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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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30.10.2006
 

Krieg führend oder nicht
Gewollte Zweideutigkeit im neuen Duden

Duden 2006: Die Zusammensetzungen mit nicht- (nichtleitend, nichtamtlich) sind zwar verzeichnet, empfohlen werden aber ausschließlich die getrennt geschriebenen Wortgruppen: nicht leitend, nicht amtlich.
Damit wird die besonders leserfreundliche Unterscheidung von Adverb und Kompositumsteil aufgegeben, und der terminologische Charakter vieler dieser Bildungen geht verloren: nicht euklidisch, nicht Krieg führend. Bei Substantivierung empfiehlt der Duden paradoxerweise dann wieder Zusammenschreibung: der Nichtsesshafte, Nichtzutreffendes. Der Lehrer, der mit solchen Sachen seinen Deutschunterricht bestreiten muß, ist zu bedauern.



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Kommentare zu »Krieg führend oder nicht«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.03.2022 um 04.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#48722

In den Wörterbuchredaktionen saßen früher gut ausgebildete Sprachwissenschaftler. Heute erzeugen Hilfskräfte solche Monstrositäten wie "den Erstgebärenden", und beurlaubte Postangestellte schreiben für Langenscheidt deutsche Grammatiken. Was ist da zu erwarten?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.03.2022 um 00.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#48721

Früher faßten die Wörterbücher den allgemeinen Schreibbrauch in Regeln zusammen. Heute werden von einem Gremium nach Gutdünken Regeln erstellt und der dazugehörige Schreibbrauch ergibt sich von allein, programmgesteuert.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.03.2022 um 00.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#48720

Ich nehme an, es breitet sich aus, weil fast alle automatische Korrekturprogramme verwenden. Da breitet sich zwangsläufig aus, was festgelegt wird. Es ist, als könnte jemand einen Schalter in allen Köpfen gleichzeitig umlegen, und schon wird die neue Regel befolgt. Wir werden langsam zu Robotern.
 
 

Kommentar von Christof Schardt, verfaßt am 15.03.2022 um 23.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#48719

Der Term "nichtlinear" bezeichnet eine ganz zentrale Eigenschaft von physikalischen Systemen bzw. ihren Beschreibung durch Differentialgleichungen. Er ist präsent in unzähligen Titeln wissenschaftlicher Fachbücher.
Der Duden erwähnt es, aber empfiehlt "nicht linear". Und es breitet sich aus.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 15.03.2022 um 22.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#48718

Auch in der Exklave Kaliningrad hat Russland solche »Iskander-M«-Systeme stationiert. Mit ihnen könnte es möglich sein, Nato-Raketenabwehrstellungen in Polen auszuschalten, unter Umständen könnte auch deutsches Territorium – Berlin etwa – erreicht werden. Während das bisher eine theoretische Möglichkeit ist, kommen die Waffen dieser Tage beim russischen Angriff auf die Ukraine tatsächlich zum Einsatz. Und dabei haben Experten eine Beobachtung gemacht, die sie sich zunächst nicht erklären konnten: Am Einschlagsort der russischen Geschosse fanden sich nicht explodierte, weiß-orangefarbene Flugkörper in Pfeilform. Zunächst war nicht klar, wozu sie dienten. (spiegel.de, 15.3.22)

Ich habe den vorletzten Satz zweimal lesen müssen. Gemeint ist nicht: fanden sich nicht [etwa] explodierte Flugkörper[, sondern ...], sondern: fanden sich nichtexplodierte/nicht-explodierte Flugkörper.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 30.12.2011 um 20.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#19793

Duden empfiehlt für die deutsche Entsprechung von intransiv Getrenntschreibung: nicht zielend. Als würde man sagen "Das Verb sitzen zielt nicht".
 
 

Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 19.11.2006 um 18.36 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#6747

Gerade bekomme ich eine eMail von http://www.australien-kostenlos.de. Darin finde ich wieder einmal ein (un)schönes Beispiel zur Getrenntschreibung von Partizipien – aber auch bei der Klein-/Großschreibung läßt sich die Web-Masterin nicht lumpen:

"In dieser Liste finden Australien begeisterte dann Informationen rund um Australien. Ihr Link passt sehr gut in den content und zählt mit zu den Besten die wir bis jetzt besucht haben. Das hinzufügen von Ihrem Weblink ist natürlich absolut kostenlos..."
 
 

Kommentar von rrbth, verfaßt am 07.11.2006 um 11.23 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#6667

In diesem (aus anderen Gründen) äußerst lesenswerten Aufsatz gibt es – wild wechselnde – „wildlebende“ und „wild lebende“ Pflanzen und Tiere.
 
