikkatalog "Potenziometer" (veränderbare ohmsche Widerstände) gesehen. Einfach "grässsslich".
 
 

Kommentar von Reinhard Markner, verfaßt am 01.07.2005 um 16.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#626

deplaciert gilt offiziell als »veraltet«, muß es deshalb in der Schule als Fehler gelten?

Daß die Schreibweise Stenografie »verbindlich« gemacht wurde, ging übrigens (Helmut Jochems deutet es an) unmittelbar auf einen »Führerbefehl« zurück.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 01.07.2005 um 16.31 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#625

H.J. schrieb:
Über "Potenzial" braucht man kein Wort zu verlieren, das ist natürlich eine rein künstliche Kreation...

Ja, aber es gibt sie jetzt (und vorher nicht), die Veröffentlichungen, in denen es steht, oder Einsparpotenzial, Differenzialgleichungen, usw. usf. Sucht man Materiial zu solchen Stichwörtern, muß man heute und in Zukunft beide Schreibweisen kennen und beim Suchen berücksichtigen. Und die Neufehler sicherheitshalber auch, wie "nummerisch" statt "numerisch".
Auch "nicht linear" und ähnliche Neu-Getrenntschreibungen. Wenn Sie "nichtlinear" eingeben, kriegen Sie keinen Hinweis, daß es jetzt auch "nicht linear" gibt.
Mit "...graph..." war es bisher schon so, auch mit "..foto...", das ist richtig. Aber die Zahl solcher Stolpersteine wurde mutwillig vermehrt, das ist das Problem. Und damit wurde der Grad von Zuverlässigkeit, der überhaupt erreichbar ist, vermindert.
 
 

Kommentar von H. J., verfaßt am 01.07.2005 um 16.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#624

Von 1942 bis 1945, in der DDR bis 1989, hieß die Einheitskurzschrift "Deutsche Stenografie", so auch in Ableitungen, z. B. "Stenografisches Wörterbuch", und auch bei uns weiterhin "Deutscher Stenografenbund", "Westdeutsche Stenografenjugend" u.ä.. Der "Verband der Parlaments- und Verhandlungsstenographen" schreibt sich allerdings mit "ph", so auch sein Verbandsorgan "Neue stenographische Praxis". (Die "Stenografische Praxis" der 20er Jahre schrieb sich allerdings mit "f"!)
Schreibungen mit "ph" sehen für "Stenografen" leicht antiquiert oder aber bewußt seriös aus. Ein Unikum sind die "Bayerischen Blätter für Stenographie", die im Text das "f" nicht scheuen: "Konrad Zuse - Erfinder des Computers und Stenograf dazu". "Telegraf" ist in allen Formen seit Menschengedenken nie anders geschrieben worden. Bei den meisten übrigen Bildungen auf "-graph" herrscht allerdings die "ph"-Schreibung vor und wurde, falls eine Variante auf "f" existierte, vom Duden dieser vorgezogen. Über "Potenzial" braucht man kein Wort zu verlieren, das ist natürlich eine rein künstliche Kreation. Man muß also deutlich zwischen schon stattgefundener Anpassung und traditionellen Formen unterscheiden.
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 01.07.2005 um 16.02 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#623

Ich glaube, für Referendare wird es sich lohnen, zur Lehrprobe einen Anwalt mitzunehmen. Man kann ja nie wissen...
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 01.07.2005 um 13.17 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#620

Was ist mit "...graf..." statt "...graph..."
und mit "...zial" statt "...tial"?

Das sind eine Menge Wörter, bei denen man jetzt immer mehr drauf achten muß, daß beide Schreibweisen vorkommen. Google weist manchmal bei der Schreibweise mit f auf die mit ph hin, aber nicht umgekehrt!
(Dahinter steckt natürlich kein artificial intelligence program für deutsche Orthographie, sondern nur eine Art Häufigkeits-Wörterverzeichnis - deswegen wird von der selteneren auf die häufigere Form hingewiesen, also von der jetzt (möglicherweise) richtigen auf die jetzt falsche.)
Sucht man Kombinationen von zwei oder mehr Wörtern, sind jetzt Kenntnisse in Mengenlehre hilfreich!
 
 

Kommentar von Gabriele Ahrens, verfaßt am 01.07.2005 um 11.23 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#617

Schrieb man "Stopp" nicht immer schon mit zwei p? Außer im Sport, auf Verkehrsschildern und "im Telegrafenverkehr" (Duden, 1980)?
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 01.07.2005 um 09.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=169#612

"richtig" werden:

Tipp, Mopp, Stopp (aber nicht "Flopp", nicht "Poppmusik", nicht "Toppresultat", der Duden kennt auch den "Dip" und nicht den "Dipp", dito das Adjektiv "hip" und nicht "hipp")

nummerieren (aber nicht "Nummerik", Teilgebiet der angewandten Mathematik;
"nummerisch" ist laut Duden Online "seltener" für "numerisch"; nicht "Nummero")

belämmert (aber nicht "Lämminge" - hat mit "Lamm" genausowenig zu tun)

 
 

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