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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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11.02.2006
 

Der große Kuchen
Früher machte es der Duden

Das war ein Grund des Anstoßes, und man wollte dem Privatunternehmen das Geschäft entreißen. Bertelsmann hat klipp und klar gesagt, was der Konzern sich von der Reform versprach: einen erheblichen Anteil am Wörterbuchmarkt.

Die Undeutlichkeit und Unvollständigkeit der Reform, der Reformreform und nun der Reformreformreform führt dazu, daß immer mehr Entscheidungen den drei im Rat vertretenen Wörterbuchredaktionen überlassen werden. Die Rechtschreibung wird also wieder "privatisiert", und das ist sicher nicht das schlechteste, wenn man an die genugsam durchlittenen Fehlentscheidungen staatlich beauftragter Gruppen zurückdenkt. Unterm Strich bleibt, daß zum Duden nun noch Bertelsmann hinzugekommen ist, wie geplant. (Das ÖWB war schon vorher dabei.)



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Kommentare zu »Der große Kuchen«
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Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 11.02.2006 um 13.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=402#2551

Die Entscheidung für den Weg zurück zur bewährten Rechtschreibung kann in Deutschland nur gerichtlich durchgesetzt werden. Die Bürokratie ist ein unbewegliches Monstrum, dem man nur durch gerichtlichen Druck beikommen kann (und selbst dann manchmal nicht)...

Und die Politiker? Die sind keine Hilfe. Gab es in Deutschland denn jemals schon eine echte Demokratie mit einer nennenswerten Anteilnahme durch die Bürger? Da müssen wir schon 2000 Jahre bis zu den Germanen des Tacitus zurückgehen. Heute haben wir leider nur die B-Kategorie einer möglichen Demokratie als politisches System; mit Parteien und Politikern, denen der Wille der Bürger in so gut wie jeder Frage egal ist (und die – was viel schlimmer ist – mit Angstmacherei und das Gegeneinanderausspielen von Bevölkerungsgruppen ihre miese Politik durchsetzen).

Und wie könnte man noch etwas gerichtlich herumreißen? Dazu drei wichtige Punkte:

1. Man finde einen ex-Verfassungsrichter mit Rang und Namen von einwandfreiem Leumund. Ohne einen Insider, der weiß, worauf es ankommt, ist der Weg vors Gericht eine Sackgasse.

2. Man finde einen Grund – und hier bietet sich noch einmal an, darauf hinzuweisen, daß die Sprache eine Kulturleistung des ganzen Volkes und nicht nur einiger weniger Experten ist, und daß in der Schule nur der Konsens der ganzen Bürgergemeinschaft (= und der Konsens ist die alte Rechtschreibung) unterrichtet werden darf (*). Denn die Schule soll die Kinder nicht mit etwas indoktrinieren, was entgegen dem Wissen/Willen/Wollen der Eltern steht – das ist eine ganz wichtige Lehre, die wir aus den düsteren Erfahrungen des 20. Jahrhunderts eigentlich hätten ziehen sollen.
Also: Wenn die Bürgergemeinschaft offensichtlich etwas anderes will, dann muß die Politik das auch umsetzen – oder, wenn die Politiker meinen, das sei trotz einheitlichem Bürgerwillen nicht umsetzbar, dann müssen sie ihr Mandat niederlegen und gehen! Das ist eigentlich der Kernpunkt einer echten Demokratie mit gewählten Volksvertretern.
Wo haben wir auf der Straße der Geschichte bloß die falsche Ausfahrt genommen, daß es uns gerade hierhin in dieses Bürokratensystem geführt hat?

3. Man umgehe alle Vorinstanzen und bringe den Fall (mit Hilfe des Verfassungsrichters und der richtigen Klagedefinition) direkt vor das oberste Gericht und erzwinge mit seiner Hilfe eine eindeutige und nicht mehr anfechtbare Entscheidung. Kein weiteres Gewäsch, das so oder so ausgelegt werden kann.