 

Kommentar von Konrad Schultz, verfaßt am 04.11.2006 um 11.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#6645

An Germanist:
nicht beschränkte Funktionen - unbeschränkte Funktionen
nicht fallende monotone Funktionen - monoton nicht fallende Funktionen
nicht wachsende monotone Funktionen - monoton nicht wachsende Funktionen
Mir sind nur die rechten Formulierungen geläufig (oder bin ich vielleicht inzwischen zu alt?). Und die machen die beschriebenen Schwierigkeiten nicht.
 
 

Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 04.11.2006 um 09.29 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#6644

Zusammensetzungen (bzw. Auseinanderschreibungen) mit "nicht" sind geeignet, auch und gerade Gesetzestexte un- bzw. mißverständlich zu machen. Irgendwann wird es auch in einem Gerichtsverfahren darum gehen, wenn eine Seite den Text wörtlich nimmt.

Ein anderes Beispiel ist die folgende "wilde" Getrenntschreibung im Naturschutzgesetz: "Es ist verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen […],
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Teile oder Entwicklungsformen abzuschneiden […],
wild lebende Tiere […] zu stören …

Da die Kategorie der "wildlebenden" Tiere, also der Wildtiere, anscheinend nicht gemeint ist, bedeutet das wohl, daß auch "wild lebende" domestizierte Tiere geschützt sind – und im Umkehrschluß, daß Wildtiere in menschlicher Obhut nicht mehr geschützt sind. Schon ist das lästige Naturschutzrecht ausgehebelt …
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.10.2006 um 17.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#6589

In Fragesätzen mit Modalverben (können, müssen, dürfen, wollen, sollen, werden) und auch bei manchen Vollverben (sein, geben, haben) ist die auf das Modalverb bzw. Vollverb folgende Partikel "nicht" nur eine zusätzliche Fragepartikel und keine Verneinung. Schwierigkeiten gibt es beim Plural, weil der im Deutschen ohne Artikel stehen kann. In der Mathematik gibt es "nicht beschränkte Funktionen", "nicht fallende monotone Folgen", "nicht wachsende monotone Folgen". Wenn zwischen der Fragepartikel "nicht" und dem Partizip kein "auch" oder ähnliches eingefügt wird, ist es mißverständlich, ob das "nicht" Fragepartikel oder Verneinung des Partizips ist. Daher ist bei verneinten Partizipien die Zusammenschreibung eindeutiger. So viel Lesefreundlichkeit sollte schon sein.
 
 

Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 30.10.2006 um 12.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#6586

Zu den Problemen mit Suchsystemen hatte ich schon 1998 eine Korrespondenz mit Heller. Eine ausführliche Darstellung findet man hier, Auszug aus der Heller-Korrespondenz am Ende. Er gab zu, das "habe wohl niemand so recht bedacht", verharmloste die Sache und "reichte sie weiter".
 
 

Kommentar von Jürgen Langhans, verfaßt am 30.10.2006 um 11.59 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#6584

Die Auseinanderschreibepflicht ist fatal, nicht nur wegen der Suchmöglichkeiten in Fachtexten: "Können wir nicht lineare Gleichungen auch grafisch lösen?" - "Müssen wir nicht leitende Adern isolieren?" Was ist nun gemeint, wenn niemand weiß, welche Schreibung zu Grunde liegt bzw. dito, wenn man weiß, daß Neuschrieb angewendet wurde?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.10.2006 um 11.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#6583

Solche Schäden kommen erst nach und nach zum Vorschein. Natürlich ist schon früher darauf hingewiesen worden (z. B. in meinem Kritischen Kommentar S. 100 über nicht öffentlich/nichtöffentlich) und dann immer wieder einmal, aber eine zusammenfassende Darstellung in hinreichend hoher Auflage, die auch den Politikern zu denken geben könnte, existiert nicht. Und doch sind diese scheinbaren Kleinigkeiten, wie auch Herr Eversberg andeutet, auf die Dauer viel schädlicher als die grotesken Verirrungen, die sich bald von selbst erledigen werden. Es wird in unseren gewachsenen und sehr sinnvollen Intuitionen etwas von Grund auf zerstört. Mit nicht öffentlich wird eine Aussage verneint, mit nichtöffentlich ein Begriff abgesteckt; das hat schon Kant klargestellt.
 
 

Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 30.10.2006 um 11.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=698#6582

Der Verlust des "terminologischen Charakters" ist in Fachtexten besonders deswegen ärgerlich, weil er das Suchen erschwert. Wenn man bei der Suche nach "nichtlineare Differentialgleichung" immer bedenken muß, daß in einem Text auch "nicht lineare Differenzialgleichung" stehen könnte, ist man vierfach angeschmiert,
denn es sind dabei ja 4 Kombinationen möglich.
Nein, eine Suchsoftware kann das nicht alles zuverlässig abfangen. Es ist ein Kollateralschaden.
 
 

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