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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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22.10.2005
 

Heyse, Steinthal
Es ist gar nicht leicht, einen Text in Heyse-Schreibung zu finden

Lange Zeit habe ich nach einem umfangreicheren Text gesucht, bis ich gestern entdeckte, daß ein solcher seit Jahrzehnten in meinem Regal steht:
Steinthals "Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern" (2. Aufl. 1890, Verlag F. Dümmler, Berlin), von mir vollständig gelesen und mit Randbemerkungen versehen. Die beiden Bände kennen auch kein th in deutschen Wörtern mehr, aber sonst sind sie orthographisch recht eigenartig und eher rückständig.

Übrigens habe ich den ersten Band nur deswegen hervorgeholt, weil ich sehen wollte, was S. zu der bekannten Stelle aus Aristoteles Peri hermeneias 16a sagt, die Utz Maas vor ein paar Jahren anders als üblich interpretiert hat. Es geht um das Verhältnis von Schrift und Laut. Meiner Ansicht nach muß "pathemata" auf beides bezogen werden; aber im Register der von Zekl besorgten zweisprachigen Ausgabe bei Meiner sind sie ganz weggelassen, als ob im Text nur stünde "ta en te phone" usw. Das heißt aber bestimmt nicht "die grammatische Struktur" oder "die sprachlich-grammatische Gestaltung der Welt". Die Menschen denken alle dieselben Gedanken, und dafür gibt es verschiedene lautliche Zeichen und dafür wiederum verschiedene schriftliche. Das muß man nicht überinterpretieren.



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Kommentare zu »Heyse, Steinthal«
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Kommentar von Wolf Busch, verfaßt am 23.10.2005 um 13.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=266#1201

Alexander Glück schrieb: Herr Glasreiniger sitzt vielleicht einem Irrtum auf. Oder ich.

Wenn in Antiqua-Drucken kein Eszett verwendet wurde, dann hatte das meist den schlichten Grund, daß der Setzer kein Antiqua-Eszett im Setzkasten hatte. Das hat mit Heysescher s-Schreibung nichts zu tun. Als Ersatz für das aus technischen Gründen fehlende <ß> hat man in Antiqua-Drucken des 19. Jh.s oft <ss> verwendet, man druckte also "grosse", "Fuss", "Fluss", "massgebend" usw. In anderen Drucken wurde wiederum das <ß> durch eine Kombination von langem s und rundem s dargestellt, so wie in diesem Beispiel aus dem Jahr 1796, das natürlich nicht in Heysescher, sondern in herkömmlicher Schreibung gedruckt ist:

http://flitternikel.onlinehome.de/rudolphi-1796.jpg

Man beachte auch, daß da ansonsten gar kein langes s verwendet wird, es wird nur zur Darstellung des Eszett gebraucht. Für anfängliche Verwirrung sorgt natürlich der Umstand, daß dieses Antiqua-daß so ähnlich aussieht wie das Heysesche Fraktur-dass aus den vorher erwähnten Büchern. Aber das liegt eben daran, daß man hier eine Schrift mit langem s mit einer Schrift ohne langes s vergleicht.

Einige Bilder und Anmerkungen zur Heyseschen s-Schreibung in Fraktur findet man hier:

http://flitternikel.onlinehome.de/heyse-s.html

In einer Schrift mit langem s muß man bei der Heyseschen Schreibung eben noch einiges bedenken und regeln, so daß sie dann schließlich komplizierter als die herkömmliche Adelungsche Schreibung wird.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 23.10.2005 um 10.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=266#1200

Herr Glasreiniger sitzt vielleicht einem Irrtum auf. Oder ich.

Soweit ich weiß, besteht ja Heyses s-Schreibung gerade darin, daß ß durch ein langes und ein kleines s zu ersetzen. Die heutige Umsetzung mit zwei kleinen s ist ja weitaus problematischer. Da typographisch das ß sowieso aus einem langen und einem kleinen s zusammengefügt ist, könnte ich persönlich bei aller ß-Sympathie mit der getrennten Form leben. Aber dazu bedarf es eines langen s wie etwa in der "Englischen Garamond" von Delbanco.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 22.10.2005 um 20.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=266#1195

Die Beispiele sind in Fraktur gesetzt. Ein Werk, das in Antiqua, jedoch ohne ß gesetzt ist, wäre J.Grimms "Deutsche Mythologie". Trotz Antiqua wird dort aber das schlanke s verwendet, wenn das ß ersetzt wird, und zwar konsequent, mithin keine Heyse-Schreibung. Gibt es Bücher aus dieser Zeit, die mit doppeltem rundem s für ß gesetzt sind?
 
 

Kommentar von Wolf Busch, verfaßt am 22.10.2005 um 19.09 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=266#1193

Auf der Website von "alo" ("austrian literature online") kann man recht bequem in alten (österreichischen) Büchern blättern: http://www.literature.at/webinterface/library

Dort findet man nach einigem Suchen auch Bücher, in denen die Heysesche s-Schreibung verwendet wird. Hier der Link zu einer Seite aus einer Untersuchung von 1889 (Armin Ehrenzweig: Über den Rechtsgrund der Vertragsverbindlichkeit), wo die Wörter "dass" und "Geheiß" vorkommen:

http://www.literature.at/webinterface/library/ALO-BOOK_V01?objid=13415&page=9&zoom=3

Auch in einem "Lesebuch für den deutschen Sprachunterricht in nicht-deutschen Volksschulen" von 1863 wird die Heysesche s-Schreibung verwendet, was man z.B. hier sehr schön sieht ("dass"; "abzubüßen"):

http://www.literature.at/webinterface/library/ALO-BOOK_V01?objid=726&page=12&zoom=2
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 22.10.2005 um 15.06 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=266#1191

Most: Encyclopädie der gesammten Volksmedicin (Leipzig: Brockhaus 1843) schreibt zwar nicht korrekt nach Heyse (wie auch), nimmt aber schon erhebliche Teile der RSR vorweg, nicht nur mit "dass" und "Brennnessel".

Gibt es günstig als Reprint auf www.sfb.at oder www.zvab.de.
 
 

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