(*) Im Extrem bedeutet das auch: Wenn alle Bürger glauben, die Erde sei eine Scheibe, dann müßte dieses auch in der Schule unterrichtet werden. Doch zum Glück sind unsere Bürger weitaus klüger, als manch einem Politiker lieb ist.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 11.02.2006 um 13.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=402#2550

Die Ministerialbeamten verweisen bisher auf "die Wörterbücher" als Korrekturmaßstab, ohne Namen zu nennen. Ist bekannt, ob sie nichtreformierte Wörterbücher ausdrücklich ausschließen?
 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 11.02.2006 um 12.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=402#2549

@ Herr Ickler:
1. Und wird der Staat davon ablassen, den Schulen eine weltfremde und minderwertige Rechtschreibung aufzunötigen?

2. Wird die Weitergeltung der herkömmlichen Rechtschreibung zugesichert werden?

3. Ja, ich stimme Ihnen zu. Müßten sich beide Rechtschreibungen nebeneinander behaupten, gewänne die "alte", jedoch müßte dies bald geschehen, denn die junge Generation ist "reformliebend", selbst konservative Jugendliche, wie ich leider immer wieder feststellen muß. Sie behaupten, die "alte" Rechtschreibung sei ein Monster der Bürokratie, von Ausnahmen nur so zerfressen, und sie preisen die "neue". Daß das Unsinn ist, kann man ihnen nicht erklären.
Daher müßte so ein Wettbewerb zu einer Zeit stattfinden, in der die "reformfreudigen" Jugend noch nicht in der Überzahl ist.

4. Dann bräuchte es natürlich nichtreformierte Wörterbücher. Aber wie ich bereits geschrieben habe, sieht es wohl nicht so aus, als gäbe es ein nichtreformiertes. Die großen Wörterbücher, Duden und Bertelsmann, kehren sicher nicht zur bewährten Schreibung zurück, und kleinere Wörterbücher sind ohne Belang.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 11.02.2006 um 10.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=402#2548

Ich sehe folgende Wege zum Verschwinden der reformierten Rechtschreibung:

1. Gerichtlich. Nicht wettbewerbsrechtlich, sondern eher über Schul- und evt. auch Verfassungsrecht, die verletzt sein könnten

2. Im freien Wettbewerb zwischen der alten und neuen Rechtschreibung. Voraussetzung wäre die völige Freigabe an den Schulen und damit die Zulassung sämtlicher Wörterbücher als Korrekturbasis

3. Durch Einsicht und Umkehr der Verantwortlichen angesichts der Nichtbefolgung durch Presse und Buchverlage. Die Hoffnung, alle gleichschalten zu können, ist ja wohl ganz besonders nach dem balmablen Ergebnis des Rates nicht größer geworden.

4.Stillschweigend durch allmähliches Absterben infolge Nichtbeachtung – auch in der Schule

Auf welche Möglichkeit solte man am ehesten setzen? Wo wären die Kräfte zu bündeln?

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.02.2006 um 10.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=402#2547

Immerhin könnte ein Markt für nichtreformierte Wörterbücher entstehen. Die Nachfrage ist da. Natürlich müßte der Staat davon ablassen, den Schulen eine weltfremde und minderwertige Rechtschreibung aufzunötigen. Mit Recht fordern Elternverein und andere, daß zunächst die Weitergeltung der herkömmlichen Rechtschreibung zugesichert werden muß. Wenn die reformierte sich in freier Konkurrenz behaupten müßte, wäre sie bald vom Tisch. Das Fehlen nichtreformierter Wörterbücher wird selbst allmählich zu einer ärgerlichen Tatsache, die den Weg zur Rückkehr versperrt.
 
 

Kommentar von j.k., verfaßt am 11.02.2006 um 09.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=402#2546

Sicherlich wäre es für die Zukunft empfehlenswert, wenn wieder private Unternehmen die Rechtschreibung formen. Jedoch wird uns die Tatsache, daß sich der Staat in naher oder ferner Zukunft aus Rechtschreibfragen wieder zurückzieht, wohl kaum helfen, denn weder der Duden noch Bertelsmann oder das Österreichische Wörterbuch werden die Heysesche s-Schreibung oder anderen Reformmist kippen.
 
 

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